Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 10.12.2003, Az.: 2 ME 358/03

Beamtenverhältnis auf Lebenszeit; Dienstherr; gesundheitliche Eignung; Polizeidienstunfähigkeit; Polizeivollzugsdienst; wertende Erkenntnis

Bibliographie

Gericht
OVG Niedersachsen
Datum
10.12.2003
Aktenzeichen
2 ME 358/03
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2003, 48270
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

vorgehend
VG - 07.10.2003 - AZ: 1 B 33/03

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

Zur Frage, ob ein Beamter auf Probe im Polizeivollzugsdienst, der einen Bandscheibenvorfall erlitten hat, zwar für den allgemeinen Verwaltungsdienst, nicht jedoch für den Polizeivollzugsdienst gesundheitlich geeignet ist.

Gründe

1

Der Antragsteller, der Polizeiobermeister im Bundesgrenzschutz im Beamtenverhältnis auf Probe ist, hat am 19. August 2003 bei dem Verwaltungsgericht beantragt, im Wege einer einstweiligen Anordnung nach § 123 VwGO bis zu einer Entscheidung in der Hauptsache vorläufig festzustellen, dass er polizeidienstfähig und daher zur Berufung in das Beamtenverhältnis auf Lebenszeit im Polizeivollzugsdienst des Bundesgrenzschutzes geeignet ist. Das Verwaltungsgericht hat den Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes mit Beschluss vom 7. Oktober 2003 abgelehnt und den Wert des Streitgegenstandes für den ersten Rechtszug auf 4.000,-- € festgesetzt. Gegen diesen Beschluss wendet sich der Antragsteller mit seiner Beschwerde.

2

Die Beschwerde ist zulässig, aber nicht begründet.

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1. Der Senat teilt die Einschätzung des Verwaltungsgerichts, dass der für den Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 123 Abs. 1 VwGO erforderliche Anordnungsanspruch nicht vorliegt, weil dem Antragsteller ein Anspruch auf die Feststellung, dass er polizeidienstfähig und daher zur Berufung in das Beamtenverhältnis auf Lebenszeit im Polizeivollzugsdienst des Bundesgrenzschutzes geeignet ist, nicht zusteht. Ebenso wie das Verwaltungsgericht geht der Senat bei der in diesem Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes nur gebotenen summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage davon aus, dass der Antragsteller den gesundheitlichen Anforderungen für den Polizeivollzugsdienst im Sinne des § 4 Abs. 1 BPolBG nicht genügt. Der Senat verweist gemäß § 122 Abs. 2 Satz 3 VwGO auf die von ihm als zutreffend angesehenen Erwägungen in dem angefochtenen Beschluss vom 7. Oktober 2003. Mit Rücksicht auf das Vorbringen des Antragstellers im Beschwerdeverfahren ist Folgendes nochmals bzw. ergänzend zu bemerken:

4

Die Entscheidung darüber, ob sich ein Beamter auf Probe in der Probezeit bewährt hat oder ob bei ihm z. B. in gesundheitlicher Hinsicht ein Eignungsmangel vorliegt, ist ein dem Dienstherrn vorbehaltener Akt wertender Erkenntnis. Nur dieser kann sachverständig und zuverlässig beurteilen, ob der einzelne Beamte den an ihn gestellten Anforderungen entspricht. Dieser Akt wertender Erkenntnis des Dienstherrn kann verwaltungsgerichtlich nur eingeschränkt dahingehend überprüft werden, ob der Dienstherr anzuwendende Begriffe oder den gesetzlichen Rahmen, in dem er sich frei bewegen kann, verkannt hat oder von einem unrichtigen Sachverhalt ausgegangen ist, allgemein gültige Wertmaßstäbe nicht beachtet oder sachfremde Erwägungen angestellt hat (vgl. BVerwG, Urt. v. 19.3.1998 – 2 C 5.97 -, BVerwGE 106, 263; Urt. d. Sen. v. 24.11.1998  – 2 L 2484/96 -; Beschl. d. Sen. v. 16.12.1998 – 2 M 4436/98 – u. v. 13.12.2002 – 2 ME 200/02 -). Bei der Bewertung speziell der hier in Frage stehenden gesundheitlichen Eignung des Antragstellers für den Polizeivollzugsdienst ist zu berücksichtigen, dass die Feststellung der gesundheitlichen Eignung nur dann getroffen werden kann, wenn die Möglichkeit des Eintritts dauernder Dienstunfähigkeit schon vor Erreichen der Altersgrenze nach dem Kenntnisstand im Zeitpunkt der Berufung in das Beamtenverhältnis auf Lebenszeit mit einem hohen Grad an Wahrscheinlichkeit auszuschließen ist (vgl. Beschl. d. Sen. v. 10.9.1998 – 2 L 3160/98 -).

5

Ausgehend von diesen Grundsätzen ist der Senat ebenso wie das Verwaltungsgericht der Auffassung, dass der Antragsteller gegenwärtig, d. h. nach dem Kenntnisstand dieses Eilverfahrens, zwar für den allgemeinen Verwaltungsdienst, nicht jedoch für den Polizeivollzugsdienst gesundheitlich geeignet ist. Der demgegenüber auch im Beschwerdeverfahren von dem Antragsteller vertretenen Ansicht, es gebe keinerlei berechtigte Zweifel an seiner gesundheitlichen Eignung für den Polizeivollzugsdienst, vermag der Senat nicht zu folgen.

6

Es kommt entgegen der Auffassung des Antragstellers insoweit nicht darauf an, ob der von ihm im Dezember 1999 im Alter von 24 Jahren unstreitig erlittene Bandscheibenvorfall behandlungsfähig ist. Maßgeblich ist vielmehr, ob der Antragsteller trotz dieser erlittenen Erkrankung die gesundheitlichen Voraussetzungen für den Polizeivollzugsdienst, der besondere Anforderungen an die körperliche und geistige Leistungsfähigkeit stellt, erfüllt. Das ist nach dem Verlauf der Erkrankung und den vorliegenden ärztlichen Befunden und Stellungnahmen nicht der Fall. Der Leiter des Sanitätsdienstes der Bundesgrenzschutzabteilung B. der Antragsgegnerin, Medizinaloberrat C., hat infolge des von dem Antragsteller erlittenen Bandscheibenvorfalls schon am 30. Juni 2000 diverse Verwendungseinschränkungen für den Antragsteller festgestellt. Zahlreiche Verwendungseinschränkungen wurden in der Folgezeit mit Befunden des Medizinaloberrates C. vom 8. Januar 2001, 27. Februar 2001, 3. Dezember 2001 und 20. August 2002 bekräftigt. Daraufhin wurde der Antragsteller am 12. September 2002 bei dem Sozialmedizinischen Dienst des Bundesgrenzschutzes beim Grenzschutzpräsidium Nord von Medizinaloberrat D. untersucht. Dieser kam in seinem Befund vom 30. Oktober 2002 zu der Einschätzung, dass der Antragsteller polizeidienstunfähig und daher nicht geeignet zur Berufung in das Beamtenverhältnis auf Lebenszeit, jedoch grundsätzlich geeignet für den allgemeinen Verwaltungsdienst ist. In seiner ergänzenden ärztlichen Stellungnahme vom 12. März 2003 hat Medizinaloberrat D. ausgeführt, es sei bei dem Antragsteller, da der Bandscheibenvorfall schon im Alter von 24 Jahren aufgetreten sei, von einer Schwäche der Gewebekonstruktion bei chronischer Fehlbelastung auszugehen. Es sei für dieses Alter eine durchaus nicht typische Erkrankung. Wann und anlässlich welchen Anlasses der Antragsteller die Veränderungen in der Lendenwirbelsäule als therapiebedürftig erlebe, sei nicht sicher vorauszusagen. Bei den jetzt schon vorhandenen Gelenkveränderungen in der Wirbelsäule und den zu erwartenden Belastungen im Polizeivollzugsdienst sei mit einer uneingeschränkten gesundheitlichen Dienstfähigkeit nach allen wissenschaftlichen medizinischen Erkenntnissen nicht zu rechnen.

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Die vorgenannten, gegen die gesundheitliche Eignung des Antragstellers für den Polizeivollzugsdienst sprechenden medizinischen Befunde werden durch den Arztbericht des Medizinaloberrates C. vom 4. November 2003, den dieser auf Ersuchen des Antragstellers zur Vorlage bei dessen Berufsunfähigkeitsversicherung gefertigt hat, nicht in Zweifel gezogen, sondern bestätigt. In diesem Arztbericht heißt es, wegen des Bandscheibenvorfalls vom 14. Dezember 1999 lägen zahlreiche Verwendungseinschränkungen vor, die eine nur eingeschränkte Dienstfähigkeit des Antragstellers als Polizeivollzugsbeamter zur Folge hätten. Zur Stabilisierung und Kräftigung der Rumpfmuskulatur seien regelmäßige krankengymnastische Übungen notwendig.

8

Die erforderliche positive Prognose hinsichtlich der langfristigen gesundheitlichen Eignung des Antragstellers für den Polizeivollzugsdienst kann auch nicht bei Berücksichtigung der von dem Antragsteller vorgelegten Stellungnahme des Facharztes für Orthopädie E. vom 13. Mai 2003 getroffen werden. Der Orthopäde E. hat zwar eine gewisse Rückbildung des Bandscheibenvorfalls, jedoch auch eine Schädigung der Wirbelsäule diagnostiziert. Eine Feststellung, dass ein erneuter Bandscheibenvorfall mit dem erforderlichen hohen Grad an Wahrscheinlichkeit auszuschließen ist, enthält die Stellungnahme vom 13. Mai 2003 nicht.

9

Der mit dem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung verfolgte Anspruch lässt sich schließlich entgegen der Ansicht des Antragstellers auch nicht aus dem von ihm als vergleichbar herangezogenen Fall des Polizeiobermeisters im Bundesgrenzschutz F. herleiten. Die Antragsgegnerin hat hierzu vorgetragen, dass entgegen den Ausführungen des Antragstellers im Falle des genannten Beamten bislang keine abschließende Entscheidung über dessen Polizeidiensttauglichkeit erfolgt sei. Abgesehen davon hätte der Antragsteller selbst dann, wenn die Antragsgegnerin in einem in jeder Hinsicht vergleichbaren Fall zu Unrecht eine Polizeidienstfähigkeit festgestellt hätte, keinen Anspruch auf den Erlass der beantragten einstweiligen Anordnung. Denn eine Behörde kann nicht gerichtlich verpflichtet werden, einen einmal begangenen Fehler zu wiederholen (kein Anspruch auf „Gleichbehandlung im Unrecht“).

10

2. Die Beschwerde des Antragstellers gegen die Streitwertfestsetzung des Verwaltungsgerichts ist ebenfalls unbegründet. Das Verwaltungsgericht hat den Wert des Streitgegenstandes für den ersten Rechtszug rechtfehlerfrei gemäß §§ 20 Abs. 3, 13 Abs. 1 Satz 2 GKG auf 4.000,-- € festgesetzt.

11

Der Senat hält es entgegen der Ansicht des Antragstellers nicht für angemessen, den Auffangwert zu erhöhen. Ein Fall des § 13 Abs. 4 Satz 1 b GKG ist nicht gegeben, weil die Beendigung des öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnisses des Antragstellers nicht Streitgegenstand ist. Es liegt auch nicht eine dem § 13 Abs. 4 Satz 1 b GKG vergleichbare Fallkonstellation vor. Der Antragsteller hat schon vor Stellung des Antrags auf Erlass einer einstweiligen Anordnung auf Vorschlag der Antragsgegnerin mit Schreiben vom 2. Juli 2003 gemäß § 8 Abs. 2 BPolBG den Wechsel in ein Amt einer Laufbahn außerhalb des Polizeivollzugsdienstes beantragt. Diesem Antrag hat die Antragsgegnerin, wie ihre Verfügung vom 4. November 2003 zeigt, entsprochen. Denn danach ist der Antragsteller für den Lehrgang zur Unterweisung in die Aufgaben der Laufbahn des mittleren nicht technischen Dienstes in der allgemeinen und inneren Verwaltung des Bundes zugelassen worden. Da eine Entlassung des Antragstellers aus dem Beamtenverhältnis mithin nicht im Raum steht und er auch bisher im mittleren (Polizeivollzugs-) Dienst tätig war, der Laufbahnwechsel somit entgegen seiner Behauptung einer Entfernung aus dem Beamtenverhältnis nicht gewissermaßen gleich kommt, ist es nicht angebracht, den Streitwert in Anlehnung an § 13 Abs. 4 Satz 1 b GKG zu erhöhen.

12

3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.

13

4. Die Festsetzung des Streitwertes für das Beschwerdeverfahren beruht auf §§ 20 Abs.3, 13 Abs. 1 Satz 2 GKG. Insoweit wird auf die Ausführungen zum Streitwert für das erstinstanzliche Verfahren verwiesen, die für das Beschwerdeverfahren entsprechend gelten.