Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 22.12.2003, Az.: 2 NB 394/03
Deutschkenntnisse; Erste Juristische Staatsprüfung; Jura; Mangel; Mitwirkung; Mitwirkungspflicht; Obliegenheit; Pflicht; Prüfer; Prüfung; Prüfungsverfahren; Rechtswissenschaft; Sphäre; Sprachprüfung; Verfahren; Verfahrensfehler; Vorbereitungszeit; Zulassung; Zumutbarkeit
Bibliographie
- Gericht
- OVG Niedersachsen
- Datum
- 22.12.2003
- Aktenzeichen
- 2 NB 394/03
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2003, 48531
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Verfahrensgang
- vorgehend
- VG - 14.11.2003 - AZ: 6 B 5610/03
Rechtsgrundlagen
- § 146 Abs 4 VwGO
Amtlicher Leitsatz
Leitsatz
Den Prüfling, nicht die Prüfungsbehörde oder die Prüfer trifft die Obliegenheit, einen Verfahrensfehler der Prüfung rechtzeitig zu rügen.
Gründe
1. Dem Antragsteller kann die beantragte Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren nicht bewilligt werden, weil die von ihm beabsichtigte Rechtsverfolgung aus den nachstehenden – zur Beschwerde unter Tz. 2. – dargelegten Gründen keine hinreichende Aussicht auf Erfolg i. S. des § 166 VwGO I. V. m. § 114 ZPO bietet.
2. Die Beschwerde, mit der sich der Antragsteller gegen die Entscheidung des Verwaltungsgerichts vom 14. November 2003 wendet, in der es das Verwaltungsgericht abgelehnt hat, die Antragsgegnerin im Wege des Erlasses einer einstweiligen Anordnung zu verpflichten, den Antragsteller (vorläufig) im Wintersemester 2003/2004 im Studiengang Rechtswissenschaft (Staatsexamen) zuzulassen, ist zu verwerfen. Denn dem Antragsteller ist es nicht gelungen, nach § 146 Abs. 4 Satz 3 VwGO Gründe darzulegen, die es rechtfertigen würden, im Beschwerdeverfahren die (ablehnende) Entscheidung des Verwaltungsgerichts zu Gunsten des Antragstellers abzuändern. Dies ergibt sich schon daraus, dass das Verwaltungsgericht seine Entscheidung kumulativ auf mehrere Erwägungen gestützt hat und es der Antragsteller nicht vermocht hat, bereits die Erwägung des Verwaltungsgerichts, zu erschüttern, er – der Antragsteller – habe sich auf die Teilnahme an der Deutschen Sprachprüfung für den Hochschulzugang (DSH-Prüfung) am 5. September 2003 eingelassen, ohne die jetzt als Verfahrensfehler monierte Kürze der Vorbereitungszeit oder andere (angebliche) Verfahrensfehler zu rügen. Bereits diese Erwägung des Verwaltungsgerichts ist im Beschwerdeverfahren nach dem Vorbringen des Antragstellers rechtlich nicht zu beanstanden.
Einen Prüfling trifft grundsätzlich die aus dem auch im öffentlichen Recht geltenden Grundsatz von Treu und Glauben beruhende Obliegenheit, das Seine zu einem ordnungsgemäßen Prüfungsablauf beizutragen und damit von sich aus an der Prüfung mitzuwirken (vgl. BVerwG, Urt. v. 17.2.1984 – BVerwG 7 C 67.82 -, BVerwGE 69, 44(49) = Buchholz, Sonderband Prüfungsrecht, 1988, Nr. 195, S. 365, u. Beschl. v. 15.10.1984 – BVerwG 7 B 198. 84 -, Buchholz, aaO, Nr. 206, S. 409). Lässt sich ein Prüfling auf das Prüfungsverfahren ein und geht er damit das Risiko des Erfolgs, aber auch des Misslingens der (verfahrensfehlerhaft zustande gekommenen) Prüfung ein, so ist es ihm grundsätzlich verwehrt, nach Beendigung des Prüfungsverfahrens den Verfahrensfehler, den er zuvor hingenommen hatte, noch zu rügen. Etwas anderes kann allenfalls dann gelten, wenn dem Prüfling in der betreffenden Situation (ausnahmsweise) nicht zugemutet werden konnte, den Verfahrensfehler rechtzeitig zu rügen (vgl. Niehues, Schul- und Prüfungsrecht, Bd. 2 Prüfungsrecht, 3. Aufl. 1994, RdNrn. 287 u. 82). Hier hat sich der Antragsteller auf die Prüfung vom 5. September 2003 eingelassen, ohne eine etwaige zu geringe Vorbereitungszeit oder andere Verfahrensfehler zu rügen. Es ist auch nicht erkennbar oder vorgetragen – auch nicht mit der Beschwerdebegründungschrift vom 17. Dezember 2003 - , dass es dem Antragsteller (ausnahmsweise) nicht zuzumuten gewesen ist, beispielsweise seine nunmehr ins Feld geführte, (angeblich) zu kurze Vorbereitungszeit auf die Prüfung vom 5. September 2003 vor dieser Prüfung zu rügen und ggf. mit dieser Rüge außer der Reihe eine Zulassung zu der späteren Prüfung am 26. September 2003 zu erreichen.
Wenn der Antragsteller demgegenüber meint, die Antragsgegnerin sei aufgrund von „Aufklärungs-, Hinweis- und Belehrungspflichten“, wie sie in der Literatur (vgl. Niehues, aaO, RdNr. 184) bejaht würden, gehalten gewesen, ihn auf das Notwendigkeit einer rechtzeitigen Rüge hinzuweisen, kann dies nicht zu einer für den Antragsteller günstigen Entscheidung führen. Bei dem Erfordernis einer rechtzeitigen Rüge eines Verfahrensfehlers im Prüfungsverfahren handelt es sich, wie dies bereits eingangs dargestellt wurde, um eine Obliegenheit, die als Mitwirkungspflicht dem Prüfling und nicht der Prüfungsbehörde oder den jeweiligen Prüfern auferlegt wird. Dies gilt umso mehr, wenn es sich wie hier bei der von dem Antragsteller als für ihn zu kurz bezeichneten Vorbereitungszeit um einen Umstand handelt, der in die Sphäre des Prüflings fällt und wie eine krankheitsbedingte Prüfungsunfähigkeit in aller Regel nur von dem Prüfling selbst erkannt und geltend gemacht werden kann. Insoweit können sich also „Aufklärungs-, Hinweis- und Belehrungspflichten“ nicht für die Prüfungsbehörde und die Prüfer, sondern nur für den Prüfling selbst ergeben.
Wäre der Antragsteller aber gehalten gewesen, die jetzt gerügten (angeblichen) Verfahrensfehler der DSH-Prüfung vom 5. September 2003 rechtzeitig und nicht erst nach dem Misslingen der Prüfung zu rügen – hierbei kann der Senat offen lassen, ob es sich bei den gerügten Mängeln überhaupt um erhebliche Verfahrensfehler der Prüfung gehandelt hat - , so kann der Antragsteller die ihm in der Prüfung attestierten unzureichenden Deutschkenntnisse nicht mehr mit Erfolg in Zweifel ziehen. Fehlt es bei dem Antragsteller aber an den für eine Zulassung zum Jurastudium erforderlichen Deutschkenntnissen, so kann schon aus diesem Grunde die von dem Antragsteller begehrte einstweilige Anordnung nicht ergehen, weshalb die Beschwerde des Antragstellers mangels hinreichender Darlegung i. S. des § 146 Abs. 4 Satz 3 VwGO nach § 146 Abs. 4 Satz 4 VwGO zu verwerfen ist.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO, die Entscheidung über den Streitwert aus den §§ 20 Abs. 3, 13 Abs. 1 Satz 2, 14 GKG