Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 16.04.2007, Az.: 12 ME 154/07
Bibliographie
- Gericht
- OVG Niedersachsen
- Datum
- 16.04.2007
- Aktenzeichen
- 12 ME 154/07
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2007, 63286
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OVGNI:2007:0416.12ME154.07.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- VG Braunschweig - 23.02.2007 - AZ: 6 B 413/06
In der Verwaltungsrechtssache
...
hat das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht - 12. Senat - am 16. April 2007 beschlossen:
Tenor:
Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Braunschweig - 6. Kammer - vom 23. Februar 2007 (Ablehnung der Anträge auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes und auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das gerichtliche Eilverfahren) wird zurückgewiesen.
Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens. In Bezug auf das Verfahren betreffend die Bewilligung von Prozesskostenhilfe werden außergerichtliche Kosten nicht erstattet.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 6 250,- Euro festgesetzt.
Gründe
Die zulässige Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts, mit dem sein Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes gegen die mit einer Anordnung der sofortigen Vollziehung versehene Fahrerlaubnisentziehungsverfügung des Antragsgegners vom 10. November 2006 und zugleich auch die Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das erstinstanzliche Verfahren abgelehnt worden ist, ist unbegründet.
Das Verwaltungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung ausgeführt, der Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes habe keinen Erfolg, weil die formell ordnungsgemäß begründete Anordnung der sofortigen Vollziehung des angefochtenen Bescheides bei summarischer Prüfung der Sachlage nicht zu beanstanden sei. Der Antragsgegner habe gemäß § 11 Abs. 8 FeV auf die Nichteignung des Antragstellers zum Führen von Kraftfahrzeugen schließen und ihm gemäß § 3 Abs. 1 Satz StVG die Fahrerlaubnis entziehen dürfen, weil er trotz berechtigter Aufforderung des Antragsgegners der Verpflichtung nicht nachgekommen sei, ein amtsärztliches Gutachten zur Abklärung von Fahreignungszweifeln vorzulegen. Der Antragsgegner sei zu Recht davon ausgegangen, dass die Ausführungen des Antragstellers in einer Vielzahl von Schreiben Zweifel an seinem Realitätssinn begründet hätten. Die vom Antragsteller vorgetragenen Überlegungen, mit denen er die Existenz der Bundesrepublik Deutschland sowie die Legitimation der Behörden bestreite und die Rechtsnormen der Bundesrepublik als ungültig ansehe, seien offensichtlich unhaltbar und gingen an der Realität vorbei. Seine Auffassung, als Bürger des Deutschen Reiches sei er als Exterritorialer anzusehen und unterliege daher nicht den Gesetzen sowie der Gerichtsbarkeit der Bundesrepublik Deutschland, treffe offensichtlich nicht zu. Bei den dargelegten Äußerungen des Antragstellers handele es sich um Tatsachen, die Bedenken gegen seine geistige Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen begründeten. Der Antragsteller stelle die Rechtsordnung der Bundesrepublik Deutschland und die Legitimation der Parlamente, Gerichte und Behörden der Bundesrepublik grundsätzlich und umfassend in Frage und habe auf dieser Grundlage wiederholt für sich in Anspruch genommen, konkrete Maßnahmen von Behörden und Gerichten als rechtswidrig und für ihn ungültig zu bezeichnen. Dieses Verhalten lasse einen Eignungsmangel als naheliegend erscheinen und rechtfertige es daher, durch ein ärztliches Gutachten abzuklären, ob die festgestellten Verhaltensmuster auf eine fahreignungsrelevante Gesundheitsstörung zurückzuführen seien und inwieweit sich eine festgestellte Beeinträchtigung auf seine Fahreignung auswirke. Der Antragsgegner habe mit der Anordnung, ein amtsärztliches Gutachten beizubringen, auch nicht das Grundrecht des Antragstellers auf Meinungsfreiheit nach Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG verletzt. Durch die Anordnung werde in das Grundrecht nicht eingegriffen. Dem Antragsteller werde nicht verboten, seine Auffassung zum Bestand des Deutschen Reiches und der Bundesrepublik Deutschland weiter zu äußern und zu verbreiten. Im Übrigen wäre, selbst wenn ein Eingriff in das Recht auf freie Meinungsäußerung vorläge, dieser gemäß Art. 5 Abs. 2 GG gerechtfertigt. Der Antragsteller habe das von ihm geforderte Gutachten ohne ausreichenden Grund nicht vorgelegt. Er habe es weder in der ihm gesetzten Frist noch zu einem späteren Zeitpunkt eingereicht. Die im gerichtlichen Verfahren vorgelegten Bescheinigungen des Facharztes D. vom 30. Oktober 2006 ließen nicht erkennen, dass sie den rechtlichen Anforderungen an Fahreignungsgutachten entsprächen. Insbesondere sei nicht nachgewiesen, dass der Arzt über eine verkehrsmedizinische Qualifikation verfüge. Weiterhin sei nicht ersichtlich, dass er die Anlasstatsachen für die Gutachtenanordnung des Antragsgegners sowie dessen Fahrerlaubnisakte berücksichtigt habe. Unabhängig davon komme es für die Entscheidung des Gerichts maßgeblich auf die im Zeitpunkt der Behördenentscheidung bestehende Sachlage an. Der Entziehung der Fahrerlaubnis nach § 11 Abs. 8 FeV stehe auch nicht entgegen, dass der Antragsteller dem Antragsgegner unter dem 27. Februar 2006 den Vordruck über eine Erklärung zur angeordneten Fahreignungsbegutachtung zurückgesandt und auf dem Schriftstück mit seiner Unterschrift erklärt habe, er sei mit der Erstellung des verlangten Eignungsgutachtens einverstanden. Denn er habe auf dem vorbereiteten Erklärungsvordruck gewichtige Formulierungen und Erklärungen gestrichen und aus seinem begleitenden Schreiben hätten sich darüber hinaus durchgreifende Zweifel an der Ernsthaftigkeit der formularmäßigen Einverständniserklärung ergeben. Insbesondere habe der Antragsteller es zu Unrecht abgelehnt, die Kosten der Untersuchung zu übernehmen, die begutachtenden Ärzte von der Schweigepflicht zu entbinden und sich mit der Übersendung der Verwaltungsvorgänge an den Gutachter einverstanden zu erklären. Soweit sich der Eilantrag gegen die Kostenentscheidung und die Zwangsmittelandrohung in dem Bescheid vom 10. November 2006 richte, könne er ebenfalls keinen Erfolg haben. Dasselbe gelte, soweit der Antragsteller die Feststellung begehre, seine Fahrerlaubnis der Klassen 2, 3, 4 und 5 sei weiterhin gültig. Dieses Begehren sei als Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO ebenso unzulässig wie als Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 123 VwGO. Ein Antrag nach § 123 VwGO wäre in der Sache jedenfalls auch unbegründet. Die Fahrerlaubnis des Antragstellers der Klasse 2 sei mit Vollendung seines 50. Lebensjahres im Mai 2006 gemäß § 76 Nr. 9 Satz 13 FeV ungültig geworden. Sie sei in eine Fahrerlaubnis der Klassen C. oder CE nicht umgestellt worden. Der Antragsteller könne die Berechtigung zum Führen entsprechender Fahrzeuge deshalb nur mit einem Antrag auf eine Fahrerlaubnis der Klassen C. und CE wieder erreichen. Im Verfahren auf Erteilung einer solchen Fahrerlaubnis seien dann allerdings auch die Regelungen in § 11 FeV anzuwenden, die dem Begehren aus den zuvor dargelegten Gründen gegenwärtig entgegenstünden.
Mit seinen dagegen erhobenen Einwendungen, auf deren Prüfung der Senat gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO beschränkt ist, dringt der Antragsteller nicht durch.
Sein Vortrag, seine Rüge sei übergangen worden, der (gemeint: die) Bedienstete des Antragsgegners habe bei den Verfügungen nur "i.A." unterzeichnet und sei nicht unterschriftsbefugt gewesen, ist unverständlich. Der Antragsteller legt nicht dar, in welchem Zusammenhang er diese Rüge erhoben haben will. Die Behauptung einer fehlenden Unterschriftsbefugnis der Sachbearbeiterin, die den Fahrerlaubnisentziehungsbescheid vom 10. November 2006 und das Hinweisschreiben vom selben Tage zur Frage der Gültigkeit der Fahrerlaubnis der alten Klasse 2 des Antragstellers unterzeichnet hat, wird in der Beschwerde nur ohne Substanz in den Raum gestellt, so dass für den Senat - jedenfalls bei der im vorliegenden Verfahren gebotenen summarischen Prüfung des Sachverhalts - kein Anhalt dafür besteht, die mit dem Vorgang befasste Bedienstete des Antragsgegners habe außerhalb ihrer Zuständigkeit oder Entscheidungsbefugnis gehandelt.
Mit seinen weiteren - insbesondere auch am Völkerrecht ausgerichteten - Vorbringen vermag der Antragsteller der Beschwerde ebenfalls nicht zum Erfolg zu verhelfen. Insoweit setzt er sich nicht hinreichend, d.h. dem Darlegungserfordernis gemäß § 146 Abs. 4 Satz 3 VwGO genügend, mit der Begründung der erstinstanzlichen Entscheidung auseinander. Seine Behauptung, er habe in seiner Praxis gezeigt, zu einem sozialadäquaten Verhalten zu den Straßenverkehrsvorgaben bereit zu sein, ist unerheblich. Denn die Bedenken an seiner Fahreignung sind, wie sich aus der Gutachtenanforderung des Antragsgegners vom 13. Januar 2006 und aus der Begründung des erstinstanzlichen Beschlusses ergibt, nicht wegen seines gezeigten Verhaltens im Straßenverkehr entstanden, sondern wegen seiner aktenkundig gewordenen Äußerungen - insbesondere gegenüber dem Amtsgericht E. - zum Bestand des Deutschen Reiches und zum Untergang der Bundesrepublik Deutschland, die auf einen geminderten Realitätssinn hindeuten und darauf, dass er sich, wie der Antragsgegner zutreffend angemerkt hat, in eine "Wunschwelt" zurückgezogen hat. Seine Behauptung, reale Anhaltspunkte für Krankheitsmerkmale seien bei ihm nicht ersichtlich, überzeugt deshalb nicht. Der Antragsteller lässt außer acht, dass das Verwaltungsgericht ausführlich begründet hat, dass seine in diversen Schreiben getätigten Äußerungen Bedenken gegen seine geistige Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen haben entstehen lassen und die Anforderung eines amtsärztlichen Gutachtens gemäß § 11 Abs. 2 Sätze 1 und 3 Nr. 2 FeV gerechtfertigt haben. Dabei hat das Verwaltungsgericht auch zu Recht ausgeführt, dem Antragsteller stehe es weiterhin frei, d.h. unabhängig von der von ihm geforderten amtsärztlichen Untersuchung bzw. dem laufenden Entziehungsverfahren, seine Rechtsansicht zum Untergang der Bundesrepublik Deutschland und zum Fortbestand des Deutschen Reiches zu vertreten. Diese einerseits auf Zweifel am Realitätssinn bzw. an der Wahrnehmungsfähigkeit des Antragstellers abstellende und andererseits die Meinungsfreiheit berücksichtigende Argumentation des Verwaltungsgerichts wird durch das Beschwerdevorbringen nicht entkräftet.
Mit seiner Behauptung, das vorgelegte ärztliche Attest sei hinreichend aussagekräftig, dringt der Antragsteller ebenfalls nicht durch. Die von ihm vorgelegten Bescheinigungen des D. vom 30. Oktober 2006, denen zufolge fahreignungsausschließende Krankheiten sowie körperliche oder geistige Mängel beim Antragsteller nicht vorliegen bzw. festgestellt werden konnten, verhalten sich - ebenso wie das augenärztliche Zeugnis des F. vom 27. Oktober 2006 - zu den vom Antragsgegner beschriebenen Zweifeln an seiner Fahreignung nicht und vermögen schon deshalb nicht die von ihm geforderte amtsärztliche Untersuchung zu ersetzen. Im Übrigen hat das Verwaltungsgericht zu Recht angemerkt, dass der Antragsteller die Bescheinigungen erst nachträglich im Laufe des Klageverfahrens eingereicht hat. Für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit der Fahrerlaubnisentziehung kommt es aber auf den Zeitpunkt der letzten behördlichen Entscheidung an, d.h. hier auf den Erlass des Entziehungsbescheides vom 10. November 2006. Der auf § 11 Abs. 8 FeV beruhende Schluss auf die Nichteignung des Antragstellers ist deshalb auch aus diesem Grunde nicht zu beanstanden.
Der Antragsteller macht weiterhin ohne Erfolg geltend, es sei davon auszugehen, dass das Gericht nicht vorschriftsmäßig besetzt gewesen sei. Anhaltspunkte für eine fehlerhafte Besetzung der zur Entscheidung berufenen Kammer des Verwaltungsgerichts - etwa entgegen dem geltenden Geschäftsverteilungsplan des Verwaltungsgerichts - werden von der Beschwerde nicht aufgezeigt und sind auch sonst nicht ersichtlich. Der Einwand des Antragstellers ist im Zusammenhang zu sehen mit seiner Rechtsauffassung, die Bundesrepublik Deutschland existiere nicht mehr bzw. er sei Bürger des Deutschen Reiches und unterstehe als Exterritorialer der Gerichtsbarkeit der Bundesrepublik Deutschland nicht. Diese Rechtsauffassung wird in der Beschwerde nicht nachvollziehbar begründet und ist im Ergebnis abwegig, so dass der Senat ihr nicht zu folgen vermag.
Unter den dargestellten Umständen bedarf es keiner Vertiefung, ob der Antragsteller mit dem Einreichen von ärztlichen Bescheinigungen konkludent einen Antrag auf Erteilung einer Fahrerlaubnis der Klasse C. gestellt hat. Denn der Erteilung der Fahrerlaubnis steht jedenfalls entgegen, dass der Antragsgegner gemäß § 11 Abs. 8 FeV zu Recht auf seine Nichteignung geschlossen hat. Lediglich ergänzend ist anzumerken, dass der Antragsteller die ärztlichen Untersuchungsergebnisse und Bescheinigungen in Zusammenhang mit seinem Vorbringen eingereicht hat, seine Fahrerlaubnis der (alten) Klasse 2 sei weiterhin gültig (vgl. Schreiben vom 6.11.2006 an den Antragsgegner und vom 20.11.2006 an das Verwaltungsgericht). Seinen diesbezüglichen Erklärungen lässt sich nicht entnehmen, dass er (konkludent) einen Antrag auf Erteilung einer Fahrerlaubnis der Klasse C. stellen wollte.
Soweit die Beschwerde sich gegen die Versagung der begehrten Prozesskostenhilfe für das Verfahren auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes im ersten Rechtszug richtet, hat das Rechtsmittel ebenfalls keinen Erfolg. Das Verwaltungsgericht hat, wie sich aus den vorstehenden Ausführungen ergibt, die für die Bewilligung von Prozesskostenhilfe erforderliche hinreichende Erfolgsaussicht der Rechtsverfolgung des Antragstellers (§ 166 VwGO i.V.m. § 114 Satz 1 ZPO) zu Recht verneint. Im Übrigen hat der Antragsteller seine Bedürftigkeit in prozesskostenhilferechtlicher Hinsicht nicht den Erfordernissen des § 166 VwGO i.V.m. § 117 Abs. 2 bis 4 ZPO, § 1 Abs. 1 PKHVV entsprechend durch Einreichung einer Erklärung über seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse nachgewiesen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, § 166 VwGO i.V.m. § 127 Abs. 4 ZPO. Die Festsetzung des Streitwertes folgt aus §§ 52 Abs. 2, 53 Abs. 3 Nr. 1 und 2 GKG und entspricht der Festsetzung für das erstinstanzliche Verfahren, gegen die die Beteiligten Einwände nicht erhoben haben.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, §§ 68 Abs. 1 Satz 5, 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).