Verwaltungsgericht Oldenburg
Beschl. v. 07.02.2017, Az.: 7 B 6714/16

Arbeitskleidung; Demenzzentrum; Desinfektion; Infektionsschutz; Pflegeheim; Waschen

Bibliographie

Gericht
VG Oldenburg
Datum
07.02.2017
Aktenzeichen
7 B 6714/16
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2017, 53826
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

Die pauschale Anordnung, die Arbeitskleidung sämtlicher Mitarbeiter eines Demenzzentrums - unabhängig von ihrer konkreten Tätigkeit - zentral desinfizierend zu waschen, ist unverhältnismäßig.

Als Rechtsgrundlage für eine solche Anordnung treten allgemeine infektionsschutzrechtliche Vorschriften hinter die spezielleren heimrechtlichen Vorschriften nach dem Niedersächsischen Gesetz über unterstützende Wohnformen (NuWG) zurück.

Gründe

I.

Die Antragstellerin wendet sich gegen die Anordnung des Antragsgegners, die Arbeitskleidung ihrer Mitarbeiter ausnahmslos selbst oder in ihrem Auftrag zu desinfizieren und zu reinigen, die insoweit getroffenen Maßnahmen gegenüber dem Gesundheitsamt darzustellen und ihren Hygieneplan entsprechend anzupassen.

Die Antragstellerin betreibt seit dem Jahr 2009 das Demenzzentrum „Haus "...“ in ... . Seither tragen ihre Mitarbeiter private Arbeitskleidung, die sie grundsätzlich selbst zu Hause waschen. Mit Schreiben vom 27. September 2010 wies der Antragsgegner die Antragstellerin darauf hin, dass die private Reinigung und Desinfektion der Arbeitskleidung durch die Arbeitnehmer hygienisch äußerst bedenklich sei und empfahl eine von der Antragstellerin organisierte zentrale Aufbereitung. Im Rahmen einer Routineüberprüfung am 15. Oktober 2015 sowie mit Schreiben vom 31. März, 10. Mai und 6. Juli 2016 beanstandete der Antragsgegner erneut die Reinigung und Desinfektion der Arbeitskleidung durch die Mitarbeiter, da aus seiner Sicht gemäß der Regelungen in den Technischen Regeln für Biologische Arbeitsstoffe 250 (TRBA 250) kontaminierte Arbeitskleidung vom Arbeitgeber wie Schutzkleidung zu behandeln bzw. aufzubereiten sei. Mit Schreiben vom 19. April, 3. Juni und 27. Juli 2016 teilte die Antragstellerin mit, dass sie ihre Verfahrensanweisung bezüglich Dienstkleidung/Schutzkleidung im Hinblick auf die TRBA 250 überarbeiten und ihren Mitarbeitern bekanntgeben sowie kurzfristig eine entsprechende Betriebsanweisung erarbeiten und die Umkleidespinde einzeln jeweils mit einer abgedeckelten Box versehen sowie in ihrem internen Hygienearbeitskreis die Notwendigkeit des Tragens von persönlicher Schutzausrüstung im pflegerischen Alltag herausarbeiten werde. Da die TRBA 250 nichts anderes vorschreibe, werde die Arbeitskleidung von ihren Mitarbeitern selbst gewaschen bzw. gereinigt. Sie stelle Schutzkleidung (i.d.R. Einmalkleidung), die gemäß Gefährdungsbeurteilung von den Mitarbeitern genutzt werde. Kontaminierte Arbeitskleidung wasche sie als Arbeitgeberin desinfizierend in einer ausschließlich für Personalkleidung zur Verfügung stehenden Waschmaschine. Der Desinfektionserfolg werde durch eine externe Hygienefachkraft labortechnisch regelmäßig untersucht.

In dem Demenzzentrum sind ca. 120 Mitarbeiter tätig, davon ca. 40 Pflegefachkräfte, 40 Pflegehilfskräfte, 20 Hauswirtschaftskräfte, fünf Verwaltungskräfte und im Übrigen haustechnische Mitarbeiter.

Mit Bescheid vom 23. November 2016 ordnete der Antragsgegner an, dass die Arbeitskleidung der Mitarbeiter/-innen der Antragstellerin spätestens ab dem 23. Dezember 2016 ausnahmslos und in angemessener Art und Weise durch oder im Auftrag der Antragstellerin desinfiziert und gereinigt werden müssen, die Mitarbeiter/-innen ihre Arbeitskleidung also nicht mehr zu Hause waschen dürfen. Ferner ordnete er an, dass die Antragstellerin gegenüber dem Gesundheitsamt bis zum 23. Dezember 2016 darzustellen habe, in welcher Form sie eine ausreichende Desinfektion und Reinigung der Arbeits- bzw. kontaminierten Arbeitskleidung sicherstelle. Falls eine interne Lösung gewählt werde, seien die diesbezüglich relevanten Angaben, wie beispielsweise Art und Anzahl der Waschmaschinen, dem Gesundheitsamt mitzuteilen. Zudem sei binnen derselben Frist der Hygieneplan der Antragstellerin entsprechend der gewählten Vorgehensweise anzupassen und vorzulegen. Für den Fall der Nichtbefolgung oder nicht ordnungsgemäßen Befolgung drohte der Antragsgegner der Antragstellerin ein Zwangsgeld in Höhe von 500,00 € an.

Die Antragstellerin hat am 21. Dezember 2016 Klage erhoben sowie einen Antrag auf Anordnung deren aufschiebender Wirkung gemäß § 80 Abs. 5 VwGO gestellt.

Zur Begründung führt sie im Wesentlichen an, dass der angegriffene Bescheid sie in ihren Grundrechten aus Art. 12 Abs. 1 und 14 Abs. 1 GG verletze. Der Bescheid würde faktisch erfordern, dass sie für sämtliche ihrer ca. 120 Mitarbeiter als Arbeitgeberin Dienstkleidung anschaffen müsse, da private Arbeitskleidung der dauerhaften Behandlung durch die geforderte desinfizierende Waschweise nicht standhalten würde und sämtliche privaten Kleidungsstücke mit Plastiketiketten versehen werden müssten, wofür bei den Mitarbeitern nicht immer Verständnis bestehe. Die Anordnung sei nicht erforderlich und gehe über die gesetzlichen Anforderungen hinaus. Von demenziell veränderten Menschen gehe grundsätzlich keine Infektionsgefahr aus. Eine stationäre Pflegeeinrichtung sei nicht mit einem Krankenhaus gleichzusetzen, auch wenn in beiden Einrichtungen Menschen „gepflegt“ würden. Sie sei vielmehr ein Zuhause, in dem pflegebedürftige Menschen dauerhaft leben und wo die Mitarbeiter ihnen helfen würden, ihre vorwiegend kognitiven und psychischen Beeinträchtigungen durch Assistenz zu kompensieren. Auch aufgrund ihres inhaltlichen Demenzkonzeptes sollten die Mitarbeiter bei Betreuungs- und Pflegetätigkeiten, bei denen kein Gefährdungspotenzial einer Kontaminierung bestehe, keine „Dienstkittel“ tragen, da demenziell eingeschränkte Personen auf ein „normales“ Wohnumfeld mit „normal“ gekleideten Mitarbeitern mit weniger Anspannung und psychischen Einschränkungen reagieren würden. Mitarbeiter mit „Dienstkitteln“ würden bei den demenziell veränderten Menschen z.B. Furcht vor ärztlichen Maßnahmen, die Schmerzen verursachen könnten, auslösen. Es bestehe ein umfangreiches niedrigschwelliges Betreuungsangebot, insbesondere durch sogenannte Präsenzkräfte, bei denen es sich auch um Personen ohne spezielle Qualifikation handeln könne. Diese würden zum Beispiel mit den Bewohnern in den Garten oder in die Stadt gehen oder Zeitung lesen. An vielen Aktivitäten würden auch Angehörige der Bewohner teilnehmen, teilweise sogar mehrfach pro Woche. Ferner hätten auch andere Personen mit den Bewohnern Kontakt, so zum Beispiel 30 bis 40 Kinder, die im Rahmen einer sogenannten Sommerakademie über einen Zeitraum von sechs Wochen täglich in der Einrichtung gewesen seien. Die Pflegedienstleitung stehe in der Verantwortung für die Zuteilung der Tätigkeiten auf die verschiedenen Mitarbeiter; insoweit gebe es keine konkrete Zuordnung von bestimmten Pflegebereichen zu bestimmten Berufsgruppen. Konkrete Pflegetätigkeiten, wie zum Beispiel die Verrichtung der Toilette, würden aber in die Zuständigkeit der Pflegekräfte fallen. Insgesamt habe sie ein offenes System. Die Bewohner würden also durchaus in Kontakt zu den Verwaltungskräften treten und es könne zum Beispiel vorkommen, dass ein Hausmeister mit in die Gestaltung des Rahmenprogramms eingebunden werde. Dann könne es auch vorkommen, dass ein Hausmeister einem Bewohner mal ein Getränk anreiche oder diesen unterhake und bis zur Toilettentür bringe, ihn im Einzelfall auch mal beim Stehen am Urinal stütze.

Gemäß Ziff. 6.2 ihres Hygieneplan sei in Übereinstimmung mit der DGKH-Richtlinie das Tragen von bei 60° waschbarer Dienstkleidung verpflichtend, welche während der Durchführung der pflegerischen Tätigkeiten nicht durch private Kleidung ergänzt oder ersetzt werden dürfe und für deren Sauberkeit und Intaktheit der jeweilige Mitarbeiter verantwortlich sei. Die getrennte Aufbewahrung von sauberer Dienstkleidung und der Privatkleidung erfolge durch Trennfolien in den Spinden. Bei grober Verschmutzung sei die Dienstkleidung sofort zu wechseln, sonst mindestens jeden zweiten Tag. Werde bei Tätigkeiten, bei denen nach der Gefährdungsbeurteilung keine Schutzkleidung zu tragen sei, dennoch die Arbeitskleidung kontaminiert, sei sie gemäß Nr. 4.2.7 Abs. 3 TRBA 250 zu wechseln und von ihr wie Schutzkleidung zu desinfizieren und zu reinigen. Zum Abwerfen kontaminierter Dienstkleidung stelle sie abgedeckelte Boxen in einem Regalsystem in einem eigenen Raum zur Verfügung. Jeder Mitarbeiter habe selbst darauf zu achten, dass Kleidung zum Wechseln vor Ort verfügbar sei. Diese Regelungen würden den Anforderungen der TRBA 250 entsprechen, da bezüglich der Arbeits- und Dienstkleidung gemäß Nr. 4.1.8 TRBA 250 – im Gegensatz zu der Regelung bezüglich Schutzkleidung in Nr. 4.2.7 TRBA 250 – nicht vorgeschrieben sei, dass diese vom Arbeitgeber zu reinigen und zu desinfizieren sei. Es obliege der Fachkompetenz der Mitarbeiter, die eine Qualifikation als Mitarbeiter im Gesundheitswesen hätten, eine von examinierten Fachkräften erstellte Gefährdungsanalyse umzusetzen. Die Mitarbeiter könnten entsprechend der Umsetzung des Hygieneplans immer bei Bedarf persönliche Schutzkleidung verwenden, so dass es nur in unvorhersehbaren Ausnahmefällen zur Kontamination von Arbeitskleidung kommen könne. Für diesen Ausnahmefall werde dann die Arbeitskleidung wie Schutzkleidung von der Antragstellerin gereinigt und desinfiziert.

Der Antragsgegner tritt dem Begehren unter Vertiefung seiner Ausführungen aus dem angefochtenen Bescheid entgegen. Durch die Anordnung werde nicht gefordert, dass die Antragstellerin einheitliche Arbeitskleidung für ihre Mitarbeiter zur Verfügung stelle. Die Antragstellerin sei nicht gehindert, auch privat angeschaffte Kleidungsstücke ihrer Mitarbeiter in angemessener Weise zu desinfizieren und zu reinigen. Die bei der Antragstellerin geübte Praxis, dass Mitarbeiter ihre – jedenfalls aus ihrer Sicht nicht kontaminierte – Dienstkleidung zu Hause reinigen, könne zum Auftreten übertragbarer Krankheiten i.S.v. § 16 Abs. 1 IfSG führen. Es sei nämlich nicht auszuschließen, dass eine tatsächliche Kontamination durch die Mitarbeiter nicht bemerkt werde, da diese gemäß Nr. 2.4 TRBA 250 nicht immer mit dem bloßen Auge zu erkennen sei. Die betreuenden und pflegenden Tätigkeiten würden auch körperlichen Kontakt zu den Bewohnern der Einrichtung bedingen. Dabei solle und werde die den Mitarbeitern zur Verfügung stehende Schutzkleidung nicht durchgehend getragen. Für eine Kontamination der Arbeitskleidung genüge bereits ein Kontakt mit Körpergewebe oder Körperflüssigkeiten. Es könne daher nicht erwartet werden, dass die Mitarbeiter einer Kontamination grundsätzlich und vollumfänglich entgegenwirken könnten. Durchschnittliche Haushaltswaschmaschinen könnten keine ausreichende Desinfektion und Reinigung kontaminierter Arbeitskleidung gewährleisten, sodass eine Übertragung von Krankheitserregern auch nach dem Waschgang noch möglich sei. Gemäß der neuesten Empfehlung der Deutschen Gesellschaft für Krankenhaushygiene e. V. müsse auch private Arbeitskleidung immer mit einem Verfahren/Mittel entsprechend RKI/VAH-Liste desinfizierend gewaschen werden. Es sei auch nicht davon auszugehen, dass von den betreuten Bewohnern der Einrichtung der Antragstellerin keine Infektionsgefahr ausgehe. Voraussetzung für eine Aufnahme in die Einrichtung sei, dass ein Pflegebedarf bestehe und somit die Selbstständigkeit oder Fähigkeiten i.S.v. § 14 Abs. 2 SGB XI beeinträchtigt seien. Aufgrund ihres Krankheitsbildes seien die Bewohner zumindest teilweise nicht in der Lage, selbstständig für sich zu sorgen. Dies betreffe insbesondere auch hygienische Aspekte. Im Zuge der Routineüberprüfung am 15. Oktober 2016 seien die verschiedenen Pflegegrade der Bewohner und andere Komplikationen ermittelt worden. Zwei Bewohner seien über PEG-Sonden ernährt worden und fünf Bewohner hätten einen Blasenkatheter gehabt. Elf Bewohner der Einrichtung seien vollständig immobil gewesen. 43 Personen seien in Pflegestufe 3 eingruppiert worden. Dies seien Schwerstpflegebedürftige nach § 15 Abs. 3 Nr. 3 SGB XI, die bei der Körperpflege, der Ernährung oder der Mobilität täglich rund um die Uhr, auch nachts, der Hilfe bedürfen würden und zusätzlich mehrfach in der Woche Hilfen bei der hauswirtschaftlichen Versorgung benötigen würden.

Bezüglich des weiteren Sach- und Streitstands wird Bezug genommen auf die Gerichtsakte und die Verwaltungsvorgänge des Antragsgegners; sie sind Gegenstand der Entscheidungsfindung gewesen.

II.

1. Der Antrag auf Anordnung der gemäß § 16 Abs. 8 IfSG ausgeschlossenen aufschiebenden Wirkung der Klage der Antragstellerin vom 21. Dezember 2016 (Az. 7 A 6712/16) gegen den Bescheid des Antragsgegners vom 23. November 2016 ist zulässig und begründet.

Für den Erfolg eines Antrags nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO ist entscheidend, ob das private Interesse eines Antragstellers an der aufschiebenden Wirkung seiner Klage höher als das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung des angefochtenen Verwaltungsaktes zu bewerten ist. Bei dieser Interessenabwägung sind mit der im vorläufigen Verfahren gebotenen Zurückhaltung auch die Aussichten des Begehrens im Hauptsacheverfahren zu berücksichtigen. Bei einer offensichtlich Erfolg versprechenden Klage überwiegt das Suspensivinteresse des Betroffenen jedes denkbare öffentliche Vollzugsinteresse. Der Antrag ist dagegen in aller Regel unbegründet, wenn der Antragsteller im Verfahren zur Hauptsache voraussichtlich keinen Erfolg haben wird, insbesondere wenn die angegriffene Verfügung mit überwiegender Wahrscheinlichkeit rechtmäßig ist.

Hier wird die Klage der Antragstellerin gegen den Bescheid des Antragsgegners vom 23. November 2016 voraussichtlich Erfolg haben. Der angegriffene Bescheid erweist sich aller Wahrscheinlichkeit nach als rechtswidrig und dürfte die Antragstellerin in ihren Rechten verletzen, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO.

Dabei kann dahinstehen, ob der angefochtene Bescheid bereits formell wegen eines Verstoßes gegen die Anhörungspflicht aus § 28 VwVfG rechtswidrig ist oder ob der Verstoß gegebenenfalls durch die nachträgliche Anhörung während des gerichtlichen Verfahrens gemäß § 45 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 2 VwVfG unbeachtlich geworden ist. Denn jedenfalls ist der Bescheid aller Wahrscheinlichkeit nach aus weiteren Gründen zu beanstanden.

Der Antragsgegner hat seine Anordnung mit § 16 Abs. 1 i.V.m. § 36 Abs. 1 Nr. 2 IfSG auf eine unrichtige, weil hier hinter eine speziellere gesetzliche Regelung zurücktretende Rechtsgrundlage gestützt. Zwar regelt § 36 Abs. 1 Nr. 2 IfSG, dass Einrichtungen nach § 1 Abs. 1 bis 5 des Heimgesetzes der infektionshygienischen Überwachung durch das Gesundheitsamt unterliegen. Dennoch lässt sich die angefochtene Anordnung nicht auf § 16 Abs. 1 IfSG stützen, da im Heimrecht eine speziellere Rechtsgrundlage mit abweichenden Anforderungen insbesondere an die Verfahrensgestaltung besteht. In der Rechtsprechung ist insoweit geklärt, dass § 11 des Niedersächsischen Gesetzes über unterstützende Wohnformen (NuWG) Anordnungen in Bezug auf sämtliche gesetzliche und vertragliche Pflichten des Heimträgers gegenüber den Heimbewohnern zulässt (vgl. BVerwG, Urteil vom 2. Juni 2010 – 8 C 24.09 – juris, Rn. 32; Beschluss vom 28. Mai 2014 – 8 B 71.13 – juris, Rn. 5). Hier ist der Geltungsbereich des NuWG gemäß § 2 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 NuWG eröffnet, da es sich bei dem Demenzzentrum der Antragstellerin um eine Einrichtung für Volljährige handelt, die in ihrem Bestand unabhängig von Wechsel und Zahl der Bewohnerinnen und Bewohner dem Zweck dient, gegen Entgelt ältere Menschen, pflegebedürftige Menschen oder Menschen mit Behinderung aufzunehmen, ihnen Wohnraum zu überlassen und für sie Pflege- oder Betreuungsleistungen zur Verfügung zu stellen oder vorzuhalten. Ferner handelt es sich bei der streitgegenständlichen Anordnung um eine Anordnung bei Mängeln gemäß § 11 Abs. 1 Satz 1 NuWG, da der Antragsgegner zur Behebung eines im Rahmen der ihm gemäß §§ 9 i.V.m. 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 NuWG obliegenden Heimaufsicht nach seiner Auffassung festgestellten Mangel gehandelt hat. Der Sache nach liegt aus Sicht des Antragsgegners nämlich ein Verstoß gegen die Anforderungen an den Betrieb eines Heims gemäß § 5 Nr. 10 NuWG vor, wonach ein Heim nur betrieben werden darf, wenn in ihm der Schutz der Bewohnerinnen und Bewohner vor Infektionen gewährleistet und außerdem sichergestellt wird, dass von den Beschäftigten die Anforderungen an die Hygiene eingehalten werden. Aus der vorrangigen Einschlägigkeit des Niedersächsischen Gesetzes über unterstützende Wohnformen folgt zugleich, dass vor und bei Erlass des streitgegenständlichen Bescheides die darin geregelten Verfahrensvorschriften hätten eingehalten werden müssen. So wären gem. § 10 Abs. 2 S. 2 und S. 3 NuWG bereits im vorangegangenen Beratungsverfahren der Sozialhilfeträger und die übrigen Leistungsträger zu beteiligen gewesen. Bei Erlass des Bescheides hätten sodann die in § 11 Abs. 2 und Abs. 3 NuWG geregelten Verfahrensvorschriften eingehalten werden müssen. Nach § 11 Abs. 2 NuWG sind Anordnungen so weit wie möglich in Übereinstimmung mit Vereinbarungen nach § 75 Abs. 3 SGB XII auszugestalten. Darüber hinaus sind Anordnungen, die eine Erhöhung der Vergütung nach § 75 Abs. 3 SGB XII zur Folge haben können, im Benehmen mit dem Träger der Sozialhilfe, mit dem Vereinbarungen nach dieser Vorschrift bestehen, zu treffen. Nach Abs. 3 der genannten Vorschrift sind Anordnungen gegenüber dem Betreiber eines nach § 72 Abs. 1 SGB XI zugelassenen Heims, die eine Erhöhung der nach dem SGB XI vereinbarten oder festgesetzten Entgelte zur Folge haben können, im Benehmen mit den betroffenen Pflegesatzparteien zu treffen. Gegen solche Anordnungen kann auch die Pflegekasse Klage erheben.

Darüber hinaus ist die getroffene Anordnung aller Voraussicht nach materiell rechtswidrig, nämlich ermessensfehlerhaft, da sie gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verstößt. Die Anordnung, dass die Antragstellerin die Arbeitskleidung ihrer Mitarbeiter ausnahmslos zu desinfizieren und zu reinigen hat, betrifft – nach der ausdrücklichen Formulierung des Bescheides und einer entsprechenden Bestätigung seitens der Vertreter des Antragsgegners im Erörterungstermin – sämtliche der ca. 120 Mitarbeiter der Antragstellerin unabhängig von deren Tätigkeitsbereich. Jedenfalls in dieser Pauschalität und wegen der damit einhergehenden Intensität des Eingriffs steht die Anordnung außer Verhältnis zur Beeinträchtigung der grundrechtlich gesicherten Positionen der Antragstellerin aus Art. 12 Abs. 1 sowie Art. 14 Abs. 1 GG. Die Antragstellerin hat plausibel dargelegt, dass ihre Mitarbeiter zu einem großen Teil als sogenannte Präsenzkräfte niederschwellige Betreuungsangebote anbieten, wie zum Beispiel die Bewohner in den Garten oder in die Stadt zu begleiten bzw. mit diesen Zeitung zu lesen oder zu basteln. Auch sind bei ihr unbestritten ca. 20 Hauswirtschaftskräfte, fünf Verwaltungskräfte und 15 haustechnische Mitarbeiter beschäftigt. Es ist nicht ersichtlich, inwieweit der Antragsgegner ermittelt oder etwaig berücksichtigt hat, inwieweit diese überhaupt bzw. in welcher körperlichen Intensität sie mit den Bewohnern Kontakt haben. Jedenfalls bezüglich dieser Mitarbeiter ist die Anordnung, ihre Kleidung ausnahmslos desinfizierend zu waschen, wegen der wenn überhaupt vorhandenen, jedenfalls aber sehr gering einzustufenden Infektionsgefahr unverhältnismäßig, da im Normalfall lediglich von Kontakten mit Bewohnern auszugehen ist, die auch außerhalb einer Pflegeeinrichtung dem üblichen zwischenmenschlichen Verhalten entsprechen und eine gesteigerte Infektionsgefahr nicht erkennen lassen. Selbst wenn – wie vom Geschäftsführer der Antragstellerin im Erörterungstermin geschildert – zum Beispiel ein Hausmeister im Einzelfall mal einen nicht als infektiös eingestuften Bewohner am Urinal stützen sollte, lässt sich daraus kein solcher Gefahrentatbestand ableiten, der eine ausnahmslose desinfizierende Reinigung der Kleidung sämtlicher Mitarbeiter angemessen erscheinen lassen würde.

Rechtlichen Zweifeln unterliegt die Anordnung aber selbst bezüglich solcher Mitarbeiter, die primär mit pflegerischen Tätigkeiten befasst sind. Denn die Antragstellerin dürfte die Anforderungen der TRBA 250 erfüllen, deren Regelungen die Anforderungen der Biostoffverordnung konkretisieren und bei deren Einhaltung die Antragstellerin als Arbeitgeberin davon ausgehen kann, dass die entsprechenden Anforderungen der Verordnung erfüllt sind, hier namentlich, dass die Antragstellerin gemäß § 9 Abs. 3 Nr. 4 Biostoffverordnung die erforderlichen Maßnahmen zur Desinfektion, Inaktivierung oder Dekontamination sowie zur sachgerechten und sicheren Entsorgung von Biostoffen, kontaminierten Gegenständen, Materialien und Arbeitsmitteln zu ergreifen hat. Denn die Einschätzung des Antragsgegners, dass es sich bei der Kleidung der Mitarbeiter der Antragstellerin stets um kontaminierte Arbeitskleidung i.S.v. Nr. 2.4 TRBA 250 handelt und diese daher stets zentral durch den Arbeitgeber desinfizierend zu waschen ist, lässt sich mit der Systematik der TRBA 250 nicht vereinbaren.

Der Antragsgegner stützt sich darauf, dass kontaminierte Arbeitskleidung gemäß Nr. 4.2.7 Abs. 3 TRBA 250 vom Arbeitgeber wie Schutzkleidung zu desinfizieren und zu reinigen sei und gemäß Abs. 4 der genannten Vorschrift von den Beschäftigten nicht zur Reinigung nach Hause mitgenommen werden dürfe. Dabei sei von einer Kontamination der Arbeitskleidung bei den Mitarbeitern der Antragstellerin stets auszugehen, da gemäß Nr. 2.4 TRBA 250 eine Kontamination vorliege, wenn die Arbeitskleidung bei Tätigkeiten gemäß dieser Regel mit Körperflüssigkeiten, Körperausscheidungen oder Körpergewebe in Kontakt gekommen ist, wobei eine Kontamination nicht immer bereits mit bloßem Auge erkennbar ist.

Die Annahme des Antragsgegners, dass stets eine Kontamination der Arbeitskleidung vorliege, lässt sich jedoch nicht aus den genannten Vorschriften ableiten und auch nicht mit den übrigen Vorschriften der TRBA 250 vereinbaren. Bereits dem Grundsatz nach sind gemäß Nr. 3.4.1 Abs. 2 Satz 1 TRBA 250 die nach dieser Vorschrift geregelten Schutzstufen in Abhängigkeit von der Höhe der tätigkeitsbedingten Infektionsgefahr zu unterscheiden. Bereits dies widerspricht der pauschalen Anordnung des Antragsgegners, da zur Überzeugung des Gerichts nach den unwidersprochen gebliebenen Darstellungen der Antragstellerin im Demenzzentrum der Antragstellerin jedenfalls auch viele unterschwellige Betreuungstätigkeiten durchgeführt werden, bei denen kein Umgang oder sehr selten ein geringfügiger Kontakt mit potenziell infektiösen Material, wie Körperflüssigkeiten, -ausscheidungen oder -gewebe und keine offensichtliche sonstige Ansteckungsgefahr besteht und diese daher der Schutzstufe 1 gemäß Nr. 3.4.2 Abs. 1 Satz 1 TRBA 250 zuzuordnen sind. Gemäß Satz 2 dieser Vorschrift sind bei Tätigkeiten dieser Schutzstufe die Mindestschutzmaßnahmen der Nr. 4.1 anzuwenden, die bezüglich der Reinigung von Dienstkleidung unter Nr. 4.1.8 TRBA 250 lediglich vorsehen, dass Arbeitskleidung regelmäßig sowie bei Bedarf zu wechseln und zu reinigen ist. Die Art und Weise der Reinigung bzw. eine Reinigungspflicht durch den Arbeitgeber wird hier nicht geregelt.

Dem gegenüber stehen Tätigkeiten der Schutzstufe 2 gemäß Nr. 3.4.2 Abs. 2 – die im Demenzzentrum der Antragstellerin unzweifelhaft insbesondere bei Bewohnern der Pflegestufe 3 ebenfalls vorkommen – bei denen es regelmäßig und nicht nur in geringfügigem Umfang zum Kontakt mit potenziell infektiösem Material kommen kann oder eine offensichtliche sonstige Ansteckungsgefahr, etwa durch eine luftübertragene Infektion oder durch Stich- und Schnittverletzungen besteht. Als beispielhafte Tätigkeiten werden – soweit für ein Demenzzentrum wohl vorwiegend einschlägig – u.a. angeführt: Absaugen respiratorischer Sekrete, Wechseln von Windeln und von mit Fäkalien verunreinigter Kleidung, Waschen, Duschen, Baden inkontinenter Patienten, Umgang mit benutzter Wäsche von Patienten und Bewohnern (Ausziehen, Abwerfen, Sammeln), die mit Körperflüssigkeiten oder -ausscheidungen behaftet ist, Reinigen und Desinfizieren kontaminierter Flächen und Gegenstände, Arbeiten an kontaminierten Medizinprodukten etc. Selbst bei Tätigkeiten auf dieser Schutzstufe kann indes nach den einschlägigen Regelungen keine generelle Kontamination der Arbeitskleidung angenommen werden. Dies ergibt sich insbesondere aus Nr. 4.2.7 Abs. 1 und Abs. 3 TRBA 250, wonach bei Tätigkeiten der Schutzstufe 2 vom Arbeitgeber gestellte Schutzkleidung (nur) zu tragen ist, wenn bei einer Tätigkeit mit Kontaminationen der Arbeitskleidung gerechnet werden muss. Die logische Folge, dass bei Tätigkeiten, bei denen nach Gefährdungsbeurteilung keine Schutzkleidung zu tragen ist, normale Arbeitskleidung getragen werden kann, wird in Abs. 3 der Vorschrift aufgegriffen. Wird nämlich bei Tätigkeiten, bei denen nach Gefährdungsbeurteilung keine Schutzkleidung zu tragen ist, die Arbeitskleidung im Einzelfall dennoch kontaminiert, so ist sie nach dieser Vorschrift zu wechseln und vom Arbeitgeber wie Schutzkleidung zu desinfizieren und zu reinigen. Daraus folgt im Gegenschluss, dass die gesteigerten Anforderungen an die Desinfektion und Reinigung der Arbeitskleidung nicht gelten, wenn es bei den als nicht-kontaminationsgefährdend eingeschätzten Tätigkeiten – erwartungsgemäß – zu keinen Kontaminationen gekommen ist. Würde man indes der Argumentation des Antragsgegners folgen, wonach bei den Mitarbeitern in der Einrichtung der Antragstellerin stets von einer stattgefundenen Kontamination der Arbeitskleidung auszugehen sei, müsste nach der Konzeption der TRBA 250 im Demenzzentrum der Antragstellerin wegen der Annahme durchgehend bestehender Kontaminationsgefahr stets Schutzkleidung getragen bzw. Arbeitskleidung jedenfalls nach jedem auch noch so oberflächlichen Kontakt zu Bewohnern umgehend gewechselt werden.

Die in Nr. 2.4 Satz 2 TRBA 250 gewählte Formulierung, wonach eine Kontamination nicht immer bereits mit bloßem Auge erkennbar ist, kann vor dem Hintergrund dieser Systematik nur dahingehend ausgelegt werden, dass im Einzelfall jedenfalls konkrete Anhaltspunkte dafür vorliegen müssen, dass trotz fehlender optischer Erkennbarkeit die Arbeitskleidung mit Körperflüssigkeiten, Körperausscheidungen oder Körpergewebe in Kontakt gekommen ist. Dass solche konkreten Anhaltspunkte stets und bei allen Mitarbeitern der Antragstellerin vorliegen, hat der Antragsgegner weder dargetan noch sind diese sonst für das Gericht ersichtlich.

Auch soweit der Antragsgegner auf die Veröffentlichung „Kleidung und Schutzausrüstung für Pflegeberufe aus hygienischer Sicht“ in aktualisierter Fassung von Juli 2016 der Deutschen Gesellschaft für Krankenhaushygiene e. V. verweist, führt dies zu keinem anderen Ergebnis. Bezüglich privater Arbeitskleidung ist darin nämlich lediglich geregelt, dass „wahrscheinlich“ kontaminierte Kleidung wie Schutzkleidung vom Arbeitgeber sachgerecht aufzubereiten ist. Aus den oben genannten Gründen kann indes nicht pauschal davon ausgegangen werden, dass eine solche Wahrscheinlichkeit vorliegt.

Das Suspensivinteresse der Antragstellerin überwiegt das Vollzugsinteresse der Öffentlichkeit ferner deshalb, weil die vom Antragsgegner angenommene Infektionsgefahr allenfalls eine abstrakte, nicht näher konkretisierte Gefahr darstellt. Zu berücksichtigen ist dabei, dass die Mitarbeiter der Antragstellerin ihre Arbeitskleidung bereits seit dem Jahr 2009 zu Hause waschen und es seitdem jedenfalls zur Kenntnis des Antragsgegners – wie im Erörterungstermin ausdrücklich bestätigt – zu keinem konkreten Infektionsfall gekommen ist. Insbesondere vor dem Hintergrund der wirtschaftlichen Tragweite der Anordnung, die zur Überzeugung des Gerichts faktisch die Anschaffung jeweils mehrerer Sätze Arbeitskleidung für insgesamt ca. 120 Mitarbeiter und umfangreiche Organisationsmaßnahmen für die Durchführung der zentralen Reinigung erforderlich machen würde, ist der Aufschub des Vollzugs der Maßnahme zumutbar, zumal die Antragstellerin vor Erlass des angefochtenen Bescheides bereits auf die Kritik des Antragsgegners reagiert und ein den Anforderungen der TRBA 250 entsprechendes System der Aufbereitung kontaminierter Arbeitskleidung eingerichtet hat.

Da bereits die Grundanordnung voraussichtlich rechtswidrig ist, gilt dies auch für die daran anknüpfenden Anordnungen bezüglich der Mitteilung von Änderungen gegenüber dem Gesundheitsamt und einer Änderung des Hygieneplans.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.

2. Die Festsetzung des Streitwerts orientiert sich gemäß § 52 Abs. 1 i.V.m. 53 Abs. 2 Nr. 2 GKG und Nr. 35.1 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013 an der von der Antragstellerin plausibel dargelegten wirtschaftlichen Bedeutung der Anordnung, wonach ihr für die Anschaffung, Instandhaltung und Reinigung der Arbeitskleidung für ihre insgesamt 120 Mitarbeiter Kosten in Höhe von 2 € pro Tag und Mitarbeiter entstehen würden. Da es sich um einen Dauerverwaltungsakt handelt, ist in Anlehnung an Regelungen zu sonstigen Dauerverwaltungsakten der sich daraus ergebende Jahresbetrag von 87.600,00 € einschlägig. Dieser ist im Verfahren auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes gemäß Nr. 1.5. Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013 zu halbieren.