Oberlandesgericht Celle
Urt. v. 07.01.2003, Az.: 16 U 156/02
Anforderungen an die Durchführung eines Insolvenzverfahrens; Voraussetzungen für das Vorliegen von Insolvenzgründen; Anforderungen an einen Schuldenbereinigungsplan
Bibliographie
- Gericht
- OLG Celle
- Datum
- 07.01.2003
- Aktenzeichen
- 16 U 156/02
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2003, 32665
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OLGCE:2003:0107.16U156.02.0A
Verfahrensgang
Rechtsgrundlagen
- § 164 Abs. 2 BGB
- § 35 InsO
- § 38 InsO
Fundstellen
- DStR 2003, 1129-1130 (Kurzinformation)
- EWiR 2003, 237 (red. Leitsatz mit Anm.)
- InVo 2003, 228-229 (Volltext mit amtl. LS)
- NZI 2003, 201-202
- OLGReport Gerichtsort 2003, 134-135
- ZInsO 2003, 128 (Volltext mit amtl. LS)
- ZVI (Beilage) 2004, 27 (amtl. Leitsatz)
Amtlicher Leitsatz
Die Zahlungsklage gegen einen Schuldner, gegen den schon vor Vertragsabschluss das Insolvenzverfahren eröffnet war, ist nicht unzulässig.
In dem Rechtsstreit
...
hat der 16. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Celle
auf die mündliche Verhandlung vom 12. Dezember 2002
durch
den Vorsitzenden Richter ... und
die Richter ... und ...
für Recht erkannt:
Tenor:
Auf die Berufung des Klägers wird das am 9. Juli 2002 verkündete Urteil des Einzelrichters der 5. Zivilkammer des Landgerichts Lüneburg unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels abgeändert:
- 1.
Das Versäumnisurteil der 5. Zivilkammer des Landgerichts Lüneburg vom 7. Mai 2002 wird aufrecht erhalten, soweit der Beklagte zu 1 verurteilt worden ist, an den Kläger 9.455,85 EUR (= 18.494,04 DM) nebst 5% Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 1. September 2001 zu zahlen. Die weitergehende Klage gegen den Beklagten zu 1 wird abgewiesen.
- 2.
Auf die Berufung des Klägers wird das am 7. Mai 2002 verkündete Urteil des Einzelrichters der 5. Zivilkammer des Landgerichts Lüneburg - soweit es den Beklagten zu 2 betrifft - unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels teilweise geändert und der Beklagte zu 2 verurteilt, an den Kläger 8.691,96 EUR (= 17.000 DM) nebst 5% Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 12. September 2001 zu zahlen.
- 3.
Die gerichtlichen Kosten erster Instanz tragen der Beklagte zu 1 zu 52%, der Beklagte zu 2 zu 48%. Die Kosten der Säumnis des Beklagten zu 1 trägt dieser allein. Die durch die Beweisaufnahme veranlassten Kosten hat der Beklagte zu 2 zu tragen. Die Beklagten tragen ihre eigenen außergerichtlichen Kosten selbst, der Beklagte zu 1 52% derjenigen des Klägers, der Beklagte zu 2 48% derjenigen des Klägers.
Von den gerichtlichen Kosten des Berufungsverfahrens und den außergerichtlichen Kosten des Klägers bis zum 12. Dezember 2002 tragen der Beklagte zu 1 52%, der Beklagte zu 2 48%. Die danach entstandenen Gerichtskosten und außergerichtlichen Kosten tragen der Beklagte zu 2 zu 31%, der Beklagte zu 1 zu 69%. Ihre eigenen außergerichtlichen Kosten tragen die Beklagten selbst.
- 4.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
- 5.
Der Streitwert für beide Instanzen beträgt 18.992 DM (= 9.710 EUR), daran ist der Beklagte zu 2 ab dem 12. Dezember 2002 (Rücknahme der Anschlussberufung) mit einem Wertanteil von 4.600 EUR beteiligt.
Entscheidungsgründe
Die Berufung des Klägers hat im Wesentlichen Erfolg.
1.
Ansprüche gegen den Beklagten zu 1:
Entgegen der Auffassung des Landgerichts ist die Klage nicht unzulässig. Richtig ist zwar, dass das Insolvenzverfahren gegen den Beklagten zu 1 bereits vor der Erteilung des hier streitigen Auftrags eröffnet worden war. Das hindert aber eine Klageerhebung gegen den Beklagten persönlich nicht.
a)
Die §§ 35, 38 InsO sind nicht einschlägig. Zwar fällt der Neuerwerb nach § 35 InsO grundsätzlich in die Masse. Hier geht es aber um eine nach Eröffnung des Verfahrens gegen den Insolvenzschuldner begründete Forderung. Die Parteien gehen zutreffend und übereinstimmend auch davon aus, dass der Kläger nicht zu den Insolvenzgläubigern gehört, weil die Voraussetzungen des § 38 InsO nicht erfüllt sind. Eine Anmeldung der Forderung zur Insolvenztabelle scheidet deshalb aus.
Durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens ist der Beklagte als natürliche Person andererseits nicht gehindert, etwa durch Abschluss von Verträgen neue vermögensrechtliche Verpflichtungen zu begründen. Ebenso können auch kraft Gesetzes Forderungen gegen den Schuldner persönlich entstehen, etwa aus unerlaubter Handlung. Damit versteht es sich von selbst, dass solche sog. Neugläubiger ihre Forderungen auch während des Insolvenzverfahrens im Wege der Klage durchsetzen können, mit anderen Worten eine solche Klage nicht unzulässig sein kann (Landfermann in Kölner Schrift zur Insolvenzordnung, 2. Aufl. Seite 172, Rn. 40; Lwowski in Münchener Kommentar zur Insolvenzordnung 2001, § 35 Rn. 59 ff.). Allerdings ist die Zwangsvollstreckung für diese Forderungen in die Insolvenzmasse nicht zulässig, denn diese ist dem Zugriff der Neugläubiger entzogen. Davon unberührt bleibt das Recht des Neugläubigers, in das vom Insolvenzverfahren nicht erfasste "freie Vermögen" des Schuldners die Zwangsvollstreckung zu betreiben (Landfermann a.a.O.). Solches wird freilich kaum vorhanden sein. Indessen bleibt letztlich der Zugriff auf das Vermögen, das dem Schuldner nach Beendigung des Insolvenzverfahrens gehört bzw. erwirbt. Daraus folgt zugleich, dass der Klage entgegen der Auffassung des Beklagten zu 1 das Rechtsschutzbedürfnis nicht abgesprochen werden kann, auch wenn derzeit möglicherweise keinerlei Vermögen für eine Vollstreckung vorhanden ist.
b)
Der Anspruch des Klägers auf Zahlung der Schlussrechnungssumme gegen den Beklagten zu 1 ist auch in der Sache begründet.
Der Beklagte persönlich ist Vertragspartner des Klägers. Er kann sich nicht mit Erfolg darauf berufen, er habe den Auftrag für eine AG in der ... erteilt.
Das Angebot des Klägers vom 15. Mai 2000 richtete sich an " ... ", mithin an den Beklagten persönlich. Der Kläger hat darüber hinaus eine Visitenkarte des Beklagten vorgelegt (Bl. 70), die ebenfalls genau diese Firmenbezeichnung und keinerlei Hinweis auf eine AG enthält. Es kann danach keine Rede davon sein, dass sich die Verhandlungen von Beginn an auf eine AG bezogen hätten. Gleiches ist im Übrigen aus der Firmenwerbung des Beklagten zu entnehmen (Bl. 66). Erstmals dem Schreiben vom 15. Juli 2000 (Bl. 11) ist der (versteckte) Hinweis auf eine AG zu entnehmen. Darauf kann sich der Beklagte aber nicht berufen, weil zu diesem Zeitpunkt der Auftrag bereits mündlich erteilt worden war, ohne dass zu dieser Zeit ein deutlicher Hinweis darauf erfolgt wäre, dass Vertragspartner und Auftraggeber des Klägers eine Aktiengesellschaft mit Sitz in der ... sei. Mit Substanz trägt der Beklagte dazu auch nichts vor. Es gilt deshalb die Folge des § 164 Abs. 2 BGB, d.h. der Beklagte zu 1 wurde als Auftraggeber selbst verpflichtet, weil der Wille, in fremdem Namen zu handeln, nicht erkennbar hervortrat.
Soweit der Beklagte nunmehr (Bl. 266) eine mündliche Auftragserteilung bestreitet, obwohl dies in erster Instanz unbestritten geblieben war, ist dies Bestreiten ohne ausreichende Substanz. Unstreitig ist nach Vorlage des Angebots der Bau telefonisch besprochen worden. Das ergibt sich bereits aus dem eigenen Schreiben des Beklagten vom 15. Juli 2000. Unstreitig hatte der Beklagte selbst auch handschriftliche Änderungen in dem Angebot vorgenommen und der Kläger auch bereits mit dem Abbund begonnen, weil die Arbeiten schon am 27. Juli vorgesehen waren.
Die Restwerklohnforderung mit 18.494,04 DM ergibt sich aus der Schlussrechnung des Klägers vom 31. Dezember 2000 (Bl. 7 ff.).
Die Zinsforderung gegen den Beklagten zu 1 ist erst ab Rechtshängigkeit (1. September 2001) begründet. Für einen früheren Verzug ist nichts dargetan.
Mit dieser Maßgabe war deshalb das Versäumnisurteil des Landgerichts vom 7. Mai 2002 aufrecht zu erhalten.
2.
Ansprüche gegen den Beklagten zu 2:
Auch insoweit hat die Berufung des Klägers im Wesentlichen Erfolg.
a)
Das Landgericht hat die Erklärung des Beklagten vom 15. September 2000 (Bl. 14) zu Recht als Bürgschaft ausgelegt. Zureichende Anhaltspunkte für einen Schuldbeitritt sind vom Kläger dagegen nicht dargetan.
Dennoch hat die Berufung mit dem Zahlungsantrag Erfolg, denn der Beklagte zu 2 kann sich nicht mit Erfolg auf die Einrede der Vorausklage gemäß § 771 BGB berufen. Das folgt aus § 773 Nr. 3 und 4 BGB. Über das Vermögen des Hauptschuldners (Beklagter zu 1) ist das Insolvenzverfahren eröffnet worden. Darüber hinaus ist anzunehmen, dass die Zwangsvollstreckung in das Vermögen des Hauptschuldners nicht zu einer Befriedigung des Klägers führen wird. Auf die obigen Ausführungen wird Bezug genommen.
Der Kläger ist auch nicht gehindert, diese Tatsachen in der Berufung vorzubringen (§ 531 Abs. 2 Nr. 3 ZPO), denn ihm waren diese Umstände erst nach Erlass des Urteils vom 7. Mai 2002 bekannt geworden.
Nur zur Klarstellung weist der Senat darauf hin, dass der Kläger den Betrag von 17.000 DM nur einmal fordern kann.
b)
Keinen Erfolg hat die Berufung des Klägers, soweit er Rechtsanwaltsgebühren gemäß § 118 Abs. 1 Nr. 2 BRAGO in Höhe von 498,80 DM vom Beklagten zu 2 ersetzt verlangt.
Ein solcher Anspruch - entstanden aus einer telefonischen Besprechung des Beklagten zu 2 mit dem Anwalt des Klägers am 11. Dezember 2000 - könnte dem Kläger nur aus dem Gesichtspunkt des Verzuges zustehen. Der Beklagte befand sich aber zu diesem Zeitpunkt noch nicht in Verzug. Da er lediglich als Bürge für die Erfüllung der Hauptschuld einstandspflichtig ist, setzt dies u.a. die Fälligkeit der Hauptschuld voraus. Diese ist aber jedenfalls nicht vor dem 11. Dezember 2000 fällig geworden, weil der Kläger erst unter dem 31. Dezember 2000 die Schlussrechnung (Bl. 17) erteilt hat. Etwaige Besprechungskosten stellen daher keinen ersatzfähigen Verzugsschaden dar.
Abgesehen davon hat der Kläger auch nicht dargetan, dass er diese von seinem Anwalt berechneten Kosten auch gezahlt hat, ihm somit überhaupt ein Schaden entstanden ist. Eine entsprechende Rechnung ist nicht einmal vorgelegt. Schließlich dürfte einem Anspruch auch Treu und Glauben entgegen stehen, denn es erscheint treuwidrig, wenn der Anwalt des Klägers, der mit dem Gegner telefoniert, für eine solche "Besprechung" Gebühren erhebt und sie dann als Verzugsschaden beabsichtigt geltend zu machen, ohne den Gegner zu Beginn dieses Gesprächs darauf hinzuweisen.
c)
Zinsen auf den Betrag von 17.000 DM hat der Beklagte zu 2 erst ab Rechtshängigkeit zu zahlen (12. September 2001). Einen früheren Verzug hat der Kläger nicht dargetan.
3.
Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 97, 92 Abs. 2, 96, 100 Abs. 1, 2, 3, § 344, 708 Nr. 10, 713, 544 ZPO (n.F.), 26 Ziffer 8 EGZPO. Die durch die Säumnis veranlassten Kosten hat der Beklagte zu 1 allein zu tragen. Die Kosten der Beweisaufnahme erster Instanz hat der Beklagte zu 2 allein zu tragen, weil das geltend gemachte Zurückbehaltungsrecht wegen eines Mangels der Dacheindeckung unbegründet war, § 96 ZPO. Bei der Kostenquote für die zweite Instanz ist berücksichtigt, dass der Beklagte zu 2 nach Rücknahme der Anschlussberufung im Termin am 12. Dezember 2002 nur noch mit einem Wertanteil von 4.600 EUR beteiligt ist.
Anlass für die Zulassung der Revision besteht nicht.