Amtsgericht Göttingen
Beschl. v. 07.05.2004, Az.: 74 IN 184/03
Anforderungen an die Durchführung eines Insolvenzverfahrens; Voraussetzungen für das Vorliegen von Insolvenzgründen; Anforderungen an die Entschädigung eines Sachverständigen
Bibliographie
- Gericht
- AG Göttingen
- Datum
- 07.05.2004
- Aktenzeichen
- 74 IN 184/03
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2004, 34394
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:AGGOETT:2004:0507.74IN184.03.0A
Rechtsgrundlagen
- § 5 Abs. 1 GKG
- § 50 Abs. 1 GKG
- § 1 Abs. 1 GKG
Fundstellen
- DStR 2004, 1754
- DStZ 2004, 584 (Kurzinformation)
- DZWIR 2004, 262-263 (Volltext mit amtl. LS)
- EWiR 2004, 849 (amtl. Leitsatz)
- NZI 2004, VI Heft 7 (amtl. Leitsatz)
- NZI 2004, 17 (Kurzinformation)
- ZIP 2004, 1331-1333 (Volltext mit amtl. LS)
- ZInsO 2004, 632 (Volltext mit amtl. LS)
- ZVI 2004, 294-296 (Volltext mit amtl. LS)
- ZVI (Beilage) 2004, 14-15 (amtl. Leitsatz)
Amtlicher Leitsatz
- 1.
Im Falle der Erledigungserklärung haftet der Antragsteller gem. § 50 Abs. 1 Satz 2 GKG (= § 23 Abs. 1 GKG ab dem 01.07.2004) nur für die Kosten des Insolvenzverfahrens, nicht aber für die Auslagen (hier: Entschädigung des Sachverständigen).
- 2.
Ob dies auch im Falle der Abweisung eines Antrages mangels Masse (§ 26 InsO) gilt, bleibt dahingestellt.
Entscheidungsgründe
Die Antragstellerin beantragte wegen Beitragsrückständen i.H.v. ca. 1.500 EUR die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Antragsgegners. Die im Verlaufe des Eröffnungsverfahrens auf ca. 2.000 EUR angestiegenen Rückstände beglich der Antragsgegner. Die Antragstellerin erklärte das Verfahren für erledigt. Die Kosten des Verfahrens wurden mit rechtskräftigem Beschl. v. 20.8.2003 dem Antragsgegner auferlegt. Aufgrund weiterer Insolvenzanträge wurde am 17.10.2003 über das Vermögen des Antragsgegners das Insolvenzverfahren eröffnet (74 IN 210/03, AG Göttingen).
Unter dem 23.3.2004 setzt die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle die von der Antragstellerin zu erstattenden Kosten auf 595,09 EUR fest. Darin ist enthalten die dem Sachverständigen am 12.2.2004 überwiesene Entschädigung i.H.v. 495,09 EUR. Die Antragstellerin hat die Kosten zunächst insgesamt beglichen, jedoch mit Schreiben v. 30.3.2004 Erinnerung eingelegt. Sie vertritt die Auffassung, als Zweitschuldnerin hafte sie lediglich für die Gebühr des Eröffnungsantrages i.H.v. 100 EUR, nicht jedoch für die Auslagen der Sachverständigenentschädigung. Der Bezirksrevisor beim LG Göttingen hält in seiner Stellungnahme die von der Antragstellerin zitierte Entscheidung des LG Frankenthal (ZInsO 2002, 497) für unzutreffend und beruft sich auf die Entscheidung des AG Paderborn (JurBüro 1992, 468). Die gem. § 5 Abs. 1 GKG zulässige Erinnerung, der nicht abgeholfen worden ist, ist begründet. Die Antragstellerin haftet gem. § 50 Abs. 1 GKG nur für die Verfahrensgebühr, nicht aber für die auslagendarstellende Entschädigung des Sachverständigen.
§ 1 Abs. 1 GKG bestimmt, dass für Verfahren u.a. vor den ordentlichen Gerichten nach der InsO Kosten (Gebühren und Auslagen) nur nach diesem Gesetz erhoben werden. § 49 GKG bestimmt, dass in den dort bezeichneten Verfahren Kostenschuldner derjenige ist, der das Verfahren beantragt hat. Eine von diesem Grundsatz abweichende Regelung enthält § 50 GKG. Gem. § 50 Abs. 1 GKG ist im Insolvenzverfahren der Antragsteller Schuldner der Gebühr für das Verfahren über den Antrag auf Eröffnung. Für die im Verfahren entstandenen Auslagen haftet er, wenn der Antrag abgewiesen oder zurückgenommen wird. Gem. § 50 Abs. 3 GKG haftet in den übrigen Fällen der Schuldner des Insolvenzverfahrens für die Gebühren und Auslagen.
Diese Regelung ist nach ihrem Wortlaut eindeutig. Sie greift die in § 1 Abs. 1 GKG getroffene Unterscheidung zwischen Gebühren und Auslagen auf. Eine Haftung des Antragstellers für Auslagen besteht gem. § 50 Abs. 1 Satz 2 GKG nur im Falle der Abweisung oder Zurücknahme des Antrages auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens (LG Frankenthal, NZI 2002, 265; AG Dresden, ZInsO 2003, 385[AG Dresden 10.04.2003 - 531 IN 161/00]; Schmerbach, NZI 2003, 421, 423) [BGH 31.03.2003 - II ZR 150/02].
Die entgegenstehende Rechtsprechung (AG Frankfurt, ZVI 2003, 615; AG Paderborn, JurBüro 1992, 468) und Literatur (Münch-Komm-InsO/Schmahl, § 13 Rn. 136; Uhlenbruck, InsO, § 14 Rn. 86, 87) überzeugt nicht.
Das AG Paderborn stellt in seiner noch unter Geltung der KO ergangene Entscheidung aus dem Jahre 1992 darauf ab, dass die damalige Fassung des § 50 GKG auf der bis dahin h.M. beruhe, dass ein Konkursverfahren, das nicht zur Eröffnung führe, nur durch Abweisung oder Zurücknahme des Antrages beendet werden könne und erst die neuere Rspr. eine Verfahrensbeendigung durch Erledigungserklärung und eine Kostenentscheidung gem. § 91 a ZPO für zulässig halte (AG Paderborn, JurBüro 1992, 468, 469). Dieser Gesichtspunkt trägt inzwischen nicht mehr. Die Möglichkeit der Verfahrensbeendigung durch Erledigungserklärung ist inzwischen allgemein anerkannt (BGH, ZInsO 2002, 29[BGH 20.11.2001 - IX ZR 48/01]; HK-InsO/Kirchhof, § 14 Rn. 36; Kübler/Prütting/Pape, InsO, § 13 Rn. 23; MünchKomm-InsO/Schmahl, § 13 Rn. 112; Uhlenbruck, InsO, § 14 Rn. 84; FK-InsO/Schmerbach, § 13 Rn. 101).
Der Gesetzgeber hat die Neufassung des § 50 GKG im Zusammenhang mit der Einführung der InsO nicht zum Anlass genommen, eine entsprechende Klarstellung bzw. Korrektur einzufügen (vgl. LG Frankenthal, NZI 2002, 265).
Durch das zum 1.7.2004 in Kraft tretende Kostenrechtsmodernisierungsgesetz ist in den jetzigen § 23 Abs. 1 GKG n.F. ein neuer Satz 3 eingefügt worden, wonach nur der Schuldner des Insolvenzverfahrens die Auslagen nach Nr. 9018 des Kostenverzeichnisses schuldet (im Wesentlichen die an den vorläufigen Insolvenzverwalter, den Insolvenzverwalter und den Treuhänder auf der Grundlage der InsVV aufgrund einer Stundung nach § 4a InsO zu zahlenden Beträge). In der Begründung (BT-Drucks. 15/1971, S. 153) heißt es lediglich: "Die Vorschrift entspricht § 50 GKG."
Damit steht fest, dass dem Gesetzgeber Gelegenheiten zur Verfügung standen, die unklare Rechtslage zu regeln, er jedoch davon keinen Gebrauch gemacht hat. Dahinstehen kann in diesem Zusammenhang die Auffassung des Bezirksrevisors beim LG, die Entscheidung des LG Frankenthal unterstelle ungeprüft dem Gesetzgeber ein bewusstes und gezieltes Handeln, den Rechtsgedanken des AG Paderborn in dessen Entscheidung aus dem Jahre 1982 verworfen zu haben und damit die Erledigungserklärung der Antragsrücknahme nicht gleichzusetzen. Ausgangspunkt für eine Gesetzesauslegung ist der Wortlaut. Dieser ist eindeutig.
Dem kann auch nicht entgegengehalten werden, über den Wortlaut der Vorschrift hinaus müsse berücksichtigt werden, welche Bedeutung es habe, dass die Beendigung des Insolvenzverfahrens durch Erledigung der Hauptsache als zulässig angesehen wird. Wäre eine Verfahrensbeendigung nach Bezahlung der Insolvenzforderung durch Erledigung nicht möglich, könne der Schuldner nur den Antrag zurücknehmen oder die Abweisung des Antrages in Kauf nehmen mit der Folge, dass er für die Kosten hafte (AG Frankfurt, ZVI 2003, 615, 616). Diese Auffassung verkennt, dass die Möglichkeit der Erledigungserklärung inzwischen gefestigter Rspr. entspricht. Zudem liegt in der Vorschrift des § 50 Abs. 1 GKG eine bewusste Abkehr von der Grundregel des § 49 GKG, wonach der Antragsteller Kostenschuldner ist (AG Dresden, ZInsO 2003, 385[AG Dresden 10.04.2003 - 531 IN 161/00]). Sie lässt sich daraus erklären, dass das Insolvenzverfahren eine gewisse, im öffentlichen Interesse liegende Ordnungsfunktion hat (vgl. AG Dresden, a.a.O.). Nur im Falle des Unterliegens (Antragsabweisung) oder dem gleichzusetzenden Sachverhalt der Antragsrücknahme soll eine Haftung des Antragstellers für Auslagen eintreten.
Das Insolvenzgericht verkennt nicht, dass im vorliegenden Fall der Erledigungserklärung der antragstellende Gläubiger seine Forderung im überwiegenden Teil auf Kosten der Staatskasse durchsetzt. Allein dieser Gesichtspunkt rechtfertigt es jedoch nicht, von einer Haftung für die Auslagen auszugehen (so aber AG Paderborn, JurBüro 1992, 468, 469; AG Frankfurt, ZVI 2003, 615, 616). Eine entsprechende Klarstellung bzw. Änderung ist insbesondere in Zeiten fehlender finanzieller Mittel Aufgabe des Gesetzgebers, der hierzu auch mehrfach Gelegenheit hatte.
Weitergehend kann sich sogar die Überlegung anschließen, ob eine Auslagenhaftung des Antragstellers auch im Falle der Abweisung mangels Masse gem. § 26 InsO greift. Bei einer Abweisung mangels Masse ist in der Sache der Antrag nämlich begründet, es erfolgt lediglich deshalb keine Verfahrenseröffnung, weil eine die Kosten des Verfahrens deckende Masse nicht vorhanden ist, weshalb der Antragsgegner nach h.M. die Kosten zu tragen hat (vgl. Kübler/Prütting/Pape, InsO, § 26 Rn. 29; MünchKomm-InsO/Haarmeyer, § 26 Rn. 33; Uhlenbruck, InsO, § 26 Rn. 28; FK-InsO/Schmerbach, § 26 Rn. 68).