Finanzgericht Niedersachsen
Urt. v. 15.12.2011, Az.: 6 K 59/11
Anspruch auf Wiederholung der mündlichen Steuerberaterprüfung 2010; Anspruch auf eine isolierte Prüfung in bestimmten Gebieten der Steuerberaterprüfung 2010; Erneutes Ablegen einer Prüfung bei fehlender Möglichkeit der neuen Bewertung einer längere Zeit zurückliegenden Prüfung; Rechtserheblicher Mangel an einzelnen, selbstständig zu bewertenden Prüfungsteilen als Voraussetzung für eine isolierte Wiederholung einzelner Teile einer mündlichen Prüfung
Bibliographie
- Gericht
- FG Niedersachsen
- Datum
- 15.12.2011
- Aktenzeichen
- 6 K 59/11
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2011, 33697
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:FGNI:2011:1215.6K59.11.0A
Rechtsgrundlagen
- Art. 12 Abs. 1 GG
- Art. 3 Abs. 1 GG
Fundstelle
- EFG 2012, 1090-1096
Steuerberaterprüfung 2010/2011
Wiederholung der mündlichen Prüfung aufgrund Verfahrensfehlern
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um die Bewertung der Steuerberaterprüfung 2010/2011.
Der Kläger studierte an der Universität ... Betriebswirtschaft mit dem Studienschwerpunkt Rechnungswesen und Controlling. 2002 legte er die Diplomprüfung als Diplom-Betriebswirt (FH) ab. Seit April 2007 ist der Kläger als Assistent in einer Wirtschaftsprüfungsgesellschaft tätig.
Die Steuerberaterprüfung 2009 bestand der Kläger nicht, da er bei dieser Prüfung eine Gesamtnote für die schriftliche Prüfung von 4,83 erzielte.
Bei der Steuerberaterprüfung 2010 wurde der Kläger zur mündlichen Prüfung zugelassen, nachdem er für die schriftliche Prüfung eine Gesamtnote von 4,5 erzielt hatte.
Am 28.01.2011 legte der Kläger den mündlichen Teil der Steuerberaterprüfung ab. Dem Kläger wurden im Anschluss an die mündliche Prüfung das Nichtbestehen der Prüfung, die Gesamtnote der mündlichen Prüfung und die Einzelnoten für die Prüfungsteile "Vortrag", "Berufsrecht" und "Betriebswirtschaft und Rechnungswesen" mitgeteilt.
Nach Mitteilung des Vorsitzenden der Prüfungskommission wurde dem Kläger auch das Notenspektrum der einzelnen Prüfungsteile ("von 3,5 bis 5,0") mitgeteilt. Der Kläger habe die Gelegenheit erhalten, weitere Einzelnoten zu erfragen; diese habe er nicht wahrgenommen.
Das Protokoll der mündlichen Prüfung enthält hierzu folgende Angaben:
"Der Kandidat/ die Kandidaten ---, die die Prüfung nicht bestanden haben, begehrten die Bekanntgabe der tragenden Gründe der Entscheidung nach § 28 Abs. 2 DVStB. Sie wurden daraufhin durch den Prüfungsausschuss über die tragenden Gründe [der] Bewertung ihrer Prüfungsleistungen unterrichtet.
alternativ:
Der Kandidat/ die Kandidaten ---, die die Prüfung nicht bestanden haben, verzichteten auf eine Bekanntgabe der tragenden Gründe der Entscheidung nach § 28 Abs. 2 DVStB."
Die Leistungen des Klägers in der mündlichen Prüfung wurden wie folgt bewertet:
1. | Vortrag | 4,00 | |
---|---|---|---|
2. | Berufsrecht | 4,00 | |
3. | Betriebswirtschaft und Rechnungswesen | 5,00 | |
4. | Ertragsteuern | 4,00 | |
5. | Ertragsteuerliche Gewinnermittlung | 4,00 | |
6. | Steuerliches Verfahrensrecht | 4,00 | |
7. | Volkswirtschaftslehre | 3,50 |
Hieraus ergab sich für die mündliche Prüfung eine Note von 4,07 und eine Gesamtnote der Steuerberaterprüfung von 4,28.
Ein Mitglied der 6-köpfigen Prüfungskommission, Herr X, leidet an einer allergischen Konjunktivitis, die sich in stark juckenden und geröteten Augen, in Hautrötung um die Augen und geschwollenen Lidern sowie einer Lichtempfindlichkeit (Schlitzaugen) äußert. Er benötigt eine Brille mit dicken Spezialgläsern. Ohne Kenntnis der Krankheit kann bei gegenüber sitzenden Personen der Eindruck von geschlossenen Augen entstehen. Dies wurde dem Kläger erst während des Klageverfahrens mitgeteilt.
Ausweislich der Niederschrift über die mündliche Steuerberaterprüfung wurde der Kläger wie folgt belehrt:
"Sie haben die Möglichkeit, innerhalb eines Monats ab heute Klage gegen die Prüfungsentscheidung beim Niedersächsischen Finanzgericht zu erheben. Die Klage ist gegen das Niedersächsische Finanzministerium, vertreten durch die Steuerberaterkammer Niedersachsen, zu richten.
Falls Sie sich gegen die Bewertung Ihrer mündlichen Prüfungsleistungen wenden wollen, müssen Sie in selbstkritischer Auseinandersetzung mit der eigenen Prüfungsleistung schriftlich konkret darlegen, warum aus Ihrer Sicht die Bewertung in fachlicher und/oder prüfungsspezifischer Hinsicht auf angreifbaren Erwägungen der Prüfer beruht oder beruhen kann.
Ihre Einwendungen müssen Sie so schnell wie möglich vorbringen. Sie müssen berücksichtigen, dass wegen der Vielzahl der mündlichen Prüfungen die Erinnerungen der Prüfer an eine einzelne mündliche Prüfung schnell verblasst. Nach der Rechtsprechung ist nach Ablauf von zwei Monaten eine schriftliche Begründung für die Bewertung einer mündlichen Prüfungsleistung nicht mehr möglich. Nachteile, die sich aus dem nachlassenden Erinnerungsvermögen der Prüfer ergeben, gehen zu Ihren Lasten."
Mit Schriftsatz vom 17.02.2011 erhob der Kläger Klage gegen die Bewertung der Steuerberaterprüfung. Dabei machte er einerseits eine fehlerhafte Korrektur seiner Aufsichtsarbeiten geltend und kündigte andererseits auch Einwendungen gegen die Benotung der mündlichen Prüfung an. Eine ausführliche Klagebegründung kündigte der Kläger nach Akteneinsicht und Durchführung eines Überdenkungsverfahrens an.
Mit Schreiben vom 10.03.2011 (eingegangen am 14.03.2011) bat der Kläger um ein Überdenken der Prüfungsbewertung. Dabei vertrat der Kläger die Ansicht, sein Vortrag hätte mit der Note 3,0 bewertet werden müssen. Seine Leistung in "Berufsrecht" sei fehlerfrei gewesen und hätte deshalb mindestens mit der Note "gut" bewertet werden müssen.
Insbesondere die Bewertung der Leistung in "Betriebswirtschaft" mit 5,0 sei für den Kläger nicht nachvollziehbar. Zunächst habe der Prüfer nach "betriebswirtschaftlichen Wirtschaftssystemen" gefragt, als Antwort "Marktwirtschaft" erwartet und ausdrücklich betont, dass es sich dabei um ein "betriebswirtschaftliches Wirtschaftssystem", nicht um ein volkswirtschaftliches Wirtschaftssystem handele. Diese Eröffnungsfrage, die an einen anderen Prüfling gerichtet gewesen sei, habe den Kläger stark verunsichert, da es sich bei der Marktwirtschaft um ein volkswirtschaftliches Wirtschaftssystem handele. Anschließend habe der Prüfer (Herr Y) Fragen aus dem GmbH-Recht gestellt. Dabei habe er, der Kläger, zutreffend geantwortet, dass der Gesellschafter einer Ein-Mann-GmbH bei deren Gründung mindestens ein Stammkapital von 12.500 EUR einzahlen müsse. Diese Antwort sei als falsch bezeichnet worden und im Nachgang zur mündlichen Prüfung als ausschlaggebend für die Benotung mit "mangelhaft" bezeichnet worden. Tatsächlich sei die Antwort auf die Fragestellung nach einer Änderung des § 7 Abs. 2 GmbH-Gesetz zutreffend gewesen; im Übrigen entstamme sie nicht dem Prüfungsfach "Betriebswirtschaftslehre".
Anschließend habe der Prüfer Fragen zur Sozialversicherungspflicht bzw.- freiheit eines Gesellschafter-Geschäftsführers gestellt und den Kläger mit der Bemerkung "ja sehen Sie, Herr ..., es handelt sie bei dem Beruf des Steuerberaters um ein weites Aufgabenfeld" aus dem Konzept gebracht und zu einer unüberlegten Antwort verführt. Erst danach habe der Prüfer Fragen aus dem eigentlichen Bereich der Betriebswirtschaftslehre gestellt, die der Kläger vollständig und zutreffend beantwortet habe. Bei zutreffender Prüfung und Beurteilung seien auch die Kenntnisse des Klägers in Betriebswirtschaftslehre mit "gut" zu beurteilen.
Der Kläger führte weiter aus, der Prüfer Herr X, der das Bilanzsteuerrecht geprüft habe, habe während der anderen Prüfungsrunden zeitweise geschlafen, was ihn, den Kläger, sehr irritiert habe.
Außerdem nahm der Kläger in seinem Antrag auf Überdenkung Stellung zu den übrigen Prüfungsteilen und bat insoweit um Mitteilung der Prüfungsnoten, die ihm noch nicht bekannt gegeben worden seien.
Die Prüfer teilten der Steuerberaterkammer mit Schreiben vom 15.06.2011 (eingegangen am 20.06.2011) mit, dass sie die Prüfungsbewertung noch einmal überdacht hätten. Danach sei es bei den in der mündlichen Prüfung festgelegten Einzelnoten verblieben.
Ferner teilten sie mit, der Prüfer X habe während der mündlichen Prüfung nicht geschlafen, sondern sei stets wach und konzentriert gewesen. Ergänzend nahmen die Prüfer zu den einzelnen Prüfungsleistungen Stellung. Zu den Prüfungsabschnitten "Berufsrecht" und "Betriebswirtschaft und Rechnungswesen" nahmen sie dabei wie folgt Stellung:
Die Leistungen des Klägers in Berufsrecht hätten, abgesehen von einzelnen Mängeln, durchschnittlichen Anforderungen entsprochen und seien deshalb mit der Note ausreichend (4,0) bewertet worden. Die Antworten des Klägers seien sehr unvollständig, oberflächlich und teilweise nicht richtig gewesen, insbesondere was die Themen Verjährungsfristen und Schadensersatzpflichten betroffen habe.
Im Prüfungsgebiet "Betriebswirtschaft und Rechnungswesen" habe der Prüfer den Kläger zunächst gefragt, wie die Gewinne aus einer GmbH zu dem Anteilseigner gelangen könnten. Der Kläger habe dies in Form von Vorabgewinnen (nicht Ausschüttungen) wie bei Personengesellschaften erreichen wollen und dies sogar auf Nachfrage ausdrücklich bestätigt.
Die "Frage nach dem Stammkapital und der notwendigen Einzahlung" sei ebenfalls gestellt worden. Wo hier nicht vollständig zutreffend geantwortet worden sei, könne der Prüfer seinen Aufzeichnungen nicht entnehmen. Falls der Sachverhalt so sei, wie ihn der Kläger geschildert habe, hätte der Prüfer eine richtige Antwort als falsch beurteilt. Dies würde den Prüfer jedoch wundern.
Anschließend habe der Kläger eine Frage zur gesamtschuldnerischen Haftung und eine weitere Frage zur Sozialversicherungspflicht jeweils unzutreffend beantwortet. Zum Ende des Prüfungsabschnittes habe der Kläger die Begriffe Rationalisierung und Stakeholder "einigermaßen zutreffend" dargestellt.
Nach Durchführung des Überdenkungsverfahrens teilte die Steuerberaterkammer dem Kläger mit Schreiben vom 20.06.2011 mit, eine Änderung seines Prüfungsergebnisses komme nicht in Betracht.
Anschließend begründete der Kläger seine Klage mit Schriftsätzen vom 11.07.2011 (Bl. 28 ff. der Gerichtsakte) und 26.09.2011 (Bl. 43 ff. der Gerichtsakte). Der Kläger wendet sich nunmehr ausschließlich gegen die Bewertung der mündlichen Prüfung in den Prüfungsgebieten "Betriebswirtschaft und Rechnungswesen" und "Berufsrecht". Außerdem macht er geltend, der Prüfer X sei während der Prüfungsabschnitte am Vormittag wiederholt eingeschlafen.
Im Einzelnen begründet er seine Klage wie folgt:
Betriebswirtschaft und Rechnungswesen
Der Kläger rügt - ebenso wie im Überdenkungsverfahren - eine irritierende Frage nach "betriebswirtschaftlichen Wirtschaftssystemen" und eine Wertung seiner zutreffenden Antwort auf die Frage nach der erforderlichen Mindesteinzahlung bei einer Ein-Mann-GmbH als falsch sowie die Bemerkung des Prüfers über das "weite Aufgabenfeld" des Steuerberaters.
Der Kläger macht weiter geltend, der Prüfer Y habe zu Beginn seines Prüfungsabschnitts erklärt, er werde das Prüfungsgebiet "Betriebswirtschaft und Rechnungswesen" (§ 37 Abs. 3 Nr. 6 Steuerberatungsgesetz - StBerG) prüfen; hierdurch sei eine Bindung an dieses Prüfungsgebiet eingetreten. Dem Prüfungsausschuss stehe kein Ermessen dahingehend zu, das Prüfungsgebiet "Betriebswirtschaft und Rechnungswesen" (§ 37 Abs. 3 Nr. 6 StBerG) mit Fragen aus anderen Prüfungsgebieten auszufüllen. Der Prüfer habe jedoch gezielt Fragen aus dem Prüfungsgebiet des § 37 Abs. 3 Nr. 5 StBerG (Fragen des GmbH-Rechts) gestellt; ein Bezug zu dem Prüfungsgebiet des § 37 Abs. 3 Nr. 6 StBerG und den hierzu gestellten Fragen habe nicht bestanden. Vielmehr sei die Prüfung in drei Blöcke gegliedert gewesen, nämlich "Betriebswirtschaftliche Wirtschaftssysteme", GmbH-Recht und erst als drittes Themengebiet Fragen aus dem Bereich des § 37 Abs. 3 Nr. 6 StBerG. Das GmbH-Recht habe in zeitlicher Hinsicht den größten Raum eingenommen, da es sich um das Spezialgebiet des Herrn Y gehandelt habe. Bei früheren Prüfungen habe Herr Y den Bereich des § 37 Abs. 3 Nr. 5 StBerG geprüft. Fragen aus dem Gebiet des § 37 Abs. 3 Nr. 6 StBerG, die der Kläger sämtlich zutreffend beantwortet habe, seien lediglich ein untergeordneter Teil der Prüfung gewesen. Der Kläger ist der Ansicht, die Fragen, die nicht zum Prüfungsbereich des § 37 Abs. 3 Nr. 6 StBerG gehörten, dürften nicht in die Bewertung seiner Leistung einbezogen werden. Da der Kläger alle Fragen, die zum Prüfungsgebiet "Betriebswirtschaft und Rechnungswesen" gehörten, ausnahmslos richtig beantwortet habe, sei seine Leistung in diesem Prüfungsgebiet mindestens mit "gut" zu bewerten.
Selbst unter Berücksichtigung der fachfremden Fragestellungen sei die Leistung des Klägers mindestens mit "befriedigend" zu bewerten.
Berufsrecht
Weiter erhebt der Kläger Einwendungen gegen die Bewertung seiner Leistung im Prüfungsabschnitt "Berufsrecht" (Prüferin Frau Z). Der Kläger habe zunächst eine Frage zum Thema Syndikus-Steuerberater zutreffend unter Hinweis auf § 58 Nr. 5a StBerG beantwortet. Entgegen der Darstellung des Beklagten sei der Kläger nicht gefragt worden, welche Ausnahmen es gebe, sondern wo der Syndikus-Steuerberater geregelt sei. Diese Frage habe er mit Hinweis auf § 58 Nr. 5a StBerG zutreffend beantwortet. Die Ausnahmen seien zuvor bereits von anderen Kandidaten vollständig erläutert worden.
Der Kläger habe ebenfalls die Frage, ob ein Steuerberater als Unternehmensberater tätig sein dürfe, zutreffend beantwortet. Das Verhalten der Prüferin habe bestätigt, dass diese Antwort als richtig angesehen worden sei.
Im weiteren Verlauf des Prüfungsgesprächs habe der Kläger auch eine Frage zum Thema Verjährung zutreffend beantwortet. Die Prüferin habe aus ihrer Sicht unrichtige oder unvollständige Antworten jeweils an Mitprüflinge "weitergegeben". Dies sei aber nicht bei den Fragen des Klägers erfolgt, was diesen in der Auffassung bestärkt habe, dass er eine gute Leistung gezeigt habe. Die Leistung des Klägers im Fach Berufsrecht sei mindestens mit "gut" zu bewerten.
Schlafender Prüfer:
Herr X, der den Prüfungsteil "Ertragsteuerliche Gewinnermittlung" geleitet habe, sei während der Prüfungsabschnitte am Vormittag der mündlichen Prüfung immer wieder eingeschlafen. Ihm seien mehrfach die Augen zugefallen und sein Kopf sei dabei leicht nach vorne genickt. Hierdurch sei der Anspruch der Prüflinge auf Chancengleichheit verletzt worden. Es gehöre zu den Pflichten der Prüfungskommission, sich so zu verhalten, dass die psychische Belastung der Prüflinge möglichst gering gehalten werde und Irritationen der Prüflinge möglichst vermieden würden. Das ständige Einnicken des Herrn X habe den Kläger sehr verunsichert. Er habe während der Prüfung unweigerlich immer wieder darauf geachtet und nicht gewusst, wie er hierauf reagieren solle. Hierdurch sei er dauerhaft abgelenkt und nicht voll konzentriert gewesen.
Auch die übrigen Prüflinge seien bei der Prüfung davon überzeugt gewesen, dass Herr X zeitweise geschlafen habe. Ihm seien mehrfach erkennbar die Augen zugefallen und sein Kopf sei nach vorne genickt. Der Eindruck des Schlafens sei ausschließlich während der Vormittagsprüfung aufgetreten und aus Sicht des Klägers nicht mit einer Augenkrankheit zu erklären. Aufgrund der Tatsache, dass Herr X während der Prüfungsabschnitte am Vormittag der mündlichen Prüfung immer wieder eingeschlafen sei, seien die Noten für die mündliche Prüfung nicht ordnungsgemäß gebildet worden, da die Noten für jeden Prüfungsabschnitt vom gesamten Prüfungsausschuss festzusetzen seien (§§ 27 Abs. 2, 10 Abs. 2 der Verordnung zur Durchführung der Vorschriften über Steuerberater, Steuerbevollmächtigte und Steuerberatungsgesellschaften - DVStB); dies setze eine entsprechende Aufmerksamkeit voraus.
Dem Kläger sei die Augenerkrankung des Herrn X erst durch die Klageerwiderung vom 12.08.2011 bekannt gegeben worden. Eine Augenkrankheit des Herrn X sei für die Prüflinge nicht erkennbar gewesen. Der Prüfungsausschuss wäre verpflichtet gewesen, vor Beginn der mündlichen Prüfung auf die gesundheitlichen Einschränkungen des Prüfers X hinzuweisen, um vorhersehbare Irritationen der Bewerber zu vermeiden. Das Verhalten dieses Prüfers habe auch die übrigen Prüflinge irritiert und sei Gegenstand von Pausengesprächen gewesen. Der Kläger verweist auf ein von seinen Mitprüflingen erstelltes Prüfungsprotokoll, in dem ausgeführt wird: "Wenn er in anderen Fragerunden mal die Augen schließt, nicht wundern, er mag manchmal etwas müde sein." (Bl. 53, 44 der Gerichtsakte)
Da Herr X ausschließlich am Vormittag geschlafen habe, seien der Kurzvortrag sowie die Prüfungsabschnitte "Ertragsteuerliche Gewinnermittlung", "Steuern vom Einkommen und Ertrag", "Betriebswirtschaftslehre und Rechnungswesen" und "Berufsrecht" der mündlichen Prüfung der Steuerberaterprüfung 2010 von diesem Prüfungsmangel betroffen. Der Kläger begehrt deshalb mit seinem Hauptantrag eine Wiederholung dieser Teile der mündlichen Prüfung. Hierdurch würden zugleich die Teile der Prüfung wiederholt, bei denen es auch zu den o.g. inhaltlichen Mängeln gekommen sei. Der Kläger ist der Ansicht, eine Wiederholung dieser Prüfungsteile entspreche dem Gebot der möglichst schonenden Fehlerbeseitigung und verweist hierzu auf die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zur Korrektur von Prüfungsmängeln.
Der Kläger beantragt,
die Entscheidung über das Nichtbestehen der Steuerberaterprüfung 2010 aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten,
- 1.
dem Kläger Gelegenheit zu geben, den Kurzvortrag sowie die Prüfungsabschnitte "Ertragsteuerliche Gewinnermittlung", "Steuern vom Einkommen und Ertrag", "Betriebswirtschaftslehre und Rechnungswesen" und "Berufsrecht" der mündlichen Prüfung der Steuerberaterprüfung 2010 zu wiederholen und das Prüfungsergebnis unter Berücksichtigung der Bewertung dieser wiederholten mündlichen Prüfung neu festzusetzen;
- 2.
hilfsweise, dem Kläger Gelegenheit zu geben, die mündliche Prüfung der Steuerberaterprüfung 2010 insgesamt zu wiederholen und das Prüfungsergebnis unter Berücksichtigung der Bewertung dieser wiederholten mündlichen Prüfung neu festzusetzen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Der Beklagte macht geltend, Gründe für ein Nachholen der mündlichen Prüfung (§ 30 Abs. 2 DVStB) lägen nicht vor. Bei der Bewertung der Prüfungsleistungen bestehe ein weiter Beurteilungsspielraum, den die Prüfungskommission nicht überschritten habe. Zu den einzelnen Einwendungen des Klägers nahm der Beklagte wie folgt Stellung:
Schlafender Prüfer:
Herr X leide an einer allergischen Konjunktivitis, die sich in stark juckenden und geröteten Augen, in Hautrötung um die Augen und geschwollenen Lidern sowie einer Lichtempfindlichkeit (Schlitzaugen) äußere. Er benötige eine Brille mit dicken Spezialgläsern. Ohne Kenntnis der Krankheit könne bei gegenüber sitzenden Personen der Eindruck von geschlossenen Augen entstehen. Tatsächlich habe Herr X während der Prüfung des Klägers nicht geschlafen, sondern sei ihr inhaltlich konzentriert gefolgt und habe sich ein eigenes Bild von den Prüfungsleistungen des Klägers machen können. Der Vorsitzende des Prüfungsausschusses und Frau Z, die während der Prüfung neben Herrn X gesessen hätten, hätten diesen während des gesamten Prüfungsverlaufs stets wach und konzentriert wahrgenommen.
Herr X habe am Prüfungstag einen ungünstigen Sitzplatz gehabt, durch den er stark von der Sonne geblendet worden sei. Bei früheren Prüfungen sei dieses Problem noch nicht aufgetreten, da in den Vorjahren die Prüfungen in einem anderen Gebäude mit weit geringerer Sonneneinstrahlung abgehalten worden seien. Herr X habe die vom Kläger geschilderten (nach vorne nickende) Kopfbewegungen gemacht, um Sonneneinstrahlungen auszuweichen.
Der Kläger rüge insoweit einen Verfahrensmangel. Eine derartige Rüge hätte der Kläger jedoch unmittelbar nach der Prüfung und vor Bekanntgabe des Prüfungsergebnisses erheben müssen. Anderenfalls verschaffe er sich mit der späteren Geltendmachung des Mangels im Falle des Nichtbestehens der Prüfung einen zusätzlichen Prüfungsversuch, der die Chancengleichheit im Verhältnis zu Mitprüflingen verletze. Der Streitfall sei nicht mit dem vom Kläger zitierten Urteil des FG Sachsen-Anhalt vom 29.10.1997 (EFG 1998, 334) vergleichbar, da dort ein persönlicher Streit zwischen dem Prüfling und dem Prüfer das Prüfungsverhältnis belastet habe.
Betriebswirtschaft und Rechnungswesen
Die gestellten Fragen seien dem Prüfungskanon des § 37 Abs. 3 Nr. 6 StBerG entnommen worden, auch wenn sie sich zum Teil mit dem Prüfungskanon des § 37 Abs. 3 Nr. 5 StBerG überschnitten hätten. Aus dem Sachzusammenhang einer Prüfung ergäben sich immer wieder Fragen, die in andere Prüfungsgebiete hineinreichten. Quantitativ und qualitativ seien dem Kläger jedoch primär Fragen aus dem Gebiet des § 37 Abs. 3 Nr. 6 StBerG gestellt worden. Im Übrigen müsse ein Steuerberater den gesamten Prüfungskanon des § 37 Abs. 3 StBerG beherrschen. Ein Prüfer, der eine Prüfungsaufgabe stelle, habe einen gerichtlich nicht nachprüfbaren pädagogischen Spielraum bei der Auswahl der konkreten Prüfungsinhalte aus dem vorgegebenen Prüfungsstoff.
Der Prüfer Y habe dem Prozessbevollmächtigten des Beklagten im Vorfeld der mündlichen Verhandlung telefonisch mitgeteilt, er hätte die Leistung des Klägers in dem von ihm durchgeführten Prüfungsteil auch dann mit "mangelhaft (5,0)" bewertet, wenn er dessen Antwort auf die Frage nach der erforderlichen Mindesteinzahlung bei einer Ein-Mann-GmbH als richtig gewertet hätte, da der Kläger im Verlauf der Prüfung sehr schlechte Leistungen erbracht und zahlreiche andere Fragen falsch oder nur unzureichend beantwortet habe. Hierzu legte der Beklagte handschriftliche Aufzeichnungen des Prüfers Y vor. Außerdem vertrat er die Ansicht, eine Wertung der o.g. Frage als zutreffend könne nicht zu einer Verbesserung der Benotung des Klägers von "mangelhaft (5,0)" auf die Note 3,0 führe, sondern allenfalls zu einer Verbesserung auf die Note 4,0. Da der Kläger aber in dem Prüfungsteil "Betriebswirtschaft und Rechnungswesen" mindestens eine Note von 3,0 erhalten müsse, um insgesamt gemäߧ 28 Abs. 1 Satz 2 DVStB die Zahl 4,15 nicht zu überschreiten, sei der etwaige Fehler bei dem Prüfungsteil "Betriebswirtschaft und Rechnungswesen" nicht kausal für das Nichtbestehen der Prüfung gewesen.
Berufsrecht
Der Sitznachbar des Klägers habe zunächst die Eingangsfrage, welche Tätigkeiten mit dem Berufsbild des Steuerberaters nicht vereinbar seien, zutreffend beantwortet. Daraufhin sei der Kläger nach Ausnahmen befragt worden. Dessen Antwort habe sich in dem Hinweis auf den Syndikus-Steuerberater beschränkt, sei jedoch nicht erschöpfend gewesen. Der Kläger hätte die Ausnahmen nach§ 58 StBerG und auch die Vorbehaltsaufgaben erläutern müssen.
Bei seiner Antwort auf die Frage zu den Uternehmensberatern habe der Kläger nicht dargelegt, welche Ausnahmen es bei gewerblicher Tätigkeit gebe und wer unter welchen Voraussetzungen hierfür eine Erlaubnis erteile.
Eine Frage nach der Verjährung von Schadensersatzansprüchen gegen Steuerberater habe der Kläger mit Hinweis auf die dreijährige Verjährungsfrist beantwortet. Erst auf Nachfrage zum Fristbeginn habe er auf "den Beginn des Jahresendes, in dem die falsche Beratung erfolgte" hingewiesen. Eine vertiefende Antwort habe der Kläger nicht gegeben und damit nicht dargelegt, ob er über weitergehende Kenntnisse verfüge z.B. zum Beginn der Verjährungsfrist ("Entstehung des Anspruchs zum Schluss des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist", Kenntnis des Gläubigers von den anspruchsbegründenden Umständen und der Person des Schuldners oder Verschulden bei Nichtkenntnis), zur ständigen Rechtsprechung, wonach die Verjährung eines vertraglichen Ersatzanspruchs gegen den Steuerberater regelmäßig mit dem Zugang des belastenden Steuerbescheids beginne und zur Wirkung von Rechtsmitteln, die den Beginn der Verjährung nicht hinderten. Im Rahmen seines prüfungsspezifischen Ermessens habe der Prüfungsausschuss diesen Prüfungsabschnitt mit "ausreichend (eine Leistung die abgesehen von einzelnen Mängeln durchschnittlichen Anforderungen genügt)" bewertet. Wegen weiterer Einzelheiten wird auf Blatt 39 der Finanzgerichtsakte verwiesen.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist nur in dem erkannten Umfang begründet. Der Beklagte ist verpflichtet, dem Kläger die Gelegenheit zu geben, die mündliche Prüfung der Steuerberaterprüfung 2010 (insgesamt) erneut abzulegen.
I.
Der Hauptantrag des Klägers, den Beklagten zu verpflichten, dem Kläger Gelegenheit zu geben, den Kurzvortrag sowie die Prüfungsabschnitte "Ertragsteuerliche Gewinnermittlung", "Steuern vom Einkommen und Ertrag", "Betriebswirtschaftslehre und Rechnungswesen" und "Berufsrecht" der mündlichen Prüfung der Steuerberaterprüfung 2010 zu wiederholen, ist unbegründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf eine isolierte Prüfung der vorgenannten Prüfungsgebiete.
1.
Mit der Steuerberaterprüfung hat der Bewerber darzutun, dass er in der Lage ist, den Beruf eines Steuerberaters ordnungsgemäß auszuüben. (§ 37 Abs. 1 StBerG). Die Prüfung gliedert sich in einen schriftlichen Teil aus 3 Aufsichtsarbeiten und eine mündliche Prüfung (§ 37 Abs. 2 Satz 1 StBerG). § 37 Abs. 3 Satz 1 StBerG nennt 8 Prüfungsgebiete der Steuerberaterprüfung; zugleich ist geregelt, dass nicht sämtliche Gebiete Gegenstand der Steuerberaterprüfung sein müssen (§ 37 Abs. 3 Satz 2 StBerG). Die mündliche Prüfung beteht aus einem kurzen Vortrag des Bewerbers über einen Gegenstand der o.g. Prüfungsgebiete und aus 6 Prüfungsabschnitten (§ 26 Abs. 3 Satz 1 DVStB). In den Prüfungsabschnitten sind an den Bewerber Fragen aus den Prüfungsgebieten zu stellen (§ 26 Abs. 3 Satz 2 DVStB). Prüfungsabschnitt ist jeweils die gesamte Prüfungstätigkeit eines Mitglieds des Prüfungsausschusses während der mündlichen Prüfung (§ 26 Abs. 3 Satz 3 DVStB). Der Prüfungsausschuss besteht aus 6 Personen, von denen 3 der Finanzverwaltung angehören, mindestens 2 Steuerberater sind und ggf. 1 Vertreter der Wirtschaft (§ 35 Abs. 1 Satz 3 StBerG).
Nach diesen Regelungen ist die mündliche Prüfung - nach dem Kurzvortrag - nicht durch die einzelnen Prüfungsgebiete des§ 37 Abs. 3 Satz 1 StBerG determiniert, sondern durch die Person des jeweiligen Prüfers. Der Prüfungszweck des§ 37 Abs. 1 StBerG erfordert es, einerseits dem Prüfungsausschuss zu ermöglichen, sich ein umfassendes Bild vom Wissen des Bewerbers auf den Gebieten zu verschaffen, mit denen er es in seinem angestrebten Beruf als Steuerberater zu tun haben wird, und andererseits dem Bewerber zu ermöglichen, das auf den Prüfungsgebieten erworbene Wissen auch zu zeigen. Die dazu notwendige fachliche Breite der Prüfungsthemen wird schon durch die vorgeschriebene Zahl von sechs Prüfungsabschnitten (§ 26 Abs. 3 Satz 1 DVStB) und durch eine entsprechende Zahl von Prüfern, die aus unterschiedlichen Berufssparten kommen (§ 35 Abs. 1 StBerG), gewährleistet. Es kann danach der fachlichen Verantwortung des Prüfungsausschusses überlassen bleiben, die Prüfungsfragen aus den in § 37 Abs. 3 StBerG genannten Prüfungsgebieten so auszuwählen, dass der zuvor beschriebene Zweck der Steuerberaterprüfung erfüllt wird. Ein Anspruch des Bewerbers darauf, in bestimmten der in § 37 Abs. 3 StBerG genannten Prüfungsgebiete auch tatsächlich geprüft zu werden, kann den Vorschriften über die mündliche Steuerberaterprüfung dagegen nicht entnommen werden. Diese sprechen vielmehr dafür, dass von dem Bewerber erwartet wird, sich auf alle Prüfungsgebiete so vorzubereiten, dass er in der mündlichen Prüfung den an ihn gestellten Anforderungen des Prüfungsausschusses auf den geprüften Gebieten gerecht wird (ständige BFH-Rechtsprechung seit einer im Jahr 1991 erfolgten Neuregelung des Prüfungsrechts, vgl. BFH-Urteile vom 14.12.1993 VII R 46/93, BStBl. II 1994, 333; vom 27.06.1994 VII R 70/93, BFH/NV 1994, 910). Es gibt keine Vorschrift darüber, in welchem Umfang im Rahmen der mündlichen Prüfung einzelne Sachgebiete zu prüfen sind (BFH-Urteil vom 21.01.1999 VII R 35/98, BStBl. II 1999, 242). Dies gilt auch dann, wenn der Prüfungsausschuss oder ein einzelner Prüfer im Verlauf der Prüfung erklärt, er werde ein bestimmtes Prüfungsgebiet prüfen. Auch in diesem Fall ist es dem Prüfungsausschuss nicht verwehrt, im weiteren Verlauf des Prüfungsgesprächs Fragen aus anderen Prüfungsgebieten zu stellen.
2.
Wenn der Kläger schon keinen Anspruch darauf hat, in den Prüfungsgebieten "Steuern vom Einkommen und Ertrag" (§ 37 Abs. 3 Nr. 2 StBerG), "Betriebswirtschaftslehre und Rechnungswesen" (§ 37 Abs. 3 Nr. 6 StBerG) und "Berufsrecht" (§ 37 Abs. 3 Nr. 8 StBerG) oder in einem Prüfungsfach "Ertragsteuerliche Gewinnermittlung" geprüft zu werden, so kann er erst recht keine Wiederholungsprüfung beanspruchen, die sich - neben dem Kurzvortrag - nur auf diese Themengebiete beschränkt. Ein derartiger Anspruch folgt insbesondere nicht aus dem Gebot der möglichst schonenden Fehlerbeseitigung.
In den Fällen, in denen die Bewertung einer Prüfungsleistung von den Prüfern nicht oder nicht ausreichend begründet worden ist und sich eine substantielle, die effektive gerichtliche Kontrolle der Prüfungsentscheidung ermöglichende Begründung wegen Zeitablaufs nicht nachholen lässt, ist nicht etwa - sozusagen auf der Grundlage fiktiv fehlerfreier Prüfungsleistungen - die Prüfung für bestanden zu erklären, sondern die negative Prüfungsentscheidung aufzuheben und dem Prüfling Gelegenheit zu geben, die Prüfung erneut abzulegen (BVerwG-Beschluss vom 18.02.2003 6 B 10/03, [...]; BVerwG-Urteil vom 06.09.1995 6 C 18.93, BVerwGE 99, 185; BFH-Urteil vom 21.01.1999 VII R 35/98, BStBl. II 1999, 242).
Nach dem in Art. 12 Abs. 1 GG i.V. mit Art. 3 Abs. 1 GG verankerten Gebot der Chancengleichheit im Prüfungsrecht darf es einem Prüfling weder zum Vorteil noch zum Nachteil gereichen, dass er die Anerkennung eines Bewertungsfehlers in einem gerichtlichen Verfahren erstreiten muss. Vielmehr müssen so weit wie möglich vergleichbare Prüfungsbedingungen und Bewertungskriterien gelten. Kann ein fehlerhaft bewerteter Prüfungsteil nicht neu bewertet werden, wie das namentlich bei mündlichen Prüfungen nach gewisser Zeit und so auch hier der Fall ist, muss die Prüfungsleistung erneut erbracht werden (BVerwG-Urteil vom 19.12.2001 6 C 14/01, DVBl. 2002, 973).
Liegt die Prüfung längere Zeit zurück, bringt die Wiederholung zusätzliche Belastungen für den Prüfling zumal dann mit sich, wenn er sich im Beruf befindet. Die erneute Prüfung ist in einem derartigen Fall so zu gestalten, dass durch den Zeitablauf hervorgerufene Erschwernisse der Prüfung im Interesse des Prüflings im gebotenen Umfang aufgefangen werden (BVerwG-Urteil vom 19.12.2001 6 C 14/01, DVBl. 2002, 973). Die dafür erforderlichen Vorkehrungen zu treffen, ist in erster Linie Aufgabe des zuständigen Normgebers. Bei Fehlen einer normativen Bestimmung sind die Gerichte aufgerufen, die Lücke in der Regelung des Prüfungsablaufs unter dem erwähnten Gesichtspunkt zu schließen, dass der Prüfling bei der erneuten Prüfung den geringstmöglichen Nachteil erleidet. Diesem Gesichtspunkt wird in der Regel dadurch entsprochen, dass der Prüfling lediglich denjenigen selbständig zu bewertenden Prüfungsteil, dem der rechtserhebliche Mangel anhaftet, erneut abzulegen hat (BVerwG, a.a.O.).
Nach diesen Maßstäben sind etwa einzelne Klausuren einer schriftlichen Prüfung (insgesamt) zu wiederholen, wenn ein Fehler bei einer Klausur aufgetreten ist (vgl. BFH-Urteil vom 03.07.1980 VII R 84/79, BStBl. II 1980, 610 zur Wiederholung einer einzelnen Klausur aus der Steuerbevollmächtigtenprüfung), nicht jedoch Teilbereiche einzelner Klausuren. Ebenso kann im juristischen Staatsexamen ein Kurzvortrag ggf. isoliert von dem mündlichen Prüfungsgespräch wiederholt werden (so jetzt BVerwG-Urteil vom 19.12.2001 6 C 14/01, DVBl. 2002, 973; OVG Münster Urteil vom 09.10.2007 14 A 2873/06, NWVBl. 2008, 111; anders noch BVerwG-Urteil vom 17.07.1987 7 C 118/86, BVerwGE 78, 55). Nicht in weitere Untereinheiten teilbar sind dagegen einzelne Klausuren oder das Prüfungsgespräch der mündlichen Prüfung, auch wenn ein Fehler nur Teilbereichen dieser jeweiligen Prüfungsaufgaben anhaftete.
Voraussetzung für eine isolierte Wiederholung einzelner Teile einer mündlichen Prüfung ist, dass ein rechtserheblicher Mangel nur einzelnen, selbständig zu bewertenden Prüfungsteilen anhaftet (BVerwG-Urteil vom 19.12.2001 6 C 14/01, DVBl. 2002, 973) und die fehlerhaften Prüfungsteile von anderen Teilen abtrennbar sind, ohne dass die Gesamtbewertung verfälscht wird (Niehues/Fischer, Prüfungsrecht, 5. Aufl. 2010, Rn. 761 u. 503). Wie oben zu 1. dargelegt, ist die mündliche Prüfung im Steuerberaterexamen - nach dem Kurzvortrag - nicht durch die einzelnen Prüfungsgebiete des § 37 Abs. 3 Satz 1 StBerG determiniert, sondern durch die Person des jeweiligen Prüfers. Dies schließt es aus, eine Wiederholungsprüfung auf einzelne Prüfungsgebiete des § 37 Abs. 3 Satz 1 StBerG zu beschränken.
3.
Etwas anderes folgt nicht aus dem Urteil des Schleswig-Holsteinischen Finanzgerichts vom 27.02.2003 (2 K 40/02, EFG 2003, 958). Zwar gehen die zu diesem Urteil in EFG und bei [...] veröffentlichten Leitsätze und auch die Entscheidungsgründe - ohne nähere Erläuterung - von einer Teilbarkeit einzelner Prüfungsteile der mündlichen Prüfung des Steuerberaterexamens aus. In der Sache selbst hat das Schleswig-Holsteinische Finanzgericht allerdings nur entschieden, eine mündliche Prüfung sei dann nicht zu wiederholen, wenn lediglich ein Teilbereich der mündlichen Prüfung unter Verletzung allgemeiner Bewertungsgrundsätze bewertet wurde und festgestellt werden kann, dass der Prüfungsfehler keine Auswirkung auf das Nichtbestehen der Prüfung hatte, weil selbst bei einer Benotung des fehlerbehafteten Prüfungsteils mit der bestmöglichen Note die Prüfung nicht bestanden worden wäre (a.a.O.., [...] Rn. 89). Dies entspricht dem allgemeinen Grundsatz, dass Verfahrensfehler, die auch in der Bewertung der Prüfungsleistung liegen können, nur dann zur Aufhebung der Prüfungsentscheidung führen, wenn sich nicht ausschließen lässt, dass bei Beachtung des richtigen Verfahrens ein besseres Prüfungsergebnis erzielt worden wäre (BFH-Urteil vom 15.09.1992 VII R 6/92, BFH/NV 1993, 502). Hieraus kann jedoch nicht gefolgert werden, dass einzelne Teilbereiche einer mündlichen Prüfung isoliert wiederholt werden können, wenn deren Benotung - wie im Streitfall (s. hierzu unten II. 2 i) - Einfluss auf die Gesamtnote gehabt haben kann.
4.
Ob ggf. eine isolierte Wiederholung des Kurzvortrags der mündlichen Steuerberaterprüfung in Betracht kommen kann, wenn nur dieser mit Prüfungsfehlern behaftet ist, bedarf keiner Entscheidung. Der Kläger begehrt eine weitergehende Wiederholung seiner Prüfung, da diese mit Fehlern behaftet ist, die nicht nur dem Kurzvortrag anhaften (s. hierzu unten II. 1. und 2.).
II.
Der Hilfsantrag des Klägers, dem Kläger Gelegenheit zu geben, die mündliche Prüfung der Steuerberaterprüfung 2010 insgesamt zu wiederholen, ist begründet. Die mündliche Prüfung des Klägers leidet an Mängeln, die dazu führen, dass diese Prüfung zu wiederholen ist.
1.
Zum einen ist die Entscheidung über die mündliche Prüfung deshalb aufzuheben, weil den Prüflingen die Augenkrankheit des Prüfers X und der hierdurch vermittelte Eindruck geschlossener Augen nicht rechtzeitig - vor Beginn der mündlichen Prüfung bzw. nach dem Ende des ersten Prüfungsabschnitts, in dem die Beschwerden des Prüfers X erstmals aufgetreten sind - mitgeteilt wurde.
a)
Es gehört zu den Pflichten einer Prüfungskommission, sich so zu verhalten, dass die psychische Belastung der Prüflinge möglichst gering gehalten wird und Irritationen der Prüflinge möglichst vermieden werden, schon um die Konzentrationsfähigkeit der Prüflinge nicht zu beeinträchtigen. Hierzu gehört es auch, dass die Prüflinge im Voraus darauf hinzuweisen sind, wenn ein Prüfer unter einer Augenkrankheit leidet und eine Spezialbrille trägt, die bei dem Gegenüber den Eindruck ständig geschlossener Augen vermitteln kann. Anderenfalls könnten die Prüflinge den Eindruck erhalten, der Prüfer sei eingeschlafen. Die sich daran zwangsläufig anschließende Überlegung des Prüflings, wie er auf diese Situation reagieren soll, ob er insbesondere den Vorsitzenden der Kommission bitten soll, den Prüfer zu wecken oder ob er dessen Verhalten besser hinnimmt, bringt bereits eine hohe Beeinträchtigung der Konzentration des Prüflings mit sich. Die sich hieraus ergebenden Beeinträchtigungen führen zu einer Verletzung des Anspruchs des Klägers auf Chancengleichheit im Vergleich mit anderen Prüflingen, die derartigen Ablenkungen vom eigentlichen Prüfungsgeschehen nicht ausgesetzt sind (vgl. FG Sachsen-Anhalt Urteil vom 29.10.1997 I 107/96, EFG 1998, 334).
Insbesondere ist bei einer mündlichen Prüfung eine Rüge während der Prüfung weder durch § 26 Abs. 8 DVStB vorgeschrieben noch zumutbar. Der aus dem Prüfungsrechtsverhältnis folgende Grundsatz von Treu und Glauben gebietet, dass Prüflinge Störungen im Rahmen des Zumutbaren unverzüglich geltend machen. Bei einer mündlichen Prüfung ist allerdings im Rahmen der Zumutbarkeitsprüfung zu beachten, dass der Prüfling hier eine Hemmschwelle überwinden muss, ehe er sich mit einer Beschwerde an den Prüfer oder das Prüfungskollegium wendet (BFH-Urteil vom 27.07.1993 VII R 11/93, BStBl. II 194, 259 m.w.N.). Nach diesen Maßstäben ist es einem Prüfling nicht zuzumuten, während einer mündlichen Prüfung das (vermeintliche) Schlafen eines Prüfers zu rügen (ebenso FG Sachsen-Anhalt, a.a.O.).
b)
Während des Vormittags der mündlichen Steuerberaterprüfung vom 28.01.2011 hat der Prüfer X aufgrund seiner Augenkrankheit und seiner Spezialbrille unstreitig für die Prüflinge wiederholt den Eindruck geschlossener Augen vermittelt. Auch hat er nach vorne nickende (zuckende) Kopfbewegungen gemacht, die beim Kläger den Eindruck des Schlafens hervorgerufen haben, tatsächlich aber nach Angaben des Beklagten dazu dienten, eine Blendwirkung infolge Sonneneinstrahlung zu vermeiden. Ohne Kenntnis der Augenkrankheit des Prüfers legte dessen Verhalten nach den von beiden Beteiligten in der mündlichen Verhandlung übereinstimmend geschilderten Symptomen für einen objektiven Beobachter den Eindruck nahe, der Prüfer sei eingeschlafen (vgl. zu den Anzeichen für das Schlafen eines Richters BFH-Beschlüsse vom 17.05.1999 VIII R 17/99, BFH/NV 1999, 1491; vom 17.02.2011 IV B 108/09, BFH/NV 2011, 996; BVerwG-Beschluss vom 19.7.2007 5 B 84/06, HFR 2008, 1291 m.w.N.).
c)
Aus den o.g. Gründen bedarf es keiner Klärung der Frage, ob der Prüfer X während des Vormittagsteils der mündlichen Prüfung tatsächlich geschlafen hat und ob die Beschwerden des Prüfers X - aufgrund des Umzugs in andere Prüfungsräume und der Witterungsbedingungen des Prüfungstages - erstmals bei der streitbefangenen Prüfung aufgetreten sind.
Auch wenn Herr X der Prüfung stets konzentriert gefolgt ist und zu Beginn der Prüfung noch nicht mit den witterungsbedingten Beeinträchtigungen rechnen konnte, hätte die Prüfungskommission spätestens nach dem Ende des ersten Prüfungsabschnitts, in dem Herr X nach Angaben des Beklagten durch die Sonne geblendet wurde und auffällige (nach vorne nickende) Kopfbewegungen machte, um die Sonneneinwirkung zu vermindern, die Prüflinge entweder auf diese Besonderheiten hinweisen können und müssen, um weitere Ablenkungen vom eigentlichen Prüfungsgeschehen zu vermeiden oder aber versuchen müssen, die Störung durch andere geeignete Maßnahmen zu beseitigen oder zu vermindern.
Es bedarf ebenfalls keiner näheren Prüfung, welche Angaben über die Person des Prüfers X dem Kläger vor seiner eigenen mündlichen Prüfung aus Prüfungsprotokollen anderer Prüflinge bekannt waren. Da der Beklagte die Augenkrankheit des Prüfers erstmals im Verlauf dieses Klageverfahrens mitgeteilt hat und die Blendwirkung nach Angaben des Beklagten in dieser Form erstmals bei der streitbefangenen Prüfung aufgetreten ist, liegen keine Anhaltspunkte dafür vor, dass der Kläger schon vor seiner mündlichen Prüfung mit entsprechenden Irritationen rechnen konnte.
2.
Darüber hinaus leidet die mündliche Prüfung in dem Prüfungsgebiet "Betriebswirtschaft und Rechnungswesen" unter dem Mangel, dass nicht mehr mit der erforderlichen Sicherheit festzustellen ist, weshalb dieses Prüfungsgebiet mit "mangelhaft (5,0)" bewertet wurde, obwohl der Kläger rechtzeitig substantiierte Einwendungen gegen die Bewertung dieses Prüfungsgebiets erhoben hat. Es lässt sich auch nicht mehr mit der erforderlichen Sicherheit festzustellen, welche Fragen an den Kläger gestellt wurden, welche Antworten er gegeben hat, ob ggf. eine zutreffende Antwort als unzutreffend gewertet wurde und ob ein derartiger Fehler dem Kläger als für die Prüfungsentscheidung tragender Grund mitgeteilt wurde.
a)
Das für die Steuerberaterprüfung geltende Verfahrensrecht enthält keine Vorschriften mit einer Verpflichtung zur Protokollierung des Inhalts der mündlichen Prüfung (vgl. die nur formalen Anforderungen an das Prüfungsprotokoll gemäߧ 31 DVStB) oder mit einer Verpflichtung der Prüfungsbehörde zur Begründung der Bewertung der mündlichen Prüfungsleistungen. Nach § 28 Abs. 1 Satz 3 DVStB hat der Vorsitzende des Prüfungsausschusses im unmittelbaren Anschluss an die mündliche Prüfung und die Beratung des Ausschusses den Bewerbern lediglich (mündlich) zu eröffnen, ob sie die Prüfung bestanden haben; Noten werden hierbei nach Satz 4 der Vorschrift nicht erteilt.
b)
Prüfungsentscheidungen, von denen der Zugang zu einem bestimmten Beruf --hier dem des Steuerberaters-- abhängt, greifen in die durch Art. 12 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) geschützte Berufsfreiheit ein, weil sie dem Betroffenen --möglicherweise endgültig-- die Ausübung dieses Freiheitsrechts verwehren. Deshalb besteht nach gefestigter höchstrichterlicher Rechtsprechung bei berufsbezogenen Prüfungen wie der Steuerberaterprüfung ein Anspruch des Prüflings auf effektiven Schutz seines Grundrechts der Berufsfreiheit aus Art. 12 Abs. 1 GG (st.Rspr. seit BVerwG-Urteil vom 06.09.1995 6 C 18.93, BVerwGE 99, 185; BFH-Urteil vom 21.01.1999 VII R 35/98, BStBl. II 1999, 242). Jeder Prüfling, der meint, ungerecht beurteilt worden zu sein, hat einen Anspruch darauf, die betreffenden Beurteilungen der Prüfer nachprüfen zu können und ggf. gerichtlich nachprüfen zu lassen. Die gerichtliche (Rechtmäßigkeits-)Kontrolle von Prüfungsentscheidungen ist allerdings inhaltlich begrenzt. Denn die Bewertung einer Prüfungsleistung beruht --außer auf der fachspezifischen Beurteilung der Prüfungsleistungen-- auf komplexen Erwägungen, die sich nicht regelhaft erfassen lassen, insbesondere auf den persönlichen, subjektiven Erfahrungen und Vorstellungen der Prüfer (ihrem höchstpersönlichen "Fachurteil"), der Berücksichtigung der objektiv nicht ohne weiteres fassbaren "Prüfungssituation" und nicht zuletzt auf Einschätzungen und Erfahrungen, die die Prüfer im Laufe ihrer Examenspraxis bei vergleichbaren Prüfungen entwickelt haben und aufgrund des Gebotes der Chancengleichheit der Prüflinge bei der Notenvergabe anzuwenden haben (BVerfG-Beschluss vom 17.04.1991 1 BvR 419/81, BVerfGE 84, 34). Dieses Gebot unterstreicht § 15 Abs. 1 DVStB, wenn er auf die "durchschnittlichen Anforderungen" als Bewertungsmaßstab abstellt. Die durch Art. 19 Abs. 4 GG grundsätzlich gebotene gerichtliche Kontrolle von Prüfungsentscheidungen ist aufgrund dieser sachgesetzlichen Eigentümlichkeiten der Prüfungsentscheidung nur eingeschränkt möglich. Wegen der zahlreichen Unwägbarkeiten, die bei der Bewertung einer Prüfungsleistung eine Rolle spielen, muss den Prüfern ein Entscheidungsspielraum zugestanden werden (ständige Rechtsprechung, vgl. BFH a.a.O.). Die dadurch entstehenden Defizite der Kontrolle von Prüfungsentscheidungen sind jedoch durch Regelungen des Prüfungsverfahrens so weit wie möglich auszugleichen. Insbesondere muss der Prüfling, soweit dies irgendmöglich ist, instand gesetzt werden, Einwände gegen die Bewertung der Prüfungsleistungen zu erheben. Dafür benötigt der Prüfling ausreichende Informationen über die Erwägungen, welche die Prüfer für die Prüfungsentscheidung und die ihr bei der Steuerberaterprüfung zugrundeliegende Vergabe von Einzelnoten (§ 15 DVStB) angestellt haben. Denn ohne solche Informationen kann er Einwände gegen die Bewertung seiner Leistungen in der Prüfung und die darauf beruhende Prüfungsentscheidung nicht wirksam erheben. Dem Prüfling ist deshalb im Rahmen des Verfahrens einer von ihm ggf. begehrten Kontrolle der Prüfungsentscheidung ein Anspruch auf diejenigen Informationen zuzugestehen, die er benötigt, um feststellen zu können, ob die rechtlichen Vorgaben und Grenzen der Prüfung, insbesondere bei der Beurteilung seiner Leistungen, eingehalten worden sind. Er hat einen Anspruch auf eine angemessene Begründung der Prüfungsentscheidung, d.h. auf die Bekanntgabe der wesentlichen tragenden Gründe, mit denen die Prüfer zu einer bestimmten Bewertung der Prüfungsleistung gelangt sind (BVerwG und BFH, a.a.O.).
c)
Gleichwohl ist es nicht geboten, bei mündlichen Prüfungen in jedem Fall eine schriftliche oder auch nur mündliche Begründung der Bewertung sämtlicher Prüfungsleistungen ohne Rücksicht darauf zu verlangen, ob der jeweilige Prüfling überhaupt erwägt, Einwände gegen die Bewertung seiner Prüfungsleistung vorzubringen. Vielmehr entscheidet das Verlangen des Prüflings nach einer Begründung nicht nur darüber, ob die Prüfungsentscheidung überhaupt begründet werden muss, sondern von ihm hängt auch der konkrete Inhalt des Anspruches des Prüflings auf eine Begründung der Prüfungsentscheidung ab. Der Inhalt der von den Prüfern zu ihren Bewertungen von mündlichen Prüfungsleistungen abzugebenden Begründung wird maßgeblich davon bestimmt, mit welchem konkreten Begehren und mit welcher Begründung der Prüfling eine Begründung verlangt und ob er dies rechtzeitig tut (BFH-Urteil vom 21.01.1999 VII R 35/98, BStBl. II 1999, 242).
Welchen Umfang die Informationsrechte des Prüflings im Einzelnen haben und unter welchen verfahrensrechtlichen Maßgaben sie wahrzunehmen sind, ist für die Steuerberaterprüfung positiv-rechtlich nicht näher bestimmt. Prüfling und Prüfungsbehörde müssen deshalb mangels solcher Vorgaben ihr Verhalten nach den Umständen des einzelnen Falles ausrichten und dabei einerseits darauf Rücksicht nehmen, dass eine umfassende Begründung der Notenvergabe in der mündlichen Prüfung ohne konkreten, durch entsprechende Einwände des Prüflings herbeigeführten Anlass den Prüfern nicht zumutbar und mit angemessenem Aufwand in der Regel auch gar nicht möglich wäre, dass aber andererseits den Erfordernissen wirksamen Grundrechtsschutzes des Prüflings soweit wie möglich entsprochen werden muss (BFH, a.a.O.).
Macht der Prüfling einen Anspruch auf Begründung der Prüfungsentscheidung bzw. bestimmter Einzelnoten der mündlichen Prüfung geltend, wird er in diesem Stadium des Verfahrens häufig substantiierte Einwände gegen die Notenvergabe --insbesondere gegen die fachspezifische Beurteilung seiner Beiträge im Prüfungsgespräch als falsche statt als richtige oder zumindest vertretbare Lösung der Prüfungsaufgabe oder gegen prüfungsspezifische Bewertungen seiner Leistungen als nur durchschnittlich statt als herausragend usf.-- nicht vorbringen können, solange er nicht von den Prüfern über die wesentlichen Gründe für die Bewertung der Prüfungsleistungen informiert worden ist. Andererseits ist es in diesem Stadium auch für die Prüfer, ohne konkrete Einwände des Prüflings gegen die Noten zu kennen, nicht geboten und im Allgemeinen auch kaum möglich, eine umfassende Begründung abzugeben. Sie können sich stattdessen zunächst auf die wesentlichen Punkte beschränken und dem Prüfling eine nähere Auseinandersetzung mit der Bewertung seiner Leistungen und ggf. die Anforderung weiterer Erläuterungen überlassen. Nur wenn der Prüfling bereits konkrete Einwände erhoben hat, muss die Prüfungsbehörde auf diese konkret eingehen (BFH, a.a.O.).
d)
Selbst der Anspruch des Prüflings auf eine erste allgemeine, auf die wesentlichen Punkte beschränkte Begründung setzt jedoch ein Begründungsverlangen voraus, das nicht pauschal und gleichsam ins Blaue hinein gestellt wird, sondern Mindestanforderungen an eine kritische Auseinandersetzung mit dem Prüfungsergebnis genügt. Der dem Prüfling dem Grunde nach gewährte allgemeine Informationsanspruch wird überhaupt erst dadurch zu einem konkreten Anspruch, der sich auf die Begründung (vom Prüfling) näher bezeichneter Bewertungen in einem bestimmten Fach bezieht, dass der Prüfling sein Begründungsverlangen entsprechend spezifiziert und für sein Begründungsverlangen "sachlich vertretbare Gründe" angibt. Nur ein solches Begründungsverlangen löst die Verpflichtung des Prüfungsausschusses aus, überhaupt eine nach Form oder Inhalt qualifizierte Begründung der Prüfungsentscheidung abzugeben (BFH-Urteil vom 21.01.1999 VII R 35/98, BStBl. II 1999, 242 m.w.N).
Allerdings braucht sich der Prüfling für ein solches spezifiziertes Verlangen nach einer (ersten) Begründung der Prüfungsentscheidung grundsätzlich noch nicht mit Einzelheiten des Prüfungsverlaufs auseinanderzusetzen; er muss insbesondere in diesem Stadium des Kontrollverfahrens noch keine konkreten und substantiierten Angriffe gegen einzelne fach- oder prüfungsspezifische Bewertungen der Prüfer vortragen. Dazu wird er in der Regel auch nicht oder allenfalls bruchstückhaft und nur auf der Grundlage von mehr oder weniger ungewissen Vermutungen in der Lage sein; denn er kennt die von den Prüfern angestellten Erwägungen (noch) nicht und kann sie sich allenfalls aus deren Verhalten im Prüfungsgespräch zu erschließen versuchen. Der Prüfling muss hingegen für sein Begehren einer Begründung der Prüfungsentscheidung in einem bestimmten Fach seine Bedenken gegen die Benotung seiner Leistung dadurch spezifizieren, dass er zumindest allgemeine Anhaltspunkte dafür angibt, weshalb er vermutet, dass die Benotung auf in fach- und/oder prüfungsspezifischer Hinsicht angreifbaren Erwägungen der Prüfer beruht oder zumindest beruhen kann. Schon von einem ersten Begründungsverlangen ist zu erwarten, dass es erkennen lässt, dass der Prüfling sich mit der Benotung seiner Prüfungsleistungen durch die Prüfer (selbst-)kritisch auseinandergesetzt hat, dass er die von ihm erbrachten Prüfungsleistungen also, soweit ihm dies möglich ist, selbst überprüft und an den ihm von den Prüfern gegebenen Noten gemessen hat (BFH-Urteil vom 21.01.1999 VII R 35/98, BStBl. II 1999, 242).
Haben die Prüfer auf ein solches erstes Begründungsverlangen des Prüflings geantwortet und eine erste Begründung ihrer Prüfungsentscheidung abgegeben, so muss der Prüfling, sofern er seine Bedenken gegen die Prüfungsentscheidung nicht ausgeräumt sieht, nachfragen, wenn er sich mit der Begründung nicht zufriedengeben will, weil er sie für unvollständig oder noch nicht für ausreichend hält, um ihm konkrete, substantiierte Einwände gegen einzelne fach- oder prüfungsspezifische Bewertungen überhaupt zu ermöglichen. Anderenfalls muss er, um seiner Mitwirkungspflicht bei der Kontrolle der Prüfungsentscheidung zu genügen, nunmehr seine Einwände gegen die fach- oder prüfungsspezifischen Bewertungen der Prüfer substantiieren (BFH-Urteil vom 21.01.1999 VII R 35/98, BStBl. II 1999, 242 m.w.N.).
e)
Nach diesen Maßstäben hat der Kläger mit seinem Schreiben vom 10.03.2011, das sich auf 6 maschinenschriftlichen DIN-A-4-Seiten ausführlich aus Sicht des Klägers mit dem Verlauf der mündlichen Prüfung und dem ihm bis dahin bekannt gegebenen Prüfungsnoten auseinandersetzt, rechtzeitig ein hinreichend substantiiertes erstes Verlangen zur Begründung der Prüfungsnoten der mündlichen Prüfung bekundet. Im weiteren Verlauf des Klageverfahrens hat der Kläger mit Schriftsatz vom 11.07.2011 zeitnah auf die Stellungnahme des Prüfungsausschusses im Überdenkungsverfahren reagiert, die ihm mit Schreiben vom 20.06.2011 übersandt wurde.
Insbesondere hat der Kläger mit seinem Schreiben vom 10.03.2011 im Einzelnen dargelegt, weshalb er sich gegen die Benotung der Prüfungsabschnitte Kurzvortrag, Berufsrecht, Betriebswirtschaft und Rechnungswesen wandte, für die ihm zu diesem Zeitpunkt eine Prüfungsnote mitgeteilt worden war. Außerdem hat der Kläger um Bekanntgabe der Prüfungsnoten zu den übrigen Prüfungsteilen gebeten und deren Verlauf aus seiner Erinnerung geschildert. Wegen der Einzelheiten wird auf Blatt 83 und 85 ff. der Heftung des Beklagten verwiesen. Hierdurch wurden die von der Rechtsprechung entwickelten Anforderungen an ein erstes Prüfungsverlangen (BVerwG-Urteil vom06.09.1995 6 C 18.93, BVerwGE 99, 185; BFH-Urteil vom 21.01.1999 VII R 35/98, BStBl. II 1999, 242) mehr als erfüllt.
Weder das Steuerberatungsgesetz noch die DVStB enthalten eine Norm darüber, innerhalb welcher Zeit Einwendungen gegen die Benotung einer mündlichen Prüfung erhoben werden können. § 26 Abs. 8 DVStB regelt lediglich, dass Einwendungen gegen den Ablauf der Vorbereitung der Vortrag oder der mündlichen Prüfung wegen Störungen, die durch äußere Einwirkungen verursacht worden sind, unverzüglich, spätestens bis zum Ende der mündlichen Prüfung, durch Erklärung gegenüber dem Aufsichtführenden oder dem Vorsitzenden des Prüfungsausschusses geltend zu machen sind. Eine eigenständige Ausschlussfrist zur Geltendmachung inhaltlicher Mängel des Prüfungsvorgangs ist dagegen nicht normiert. Materielle Beurteilungsfehler kann vielmehr jeder Kläger bis zur letzten mündlichen Verhandlung geltend machen (vgl. BVerwG-Urteile vom22.06.1994 6 C 37/92, BVerwGE 96, 126; vom 27.04.1999 2 C 30/98, NVwZ 2000, 921; BFH-Urteil vom 21.01.1999 VII R 35/98, BStBl. II 1999, 242).
Der Kläger wurde lediglich zum Abschluss der mündlichen Prüfung - neben dem Hinweis auf die Klagemöglichkeit und die Klagefrist - mündlich darüber informiert, dass Einwendungen gegen die Bewertung von Prüfungsleistungen so schnell wie möglich vorzubringen seien. Dabei wurde auch darauf hingewiesen, dass nach Ablauf von zwei Monaten eine schriftliche Begründung für die Bewertung einer mündlichen Prüfungsleistung "nicht mehr möglich" sei. Hieraus konnte der Kläger lediglich herleiten, dass er die Klagefrist von einem Monat zu wahren hat und spätestens innerhalb eines weiteren Monats nach Ablauf der mündlichen Prüfung substantiiert Einwendungen gegen die Bewertung seiner Prüfungsleistung vorzubringen habe. Eine weitergehende Obliegenheit, die der Kläger verletzt haben könnte, wurde hierdurch nicht begründet.
Bei der Frage, ob der Kläger etwaige Obliegenheiten verletzt hat, ist auch zu beachten, dass der Hinweis auf die Klagemöglichkeit und die bei Anfechtung einer Prüfungsentscheidung zu beachtenden Besonderheiten dem Kläger lediglich mündlich erteilt wurden, als er sich in einer psychisch besonders angespannten Situation befand, nachdem ihm zuvor das Nichtbestehen der Prüfung eröffnet wurde. Nach höchstrichterlicher Rechtsprechung ist die Prüfungsbehörde aufgrund ihrer Fürsorgepflicht aus dem Prüfungsrechtsverhältnis verpflichtet, die Prüflinge auf das Erfordernis eines spezifizierten Verlangens nach einer Begründung einzelner Noten der mündlichen Prüfung in geeigneter Form hinzuweisen. Hierzu bietet sich ein entsprechender Hinweis bei der Ladung zur mündlichen Prüfung an. Ein solcher Hinweis spätestens zu diesem Zeitpunkt dürfte insbesondere dann geboten sein, wenn die Prüfungsbehörde auf jegliche interne Dokumentation der für die Bewertung wesentlichen Gesichtspunkte verzichtet, so dass der Gegenstand einer möglichen späteren Nachprüfung mit der schnell verblassenden Erinnerung der Prüfer an das Prüfungsgeschehen gänzlich verlorenzugehen droht (BVerwG-Urteil vom 06.09.1995 6 C 18.93, BVerwGE 99, 185).
Der oben beschriebenen Fürsorgepflicht ist der Beklagte nicht in der vom Bundesverwaltungsgericht empfohlenen Form nachgekommen. Die dem Gericht in Kopie vorliegende Ladung zur Prüfung enthält keinen Hinweis auf die oben zitierte Rechtsprechung. Obwohl der Beklagte auf jegliche inhaltliche Dokumentation der mündlichen Steuerberaterprüfung verzichtet, hat er den Kläger lediglich im Anschluss an die Bekanntgabe der Prüfungsentscheidung mündlich auf das Erfordernis einer selbstkritischen Auseinandersetzung mit seiner Prüfungsleistung hingewiesen.
f)
Nachdem der Kläger rechtzeitig substantiierte Einwendungen gegen die Bewertung seiner Prüfungsleistung im Prüfungsteil "Betriebswirtschaft und Rechnungswesen" mit der Note "mangelhaft (5,0)" erhoben hat, konnten die für die Benotung dieses Prüfungsteils maßgebenden Gründe nicht mehr mit der erforderlichen Sicherheit festgestellt werden.
Der Kläger hat mit seinem Schreiben vom 10.03.2011 geltend gemacht, eine vermeintlich falsche (tatsächlich zutreffende) Antwort auf die Frage nach der Mindesteinzahlung auf das Stammkapital einer Ein-Mann-GmbH sei von der Prüfungskommission als ausschlaggebend für die Benotung des Prüfungsteils "Betriebswirtschaft und Rechnungswesen" als "mangelhaft" benannt worden. Obwohl dieser Einwand dem Beklagten ca. 6 Wochen nach dem Tag der mündlichen Prüfung bekannt wurde, sah sich die Prüfungskommission im Überdenkungsverfahren nicht in der Lage, substantiiert hierzu Stellung zu nehmen. Die Kommission erinnerte sich weder daran, welche Frage dem Kläger im Hinblick auf das Stammkapital einer Ein-Mann-GmbH gestellt wurde, noch daran, was er geantwortet hat, noch daran, weshalb der Prüfungsteil "Betriebswirtschaft und Rechnungswesen" als einziger Teil der mündlichen Prüfung mit der schlechtesten vergebenen Einzelnote "mangelhaft (5,0)" bewertet wurde. Wegen der Einzelheiten wird auf Blatt 108 der Heftung des Beklagten verwiesen.
Bei der Würdigung der - erst am 15.06.2011, also mehr als 4 Monate nach der mündlichen Prüfung und 3 Monate nach Eingang des Überdenkungsantrags erstellten - Stellungnahme der Prüfungskommission ist auch von dem Erfahrungssatz auszugehen, dass nach Ablauf von rund zwei Monaten nach der Prüfung die nachträgliche Erstellung einer substantiellen Begründung für die Bewertung mündlicher Prüfungsleistungen, die ihren Zweck noch erfüllen könnte, vielfach nicht mehr möglich ist. Ausnahmen sind etwa dann denkbar, wenn die Prüfer sich detaillierte Aufzeichnungen gemacht und diese auch aufbewahrt haben (BVerwG-Urteil vom 06.09.1995 6 C 18.93, BVerwGE 99, 185; ebenso für die Steuerberaterprüfung BFH-Urteil vom21.01.1999 VII R 35/98, BStBl. II 1999, 242) oder wenn der Verlauf der mündlichen Prüfung sich auch nach Ablauf von 2 Monaten mit der erforderlichen Sicherheit klären lässt (FG Hamburg Urteil vom 23.01.2002 V 26/01, EFG 2002, 1059).
g)
Versäumt es die Prüfungsbehörde, trotz rechtzeitigem Begründungsverlangen des Prüflings, innerhalb der oben zu f) genannten Frist eine substantiierte Begründung der Benotung der mündlichen Prüfung herbeizuführen und kann dieser Mangel nicht durch eine Beweisaufnahme geheilt werden, so ist der Prüfungsbescheid über das Nichtbestehen der Prüfung wegen des nicht mehr korrigierbaren Mangels des Fehlens einer Begründung der Bewertung der Prüfungsleistungen des Klägers rechtswidrig und deshalb aufzuheben (BVerwG-Urteil vom 06.09.1995 6 C 18.93, BVerwGE 99, 185; BFH-Urteil vom 30.04.1996 VII R 128/95, BStBl. II 1997, 149). Dies hat zur Folge, dass die mündliche Prüfung zu wiederholen ist (vgl. BVerwG-Beschluss vom 18.02.2003 6 B 10/03, [...]).
h)
Die mangelnde Begründung für die Prüfungsnote im Prüfungsteil "Betriebswirtschaft und Rechnungswesen" kann nicht durch eine Beweisaufnahme geklärt werden. Die gesamte Prüfungskommission erinnerte sich nach ihrer Stellungnahme im Überdenkungsverfahren weder daran, welche Frage dem Kläger im Hinblick auf das Stammkapital einer Ein-Mann-GmbH gestellt wurde, noch daran, was er geantwortet hat, noch an die tragenden Gründe, weshalb der Prüfungsteil "Betriebswirtschaft und Rechnungswesen" als einziger Teil der mündlichen Prüfung mit der schlechtesten vergebenen Einzelnote "mangelhaft (5,0)" bewertet wurde. Angesichts dieser Unklarheit über den Verlauf und die Bewertung der mündlichen Prüfung in diesem Prüfungsabschnitt fehlt eine geeignete Grundlage für eine Beweisaufnahme über diesen Prüfungsabschnitt oder für eine Neubewertung der von dem Kläger in diesem Prüfungsabschnitt erbrachten Leistung.
i)
Im Streitfall lässt sich nicht ausschließen, dass der Kläger bei fehlerfreiem Verlauf des Prüfungsteils "Betriebswirtschaft und Rechnungswesen" die mündliche Prüfung bestanden hätte.
Der Beklagte hat zu Recht auf den allgemeinen Grundsatz hingewiesen, dass Verfahrensfehler, die auch in der Bewertung der Prüfungsleistung liegen können, nur dann zur Aufhebung der Prüfungsentscheidung führen, wenn sich nicht ausschließen lässt, dass bei Beachtung des richtigen Verfahrens ein besseres Prüfungsergebnis erzielt worden wäre (vgl. BFH-Urteil vom15.09.1992 VII R 6/92, BFH/NV 1993, 502). Der Beklagte hat ebenfalls zutreffend darauf hingewiesen, dass dies - bei ansonsten unveränderten Noten - eine Note von 3,0 im Prüfungsteil "Betriebswirtschaft und Rechnungswesen" erfordert hätte. Außerdem ist die Auswahl der Prüfungsfragen - entgegen der Ansicht des Klägers - nicht zu beanstanden (vgl. oben I. 1. und unten II. 3.). Unabhängig von dem oben zu II. 1. dargelegten Prüfungsmangel lässt sich nach Auffassung des erkennenden Senats jedoch nicht ausschließen, dass der Kläger bei fehlerfreiem Verlauf des Prüfungsteils "Betriebswirtschaft und Rechnungswesen" eine Note von 3,0 erzielt hätte.
Zwar hat der Prüfer Y dem Prozessbevollmächtigten des Beklagten telefonisch mitgeteilt, er hätte die Leistung des Klägers in dem Prüfungsteil "Betriebswirtschaft und Rechnungswesen" auch dann mit "mangelhaft (5,0)" bewertet, wenn er dessen Antwort auf die Frage nach der Einzahlung auf das Stammkapital einer Ein-Mann-GmbH als zutreffend angesehen hätte, da der Kläger zahlreiche andere Fragen falsch beantwortet habe. Eine derartige telefonische Wertung eines einzelnen Prüfers kann jedoch schon deshalb keine Grundlage für eine gerichtliche Würdigung der Prüfungsentscheidung sein, weil die Prüfungsnoten gemäߧ 27 Abs. 2 i.V.m. § 10 Abs. 2 DVStB durch den gesamten Prüfungsausschuss festgesetzt werden. Vielmehr ist es Sinn des in § 29 DVStB geregelten Überdenkungsverfahrens, dass sich die gesamte Prüfungskommission zeitnah mit substantiierten Einwendungen des Prüflings gegen die Bewertung seiner Prüfungsleistung auseinandersetzt und ihre Bewertung überdenkt. Soweit die Prüfungskommission im Überdenkungsverfahren zu einzelnen Aspekten der Benotung bzw. des Prüfungsverlaufs keine Stellungnahme abgibt, kann die fehlende Begründung durch Telefongespräche eines einzelnen Prüfers mit einem Prozessbevollmächtigten weder ergänzt noch ersetzt werden.
Ebenso können eigene Erwägungen des Beklagten (bzw. des Prozessbevollmächtigten), mit welcher Note die Leistung des Klägers zu bewerten gewesen wäre, wenn dessen Antwort auf die Frage nach der Einzahlung auf das Stammkapital einer Ein-Mann-GmbH als zutreffend angesehen worden wäre, eine substantiierte Stellungnahme der Prüfungskommission weder ergänzen noch ersetzen, da die Bewertung der Prüfungsleistungen auf den persönlichen Erfahrungen und Vorstellungen der Prüfer beruht, die nicht durch Dritte ersetzt werden kann.
Darüber hinaus wurde die Frage nach der Einzahlung auf das Stammkapital einer Ein-Mann-GmbH dem Kläger im Prüfungsteil "Betriebswirtschaft und Rechnungswesen" als zweite Frage gestellt. Der Kläger hat glaubhaft geschildert, dass ihn die Würdigung seiner - möglicherweise zutreffenden - Antwort als falsch nachhaltig irritiert hat, nachdem er zu Beginn dieses Prüfungsteils schon dadurch verunsichert worden war, dass der Prüfer einen anderen Prüfling nach "betriebswirtschaftlichen Wirtschaftssystemen" gefragt hatte und als Antwort "Marktwirtschaft" erwartet hatte. Es ist nicht auszuschließen, dass der Kläger durch Fehler des Prüfers so verunsichert wurde, dass er bei diesem Prüfungsteil "aus dem Tritt kam" und bei nachfolgenden Fragen nicht sein wahres Leistungsvermögen entfalten konnte. Aus diesem Grund kann der Senat nicht ausschließen, dass der Kläger bei fehlerfreiem Prüfungsverlauf im Prüfungsteil "Betriebswirtschaft und Rechnungswesen" eine Leistung erbracht hätte, die mit der Note 3,0 (oder besser) zu bewerten gewesen wäre.
3.
Da die Prüfungsentscheidung bereits aus den o.g. Gründen aufzuheben ist, kann dahingestellt bleiben, ob weitere Beanstandungen des Klägers gegen den Verlauf der mündlichen Prüfung weitere Prüfungsfehler aufzeigen oder inwieweit der Kläger lediglich seine eigenen Bewertungen an die Stelle des Werturteils der Prüfungskommission gesetzt hat.
Soweit der Kläger allerdings die Auswahl der Prüfungsfragen rügt, liegt kein Prüfungsmangel vor. Vielmehr ist es der fachlichen Verantwortung des Prüfungsausschusses überlassen, die Prüfungsfragen aus den in § 37 Abs. 3 StBerG genannten Prüfungsgebieten so auszuwählen, dass der Zweck der Steuerberaterprüfung erfüllt wird. Ein Anspruch des Bewerbers darauf, in bestimmten der in § 37 Abs. 3 StBerG genannten Prüfungsgebiete auch tatsächlich geprüft zu werden, besteht nicht (vgl. oben I. 1.).
III.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 136 Abs. 1 Satz 1 Finanzgerichtsordnung (FGO). Der Senat hat die Kosten gegeneinander aufgehoben, da die Klage nur teilweise Erfolg hat und beide Beteiligte anwaltlich vertreten sind.