Oberlandesgericht Celle
Beschl. v. 17.01.2003, Az.: 6 W 2/03
Erklärung über die wirtschaftlichen und persönlichen Verhältnisse; Gewährung von Prozesskostenhilfe; Glaubhaftmachung der Vermögensverhältnisse
Bibliographie
- Gericht
- OLG Celle
- Datum
- 17.01.2003
- Aktenzeichen
- 6 W 2/03
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2003, 17203
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OLGCE:2003:0117.6W2.03.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- LG Lüneburg - 16.12.2002 - AZ: 1 O 142/02
Rechtsgrundlage
- § 118 Abs. 2 ZPO
Fundstellen
- EzFamR aktuell 2003, 107-108
- OLGReport Gerichtsort 2003, 214-215
Amtlicher Leitsatz
- 1.
Hält das Gericht die Angaben in der im Prozesskostenhilfeverfahren vorgelegte 'Erklärung über die wirtschaftlichen und persönlichen Verhältnisse' für nicht glaubhaft, weil sich aus ihnen wegen des Übersteigens der mitgeteilten Ausgaben gegenüber den Einnahmen nicht ergebe, woraus der Antragsteller seinen Lebensunterhalt bestreitet, so muss es diesen zunächst zu einer Ergänzung und gegebenenfalls Glaubhaftmachung seiner Angaben auffordern, bevor es den Antrag zurückweist.
- 2.
Der Antragsteller muss Bank- und Girokonten gem. Abschnitt 'C' der Formularerklärung oder die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse von sich aus nur dann angeben, wenn sich auf diesen Guthabenbeträge befinden. Hiervon unabhängig ist das Gericht befugt, Angaben über das Bestehen von Konten, gegebenenfalls unter Vorlage entsprechender Belege, zu verlangen, um die Angaben des Antragstellers über das Nichtvorhandensein von Guthabenbeträgen nachzuprüfen.
In dem Rechtsstreit
hat der 6. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Celle
auf die sofortige Beschwerde des Beklagten vom 27. Dezember 2002
gegen den Beschluss des Einzelrichters der 1. Zivilkammer des Landgerichts Lüneburg vom 16. Dezember 2002
durch
den Richter am Oberlandesgericht ####### als Einzelrichter
am 17. Januar 2003 beschlossen:
Tenor:
Die Beschlüsse des Landgerichts Lüneburg vom 16. Dezember 2002 und vom 2. Januar 2003 werden aufgehoben. Die Sache wird mit der Maßgabe zur erneuten Entscheidung an das Landgericht zurückverwiesen, dem Beklagten die Gewährung von Prozesskostenhilfe nicht zu verweigern, weil seine Angaben über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse in der Erklärung vom 3. Dezember 2002 nicht glaubhaft sind.
Gründe
Die sofortige Beschwerde ist zulässig (§ 127 Abs. 2 S. 2 und ZPO, § 569 Abs. 1 S. 1 ZPO) und begründet. Dem Beklagten kann nach dem gegenwärtigen Sachstand die Gewährung von Prozesskostenhilfe nicht mit der Begründung verweigert werden, seine Angaben über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse in der Formularerklärung vom 3. Dezember 2002 seien nicht glaubhaft.
1.Der Beklagte hatte, nachdem sein Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe mit Beschluss vom 16. Dezember 2002 abgelehnt worden war (Bl. 93 PKH-Heft), mit der sofortigen Beschwerde vom 27. Dezember 2002 eine aktualisierte 'Erklärung über die wirtschaftlichen und persönlichen Verhältnisse' nebst Belegen vom 3. Dezember 2002 vorgelegt (Bl. 26 - 94 PKH-Heft). Diese Angaben hielt das Landgericht ausweislich seines Nichtabhilfebeschlusses vom 2. Januar 2003 für nicht glaubhaft, weil sich aus ihnen zum einen ergebe, dass der Beklage monatlich höhere Ausgaben als Einnahmen habe und nicht ersichtlich sei, wovon er seinen Lebensunterhalt bestreite (Bl. 95 PKH-Heft). Zum anderen habe der Beklagte Angaben über seine Konten verneint, obwohl sich aus seiner Verdienstbescheinigung ergebe, dass er über ein Konto bei der Sparkasse Lüneburg und ein weiteres Konto bei der Commerzbank verfüge.
Diese Vorgehensweise steht indessen im Widerspruch zu § 118 Abs. 2 ZPO. Hiernach kann das Gericht verlangen, dass der Antragsteller seine tatsächlichen Angaben glaubhaft macht (§ 118 Abs. 2 S. 1 ZPO). Das Gericht kann ferner Erhebungen anstellen, insbesondere die Vorlegung von Urkunden anordnen und Auskünfte einholen (§ 118 Abs. 2 S. 2 ZPO). Hat der Antragsteller innerhalb einer von dem Gericht gesetzten Frist Angaben über seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse nicht glaubhaft gemacht oder bestimmte Fragen nicht oder ungenügend beantwortet, so lehnt das Gericht die Gewährung von Prozesskostenhilfe insoweit ab (§ 118 Abs. 2 S. 4 ZPO).
Aus diesem Regelungszusammenhang folgt, dass die hilfsbedürftige Partei ihr Vorbringen erst glaubhaft machen muss, wenn das Gericht sie hierzu auffordert (OLG Hamm, FamRZ 1996, 417 [OLG Hamm 28.02.1995 - 5 WF 45/95]; Zöller, ZPO, 23. Aufl., § 118 Rdnr. 16). Prozesskostenhilfe kann deshalb nicht sofort nach Eingang des Gesuchs mit der Begründung zurückgewiesen werden, die Angaben des Antragstellers seien nicht glaubhaft (OLG Köln MDR 1996, 310 [OLG Köln 06.11.1995 - 16 W 58/95]; Zöller, a. a. O.). Das Gericht hätte deshalb, wenn es die Angaben des Beklagten wegen des Missverhältnisses zwischen Einnahmen und Ausgaben sowie der Nichtangabe von Konten für nicht ausreichend hielt, diesen zunächst zu einer Ergänzung seiner Erklärung unter Vorlage entsprechender Unterlagen sowie gegebenenfalls zur Glaubhaftmachung auffordern müssen. Daran fehlt es.
2.
Hinzu kommt, dass sich aus den bisherigen Angaben des Beklagten zu seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen auch nicht deren fehlende Glaubhaftigkeit ergibt.
a)
Aus der vom Beklagten vorgelegten Verdienstbescheinigung (Bl. 26 a PKH-Heft) ergibt sich, dass er in den Monaten Juli - November 2002 Netto-Einnahmen aus nichtselbstständiger Arbeit in Höhe von 7.485,25 Euro erzielt hat. Dies entspricht einem monatlichen Durchschnittsverdienst von 1.497,05 Euro netto. Dem stehen vom Beklagten angegebene feste monatliche Ausgaben gegenüber von
* 139,58 Euro Kindesunterhalt
* 613,55 Euro Miete
* 75,00 Euro Abtrag Bankkredit bei der Commerzbank
* 388,35 Euro Abtrag Ratenkredit bei der VW-Bank
* 80,00 Euro Lebensversicherung,
mithin gesamt 1.296,48 Euro.
Es verbleibt mithin ein Differenzbetrag von 200,57 Euro.
Bei diesem geringen Betrag mag es zwar zweifelhaft sein, dass dieser - auch unter Berücksichtigung der vom Beklagten zusätzlich angegeben Fahrtkosten zur Arbeitsstätte - zum Bestreiten seines Lebensunterhaltes ausreicht. Jedenfalls ergibt sich aus den Angaben des Beklagten aber nicht, dass seine Ausgaben seine Einkünfte übersteigen. Hierbei war, wovon auch schon das Landgericht zutreffend ausgegangen ist, die weiter angegebene Belastung von 987,00 DM 'BF-Darlehen bei der Deutschen Ausgleichsbank' nicht zu berücksichtigen, da wegen des unleserlichen handschriftlichen Zusatzes in der Spalte 'Ehegatte zahlt DM mtl.' nicht ersichtlich ist, dass der Beklagte hier tatsächlich monatliche Abträge leistet, zumal es insoweit an entsprechenden Belegen fehlt.
Soweit das Landgericht die Angaben nicht für ausreichend hielt, hätte es den Beklagten zu ergänzender Stellungnahme auffordern müssen.
b)
Der Glaubhaftigkeit der Angaben des Beklagten steht es ferner nicht entgegen, dass er im Abschnitt 'G' der Formularerklärung mit der Überschrift 'Ist Vermögen vorhanden?' die Spalte 'Bank-, Giro-, Sparkonten u. dgl. ?' mit 'Nein' angekreuzt hat. Hieraus ergibt sich nicht etwa, dass der Beklagte Angaben über seine Konten verneint hat, obwohl er - wie sich aus seiner Verdienstbescheinigung ergibt - Konten bei zwei Kreditinstituten unterhält. Der Antragsteller ist ohne gesonderte gerichtliche Aufforderung nicht verpflichtet, Angaben darüber zu machen, ob er überhaupt über Bank- oder Girokonten verfügt und dies durch Beifügen von Kontoauszügen nachzuweisen. Der Abschnitt 'G' der Formularerklärung dient nur zur Ermittlung, ob der Antragsteller über Vermögen verfügt, welches er gem. § 115 Abs. 2 ZPO einzusetzen hat. Dementsprechend ist der Abschnitt mit der Überschrift 'Ist Vermögen vorhanden' betitelt. Ferner sind in diesem Abschnitt anzugeben 'Verkehrswert, Guthabenhöhe, Betrag in Euro'. Verfügt der Antragsteller aber nur über Konten, auf denen sich kein Guthaben befinden, so ist er nicht verpflichtet, diese in dem Abschnitt über vorhandenes Vermögen anzugeben.
Dies hindert das Gericht selbstverständlich nicht daran, den Antragsteller gem. § 118 Abs. 2 ZPO aufzufordern, Angaben über seine bestehenden Bankkonten zu machen, wenn es aus anderen Unterlagen entnehmen kann, dass der Antragsteller über derartige Konten verfügt und es selbst nachprüfen will, ob sich auf diesen tatsächlich keine Guthaben befinden. Auch insoweit hätte das Landgericht den Beklagten indessen, wenn es seine Angaben nicht für ausreichend hielt, zu einer ergänzenden Stellungnahme auffordern müssen, bevor es seinen Prozesskostenhilfeantrag zurückweist.