Verwaltungsgericht Oldenburg
Urt. v. 31.01.2017, Az.: 7 A 2236/15
Bindungswirkung; Sexueller Missbrauch; Strafrechtliche Verurteilung; Widerruf der Approbation als Arzt; Wiederherstellung der Würdigkeit; Wohlverhaltensphase
Bibliographie
- Gericht
- VG Oldenburg
- Datum
- 31.01.2017
- Aktenzeichen
- 7 A 2236/15
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2017, 53821
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Rechtsgrundlagen
- § 5 BÄO
- § 3 BÄO
Amtlicher Leitsatz
Leitsatz
Eine strafrechtliche Verurteilung eines Arztes wegen sexuellen Missbrauchs einer Patientin rechtfertigt den Widerruf seiner Approbation.
Tatbestand:
Der im Jahre … geborene Kläger ist approbierter Arzt und betreibt in R. eine Praxis. Er wendet sich gegen den Widerruf seiner Approbation, den der Beklagte wegen Unwürdigkeit des Klägers nach dessen strafrechtlicher Verurteilung verfügt hat.
Mit Anklageschrift vom 26. Oktober 2010 (Blatt 152 ff. Beiakte 2) klagte die Staatsanwaltschaft Oldenburg (Geschäftsnummer: ….) den Kläger vor der Großen Strafkammer des Landgerichts Oldenburg wegen sexuellen Missbrauchs Widerstandsunfähiger an, nämlich
im Zeitraum von November 2003 bis zum 12. Mai 2009 in R. durch sechs Straftaten eine andere Person, die wegen einer geistigen oder seelischen Krankheit oder wegen einer tiefgreifenden Bewusstseinsstörung zum Widerstand unfähig ist, dadurch missbraucht zu haben, dass er unter Ausnutzung der Widerstandsunfähigkeit sexuelle Handlungen an ihr vornimmt oder an sich von ihr vornehmen lässt, und dabei in fünf Fällen als Täter mit dem Opfer den Beischlaf vollzogen oder ähnliche sexuelle Handlungen an ihm vorgenommen zu haben, die mit einem Eindringen in den Körper verbunden sind.
Weitere Vorfälle verfolgte die Staatsanwaltschaft nicht im Wege der Anklage, sondern stellte insoweit die Verfahren ein (Blatt 146 Beiakte 2).
Das Landgericht Oldenburg verurteilte den Kläger mit seit dem 1. Oktober 2014 rechtskräftigem Urteil vom 17. März 2014 (Aktenzeichen ….) wegen sexuellen Missbrauchs unter Ausnutzung eines Behandlungsverhältnisses zu Lasten der damaligen Patientin B. zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und setzte deren Vollstreckung zur Bewährung aus (Blatt 106 ff. Beiakte 4 = Bd. III der staatsanwaltlichen Akte ….).
Im Zuge des Strafprozesses kam es im Übrigen (wegen der weiteren Anklagevorwürfe) nicht zu einer rechtskräftigen Verurteilung des Klägers.
Hinsichtlich der abgeurteilten Tat vom 12. Mai 2009 enthält das o.a. Urteil unter „2. Kerngeschehen“ im Wortlaut folgende tatsächlichen Feststellungen (Blatt 109 ff. Beiakte 4):
„Am Abend des 12.05.2009 begab sich die Geschädigte in die Praxis des Angeklagten. Die Geschädigte entkleidete …
Er … brachte dann die osteopathische Behandlung zu Ende.“
Mit Anschreiben vom 18. November 2014 hörte der Beklagte den Kläger zu seiner Absicht an, seine Approbation zu widerrufen. Er bezog sich auf die strafgerichtliche Verurteilung des Klägers wegen der Tat vom 12. Mai 2009 zu Lasten der damaligen Patientin B., gab insoweit die Sachverhaltsfeststellungen des strafgerichtlichen Urteils wieder und räumte dem Kläger Frist bis Mitte Dezember 2014 zur Stellungnahme ein, woraufhin dieser - nach Fristverlängerungen - mehrfach schriftsätzlich Ausführungen machte.
Mit Bescheid vom 4. Mai 2015 widerrief der Beklagte die Approbation des Klägers zur Ausübung des ärztlichen Berufs und forderte ihn auf, seine Approbationsurkunde zurückzusenden.
Zur Begründung heißt es im Wesentlichen, dass nach § 5 Abs. 2 Satz 1 Bundesärzteordnung (BÄO) i.V.m. § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BÄO die Approbation zu widerrufen sei, wenn sich der Arzt eines Verhaltens schuldig gemacht habe, aus dem sich seine Unwürdigkeit oder Unzuverlässigkeit zur Ausübung des ärztlichen Berufes ergebe. Hier sei dies der Fall, weil sich jedenfalls aus dem Urteil des Landgerichts Oldenburg vom 17. März 2014 die Unwürdigkeit des Klägers zur Ausübung des ärztlichen Berufes ergebe. Das Verhalten des Klägers stelle einen nicht zu rechtfertigenden Verstoß gegen das Recht seiner Patientin auf sexuelle Selbstbestimmung dar. Der Vertrauensmissbrauch, der den Kläger vorzuwerfen sei, sei äußerst schwerwiegend. Bereits allein der nachgewiesene und strafrechtlich geahndete sexuelle Missbrauch unter Ausnutzung eines Behandlungsverhältnisses zum Nachteil der damaligen Patientin B. vom 12. Mai 2009 führe zur Feststellung der Unwürdigkeit. Das Strafgericht habe das Geschehen auch als schwerwiegend eingeordnet. Mit der Tat habe der Kläger sowohl sein eigenes berufsbezogenes Ansehen als auch das der Ärzteschaft insgesamt mit entsprechenden negativen Rückwirkungen auf die Einschätzung der persönlichen und fachlichen Integrität der beruflichen Betätigung untergraben. Angesichts der Schwere des Vergehens sei die seit Tatbegehung verstrichene Zeit und insoweit beanstandungsfreie Berufsausübung des Klägers nicht geeignet, von einer zwischenzeitlichen Wiedererlangung der Würdigkeit auszugehen.
Nicht entscheidungserheblich sei, dass es auch ansonsten, insbesondere im Jahr 2004, in zwei Fällen zum Nachteil der damaligen Patientin K., zu weiteren Taten gekommen sei, die wegen Verjährung nicht weiter verfolgt worden seien. Ebenso bedürfe es keiner weiteren Aufklärung, welche Bedeutung den Handlungen zwischen dem Kläger und der damaligen Patientin W. im Jahre 2004 beizumessen sei. Allerdings zeigten die gesamten Umstände, dass der Kläger in seiner Arztpraxis sexuelle Handlungen bei mehreren Patienten ausgeübt und hierbei seine Stellung als Arzt ausgenutzt habe.
Nach allem sei die Approbation zwingend zu widerrufen, ohne dass das Gesetz insoweit einen Ermessenspielraum einräume. Der Widerruf sei aber auch verhältnismäßig, insbesondere geeignet, erforderlich und verhältnismäßig in engerem Sinne. Auf die individuellen Umstände, die sich aus dem Alter des Klägers, seiner familiären und/oder finanziellen Situation sowie seinen Möglichkeiten anderweitiger beruflicher Tätigkeiten ergeben könnten, komme es dabei nicht an.
Schließlich bestünden auch keine Bedenken gegen die Verfassungsmäßigkeit von § 5 Abs. 2 Satz 1 BÄO, weil die Möglichkeit bestehe, die Wiedererteilung der Approbation zu beantragen und/oder ggf. zunächst eine Erlaubnis zur erneuten Ausübung des Ärzteberufs zu erhalten.
Der Kläger hat am 2. Juni 2015 Klage erhoben.
Zur Begründung greift er die Gründe des angegriffenen Bescheides insgesamt an und macht insbesondere Folgendes geltend:
Der bisher verwandte Begriff der Unwürdigkeit sei überholt und nicht mehr verfassungsgemäß. Ferner sei auch § 3 Abs. 1 Nr. 2 BÄO zu unbestimmt und daher verfassungswidrig.
Allein aufgrund der strafgerichtlichen Verurteilung könne der Widerruf nicht verfügt werden. Vielmehr müssten hier sowohl Behörde als auch Verwaltungsgericht selber den Sachverhalt aufklären und Ermittlungen anstellen. Eine Bindungswirkung gäbe es nicht. So seien Glaubhaftigkeitsgutachten hinsichtlich sowohl der damaligen Patientin B. als auch ihn, den Kläger betreffend, einzuholen, da bisher insoweit lediglich deren Aussagen vorlägen, die einander widerstritten. Schließlich sei angesichts der Zeitabläufe von der Wiederherstellung seine Würdigkeit auszugehen.
Der Kläger beantragt,
den Bescheid des Beklagten vom 4. Mai 2015 aufzuheben.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Zur Begründung bezieht sich der Beklagte auf die tatsächlichen Feststellungen und weiteren Gründe des angegriffenen Bescheides, die er wiederholt, vertieft und ergänzt. Insbesondere lägen gewichtige Anhaltspunkte für die Unrichtigkeit der strafgerichtlichen Tatsachenfeststellungen nicht vor und bestünde eine Verpflichtung zur eigenen Sachverhaltsermittlung, insbesondere auch zur Einholung psychologischer Gutachten zur Glaubhaftigkeit, nicht. Zum unbestimmten Begriff der Unwürdigkeit sei auf die Rechtsprechung des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts zu verweisen. Der Kläger habe auch zwischenzeitlich nicht seine Würdigkeit wiedererlangt. Es habe sich ganz offensichtlich um ein gravierendes Fehlverhalten im beruflichen Wirkungskreis gehandelt, weshalb eine Wiederherstellung der Würdigkeit frühestens nach Ablauf von acht Jahren in Betracht zu ziehen wäre. Dieser Zeitablauf sei hier nicht erreicht, da zwischen dem abgeurteilten Tatgeschehen vom 12. Mai 2009 und der Entscheidung über den Approbationswiderruf (weniger als) sechs Jahre Zeit verstrichen wären.
Mit zivilprozessualem Urteil vom 9. Februar 2016 (Blatt 164 ff. Beiakte 12) hat das Landgericht Oldenburg (Geschäftszeichen: ..) den Kläger zur Zahlung eines Schmerzensgeldes in Höhe von 7.000,00 € (nebst Zinsen) an die damalige Patientin B. verurteilt und zugleich festgestellt, dass der Kläger verpflichtet ist, der damaligen Patientin B. allen weiteren materiellen und immateriellen Schaden zu erstatten, der ihr aus dem Vorfall vom 12. Mai 2009 noch entstehen wird. Der Kläger hat seine zunächst dagegen gerichtete Berufung auf Hinweisbeschluss des Oberlandesgerichtes Oldenburg (Geschäftszeichen: …) vom 31. Mai 2016 (Blatt 199 ff. Beiakte 12) mit Schriftsatz vom 27. Juni 2016 zurückgenommen (Blatt 210 Beiakte 12).
Wegen der Einzelheiten des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte, der Akten des Beklagten (Beiakte 1), des Strafverfahrens zum Geschäftszeichen der Staatsanwaltschaft Oldenburg … (Beiakten 2 bis 11) und des Zivilprozesses (B. gegen den Kläger) vor dem Landgericht Oldenburg .. (Beiakte 12) verwiesen, die zur Entscheidungsfindung herangezogen waren.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist unbegründet. Der Bescheid des Beklagten vom 4. Mai 2015 und damit der Widerruf der Approbation ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
Rechtsgrundlage für den Widerruf der Approbation ist § 5 Abs. 2 Satz 1 Bundesärzteordnung (BÄO). Danach ist die Approbation zu widerrufen, wenn nachträglich eine Voraussetzung für ihre Erteilung nach § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BÄO weggefallen ist, d.h. wenn sich der Betroffene nach Erteilung der Approbation eines Verhaltens schuldig gemacht hat, aus dem sich seine Unwürdigkeit oder Unzuverlässigkeit zur Ausübung des ärztlichen Berufes ergibt.
Beim Widerruf einer Approbation handelt es sich um einen Eingriff in die durch Art. 12 Abs. 1 GG verfassungsrechtlich gewährleistete Freiheit der Berufswahl; denn die freie Berufswahl umfasst nicht nur die Entscheidung über den Eintritt in den Beruf, sondern auch die Entscheidung darüber, ob und wie lange ein Beruf ausgeübt werden soll (vgl. BVerfG, Beschluss vom 2. März 1977 - 1 BvR 124/76 -, BVerfGE 44, 105-124). Diese Entscheidungsfreiheit wird dem Arzt durch einen Widerruf der Approbation genommen. Ein solcher Eingriff ist als subjektive Berufszulassungsvoraussetzung nur zur Abwehr nachweisbarer oder höchstwahrscheinlicher schwerer Gefahren für ein überragend wichtiges Gemeinschaftsgut verfassungsrechtlich gerechtfertigt (vgl. OVG Lüneburg, Beschluss vom 23. April 2012 - 8 LA 45/11 - juris). Der Widerruf ist nur dann gerechtfertigt, wenn der mit dem Ausschluss des Betroffenen von einer weiteren Berufsausübung bezweckten Abwehr von Gefahren für das Gemeinwohl ein Gewicht zukommt, das in einem angemessenen Verhältnis zu der Schwere des damit verbundenen Grundrechtseingriffs steht (BVerwG, Beschluss vom 27. Oktober 2010 - 3 B 61/10 -, juris). Dieser Anforderung ist grundsätzlich genügt, wenn die Würdigkeit oder Zuverlässigkeit zur Ausübung des ärztlichen Berufs, die nach § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BÄO Voraussetzung für die Erteilung der Approbation sind, nachträglich weggefallen ist (vgl. BVerwG, Urteil vom 16. September 1997 - 3 C 12/95 -, BVerwGE 105, 214-223). In diesem Fall ergibt sich die Verhältnismäßigkeit des Eingriffs aus der vom Gesetzgeber selbst getroffenen Wertung (vgl. BVerwG, Urteil vom 28. April 2010 - 3 C 22/09 -, BVerwGE 137, 1-10; zum Vorstehenden insgesamt BayVGH, Urteil vom 8. November 2011 - 21 B 10.1543 -, juris). Die Begriffe der Unwürdigkeit und der Unzuverlässigkeit sind allerdings als tatbestandliche Voraussetzungen eines weitreichenden Grundrechtseingriffs im Lichte des Art. 12 GG auszulegen und anzuwenden. Ein Berufsverbot greift regelmäßig tief in das Recht der freien Berufswahl und zugleich in die private und familiäre Existenz ein. Es kann Lebenspläne von Betroffenen zunichtemachen, die von Berufen ausgeschlossen werden, für die sie sich ausgebildet und die sie für sich und ihre Angehörigen zur Grundlage der Lebensführung gemacht haben. Solche Einschränkungen sind verfassungsrechtlich nur statthaft, wenn und solange sie zum Schutz besonders wichtiger Gemeinschaftsgüter notwendig sind. In diesem Zusammenhang darf insbesondere die Fähigkeit des Menschen zur Änderung und Resozialisierung nicht außer Acht gelassen werden (vgl. BVerfG, Urteil vom 4. April 1984 - 1 BvR 276/83 -, BVerfGE 66, 331-337, und Beschluss vom 26. Februar 1986 - 1 BvL 12/85 -, BVerfGE 72, 51-65; BVerwG, Urteil vom 26. September 2002 - 3 C 37/01 -, juris). Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Widerrufsvoraussetzungen ist die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt des Abschlusses des Verwaltungsverfahrens (BVerwG, Beschluss vom 18. August 2011 - 3 B 6.11 -, juris).
Die Voraussetzungen für den Widerruf der Approbation liegen hier vor. Der Kläger ist im Zeitpunkt des Erlasses des Bescheides vom 4. Mai 2015 als unwürdig zur Ausübung des ärztlichen Berufes anzusehen.
Durchgreifende und insbesondere verfassungsrechtliche Bedenken hinsichtlich des unbestimmten Rechtsbegriffes der Unwürdigkeit hat die Kammer anders als der Kläger nicht (vgl. Urteil vom 17. Dezember 2013 - 4882/12 - und Urteil vom 8. Juli 2014 - 7 A 4646/13 -, V.n.b.). Unwürdigkeit liegt nach ständiger Rechtsprechung vor, wenn ein Arzt durch sein Verhalten nicht mehr das Ansehen und Vertrauen besitzt, das für die Ausübung seines Berufes unabdingbar nötig ist (vgl. BVerwG, Beschluss vom 28. Januar 2003 - 3 B 149/02 -; OVG Lüneburg, Beschluss vom 23. April 2012 - 8 LA 45/11 -, juris). Diese Definition knüpft die Feststellung der Berufsunwürdigkeit im Hinblick auf den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit an hohe Voraussetzungen. Sie verlangt ein schwerwiegendes Fehlverhalten des Arztes, das bei Würdigung aller Umstände seine Berufsausübung im maßgeblichen Zeitpunkt als untragbar erscheinen lässt. Der Widerrufstatbestand stellt auch nicht auf den zufälligen Umstand ab, inwieweit das Fehlverhalten des Arztes in der Öffentlichkeit bekannt geworden ist. Entscheidend ist vielmehr, dass das Verhalten des Arztes für jeden billig und gerecht Denkenden als Zerstörung der für die ärztliche Tätigkeit unverzichtbaren Vertrauensbasis erscheint. Der Widerruf der Approbation wegen Unwürdigkeit stellt keine Sanktion dar, sondern soll das Ansehen der Ärzteschaft in den Augen der Öffentlichkeit schützen, um das für jede Heilbehandlung unabdingbare Vertrauen der Patienten in die Integrität der Personen aufrecht zu erhalten, denen mit der Approbation die staatliche Erlaubnis zur selbständigen Ausübung der Heilkunde verliehen ist und in deren Behandlung sich die Patienten begeben. Unwürdigkeit liegt demnach vor, wenn ein gravierendes Fehlverhalten gegeben ist, das nicht mit der Vorstellung in Einklang gebracht werden kann, die mit der Einschätzung der Persönlichkeit eines Arztes gemeinhin verbunden ist. Für die Frage der Unwürdigkeit ist deshalb von entscheidender Bedeutung, ob ein bestimmtes Verhalten eines Arztes mit dem gesamten Berufsbild und den Vorstellungen übereinstimmt, die die Bevölkerung allgemein vom Arzt hat. Von einem Arzt, dem auch von seinen Patienten ein besonderes Vertrauen entgegengebracht wird, erwartet man nicht nur eine sorgfältige Behandlung der Patienten, sondern auch eine sonst in jeder Hinsicht einwandfreie Berufsausübung.
Positive Entwicklungen nach der Tat und der zeitliche Abstand zum vorgeworfenen Fehlverhalten sind bis zum maßgeblichen Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung nicht nur bei der Feststellung der Unzuverlässigkeit, sondern auch bei der Frage der Unwürdigkeit zur Ausübung des Arztberufes zu berücksichtigen (vgl. BVerfG, Urteil vom 4. April 1984 - 1 BvR 276/83 -, BVerfGE 66, 331-337; Beschluss vom 26. Februar 1986 - 1 BvL 12/85 -, BVerfGE 72, 51-65; Beschluss vom 18. Mai 2005 - 1 BvR 1028/05 -; Beschluss vom 28. August 2007 - 1 BvR 1098/07 -, juris). Bei der Unzuverlässigkeit fließen diese Gesichtspunkte schon deshalb ein, weil diese nur vorliegt, wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, der Arzt werde auch in Zukunft die berufsspezifischen Vorschriften und Pflichten nicht beachten. Diese zu erstellende Zukunftsprognose zwingt dazu, auch die weitere Fortentwicklung der Persönlichkeit seit der Straftat in die Betrachtung einzubeziehen. Eine Unwürdigkeit des Arztes liegt hingegen vor, wenn er infolge seines Verhaltens nicht mehr das Ansehen und das Vertrauen der Öffentlichkeit genießt, die für die Ausübung des Berufes unabdingbar nötig sind. Die Feststellung der Berufsunwürdigkeit verlangt danach keine Prognose, dass er auch in Zukunft seine Berufspflichten nicht erfüllen wird. Ein prognostisches Element trägt nach der verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung nur der Begriff der Unzuverlässigkeit in sich (vgl. BVerwG, Beschluss vom 2. November 1991 - 3 B 87/92 -, NJW 1993, S. 806 [BVerwG 02.11.1992 - BVerwG 3 B 87.92]; BayVGH, Urteil vom 15. Februar 2000 - 21 B 96.1637 -; BayVGH, Urteil vom 8. November 2011 - 21 B 10.1543 -, juris). Das schließt jedoch nicht aus, dass auch die Beurteilung der Berufsunwürdigkeit mit zunehmenden zeitlichem Abstand zum maßgeblichen Fehlverhalten Veränderungen unterworfen ist. Ob jemand das Vertrauen und Ansehen in der Bevölkerung besitzt, die für die Ausübung des Arztberufs notwendig sind, hängt entscheidend von den sich auch verändernden Umständen des Einzelfalls ab. Von Bedeutung bei dieser Wertung sind die Art der Straftat, das Ausmaß der Schuld und der Zusammenhang mit der beruflichen Tätigkeit (vgl. BVerwG, Beschluss vom 4. August 1993 - 3 B 5/93 -, juris). Aus einer begangenen Straftat kann auf die Unwürdigkeit zur Ausübung des ärztlichen Berufs insbesondere dann zu schließen sein, wenn sie mit der Verletzung spezifisch ärztlicher Berufspflichten einhergegangen ist, weil das Vertrauen der Öffentlichkeit in die Integrität der Ärzteschaft sich auch darauf bezieht, dass die berufsspezifischen Anforderungen an ärztliches Verhalten eingehalten werden. Bedeutsam sind aber auch eine zuvor einwandfreie Tätigkeit sowie das Verhalten nach der Tat. Je geringer im Übrigen der Strafvorwurf ist, der der Feststellung der Unwürdigkeit zugrunde liegt, desto eher muss der erlittene Vertrauensverlust mit zunehmender Zeitdauer als geheilt angesehen werden. Soweit es - wie hier - um die Unwürdigkeit im Sinne des § 5 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BÄO geht, können mithin veränderte Umstände nicht in Hinblick auf eine zu erstellende Prognose, wohl aber im Rahmen einer zur Feststellung des Tatbestandsmerkmals vorzunehmenden Abwägung Berücksichtigung finden (vgl. VG Bremen, Beschluss vom 31. März 2004 - 1 V 309/04 -, juris). Diese Grundsätze zur Erforderlichkeit einer Prognose im Falle des Widerrufs einer Approbation wegen Unwürdigkeit finden auch unter Berücksichtigung des Beschlusses des Bundesverfassungsgerichts vom 8. April 2010 (Az 1 BvR 2709/09, juris) weiter Anwendung (vgl. Nds. OVG, Beschluss vom 21. Mai 2013 - 8 LA 54/13 -, juris).
Nach diesen Maßstäben hat sich der Kläger im hier maßgeblichen Zeitpunkt des Erlasses des Widerrufsbescheides eines sehr schwerwiegenden Fehlverhaltens schuldig gemacht, aus dem sich seine Unwürdigkeit zur Ausübung des ärztlichen Berufs unmittelbar ergibt.
Zu diesem Ergebnis ist die Kammer aufgrund der Würdigung des Vortrags der Beteiligten, des Inhalts der Verwaltungsvorgänge des Beklagten sowie der strafrechtlichen Akten der Staatsanwaltschaft Oldenburg und der Akten des Zivilprozesses gekommen (§ 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
Die Kammer legt ihrer Entscheidung insbesondere die tatsächlichen Feststellungen des rechtskräftigen Urteils des Landgerichts Oldenburg (…) sowie dessen Beweiswürdigung zugrunde.
Die in einem rechtskräftigen Strafurteil enthaltenen tatsächlichen Feststellungen dürfen regelmäßig zur Grundlage einer behördlichen oder gerichtlichen Beurteilung der betroffenen Persönlichkeit gemacht werden, ohne diese auf ihre vom Betroffenen bestrittene Richtigkeit selbst überprüfen zu müssen (vgl. BVerwG, Beschluss vom 6. März 2003 - 3 B 10/03 -; Urteil vom 26. September 2002 - 3 C 37/01 - juris). Im Approbationswiderrufsverfahren besteht für die Verwaltungsgerichte damit grundsätzlich keine Veranlassung, die tatsächlichen Feststellungen in einem rechtskräftigen Strafurteil erneut zu überprüfen. Etwas anderes gilt ausnahmsweise nur dann, wenn gewichtige Anhaltspunkte für die Unrichtigkeit der strafgerichtlichen Tatsachenfeststellungen sprechen (vgl. BVerwG, Beschluss vom 6. März 2003 - 3 B 10/03 -; Urteil vom 26. September 2002 - 3 C 37/01 - juris), insbesondere wenn ersichtlich Wiederaufnahmegründe vorliegen oder wenn die Behörden und Verwaltungsgerichte den bestrittenen Sachverhalt nunmehr besser als das Strafgericht aufklären können (VG München, Urteil vom 16. Oktober 2007 - M 16 K. 06 4847 - juris). Es bedarf demzufolge insoweit der Darlegung substantiierter nachprüfbarer Umstände, die eine Unrichtigkeit der strafgerichtlichen Feststellungen belegen könnten (vgl. BVerwG, Beschluss vom 18. August 2011 - 3 B 6/11 -; ferner BayVGH, Urteil vom 8. November 2011 - 21 B 10.1543 -, juris), an der (und denen) es hier aber zudem fehlt.
Gewichtige Anhaltspunkte für die Unrichtigkeit der Feststellungen und der Beweiswürdigung in der strafgerichtlichen Entscheidung ergeben sich weder aus dem Vorbringen des Klägers noch aus dem gesamten Inhalt der beigezogenen Strafakten. Soweit der Kläger nunmehr (erneut) die Würdigung der Aussage der damaligen Patientin B. angreift, vermag dies die erforderlichen gewichtigen Anhaltspunkte für die Unrichtigkeit der Tatsachenfeststellungen und Bewertung nicht zu begründen. Auch der geführte Zivilprozess hat nichts anderes ergeben.
Entgegen der Annahme des Klägers sieht die Kammer daher auch keinen Ansatzpunkt dafür, etwa ein Gutachten zur Glaubhaftigkeit der Angaben der damaligen Patientin B. (oder gar zur Glaubwürdigkeit ihrer Person) einzuholen. Insoweit wiederholend und vertiefend verweist die Kammer dazu darauf, dass nach der gefestigten Rechtsprechung des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts (vgl. nur: OVG Lüneburg, Beschluss vom 18. April 2012 - 8 LA 6/11 -, juris, mwN) angelehnt an diejenige des Bundesverwaltungsgerichts (ebd.) bei Entscheidungen über den Widerruf einer Approbation die in einem rechtskräftigen Strafurteil oder auch Strafbefehl enthaltenen tatsächlichen und rechtlichen Feststellungen regelmäßig zur Grundlage einer behördlichen oder gerichtlichen Beurteilung der betroffenen Persönlichkeit gemacht werden dürfen (ebenso: BVerwG vom 18. August 2011- 3 B 6/11 -, 6. März 2003 - 3 B 10/03 -, 26. September 2002 - 3 C 37/01 -, NJW 2003, 913; OVG Lüneburg vom 13. Januar 2009 - 8 LA 88/08 -, NdsVBl 2009, 166). Ein Abweichen von den Feststellungen in einer strafgerichtlichen Entscheidung kann ausnahmsweise dann geboten sein, wenn gewichtige Anhaltspunkte für deren Unrichtigkeit bestehen (OVG Lüneburg, Beschluss vom 18. April 2012 - 8 LA 6/11 -, juris), etwa weil Wiederaufnahmegründe gegeben sind, die maßgeblichen tatsächlichen Feststellungen des Strafgerichts erkennbar auf einem Irrtum beruhen oder die Approbationsbehörde ausnahmsweise in der Lage ist, eine für ihre Entscheidung erhebliche, aber strittige Tatsache besser als das Strafgericht aufzuklären. Selbst das bewusste Absehen der Strafgerichte von der Verhängung eines Berufsverbotes als Maßregel der Besserung und Sicherung nach den Bestimmungen des Strafgesetzbuches schränkt die den Verwaltungsbehörden eingeräumte Befugnis zur Untersagung eines Berufs nicht ein (OVG Lüneburg, Beschluss vom 18. April 2012 - 8 LA 6/11 -, juris).
So hat insbesondere die Würdigung durch das Strafgericht (vgl. dazu Seite 6 ff. des Urteilsabdrucks = Blatt 111 ff. Band III der Staatsanwaltschaft = Beiakte 4) ergeben, dass keine Zweifel an der Glaubhaftigkeit der Angaben der damaligen Patientin B. bestehen. Insoweit ist die Strafkammer insbesondere hinsichtlich des Tathergangs vom 12. Mai 2009 überzeugend zu dem Schluss gelangt, dass die entsprechenden Angaben des Klägers Schutzbehauptungen darstellten, denen gegenüber der Sachverhalt zur Überzeugung der Strafkammer im Wesentlichen nach den Angaben der nach dem persönlichen Eindruck in der Hauptverhandlung glaubwürdigen damaligen Patientin B. feststeht, wie dies die Strafkammer sodann im Einzelnen auf den Folgeseiten ausführlich würdigt. So heißt es beispielsweise dort auch im Wortlaut (Seite 8 des Strafurteils, a.a.O.):
„Die Kammer ist aufgrund des persönlichen Eindrucks von der Zeugin auch davon überzeugt, dass ihre weiteren Angaben … glaubhaft sind. Die Zeugin gab sich auch insoweit erkennbar Mühe, ohne Belastungstendenzen die ihr erinnerlichen Vorgänge zu schildern. Sie konnte schlüssig und nachvollziehbar auch die Vorgeschichte und die Randumstände des fraglichen Osteopathietermins darstellen. Als sie das sexuelle Kerngeschehen vom 12.05.2009 schilderte, war sie sichtlich von der Erinnerung noch mitgenommen, weinte, war jedoch klar und in ihrer Erinnerung orientiert. Sie hat darüber hinaus auf Vorhalte aus ihrer polizeilichen Vernehmung offen bekundet, wenn sie sich an dort geschilderte Details - aufgrund des Zeitablaufs für die Kammer ohne weiteres nachvollziehbar - nunmehr nicht mehr erinnern konnte, wodurch ebenfalls die fehlende Belastungstendenz unterstrichen wird.“
Demgegenüber vermag der Kläger im vorliegenden Verfahren mit seinem Bestreiten nicht durchzudringen, insbesondere nicht soweit er die Richtigkeit der tatsächlichen Feststellungen des Strafurteils und deren Würdigung durch die Strafkammer angreift. Der Kammer des Verwaltungsgerichts kommen dadurch keinerlei Zweifel an der Richtigkeit des Strafurteils auf.
Dies gilt auch und erst recht, soweit das erkennende Gericht sich mit den herangezogenen Akten des Zivilprozesses befasst und insoweit den dort enthaltenen Hinweisbeschluss des Oberlandesgerichtes Oldenburg vom 31. Mai 2016 (Blatt 199 ff. Beiakte 12) heranzieht. So heißt es dort nämlich auch insbesondere wie folgt im Wortlaut (Seite 5 des Hinweisbeschlusses unten):
„Auch unabhängig von dieser Unstimmigkeit wirkt die Schilderung des Verhaltens der Klägerin [gemeint: die damalige Patientin B.] am Abend des 12.05.2009 durch den Beklagten [gemeint: der Kläger im vorliegenden Verfahren] insgesamt eher wie ein männlicher Wunschtraum als wie die plausible Darstellung eines tatsächlichen Geschehens.“
Damit und insgesamt würdigt auch das Oberlandesgericht mit seinem Hinweisbeschluss vom 31. Mai 2016 die Angaben der damaligen Zeugin als glaubhaft und diejenigen des Klägers als unglaubhaft, soweit sie denen entgegenstehen. Dem folgt die erkennende Kammer.
Bei dieser Sach- und Rechtslage aber liegen vernünftige Zweifel an der Richtigkeit der strafgerichtlichen Verurteilung des Klägers nicht vor.
Das Fehlverhalten des Klägers ist derart schwerwiegend, dass es ihn untragbar für die weitere Ausübung des Arztberufes macht. In der Rechtsprechung ist entschieden, dass ein Arzt, der die Tathandlung einer sexuellen Nötigung begangen hat, regelmäßig nicht mehr das Ansehen und das Vertrauen besitzt, das für die Ausübung des ärztlichen Berufs unabdingbar ist (Oberverwaltungsgericht des Saarlandes, Urteil vom 29. Mai 2013 - 1 A 306/12 -, juris; BayVGH, Urteil vom 25.9.2012 - 21 BV 11.340 -, juris; vgl. hierzu auch BVerwG, Beschluss vom 27.1.2011, a.a.O.; OVG Bremen, Urteil vom 18.6.2002 - 1 A 216/01 - juris, Nds. OVG, Beschluss vom 10. Juni 2015 - 8 LA 114/14 -). Schwer wiegt hier zu Lasten des Klägers, dass er eine Patientin in einer Situation sexuell missbraucht hat, in der er als Arzt besondere Fürsorgepflichten für das Wohlergehen der Patientin innehatte. Der Kläger hat diese besondere Vertrauenssituation zu Lasten der Patientin ausgenutzt und mit seinem Verhalten die Würde und das sexuelle Selbstbestimmungsrecht der damaligen Patientin B. in erheblichem Maße und diametral zu seiner berufsrechtlichen Verpflichtung (§ 7 Abs. 1 BÄO) verletzt. Diese Leitlinie ärztlicher Behandlung unter Wahrung der Menschenwürde und unter Achtung der Persönlichkeit, des Willens und der Rechte des Patienten wurde in erheblichem Maße verletzt.
Der Rechtmäßigkeit des Widerrufs steht auch nicht entgegen, dass der Kläger nur zu einer eher geringen Strafe verurteilt wurde. In der verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung ist geklärt, dass die Erfüllung des Tatbestandsmerkmals der Unwürdigkeit weder einen bestimmten abstrakten Schweregrad der Straftat noch eine für alle Fälle geltende Mindesthöhe der verhängten strafrechtlichen Sanktion voraussetzt. Ob ein solch gravierendes Fehlverhalten vorliegt, so dass wegen Unwürdigkeit die Approbation zu widerrufen ist, hängt entscheidend von den Umständen des Einzelfalles ab und entzieht sich einer fallübergreifenden abstrakten Betrachtung (vgl. BVerwG, Beschluss vom 18. August 2011 - 3 B 6/11 -, juris). Das geringe Strafmaß im konkreten Einzelfall mag u.a. damit begründet sein, dass das abgeurteilte Fehlverhalten des Klägers im Spektrum der strafbaren Handlungen des sexuellen Missbrauchs und vom Maß der Gewalt im unteren Bereich angesiedelt war. Dies ändert jedoch nichts daran, dass das Verhalten des Klägers - wie bereits ausgeführt - gerade im Hinblick auf seine Tätigkeit als Arzt und dem ihm von den Patienten entgegengebrachten Vertrauen nur als besonders gravierend angesehen werden kann. Auch aus der vom Strafgericht für den Kläger angenommenen günstigen Sozialprognose, die offenbar der Aussetzung der Strafe zur Bewährung zugrunde lag, kann vorliegend keine grundlegend andere Bewertung der Frage des Approbationswiderrufs hergeleitet werden. Für diese strafrechtliche Sozialprognose gilt ein anderer Bewertungsmaßstab als für die unter den Aspekten einer Gefahrenabwehr erfolgende Aufhebung einer Berufszulassung. Während es bei der Sozialprognose insbesondere um die Einschätzung der Rückfallgefahren unter Berücksichtigung bisheriger Vorstrafen geht, ist im Falle einer gravierenden strafrechtlichen Verfehlung für das Schutzgut der Eingriffsermächtigung bereits ein Schaden eingetreten, weil ein Ansehensverlust mit Begehung der Straftat verursacht worden ist.
Auch der Abschluss des strafrechtlichen Verfahrens als solcher stellt den Approbationswiderruf nicht in Frage. Insbesondere kann der Widerruf nicht als unzulässige Doppelbestrafung angesehen werden. Denn die Entscheidung des Beklagten über den Fortbestand der Approbation ist nicht auf eine weitere Ahndung oder Bestrafung des Klägers gerichtet, sondern stellt allein eine Maßnahme zur Abwehr von mit der Fortsetzung der Berufstätigkeit als Arzt verbundenen Gefahren dar.
Der Approbationswiderruf ist nicht etwa deshalb unverhältnismäßig, weil das geahndete Fehlverhalten des Klägers nach längerer beruflicher Tätigkeit den nach Aktenlage einzigen rechtskräftig geahndeten Verstoß gegen berufliche Pflichten darstellt, den die Kammer (wie schon der Beklagte im angegriffenen Bescheid) als allein tragend heranzieht, ohne den dahinter stehenden Gesamtkomplex an Tatvorwürfen gegen den Kläger zu beleuchten. Auch ein erstmaliger, zumal strafrechtlich rechtskräftig erfasster Verstoß genügt grundsätzlich für die Annahme der Berufsunwürdigkeit, wenn, wie hier, die Art der Straftat, das Ausmaß der Schuld und der Zusammenhang mit der beruflichen Tätigkeit von bedeutendem Gewicht sind (vgl. BVerwG, Beschluss vom 4. August 1993 - 3 B 5.93 -, NVwZ-RR 1994, 388).
Der Widerruf der Approbation ist auch im Übrigen verhältnismäßig.
Der Widerruf der Approbation ist im Lichte des Art. 12 Abs. 1 GG dann gerechtfertigt, wenn der mit dem Ausschluss des Betroffenen von einer weiteren Berufsausübung bezweckten Abwehr von Gefahren für das Gemeinwohl ein Gewicht zukommt, das in einem angemessenen Verhältnis zu der Schwere des damit verbundenen Grundrechtseingriffs steht. Andernfalls kommen nur unterhalb der Schwelle des Widerrufs liegende berufsrechtliche Maßnahmen in Betracht. Vorliegend sind jedoch die Voraussetzungen für den Widerruf der Approbation erfüllt, so dass sich die Verhältnismäßigkeit des Eingriffs aus der vom Gesetzgeber selbst getroffenen Wertung ergibt (vgl. BVerwG, Urteil vom 28. April 2010 - 3 C 22/09 -, juris).
Ferner ist eine Beschränkung der Approbation, also ein Teilwiderruf, gesetzlich nicht möglich. Die Approbation ist eine unbeschränkte Erlaubnis zur Ausübung des ärztlichen Berufes und als solche unteilbar. Aus diesem Grund kam auch die Erteilung von „Auflagen“ zur Approbation (Behandlung nur unter Aufsicht Dritter oder etwa ein „Behandlungsverbot“ für weibliche Patienten) als Alternative zum Widerruf der Approbation hier nicht in Betracht. Der Gesetzgeber hat aber dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit dadurch Rechnung getragen, dass er im Rahmen des § 8 Abs. 1 BÄO unter anderem für den Fall eines Widerrufs der Approbation wegen Wegfalls einer der Voraussetzungen des § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BÄO die Möglichkeit eröffnet hat, einen Antrag auf Wiedererteilung zu stellen und unter Umständen zunächst eine zeitlich beschränkte Erlaubnis zur erneuten Ausübung des ärztlichen Berufes nach § 8 Abs. 1 BÄO zu erhalten. In diesem Verfahren sind dann die Lebensführung und die berufliche Entwicklung des Betroffenen nach dem für das Widerrufsverfahren maßgeblichen Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung zu berücksichtigen (vgl. BVerwG, Beschluss vom 18. August 2011 - 3 B 6/11 -; VGH Kassel, Beschluss vom 24. November 2011 - 7 A 37/11.Z -, juris).
Auch die lange Verfahrensdauer (gemessen vom Zeitpunkt des Verstoßes bis zum Ergehen der Widerrufsentscheidung) stellt den Approbationswiderruf nicht als unverhältnismäßig dar. Die Bundesärzteordnung ermöglicht das Zuwarten mit dem Widerruf der Approbation bis zum Abschluss des Strafverfahrens. Auch dass der Kläger sich während des Strafverfahrens und des Approbationswiderrufsverfahrens womöglich beanstandungsfrei geführt hat, steht der Annahme der Unwürdigkeit nicht entgegen. Einem Wohlverhalten, das unter dem Druck eines schwebenden behördlichen Verfahrens an den Tag gelegt wird, kann regelmäßig kein besonderer Wert beigemessen werden (vgl. OVG Saarland, Urteil vom 29. November 2005 - 1 R 12/05 - juris Rn. 166; Bayerischer VGH, Beschluss vom 15. Juni 1993 - 21 B 92.226 -, juris Rn. 34). Anlass, von diesem Grundsatz im vorliegenden Fall ausnahmsweise abzuweichen, besteht nach dem Vorbringen des Klägers nicht, zumal eine Einsicht in das verwirklichte Unrecht und Reue des Klägers nicht erkennbar sind (OVG Lüneburg, Beschluss vom 21. Mai 2013 - 8 LA 54/13 -, juris). Vielmehr bestreitet der Kläger weiterhin den Tatvorwurf. Auch hat er sich nicht um Wiedergutmachung bemüht (vgl. dazu sein Verhalten im Zivilprozess Landgericht Oldenburg, 5 O 3202/14). Schließlich deckt sich dies mit dem Eindruck, den die Kammer vom Kläger persönlich am Ende der mündlichen Verhandlung gewinnen musste, als dieser Erklärungen abgab, die gerade eben nicht den Schluss auf Einsicht in begangenes Unrecht beinhalteten und schon gar nicht darauf schließen lassen könnten, es habe sich etwas „zum Guten hin“ geändert.
Nach Allem vermag sich die Kammer dem Gedankengang des Klägers nicht anzunähern, er habe inzwischen wieder die Würdigkeit erreicht, insbesondere aufgrund eines langen Reifungsprozesses, weshalb nunmehr der verfügte Approbationswiderruf durch die Kammer aufzuheben sei. Dies liegt fern. Es ist auch aus Gründen der Verhältnismäßigkeit nicht geboten, auf den Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung abzustellen, weil die Lebensführung des Betroffenen nach der letzten Verwaltungsentscheidung und seine Persönlichkeitsentwicklung nach diesem Zeitpunkt in einem Verfahren auf Wiedererteilung der Approbation zu berücksichtigen sind. In den Fällen des Widerrufs der Approbation wegen Unwürdigkeit setzt die Wiedererlangung der Würdigkeit voraus, dass sich an der zum Widerruf führenden Sachlage nachweislich etwas „zum Guten geändert hat“ (Nieders. OVG, Beschluss vom 29. Juli 2015 - 8 ME 33/15 -, juris, Rn. 20), mithin der Arzt das für die Ausübung seines Berufes erforderliche Ansehen und Vertrauen zurückerlangt hat, was regelmäßig einen längeren inneren Reifeprozess zur Kompensation der zutage getretenen charakterlichen Mängel erfordert (ebenda, Rn. 21), wobei regelmäßig von mindestens fünf Jahren bei gravierenden Verfehlungen außerhalb des beruflichen Wirkungskreises und von regelmäßig mindestens acht Jahren bei gravierenden Verfehlungen im beruflichen Wirkungskreis - wie hier - ausgegangen werden kann (ebenda). Die durch eine gravierende Verfehlung - wie hier - eingebüßte Berufswürdigkeit kann auch schon während des laufenden behördlichen Verfahrens über den Widerruf der Approbation wiedererlangt werden, wobei allerdings ein bloßer Zeitablauf allein für die Wiedererlangung der Würdigkeit nicht ausreichend ist (ebenda, Rn. 25); insgesamt ist eine Gesamtwürdigung vorzunehmen, die neben Art, Schwere und Anzahl der Verfehlungen, die zur Annahme der Unwürdigkeit geführt haben, auch das Verhalten des Betreffenden zu berücksichtigen hat; so sind etwa auch seine Bemühungen um eine Wiedergutmachung entstandener Schäden bedeutsam (ebenda, Rn.25 a. E.). Gemessen daran erweist sich, dass schon aufgrund des zeitlichen Ablaufes nicht von einer Wiedererlangung der Würdigkeit ausgegangen werden kann, da die bezeichnete Acht-Jahres-Frist noch nicht verstrichen ist. Dies gilt erst Recht mit Blick auf den maßgeblichen Zeitpunkt des verfügten Widerrufs. Aber auch inhaltlich sind keine Aspekte erkennbar, die auch nur andeutungsweise den genannten Voraussetzungen (s. zuvor) gerecht werden könnten. Insbesondere hebt die Kammer hervor, dass der Kläger selber sich in keiner Art und Weise bemüht hat, etwa sinngemäß einen außergerichtlichen Täter-Opfer-Ausgleich herbeizuführen. Auch wird er erst durch das rechtskräftige Urteil des Landgerichts Oldenburg veranlasst, Schmerzensgeld zu zahlen, ohne von sich aus insoweit zuvor auf die frühere Patientin zuzugehen; vielmehr hat er sogar noch zunächst Berufung eingelegt. Insgesamt kann daher von Reifung - anders als der Kläger meint - nicht die Rede sein. Im Übrigen muss sich der Kläger insoweit auch vorhalten lassen, dass die Approbation als Arzt wegen Unwürdigkeit aufgrund strafgerichtlicher Verurteilung widerrufen werden muss, auch wenn die Tat Jahre zurückliegt und zwischenzeitlich der ärztliche Beruf beanstandungsfrei ausgeübt und - sogar - der entstandene Schaden wieder gut gemacht wurde (OVG Lüneburg, Beschluss vom 23. September 2015 - 8 LA 126/15 -, juris, Rn. 9). |
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Auch ansonsten kann der Kläger mit seinem Vorbringen nicht durchdringen und war zudem sein in der mündlichen Verhandlung gestellter Antrag auf Aussetzung des Verfahrens mangels Vorgreiflichkeit gemäß § 94 VwGO abzulehnen. Mithin war die Klage abzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 Abs. 2 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11 ZPO.