Verwaltungsgericht Hannover
Urt. v. 07.02.2022, Az.: 1 A 305/21

Erschwernisbeitrag; Gewässerunterhaltung; Unterhaltungsverband

Bibliographie

Gericht
VG Hannover
Datum
07.02.2022
Aktenzeichen
1 A 305/21
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2022, 59710
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

Die Heranziehung eines Grundstücks zu einem Erschwernisbeitrag in Gestalt eines zusätzlichen Beitrags für stärker versiegelte Flächen ist rechtlich auch dann nicht zu beanstanden, wenn das Grundstück nur zum Teil versiegelte Flächen aufweist und das dort anfallende Niederschlagswasser direkt auf unversiegelte Flächen geleitet oder für eine spätere Nutzung zunächst in Regenwasserbehälten gespeichert wird.

Tenor:

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages leistet.

Tatbestand:

Der Kläger wendet sich als Mitglied eines für die Unterhaltung von Gewässern zweiter Ordnung zuständigen Unterhaltungsverbandes gegen die Festsetzung eines zusätzlichen Beitrags für stärker versiegelte Flächen (Erschwernisbeitrag).

Der Kläger ist Eigentümer eines 18.567 m2 großen Grundstücks (Flurstück 34/33, Gemarkung D.), welches im Verbandsgebiet des Unterhaltungs- und Landschaftspflegeverbandes "E. und F. " – im Folgenden ULV – gelegen ist. Im Liegenschaftskataster ist eine Teilfläche des Grundstücks von 6.897 m2 als "Wohnbaufläche" und die übrige Fläche als "Landwirtschaft – Ackerland" verzeichnet.

Im Oktober 2017 informierte der ULV seine Mitglieder – so auch den Kläger – über eine Änderung der Beitragssystematik bei der Erhebung von Verbandsbeiträgen für die Unterhaltung der Gewässer zweiter Ordnung. Ein normaler Flächenbeitrag werde nach dem Flächenmaßstab erhoben, wonach jedes Grundstück im Verbandsgebiet ohne Rücksicht auf einen eventuellen Vorteil nach dem Solidarprinzip mit einem einheitlichen Hektarsatz veranlagt werde. Durch die Umstellung der Beitragsstruktur an die gesetzlichen Vorgaben habe dieser Hektarsatz von 14,00 EUR auf 12,50 EUR gesenkt werden können. Bis zur Grundstücksgröße von 2.000 m² komme ein Mindestbeitrag zur Anwendung. Zusätzlich zum normalen Flächenbeitrag würden Erschwernisbeiträge erhoben, wenn Besonderheiten des Grundstücks zu einem verstärkten Wasserabfluss führten. Das Niedersächsische Wassergesetz sehe einen zusätzlichen Beitrag in Höhe des einfachen Hektarsatzes für leicht versiegelte Flächen, des zweieinhalbfachen Hektarsatzes für mitteldicht versiegelte Flächen und des vierfachen Hektarsatzes für stärker versiegelte Flächen (z. B. bebaute Grundstücke) vor. Basis für die Erhebung der Erschwernisbeiträge seien die von den Katasterämtern zugeordneten Nutzungsartenkennungen, die der Gesetzgeber exakt definiert habe.

Der Beklagte zog den Kläger mit Bescheid vom 23. November 2020 zu einem Beitrag für das Jahr 2020 in Höhe von insgesamt 57,70 EUR heran. Im Einzelnen setzte der Beklagte ausgehend von einem einfachen Hektarsatz von 12,50 EUR einen normalen Flächenbeitrag für die gesamte Grundstücksfläche in Höhe von 23,21 EUR (1,8567 ha x 12,50 EUR/ha) sowie zusätzlich für die Teilfläche von 0,6897 ha ausgehend von einem vierfachen Hektarsatz einen Erschwernisbeitrag ("Vorflut – Erschwernis 4.0-fach") in Höhe von 34,49 EUR (0,6897 ha x 50,00 EUR/ha) fest. In dem Bescheid wurde zudem darauf hingewiesen, dass das Beitragskonto des Klägers Rückstände in Höhe von 57,70 EUR (Vorjahressaldo Beiträge) und 6,31 EUR (Vorjahressaldo Gebühr und Kosten) aufweise.

Der Kläger hat gegen den Bescheid am 18. Dezember 2020 Klage erhoben und diese unter dem 24. März 2021 dahingehend präzisiert, dass sie sich gegen den festgesetzten Erschwernisbeitrag richtet. Es fehle an der qualifizierten Voraussetzung einer "Erschwerung der Unterhaltung". Die Grundstücksfläche stehe außer Bezug zu einem Gewässer zweiter oder sonstiger Ordnung. Es erfolgte keinerlei Einleitung von Niederschlägen oder sonstigem Wasser in ein Gewässer. Niederschlagswasser werde schon seit 1963 auf dem Grundstück entwässert, wofür wegen des sandhaltigen Oberbodens und des nicht bindigen Bodens beste Voraussetzungen bestünden. Pfützen würden sich auch bei Starkregen nur in dem gepflasterten Einfahrtsbereich in bilden. Niederschlagswasser werde nicht vom Grundstück geführt; es gebe keinen Regenkanal und keinen Graben. In den Schmutzwasserkanal dürfe kein Niederschlagswasser eingeleitet werden. Es sei auch verboten, Regenwasser auf die Straße zu leiten. Dies werde durch verbaute Sicherungsmaßnahmen verhindert. Da es keine Möglichkeit gebe, Niederschlagswasser legal abfließen zu lassen, bleibe nur die Versickerung bzw. Bewirtschaftung auf dem Grundstück. Einen verstärkten Wasserabfluss gebe es nicht. Zwar könne nicht ausgeschlossen werden, dass sich das versickerte Wasser gleichmäßig verteile, mit dem Grundwasser vermische und zum G. – einem Gewässer zweiter Ordnung – gelange. Ein verstärkter Ablauf, der zu einer Erschwernis führe, sei auf diesem Wege nicht gegeben. Der G. sei 540 m entfernt. Auf dem Grundstück gebe es keine versiegelten Flächen in dem Sinne, dass von diesen Niederschlagswasser vom Grundstück abfließen könne. Niederschlagswasser von den Baulichkeiten werde großflächig verteilt oder in Pflanzzonen geleitet. Auf den Zufahrten werde Wasser durch Drainagevorrichtungen abgefangen. Es werde jeder Tropfen Wasser für die Pflanzen benötigt. Die Pflanzenbewässerung führe in keinem Fall zu einer Erschwernis für den Wasserverband. Deshalb sei auch schon mit der Polizei gesprochen worden.

Der Kläger beantragt,

den Bescheid des Beklagten vom 23. November 2020 aufzuheben, soweit dieser einen Erschwernisbeitrag festsetzt.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Klage sei unbegründet. Jede Fläche im Niederschlagsgebiet von Gewässern beeinflusse über den Abfluss die wasserwirtschaftlichen Verhältnisse. Bereits die Versickerung auf Flächen in das Grundwasser reiche dafür aus, die Einbeziehung in das Unterhaltungsregime für die Gewässer zweiter Ordnung zu begründen, ohne dass es auf den Nachweis eines konkreten Abflusses ankomme. Die vom Gesetzgeber vorgegebenen und übernommenen Erschwernistatbestände orientierten sich an den fachlich zweifelsfrei gegebenen zusätzlichen Aufwendungen, die bei der Gewässerunterhaltung durch Versiegelung von Flächen erfolgten. Insbesondere bei Starkregenereignissen gelangten dadurch erheblich höhere Mengen erheblich schneller in die Gewässer. Durch Versiegelungen könnten bis zu 20-fach verstärkte Abflusswerte entstehen. Jedes versiegelte Grundstück im Niederschlagsgebiet trage zur Erschwernis durch erhöhte Einleitungen bei. Für die Beitragserhebung sei die individuelle Zurechnung eines Vorteils nicht erforderlich, sondern es seien nur die Daten im amtlichen Liegenschaftskataster zur tatsächlichen Nutzung maßgeblich. Nach der Kennung im Liegenschaftskataster handele es sich bei dem klägerischen Grundstück um eine Fläche mit Wohnbebauung, die als stärker versiegelte Fläche mit dem vierfachen Hektarsatz zusätzlich zum normalen Flächensatz zu veranlagen sei.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und des beigezogenen Verwaltungsvorgangs Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die Klage, über die nach dem Übertragungsbeschluss der Kammer vom 10. Dezember 2021 der Einzelrichter entscheidet (§ 6 Abs. 1 VwGO), hat keinen Erfolg.

Die im Beitragsbescheid des Beklagten vom 23. November 2020 erfolgte Festsetzung eines Erschwernisbeitrags ist rechtmäßig und verletzt den Kläger daher nicht in seinen Rechten (vgl. § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

Der Beklagte ist als Oberverband zutreffend von seiner Zuständigkeit hinsichtlich der Festsetzung von Beiträgen für den ULV ausgegangen. Der Einzelrichter legt dabei zugrunde, dass eine Aufgabendelegation nach § 38 Abs. 3 der Satzung des ULV erfolgt ist. Ist eine solche Aufgabendelegation erfolgt und nimmt der Beklagte demzufolge nicht nur ein Mandat für den ULV war, ist er auch im verwaltungsgerichtlichen Verfahren passivlegitimiert. Offenbar erhebt der Beklagte die Beiträge als eigene Aufgabe eigenverantwortlich, jedoch für Rechnung und im Rahmen der materiellen Regelungen der Mitgliedsverbände. Hier liegt es ähnlich wie bei einem entsprechenden Tätigwerden von Samtgemeinden für deren Mitgliedsgemeinden (vgl. dazu Urt. d. Kammer v. 02.02.2016 - 1 A 9171/14 -, juris Rn. 14 unter Hinweis auf Nds. OVG, Urt. v. 09.05.1978 - IX A 127/77 - juris).

Die Festsetzung des Erschwernisbeitrags ist nach Grund und Höhe rechtlich nicht zu beanstanden. Rechtsgrundlage für Erschwernisbeiträge ist § 36 Abs. 4 der Satzung des ULV i. V. m. mit den in Anlage 10 vorgesehenen Veranlagungsregeln. Diese Regelungen sind mit den höherrangigen landesrechtlichen Vorgaben vereinbar. § 64 Abs. 1 Satz 4 NWG regelt ausdrücklich, dass die Satzung eines in Anlage 4 zu den §§ 63 und 64 NWG genannten Unterhaltungsverbandes – wozu der ULV gehört, da er dort unter der Nr. 33 aufgeführt ist – nach Maßgabe der Anlage 5 zu § 64 Abs. 1 Satz 4 NWG zusätzliche Beiträge vorsehen kann. Die Anlage 5 regelt verschiedene Formen zusätzlicher Beiträge unter dem Oberbegriff "zusätzliche Beiträge für die Erschwerung der Unterhaltung". Unter Nr. 1. ist ein "zusätzlicher Beitrag für Versiegelungen" geregelt, bei dem allein auf einen typisierten Versiegelungsgrad für leicht, mitteldicht und stärker versiegelte Flächen abgestellt wird. Nr. 2 befasst sich mit einem "zusätzlichen Beitrag für Wasser- und Abwassereinleitungen; in Nr. 3 geht es um einen "zusätzlichen Beitrag für sonstige Erschwernisse" etwa für auf Grundstücken vorhandene Anlagen, die den Gewässerabfluss beeinträchtigen können. Die vorliegend allein in Rede stehenden Vorgaben zum "zusätzlichen Beitrag für Versiegelungen" wurden durch den ULV bei der den Mitgliedern im Oktober 2017 erläuterten Änderung der Beitragssystematik erstmalig aufgegriffen. Die Grenzen des dem ULV eingeräumten Rechtssetzungsermessens wurden dabei nicht überschritten; vielmehr wird damit dem bereits seit 2007 bestehenden Ziel des Landesgesetzgebers entsprochen, zu einer rechtssicheren und landesweiten Vereinheitlichung der Erhebung von Erschwernisbeiträgen zu gelangen.

Das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht hat bereits entschieden (etwa Urt. v. 12.09.2012 - 13 LC 73/10 -, juris), dass die Erhebung von pauschalierten Unterhaltungs- und Wasserverbandsbeiträgen, die für stärker versiegelte Flächen mit dem vierfachen Hektarsatz anfallen, rechtlich nicht zu beanstanden ist. Zur Begründung wird ausgeführt, dass das pauschalierende allein an die katastermäßige Erfassung anknüpfende System auf der Erwägung einer Mischkalkulation beruht, da für sämtliche "stärker versiegelte Flächen" im Rechtssinne (nur) der vierfache Hektarsatz erhoben wird, obwohl großflächig versiegelte Flächen die Verbandsgewässer im Vergleich zu unversiegelten Flächen um weit mehr als das Vierfache belasten. Die Unzuträglichkeiten für die nur zu einem kleineren Teil tatsächlich stärker versiegelte Flächen sind von den Beitragspflichtigen hinzunehmen. Der Gesetzgeber musste nicht die theoretisch gerechteste Ausgestaltung der Verteilung der Verbandslasten wählen, sondern durfte sich in Anbetracht der geringen Verwaltungskraft der Wasserverbände und der verhältnismäßig niedrigen Beiträge für das gewählte Verteilungssystem entscheiden. Der Einzelrichter hält an diesen obergerichtlichen Wertungen fest. Die pauschalierende Systematik erscheint auch gegenwärtig ohne weiteres noch tragfähig. Infolge des spürbar gewordenen Klimawandels kann nicht die etwa Rede davon sein, dass Gewässer von (teil-)versiegelten Flächen über den Abfluss von Oberflächenwasser oder oberflächennahem Grundwasser weniger stark belastet würden. Im Gegenteil ist die Gewährleistung eines schadlosen Abflusses durch Unterhaltungsmaßnahmen bei dem in den letzten Jahren zu verzeichnenden Wechsel von Trockenperioden und Starkregenereignissen nochmals wichtiger geworden; die im Niederschlags- und damit Verbandsgebiet eines Unterhaltungsverbandes gelegenen Grundstücke sind eher noch in verstärktem Maße auf die Funktionsfähigkeit der unterhaltenen Gewässer angewiesen. Dass dies für (teil-)versiegelte Flächen in verstärktem Maße gilt, liegt auf der Hand. Damit sind auch Erschwernisbeiträge dem Grunde nach weiterhin gerechtfertigt.

Die der Sache nach von der Klägerin vertretene Auffassung, dass die Erhebung eines Erschwernisbeitrags voraussetze, dass Niederschlagswasser bzw. Oberflächenwasser tatsächlich vom Grundstück abfließt, trifft unter Zugrundelegung der genannten obergerichtlichen Rechtsprechung nicht zu. Der Gesetzgeber hat die Frage der "Erschwernis" in einem pauschal gehaltenen System für die zu einem Verbandsgebiet gehörenden Grundstücke nicht an die konkreten Abflussverhältnisse des Oberflächen- und Grundwassers geknüpft, sondern an die Einordnung der Flächen im Liegenschaftskataster und das Vorhandensein versiegelter Flächen bzw. Flächenanteile. Der Gesetzgeber bezeichnet die Art des Erschwernisbeitrags, um die es vorliegend allein geht, deshalb – wie bereits dargestellt – auch als "zusätzlichen Beitrag für Versiegelungen" (vgl. Anlage 5 zu § 64 Abs. 1 Satz 4 NWG). Versiegelte Flächen oder Flächenanteile führen typischerweise zu einem verstärkten Abfluss, der letztlich über die Gewässervorflut abgeleitet wird. Dabei ist nicht nur der oberflächlich augenscheinliche Abfluss von Regenwasser in den Blick zu nehmen, sondern gerade auch der nicht sicht- und messbare Abfluss über oberflächennahes Grundwasser. Grundstücke entwässern im Normalfall mit dem Oberflächen- oder dem oberflächennahen Grundwasser entsprechend der hydrologischen Fließrichtung entweder in die an die Grundstücke grenzenden Gewässer oder aber über weitere Grundstücke in daran grenzende Gewässer. Jedenfalls bei erhöhten Niederschlägen wird von Grundstücken überschüssiges Wasser – ggf. auch erst nach Versickerung – abgegeben, welches letztlich durch ein Gewässersystem abgeleitet werden muss. Die Grundstücke im Niederschlagsgebiet des Gewässers – hier des H. – stehen in hydrologischen Wechselwirkungen zueinander. So muss sich der Kläger vor Augen halten, dass die von ihm in den Vordergrund gerückte besonders gute Versickerungsfähigkeit des Bodens auf seinem Grundstück letztlich auch davon abhängt, dass oberflächennahes Wasser von den umliegenden Flächen nicht auf sein Grundstück "drückt", sondern in den G. gelangt. Nur in Sonderfällen ist es denkbar, dass Grundstücke aufgrund einer hydrologischen oder geologischen Sondersituation als nicht mehr zum Niederschlagsgebiet eines Gewässers zweiter Ordnung bzw. dritter Ordnung angesehen werden kann, weil ausgeschlossen ist, dass von den Grundstücksflächen überhaupt Wasser an ein Gewässer abgeführt wird (vgl. Nds. OVG, Beschl. v. 05.07.2012 - 13 LA 151/11 -, V. n. b.). Diese Sondersituation bildet die Ausnahmevorschrift des § 64 Abs. 1 Satz 6 NWG ab, wonach Flächen, die nicht zum Niederschlagsgebiet eines Gewässers zweiter Ordnung gehören, sowohl bezüglich des normalen Flächenbeitrags als auch bezüglich des Erschwernisbeitrags beitragsfrei sind. Diese Ausnahme ist hier aber offensichtlich nicht einschlägig. Das klägerische Grundstück ist hydrologisch betrachtet keine "Insel", sondern Teil des Einzugsgebiets des H.. Wäre dies anders, würde auch der vom Kläger akzeptierte reguläre Flächenbeitrag entfallen.

Abgesehen von der in § 64 Abs. 1 Satz 6 NWG normierten Sondersituation, die sich auf die Beitragspflichtigkeit eines Grundstücks dem Grunde nach bezieht, sind spezielle Ausnahmen für die Freistellung von einem Erschwernisbeitrag bei grundsätzlich nach Nr. 1 Buchst. a der Anlage 5 zu § 64 Abs. 1 Satz 4 NWG erfassten versiegelten Flächen in Nr. 1 Buchst. b der Anlage 5 zu § 64 Abs. 1 Satz 4 NWG vorgesehen, die sich auch in der Satzung des ULV wiederfinden. Danach kann ein Grundstückseigentümer speziell von einem Erschwernisbeitrag frei werden, wenn nachgewiesen wird, dass die herangezogene Fläche – entgegen der typisierenden Nutzungsartenkennung im Liegenschaftskataster – vollständig unversiegelt ist. Der Beitrag wird zudem nicht oder nur teilweise erhoben, soweit das Niederschlagswasser auf den versiegelten Flächen genutzt wird. Auf diese Ausnahmeregelungen kann sich der Kläger nicht mit Erfolg berufen. Die zu einem Erschwernisbeitrag herangezogene Teilfläche seines Grundstücks ist weder vollständig unversiegelt noch als solche zu behandeln. Eine Nutzung des Niederschlagswassers "auf den versiegelten Flächen" meint ausschließlich eine Verwendung auf den tatsächlich versiegelten Teilflächen selbst, wie es etwa bei Gewächshäusern denkbar ist; ein Abfließen des auf den versiegelten Flächen anfallenden Niederschlagswassers auf die nicht versiegelten Teilflächen oder eine dortige Verwendung nach Zwischenspeicherung in Regenwasserspeichervorrichtungen reicht hingegen nicht aus (vgl. Nds. OVG, Urt. v. 12.09.2012 - 13 LC 73/10 -, juris Rn. 43 - 45). Exakt eine solche Situation liegt auf der zu einem Erschwernisbeitrag herangezogenen Teilfläche des klägerischen Grundstücks vor. Die vom Kläger vorgelegten Fotostrecken belegen zwar durchaus eindrucksvoll, wie das auf den Flächen der Baulichkeiten und den gepflasterten Flächen anfallende Wasser in Grünbereiche geleitet oder zunächst für die Gartenbewässerung aufgefangen wird. Diese individuellen Vorrichtungen führen nach der Gesetzes- und Satzungslage aber nicht zu einer Befreiung vom zusätzlichen Beitrag für stärker versiegelte Flächen. Ihre innere Rechtfertigung findet diese Gesetzes- und Satzungslage darin, dass Auffangvorrichtungen auf einzelnen teilversiegelten Grundstücken die Gewässerunterhaltung keineswegs entbehrlich machen und teilversiegelte Grundstücke Gewässer typischerweise stärker belasten. Dass dies in unterschiedlich starkem Maße geschieht, zwingt nicht dazu, statt der an das Liegenschaftskataster geknüpften Beitragssystematik eine solche treten zu lassen, die die individuellen Grundstücksverhältnisse stärker in den Blick nimmt.

Es kommt in diesem Zusammenhang gerade nicht auf einen konkret sicht- oder messbaren erhöhten Vorteil bzw. eine Mehrleistung des Verbandes zugunsten des Beitragspflichtigen an. Die niedersächsischen Unterhaltungsverbände sind keine öffentlichen Einrichtungen, die ihren Mitgliedern besondere Vorteile gewähren, sondern Lastengemeinschaften zur gemeinsamen Erfüllung einer gesetzlichen Unterhaltungspflicht. Von den Mitgliedern des Unterhaltungsverbandes geforderte Leistungen sind der Unterhaltungslast entsprechende Verbandslasten. Eine solche Verbandslast bedarf ungeachtet ihrer Bezeichnung als Beitrag zu ihrer Rechtfertigung nicht des Nachweises eines ihr äquivalenten Vorteils; sie ist vielmehr – wie im Verbandsrecht allgemein – die selbstverständliche Folge einer gesetzlich angeordneten Pflichtmitgliedschaft der davon betroffenen Grundstückseigentümer in einem öffentlich-rechtlichen Unterhaltungsverband. Die Zulässigkeit einer Beitrags- bzw. Verbandslastenerhöhung ist aus diesem Grunde ebenfalls nicht an eine adäquat gesteigerte Vorteilswirkung im Einzelfall geknüpft (vgl. Nds. OVG, Urt. v. 12.09.2012 - 13 LC 73/10 -, juris Rn. 35 unter Hinweis auf BVerwG, Urt. v. 23. Mai 1973 - IV C 33.70 -, BVerwGE 42, 222 und auf Nds. OVG, Urt. v. 14.11.2007 - 13 LB 13/03, NuR 2008, 43).

Der Umstand, dass möglicherweise nicht die gesamte zu einem Erschwernisbeitrag herangezogene Fläche die für die zugeordnete Nutzungsartenkennung typisierenden Voraussetzungen erfüllt, muss von einem Unterhaltungsverband im Beitragsfestsetzungsverfahren nicht berücksichtigt werden. Ein Unterhaltungsverband kann sich nur an den Eintragungen im Liegenschaftskataster orientieren. Nach der Rechtsprechung des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts (Urt. v. 12.09.2012 - 13 LC 73/10 -, juris Rn. 34) liegen entsprechende Korrekturmöglichkeiten in der Hand des beitragspflichtigen Eigentümers:

"So kann dieser die Berichtigung des Liegenschaftskatasters anregen (vgl. § 3 Abs. 3 NVermG) Darauf hat die Landesregierung bereits im Gesetzgebungsverfahren hingewiesen (LT-Drs. 15/3245, S. 35). Auf diese Weise ist nach der vom Senat eingeholten Stellungnahme des Niedersächsischen Ministeriums für Umwelt, Energie und Klimaschutz vom 4. Juni 2012 auch die Bildung von Flurstücksabschnitten im Hinblick auf die tatsächliche Nutzung möglich, sofern sie für den örtlichen Gesamteindruck von Bedeutung und ihre Flächen i.d.R. mindestens 1.000 m² groß sind. Im Fall einer sich nach diesen Kriterien ergebenden Unrichtigkeit berichtigt das zuständige Katasteramt die Eintragung der tatsächlichen Nutzung von Amts wegen und kostenfrei. Darüber hinaus kann der jeweilige Eigentümer auch die kostenpflichtige Teilung (Zerlegung oder Sonderung) seines Flurstücks beantragen und auf diese Weise die einem erhöhten Beitragssatz unterliegende Fläche reduzieren."

Dem pflichtet der Einzelrichter bei. Der Beklagte hat indessen in diesem Zusammenhang zutreffend darauf hingewiesen, dass sich die Beurteilung von Flächen allein nach den für das Kataster geltenden Rechtsnormen richtet. Die beitragsrechtliche Interessenlage eines Grundstückseigentümers ist für diese Beurteilung nicht maßgeblich.

Fehler bezüglich der Berechnung des Erschwernisbeitrags der Höhe nach sind weder vorgetragen noch sonst ersichtlich.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i. V. m. § 708 Nr. 11 und § 711 Satz 1 und 2 ZPO.