Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen
Urt. v. 26.11.2014, Az.: L 3 KA 104/12

Bibliographie

Gericht
LSG Niedersachsen-Bremen
Datum
26.11.2014
Aktenzeichen
L 3 KA 104/12
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2014, 42477
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

vorgehend
SG - 05.09.2012 - AZ: S 72 KA 25/08

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

Ein bei der Richtgrößenprüfung zu berücksichtigender Datenfehler kann vorliegen, wenn die Verordnungskosten einzelner Präparate im Jahr der Prüfung in erheblichem Umfang (hier: mehr als das Sechsfache) niedriger sind als bei der Prüfung zugrundegelegt.

Tenor:

Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Hannover vom 5. September 2012 wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass dieser verurteilt wird, über die Wirtschaftlichkeit der von der Klägerin im Jahr 2001 verordneten Arzneimittel unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senats neu zu entscheiden.

Der Beklagte trägt die Kosten des Klage- und Berufungsverfahrens mit Ausnahme der Kosten der Beigeladenen, die diese selbst tragen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird auf 6.877 Euro festgesetzt.

Tatbestand:

Streitig ist die Rechtmäßigkeit eines Richtgrößenregresses.

Die Klägerin nimmt als Allgemeinmedizinerin an der vertragsärztlichen Versorgung in I. teil. Im Jahr 2001 verordnete sie Arznei- und Verbandmittel iHv 466.656,14 Euro (brutto) und überschritt damit die fachgruppenbezogene Richtgröße um 61 vH.

Im Anschluss setzte der Prüfungsausschuss Niedersachsen gegen die Klägerin einen Richt-größenregress iHv 23.324,55 Euro fest. Dabei berücksichtigte der Ausschuss Praxisbesonderheiten der Klägerin iHv 56.873,38 Euro und weitere Abzüge iHv 16.703,43 Euro (Bescheid vom 9. Dezember 2005).

Auf den Widerspruch der Klägerin (mit Hinweis auf Datenmängel und einen diabetologischen Praxisschwerpunkt) reduzierte der beklagte Beschwerdeausschuss den Richtgrößenregress auf 6.876,58 Euro. Dafür bereinigte er zunächst die Daten der verwandten Einzelverordnungsstatistik iHv 4.839,92 Euro (weitere Abzüge wegen fehlerhaft enthaltener Hilfsmittelverordnungen und unklarer Datensätze) und erkannte weitere Praxisbesonderheiten der Klägerin iHv 13.741,07 Euro an (nach den Anl 3.1 und 3.2 der Richtgrößenvereinbarung <RGV>, Verordnungen von Valoron bzw retardierten Opioiden für Schmerzpatienten, 50 vH der Verordnungen von Statinen bei der Versorgung von Patienten mit Diabetes mellitus). Weitere Besonderheiten seien nicht ersichtlich (Bescheid vom 30. Januar 2008).

Dagegen hat die Klägerin am 6. Februar 2008 Klage vor dem Sozialgericht (SG) Hannover erhoben und zusammengefasst geltend gemacht, dass die der Richtgrößenprüfung zugrunde gelegten Verordnungsdaten in hohem Maße fehlerhaft seien und dieser Umstand vom Beklagten nur unzureichend (fehlende Beiziehung der Originalverordnungsblätter) berücksichtigt worden sei. Ferner habe der Beklagte seine Entscheidung nicht nachvollziehbar begründet und berufe sich in diesem Zusammenhang zu Unrecht auf sein Beurteilungsermessen. Intransparent sei insbesondere die Handhabung bei der Anerkennung bzw Ablehnung geltend gemachter Praxisbesonderheiten.

Das SG hat mit Urteil vom 5. September 2012 den Bescheid des Beklagten vom 30. Januar 2008 wegen formeller Rechtswidrigkeit aufgehoben. Zwar habe der Beklagte bei seiner Entscheidung weder gegen den Untersuchungsgrundsatz verstoßen noch Anhörungsrechte der Klägerin verletzt; allerdings sei der Bescheid nicht ausreichend iSv § 35 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) begründet. Zum einen ergebe sich aus der im Bescheid angegebenen Begründung nicht, weshalb der Beklagte nur einen Teil der von der Klägerin verordneten Statine bzw Schmerzmittel als Praxisbesonderheit anerkenne. Zum anderen sei unklar, weshalb der Beklagte den 2001 im Aufbau befindlichen diabetologischen Schwerpunkt der Klägerin als Praxisbesonderheit ansehe, dabei aber die von ihr zur Behandlung des Diabetes mellitus verordneten Arzneimittel (bis auf 50 vH der verordneten Statine) nicht berücksichtige.

Gegen dieses Urteil (zugestellt am 10. Oktober 2012) wendet sich der Beklagte mit seiner Berufung vom 8. November 2012 und trägt vor, er habe seine Entscheidung ausreichend begründet. Soweit er die von der Klägerin geltend gemachten Praxisbesonderheiten nicht anerkannt habe, beruhe dies darauf, dass ihre Angaben hierzu unsubstantiiert gewesen seien.

Der Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Hannover vom 5. September 2012 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend und weist ergänzend auf eine Entscheidung des LSG Berlin-Brandenburg (Az: L 3 KA 99/09) hin; danach könnten sich die Prüfgremien bei der Richtgrößenprüfung nach Beginn der Sachprüfung nicht mehr darauf berufen, der Vortrag des Arztes sei unsubstantiiert gewesen. Außerdem müssten dem zu überprüfenden Arzt die Voraussetzungen für die Anerkennung von Praxisbesonderheiten vor Erlass des Regressbescheids bekannt gegeben werden.

Die übrigen Beteiligten stellen keinen Antrag.

Hinsichtlich des weiteren Sach- und Streitstands wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der beigezogenen Verwaltungsakte des Beklagten verwiesen. Die Akten sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.

Entscheidungsgründe

Die Berufung des Beklagten ist zulässig, aber unbegründet. Das SG hat den mit der Klage angefochtenen Bescheid des Beklagten zu Recht aufgehoben.

1. Gegenstand des Verfahrens ist - entsprechend der stRspr des Bundessozialgerichts (BSG) zu Prüfungsverfahren im Bereich der Wirtschaftlichkeit (vgl hierzu BSG SozR 3-2500 § 106 Nr 35 und 39) - allein der Bescheid des beklagten Beschwerdeausschusses vom 30. Januar 2008. Die hiergegen gerichtete Klage ist als Anfechtungsklage (§ 54 Abs 1 S 1 Sozialgerichtsgesetz <SGG>) statthaft und auch im Übrigen zulässig.

Dabei geht der Senat - anders als die Vorinstanz - davon aus, dass in Verfahren, die die Rechtmäßigkeit einer Wirtschaftlichkeitsprüfung nach § 106 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) zum Gegenstand haben, das Anfechtungsbegehren eines Arztes dem Erlass eines Neubescheidungsurteils iSv § 131 Abs 3 SGG nicht entgegensteht. Zwar ist im sozialgerichtlichen Verfahren dem Grunde nach der Ausspruch einer Neubescheidungsverpflichtung nur möglich, wenn der Kläger die Verurteilung zum Erlass eines abgelehnten Verwaltungsakts begehrt (und nicht, wenn er einen belastenden Verwaltungsakt anficht; vgl hierzu die Regelungen in § 131 Abs 1 bis 3 SGG). Von dieser prozessrechtlichen Grundkonzeption des SGG muss hier aber vor dem Hintergrund abgewichen werden, dass dem Wirtschaftlichkeitsgebot aus den §§ 2 Abs 1, 12 SGB V und mit ihm dem Rechtsinstitut der Wirtschaftlichkeitsprüfung ein hoher Stellenwert für die Aufrechterhaltung der finanziellen Stabilität der gesetzlichen Krankenversicherung zukommt. Entsprechend betont das BSG in mittlerweile stRspr, dass es der Zielsetzung des Gebots entspricht, dass das Abrechnungs- und Verordnungsverhalten aller Vertragsärzte zu jeder Zeit einer effektiven Wirtschaftlichkeitsprüfung unterliegen muss (vgl hierzu ua BSG SozR 3-2500 § 106 Nr 55; BSG SozR 3-2500 § 106 Nr 51; BSG SozR 3-2500 § 106 Nr 53; BSG SozR 3-2500 § 87 Nr 32; BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 11; BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 17). Die inhaltlich und zeitlich umfassende Verpflichtung der Prüfgremien zur Durchführung effektiver Wirtschaftlichkeitsprüfungen bezieht sich daher auch auf solche Verfahren, in denen der Prüfbescheid nach der Erhebung einer Anfechtungsklage durch den davon betroffenen Vertragsarzt von einem Sozialgericht aufgehoben worden ist. Die Auffassung des SG im Urteil vom 5. September 2012, der Beklagte könne nach Aufhebung seines Bescheids uU auch von einer neuen Entscheidung absehen, trifft deshalb gerade nicht zu. Damit ist in solchen Fällen der Ausspruch einer Neubescheidungsverpflichtung letztlich nur der Ausdruck der materiellen Rechtslage im Verfahren der Wirtschaftlichkeitsprüfung.

Aber auch das an die Rechtsschutzgarantie aus Art 19 Abs 4 GG anknüpfende Gebot der Gewährung effektiven Rechtsschutzes macht es erforderlich, in sozialgerichtlichen Verfahren, in denen der Prüfbescheid einer Wirtschaftlichkeitsprüfung angefochten wird, die Verwaltungsentscheidung ggf nicht nur aufzuheben, sondern darüber hinaus noch eine Neubescheidungsverpflichtung für die Prüfgremien auszusprechen. Denn es kann nicht als „effektiv“ in diesem Sinne angesehen werden, wenn die Verfahrensbeteiligten im Anschluss an eine uU mehrere Jahre andauernde sozialgerichtliche Auseinandersetzung darüber, ob die aus einer Wirtschaftlichkeitsprüfung resultierende Honorarkürzung rechtmäßig ist oder nicht, weiterhin im Unklaren darüber gelassen werden, welche Vorgaben im konkreten Einzelfall für die trotz der Gerichtsentscheidung anhaltende Verpflichtung der Prüfgremien zur Überprüfung des Abrechnungs- und Verordnungsverhaltens bestehen. Daher ist es in solchen Fällen auch prozessrechtlich geboten, über den Erlass einer Neubescheidungsverpflichtung den rechtlichen Rahmen für eine rechtmäßige Wirtschaftlichkeitsprüfung des betroffenen Arztes bindend festzulegen.

Der Senat folgt damit der stRspr des BSG, wonach im Rahmen der Wirtschaftlichkeitsprüfung der Erlass von Bescheidungsurteilen regelmäßig geboten ist (vgl hierzu BSG SozR 2200 § 368n Nr 27 und SozR 4-1500 § 141 Nr 1, jeweils mwN).

2. Bei Berücksichtigung dieser Maßgaben ist die Anfechtungsklage der Klägerin iS der Verurteilung des Beklagten zu einer Neubescheidung begründet. Der Bescheid des Beklagten vom 30. Januar 2008 ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten.

Rechtsgrundlage der Richtgrößenprüfung ist die Regelung in § 106 Abs 2 S 1 Nr 1, Abs 5a SGB V(hier anzuwenden idF des GKV-Gesundheitsreformgesetzes 2000 vom 22. Dezember 1999, BGBl I 2626). Danach wird die Wirtschaftlichkeit der vertragsärztlichen Versorgung ua durch eine arztbezogene Prüfung ärztlich verordneter Leistungen bei der Überschreitung fachgruppenbezogener Richtgrößen gemäß § 84 SGB V (ebenfalls anzuwenden idF des GKV-Gesundheitsreformgesetzes 2000) geprüft. Eine Überschreitung der Richtgrößen um mehr als 5 vH löst gemäß § 106 Abs 5a S 1 SGB V regelmäßig eine derartige Wirtschaftlichkeitsprüfung aus. Beträgt die Überschreitung sogar mehr als 15 vH, ist der dadurch entstandene Mehraufwand den Krankenkassen zu erstatten, soweit dieser nicht auf Praxisbesonderheiten beruht.

Auf dieser rechtlichen Grundlage haben die Beigeladene zu 1. und die Landesverbände der Krankenkassen (KKen) die RGV 2001 vom 16. September 2000 abgeschlossen, die in der Dezemberausgabe des Niedersächsischen Ärzteblatts (NdsÄBl) veröffentlicht worden und zum 1. Januar 2001 in Kraft getreten ist (§ 14 Abs 1 RGV 2001). Für die hier maßgebliche Fachgruppe der Allgemeinärzte betragen die Richtgrößen danach (umgerechnet) bei Mitgliedern/Familienangehörigen (M/F) 33,53 Euro und bei Rentnern (R) 117,31 Euro - jeweils pro Behandlungsfall. Ergänzend hierzu haben die Vertragspartner auf Landesebene in einem Nachtrag zur RGV 2001 festgelegt, dass nur für die Ärzte ein Prüfverfahren eingeleitet wird, bei denen nach der Entscheidung des Prüfungsausschusses noch ein Nettoregressbetrag von mehr als 15.000 Euro zu erwarten ist (vgl hierzu die Veröffentlichung im NdsÄBl 2005, Heft 9, S 73).

Den sich daraus ergebenden Maßgaben wird der Bescheid des Beklagten vom 30. Januar 2008 aber nicht in vollem Umfang gerecht. So greifen die gegenüber der hier streitbefangenen Richtgrößenprüfung geltend gemachten Einwendungen der Klägerin (im Wesentlichen: fehlerhaft erfasste Verordnungsdaten) zumindest teilweise durch (dazu 3.). Zudem hat der Beklagte bei seiner Entscheidung die von der Klägerin geltend gemachten bzw von ihm darüber hinaus anerkannten Praxisbesonderheiten (diabetologischer Behandlungsschwerpunkt; Behandlung von Schmerzpatienten) zu Unrecht nicht bzw nur unzureichend berücksichtigt (dazu 4.). Aus diesen Gründen muss der streitbefangene Bescheid aufgehoben und der beklagte Beschwerdeausschusses verurteilt werden, die Klägerin unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senats erneut zu bescheiden.

3. Zu Recht macht die Klägerin geltend, dass die Richtgrößenprüfung der von ihr  2001 verordneten Arznei- und Verbandmittel auf elektronisch erfassten Verordnungsdaten beruht, die zumindest teilweise nicht hinreichend verlässlich sind.

a) Nach der stRspr des BSG (vgl hierzu ua SozR 4-2500 § 106 Nr 11 und SozR 4-2500 § 84 Nr 2) sind Richtgrößenprüfungen auf der Grundlage der im Wege elektronischer Datenübertragung von den KKen nach § 296 Abs 2 SGB V übermittelten Verordnungsdaten des jeweiligen Arztes durchzuführen. Den auf diese Weise erfassten Daten kommt die Vermutung der Richtigkeit zu; sie begründen den Anscheinsbeweis für das Volumen der von dem jeweiligen Arzt veranlassten Verordnungskosten. Sind in den elektronisch erfassten Daten allerdings offensichtliche Fehler erkennbar oder bringt der Arzt anhand eigener Behandlungsunterlagen substantiierte Einwendungen vor, die berechtigte Zweifel an der Richtigkeit einzelner zu seinen Lasten gebuchter Verordnungen begründen, müssen die Prüfgremien dem weiter nachgehen. Außerdem müssen die Gremien bei den entsprechenden Verordnungen die Verordnungsblätter bzw Images von den KKen beiziehen und auf diese Weise ggf festgestellte Fehlbuchungen bereinigen; können einzelne Verordnungsblätter von den KKen nicht mehr vorgelegt werden, gelten die hiervon betroffenen Verordnungsbeträge als nicht erwiesen und sind in Abzug zu bringen. Soweit sich im Rahmen der Einzelüberprüfung herausstellt, dass die elektronisch erfassten Daten arztbezogen sogar in einem erheblichen Umfang (wenigstens 5 vH) fehlerhaft sind, ist dem Anscheinsbeweis insgesamt zutreffend elektronisch erfasster Verordnungskosten die Grundlage entzogen. Dann müssen die vom Arzt tatsächlich veranlassten Verordnungskosten durch eine individuelle Auswertung sämtlicher noch vorhandener Verordnungsblätter bzw Images ermittelt werden. Gelingt dies nicht, haben die Prüfgremien einen angemessenen Sicherheitsabschlag von der Regresssumme vorzunehmen (vgl zu alledem BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 11).

Vor diesem Hintergrund hat der Beklagte im Rahmen seiner Vorab-Prüfung (§ 106 Abs 5a S 1 SGB V) die bereits vom Prüfungsausschuss (als „weitere Abzüge“) herausgerechneten Datensätze iHv 16.703,43 Euro bestätigt und anschließend bei seiner eigenen Bescheidung weitere Datenfehler iHv insgesamt 4.839,92 Euro anerkannt. Wenn der Ausschuss insoweit keine Nachprüfung anhand beigezogener Verordnungsblätter durchgeführt, sondern stattdessen nur den Gesamtbetrag in Abzug gebracht hat, entspricht dies zwar nicht der vorangestellt dargelegten Vorgehensweise; die Klägerin wird hierdurch aber nicht beschwert. Ferner ergibt sich hieraus, dass dabei ein Datenvolumen von mindestens 5 vH, das den Anscheinsbeweis der elektronischen erfassten Daten erschüttert und zu einer obligatorischen Prüfung der Originalunterlagen geführt hätte, angesichts der hier maßgeblichen Bruttoverordnungskosten von 466.656,14 Euro (noch) unterschritten worden ist (Anteil: 4,6 vH).

b) Dabei hat der Beklagte aber nicht ausreichend berücksichtigt, dass bei einzelnen Verordnungen der Klägerin die elektronisch erfassten Verordnungskosten nicht mit den tatsächlich entstandenen Verordnungskosten in Übereinstimmung zu bringen sind. So wird an der von der Klägerin bereits im Verwaltungsverfahren vorgelegten Auflistung (Anlage 1 zum Schriftsatz der Klägerin vom 29. September 2005) deutlich, dass die Arzneimittelpreise aus dem Prüfungsjahr (hier: 2005) teilweise um mehr als das 6fache (absolut zB um 58,95 DM bei dem Präparat Gelomyrtol Forte; vgl zB auch die erheblichen Abweichungen bei Paracodin N oder Zithromax) von den elektronisch erfassten Arzneimittelpreisen aus dem überprüften Jahr (hier: 2001) abweichen. Zwar dürfte aufgrund des Zeitablaufs eine spürbare Preisdifferenz bei einzelnen Arzneimitteln nicht ungewöhnlich sein und einen sicheren Rückschluss darauf, dass die im Rahmen der Richtgrößenprüfung elektronisch erfassten Verordnungskosten dem Grunde oder der Höhe nach unzutreffend sind, regelmäßig nicht zulassen. Allerdings geht der Beklagte vorliegend selbst davon aus, dass sich zwischen den Jahren nur Preisunterschiede von bis zu 30 DM (beispielsweise durch einen Patentablauf) ergeben können. Insoweit liegt es auf der Hand, dass der Beklagte den insoweit substantiierten Einwendungen der Klägerin gegenüber den elektronisch erfassten Verordnungsdaten im Rahmen seiner Amtsermittlungspflichten nach § 20 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) hätte einzelfallbezogen nachgehen und klären müssen, ob die teilweise auffällig hohen Preisunterschiede einzelner Arzneimittel zwischen den Jahren 2001 und 2005 auf fehlerhaft erfasste Verordnungsdaten zurückzuführen oder ob dafür andere Ursachen maßgeblich sind.

c) Klarstellend weist der Senat darauf hin, dass darüber hinaus aber keine Anhaltspunkte bestehen, wonach die elektronisch erfassten Verordnungsdaten, die der Richtgrößenprüfung der von der Klägerin in 2001 verordneten Arznei- und Verbandmittel zugrunde liegenden, unrichtig sein könnten. Dies gilt insbesondere für den Umstand, dass der Beklagte bei der Richtgrößenprüfung Verordnungsdaten berücksichtigt hat, an denen die Praxis der Klägerin (wegen Feier-, Wochenend- oder Urlaubstagen) geschlossen gewesen ist. Dieser Argumentation hat der Senat wiederholt entgegengehalten, dass das Verfahren der Richtgrößenprüfung jahresbezogen strukturiert ist und daher dem genauen Verordnungsdatum innerhalb des geprüften Kalenderjahres kaum Relevanz zukommt. Insoweit ist es auch unproblematisch, dass die elektronische Erfassung von zB unlesbaren Verordnungsdaten zum Abrechnungs- oder Einlesedatum oder unter einem fiktiven Datum erfolgt und dabei uU in die sprechstundenfreie Zeit des verordnenden Vertragsarztes fällt. Anhaltspunkte für eine fehlerhafte Berücksichtigung elektronisch erfasster Verordnungsdaten lassen sich hieraus nicht ableiten (hierzu zuletzt der Senatsbeschluss vom 24. Januar 2013 - L 3 KA 69/11 B ER - mwN).

Auch die pauschale Behauptung der Beigeladenen zu 1., das Verordnungsvolumen sei vorliegend nicht ordnungsgemäß erfasst worden, vermag eine Verpflichtung des Beklagten zur weiteren Beweiserhebung bzw zur Vorlage versichertenbezogener Verordnungsblätter nicht auszulösen (vgl hierzu BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 11 Rn 31). Aus diesem Grund sind auch die von der Klägerin aufgegriffenen Hinweise, wonach zwischen der ersten und der zweiten Datenlieferung über das Brutto-Verordnungsvolumen erhebliche Abweichungen bestünden, nicht relevant. Dies gilt umso mehr, als vorliegend die Rüge fehlerhafter Daten im Klageverfahren verspätet vorgebracht worden ist; der entsprechende Vortrag hätte bereits im Verfahren vor den Prüfgremien erfolgen müssen (vgl hierzu BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 19; SozR 4-2500 § 106 Nr 23).

4. Abgesehen von dem vorangestellt dargelegten Verstoß des Beklagten kann der Bescheid vom 30. Januar 2008 aber auch aus einem anderen Grund keinen Bestand haben. So hat der Beschwerdeausschuss bei der Bescheidung zwar Praxisbesonderheiten der Klägerin ausdrücklich anerkannt (diabetologischer Behandlungsschwerpunkt; Behandlung von Schmerzpatienten); auch hierbei hat er aber die für ihn bindenden Vorgaben zur Amtsermittlung aus § 20 SGB X nicht ausreichend beachtet.

a) Bei einer Richtgrößenprüfung nach § 106 Abs 5a S 4 SGB V kommt die Erstattung eines Verordnungsmehraufwands nicht in Betracht, wenn der Mehraufwand durch Praxisbesonderheiten des Arztes begründet ist. Ebenso wie bei der Wirtschaftlichkeitsprüfung nach (statistischen) Durchschnittswerten besteht auch bei der Richtgrößenprüfung ein Beurteilungsspielraum der Prüfgremien, soweit es um die Feststellung und Bewertung von Praxisbesonderheiten geht (vgl hierzu BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 11; SozR 4-2500 § 84 Nr 2). Dabei ist nach der überzeugenden Rechtsprechung des BSG (vgl zum Folgenden BSG SozR 4-2500 § 84 Nr 2) der Begriff der Praxisbesonderheit in beiden Prüfverfahren gleich zu verstehen. Für eine unterschiedliche Beurteilung finden sich weder Anhaltspunkte im Gesetz noch ergeben sich solche aus der Art der Prüfmethode. Zwar ist für die Richtgrößenprüfung nicht das statistische Verhalten der Vergleichsgruppe maßgeblich, das arztbezogen festgelegte Richtgrößenvolumen basiert jedoch ebenfalls auf einem Durchschnittswert.

Praxisbesonderheiten sind demnach auch bei einer Richtgrößenprüfung anzuerkennen, wenn ein spezifischer, vom Durchschnitt der Vergleichsgruppe signifikant abweichender Behandlungsbedarf des jeweiligen Patientenklientels und die hierdurch hervorgerufenen Mehrkosten nachgewiesen werden (vgl hierzu BSG SozR 4-2500 § 87 Nr 10; SozR 4-2500 § 84 Nr 2; SozR 4-2500 § 106 Nr 41). Dabei obliegt die Darlegungs- und Feststellungslast für besondere, einen höheren Behandlungsaufwand rechtfertigende atypische Umstände der Praxisbesonderheiten und kompensierenden Einsparungen regelmäßig dem Arzt (vgl hierzu BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 19; SozR 4-2500 § 106 Nr 41 mwN). Er ist grundsätzlich gehalten, im Prüfungsverfahren die Umstände geltend zu machen, die sich aus der Atypik seiner Praxis ergeben, aus seiner Sicht auf der Hand liegen und den Prüfgremien nicht ohne Weiteres anhand der Verordnungsdaten und der Honorarabrechnung bekannt sind oder sein müssen (vgl hierzu BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 41). Der diesbezügliche Vortrag muss substantiiert sein, dh so genau wie möglich (vgl hierzu BSG aaO) und plausibel (vgl hierzu BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 19).

Die - wie dargelegt - gesteigerte Mitwirkungspflicht des Arztes im Rahmen einer Wirtschaftlichkeitsprüfung befreit die Prüfgremien aber nicht von der Verpflichtung, den zugrunde liegenden Sachverhalt ggf von Amts wegen (§ 20 SGB X) aufzuklären. Nach der stRspr des BSG betrifft dies beispielsweise Fälle, in denen die vom Arzt geltend gemachten Praxisbesonderheiten offenkundig sind (vgl hierzu Clemens in: juris-PK SGB V, 2. Aufl 2012, § 106 Rn 151 mwN). Ferner sind Prüfverfahren betroffen, in denen Anlass zu der Annahme besteht, dass der Arzt seinen bisherigen Vortrag ergänzen kann. Dann müssen die Prüfgremien ihm hierzu auch Gelegenheit geben und uU sogar auf die Möglichkeit der Zurückweisung verspäteten Vorbringens hinweisen (vgl hierzu Engelhard in: Hauck/Noftz, SGB V, Stand: November  2014, § 106 Rn 547 mwN).

b) Diesen Maßgaben ist der Beklagte bei den von ihm anerkannten Praxisbesonderheiten der Klägerin (diabetologischer Behandlungsschwerpunkt; Behandlung von Schmerzpatienten) nicht ausreichend nachgekommen.

aa) Soweit der Beschwerdeausschuss - wie hier - einen Behandlungsschwerpunkt des zu prüfenden Arztes ohne Anfechtung durch die Beigeladenen als Praxisbesonderheit anerkennt, kann in einem sich daran anschließenden sozialgerichtlichen Verfahren wegen der Bindung des Gerichts an diese Teilentscheidung dahingestellt bleiben, ob die Voraussetzungen für die Anerkennung einer Praxisbesonderheit überhaupt vorgelegen haben. Daran bestehen hinsichtlich der hier anerkannten Praxisbesonderheiten zwar Zweifel, weil der Beklagte nicht ermittelt hat, ob und ggf in welchem Umfang in der Praxis der Klägerin insoweit ein spezifischer Behandlungsbedarf bestanden hat, der signifikant vom Durchschnitt der Vergleichsgruppe abweicht. Dennoch muss der Beklagte im nächsten Prüfungsschritt den durch die anerkannten Praxisbesonderheiten gerechtfertigten Verordnungsumfang quantifizieren, um zu klären, ob unter Berücksichtigung der Besonderheiten überhaupt noch eine Überschreitung des jeweiligen Richtgrößenvolumens von 15 vH vorliegt (§ 106 Abs 5a SGB V) bzw wie hoch ggf der dann noch festzusetzende Regressbetrag ist. Wenn eine genaue Bestimmung des auf die anerkannte Praxisbesonderheit entfallenden Verordnungsumfangs nicht möglich ist, haben ihn die Prüfgremien zu schätzen (vgl hierzu BSG SozR 3-2500 § 106 Nr 6), wobei ihnen als fachkundig besetzte Gremien ein Beurteilungsspielraum zukommt (vgl hierzu BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 11). Dabei beschränkt sich die gerichtliche Kontrolle von Beurteilungsspielräumen auf die Prüfung, ob das Verwaltungsverfahren ordnungsgemäß durchgeführt worden ist, ob der Verwaltungsentscheidung ein richtig und vollständig ermittelter Sachverhalt zugrunde liegt, die Verwaltung die durch Auslegung des unbestimmten Rechtsbegriffs ermittelten Grenzen eingehalten und ob sie ihre Subsumtionserwägungen so verdeutlicht und begründet hat, dass im Rahmen des Möglichen die zutreffende Anwendung der Beurteilungsmaßstäbe erkennbar und nachvollziehbar ist (stRspr; vgl hierzu ua BSG SozR 3-2500 § 106 Nr 25 mwN).

Vorliegend hat der Beklagte den diabetologischen Behandlungsschwerpunkt der Klägerin nur teilweise als Praxisbesonderheit anerkannt und den darauf entfallenden Verordnungsmehraufwand mit 50 vH des Verordnungsvolumens eingeschätzt, der auf die von der Klägerin verordneten Statine entfällt. Zur Begründung der nur anteiligen Anerkennung hat der Ausschuss angeführt, 2001 habe sich eine entsprechende Schwerpunktpraxis erst im Aufbau befunden. Vergleichbare Begründungen hatte der Senat zunächst noch als ausreichend angesehen (vgl hierzu ua das Senatsurteil vom 5. März 2014 - L 3 KA 21/12). Wie jedoch der vorliegende Fall und zusätzlich dem Senat bekannt gewordene Parallelverfahren zeigen, setzt der Beklagte ähnliche Begründungsmuster mittlerweile undifferenziert in einer Vielzahl von Richtgrößenprüfungen ein - und zwar unabhängig von der Facharztgruppe, der der zu prüfende Arzt angehört, sowie der von ihm jeweils geltend gemachten Praxisbesonderheiten. Ergebnis ist stets, dass 50 vH des jeweiligen Verordnungsvolumens als Praxisbesonderheit anerkannt werden. Bereits aus diesem Grund sind die entsprechenden Bescheide des Beklagten rechtswidrig (so bereits Senatsurteile vom 5. März 2014 - L 3 KA 14/12 und L 3 KA 21/12). Mit dieser „Pauschalierung“ kommt der Ausschuss seiner im gestuften Prüfungsverfahren der Richtgrößenprüfung bestehenden Verpflichtung zu einer auf ggf amtsermittelten Tatsachen basierenden einzelfallbezogenen Schätzung des unter Berücksichtigung der anerkannten Praxisbesonderheiten noch verbleibenden Verordnungsmehraufwands nicht mehr nach. Denn es ist ihm auch im Rahmen des den Prüfgremien zustehenden Beurteilungsspielraums nicht gestattet, eine sachgerechte Aufbereitung des Sach- und Streitstands und eine konkrete Tatsachenermittlung durch allgemeine Erwägungen zu ersetzen (vgl hierzu BSGE 55, 110 ff [BSG 18.05.1983 - 6 RKa 18/80]; BSG SozR 2200 § 368n Nr 31).

Soweit der Beklagte in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat dagegen eingewandt hat, dass der Beschwerdeausschuss bei diabetologischen Schwerpunktpraxen regelmäßig nur 50 vH der dort verordneten Statine als Praxisbesonderheit ansehe und damit die von der Klägerin geltend gemachte Praxisbesonderheit in vollem Umfang anerkannt worden sei, führt dies zu keiner anderen Bewertung. Denn auch bei dieser Einschätzung des Beklagten handelt es sich offensichtlich um eine allgemeine Erwägung, bei der nicht erkennbar ist, ob und ggf inwiefern sie auf amtsermittelten Tatsachen basiert. Insoweit kann der Beklagte auch aus seiner ständigen Verwaltungspraxis eine Berechtigung dafür, von einer sachgerechten Aufarbeitung des Sach- und Streitstands abzusehen, nicht herleiten.

bb) Ferner ist in der Rechtsprechung des Senats geklärt, dass sich die Prüfgremien bei der Anerkennung schmerztherapeutischer Behandlungen als Praxisbesonderheit nicht darauf beschränken können, ohne gesonderte Begründung nur einen Mehraufwand für die Verordnung retardierter Opioide zu berücksichtigen (Senatsurteil vom 5. März 2014 - L 3 KA 90/12). Dies folgt schon daraus, dass derartige Opioide von einigen (vorwiegend älteren) Schmerzpatienten nicht vertragen werden und daher auf andere Arzneimittel ausgewichen werden muss. Soweit daher bei dem Arzt im Rahmen von Schmerztherapien Verordnungskosten auch für andere Schmerzmittel angefallen sind, ist dies im Rahmen der anerkannten Praxisbesonderheit ebenfalls zu berücksichtigen.

Klarstellend weist der Senat darauf hin, dass sich vorliegend auch nicht aus dem Vortrag der Klägerin in der Sitzung des Beschwerdeausschusses am 14. November 2007 eine nachvollziehbare Begründung dafür herleiten lässt, im Rahmen der schmerztherapeutischen Behandlungen nur den Mehraufwand für die Verordnung retardierter Opioide zu berücksichtigen. Entgegen der Auffassung des Beklagten (vgl hierzu dessen Schriftsatz vom 17. April 2014) hat die Klägerin im Verwaltungsverfahren nämlich nicht nur die Durchführung von Schmerztherapien mit Betäubungsmitteln, sondern vielmehr - wie sich aus dem Bescheid vom 30. Januar 2008 ausdrücklich ergibt (vgl hierzu Seite 6 des Bescheids) - generell die Behandlung von Karzinom- und Schmerzpatienten als Praxisbesonderheit geltend gemacht.

c) Die im Wesentlichen pauschalierte Vorgehensweise des Beklagten bei der Quantifizierung der von ihm anerkannten Praxisbesonderheiten kann auch nicht als ein unbeachtlicher Verfahrensfehler iSv § 42 SGB X angesehen werden. Hiervon könnte nach dem eindeutigen Gesetzeswortlaut nur ausgegangen werden, wenn es iS der Verfahrensvorschrift offensichtlich wäre, dass die auf einer unvollständigen Tatsachengrundlage vorgenommene Quantifizierung des Ausschusses dessen Entscheidung in der Sache nicht beeinflusst hätte. Wann genau bei dem den Prüfgremien zustehenden Beurteilungsspielraum von einer Offensichtlichkeit in diesem Sinne auszugehen ist, kann hier aber wegen der fehlenden Tatsachenermittlungen des Beklagten dahingestellt bleiben. Die eher willkürlich anmutende und - wie dargelegt - pauschalierte Verwaltungspraxis des Ausschusses bei der Quantifizierung von Praxisbesonderheiten lässt keinen sicheren Rückschluss auf deren tatsächliche Auswirkungen auf den Verordnungsmehraufwand eines Arztes zu. Insoweit liegt es hier auf der Hand, dass die Vorgehensweise des Beklagten seine Entscheidung in der Sache - nämlich hinsichtlich der Höhe des Richtgrößenregresses gegenüber der Klägerin - beeinflusst hat.

d) Weiterhin weist der Senat darauf hin, dass er an seiner in mehreren einstweiligen Rechtsschutzverfahren zu den Richtgrößenprüfungen in Niedersachsen der Jahre 2001 bis 2003 vertretenen (vorläufigen) Auffassung - wonach sich die Prüfgremien auch dann noch auf die fehlende Substantiierung im Vortrag eines Arztes zu den von ihm geltend gemachten Praxisbesonderheiten berufen können, wenn sie diese ganz oder teilweise anerkannt haben (vgl hierzu ua LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 16. November 2012 - L 3 KA 75/12 B ER -) - in der Hauptsache nicht mehr festhält (in diesem Sinne zB schon Senatsurteil vom 27. November 2013 - L 3 KA 8/11). Maßgeblich ist hierfür die Überlegung, dass es in erster Linie den KKen obliegt, die wegen mangelnder Substantiierung uU beurteilungsfehlerhaft durch die Prüfgremien erfolgte Anerkennung von Praxisbesonderheiten durch Rechtsmittel anzufechten (vgl hierzu ua BSG SozR 3-2500 § 106 Nr 27). Soweit die Sozialversicherungsträger hierauf verzichten, ist die Verwaltungsentscheidung der Prüfgremien zumindest insoweit als bestandskräftig anzusehen und kann dann nicht mehr Streitgegenstand eines sozialgerichtlichen Überprüfungsverfahrens sein, in dem sich nur der von einem Richtgrößenregress betroffene Arzt gegen die aus seiner Sicht unzutreffende Quantifizierung von dem Grunde nach durch die Prüfgremien anerkannten Praxisbesonderheiten wehrt.

e) Im Übrigen aber ist mit dem Beklagten davon auszugehen, dass wegen des im Wesentlichen nur auf die Vorlage von Verordnungslisten beruhenden und damit unsubstantiierten Vortrags der Klägerin im Verwaltungsverfahren über die bisher anerkannten Praxisbesonderheiten hinaus keine weiteren zu berücksichtigen sind.

Dabei ist in der Rspr des Senats geklärt, dass sich die Prüfgremien auch noch im Klageverfahren darauf berufen können, dass der Vortrag des Arztes im Verwaltungsverfahren der Wirtschaftlichkeitsprüfung unsubstantiiert gewesen ist (vgl hierzu das Senatsurteil vom 27. November 2013 - L 3 KA 93/11 - aA LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 6. Juni 2012 - L 7 KA 99/09). Entgegen der Auffassung der Klägerin sind die Prüfgremien der Richtgrößenprüfung schließlich auch nicht verpflichtet, den zu prüfenden Arzt näher darüber zu informieren, unter welchen Voraussetzungen Praxisbesonderheiten anerkannt werden können. Soweit der Gesetzgeber mit dem Begriff der „Praxisbesonderheit“ in § 106 Abs 5a S 1 SGB V einen Rechtsbegriff aufgegriffen hat, dessen Inhalt in mittlerweile stRspr (vgl zB BSG SozR 3-2500 § 106 Nr 27; Urteil vom 12. Oktober 1994 - 6 RKa 6/93 - juris) geklärt ist, haben die von einer Richtgrößenprüfung betroffenen Ärzte von vornherein damit rechnen müssen, dass die von der höchstrichterlichen Rechtsprechung zur Darlegung und Anerkennung derartiger Besonderheiten erarbeiteten Kriterien dort ebenfalls gelten. Dies ist mittlerweile vom BSG auch bestätigt worden (vgl erstmals Urteil vom 22. Juni 2005 - B 6 KA 80/03 = SozR 4-2500 § 87 Nr 10 Rn 35; außerdem zB SozR 4-2500 § 84 Nr 2), war aber auch vorher im Schrifttum weithin anerkannt (so schon Raddatz, Die Wirtschaftlichkeit der Kassenärztlichen und Kassenzahnärztlichen Versorgung in der Rechtsprechung, Abschnitt 6.8.1.3, Bearbeitungsstand April 1993; Peikert, Richtgrößen und Richtgrößenprüfungen nach dem ABAG, MedR 2003, 29, 33; Engelhard in: Hauck, SGB V, § 106 Rn 189, Bearbeitungsstand Dezember 2004).

5. Nach alledem ist der Bescheid des Beklagten vom 30. Januar 2008 rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten. Der Beschwerdeausschuss ist daher verpflichtet, die Klägerin unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senats neu zu bescheiden.

Dabei wird der Beklagte im Rahmen der Neubescheidung zunächst klären müssen, weshalb bei einzelnen von der Klägerin angeführten Verordnungen die elektronisch erfassten Verordnungskosten im Zeitablauf zwischen 2001 und 2005 in erheblichem Ausmaß von den tatsächlichen Verordnungskosten abweichen. Sollte es sich hierbei teilweise oder insgesamt um fehlerhaft erfasste Verordnungskosten handeln, wird der Beschwerdeausschuss ergänzend prüfen müssen, ob deshalb die elektronisch erfassten Daten sogar in erheblichem Umfang (wenigstens 5 vH) fehlerhaft sind. Ggf müssen die von der Klägerin tatsächlich veranlassten Verordnungskosten durch eine individuelle Auswertung sämtlicher noch vorhandener Verordnungsblätter bzw Images ermittelt werden. Gelingt dies nicht, muss der Beklagte einen angemessenen Sicherheitsabschlag von der Regresssumme vornehmen.

Außerdem wird der Beklagte die ihm im Zusammenhang mit der Quantifizierung hinsichtlich der bereits anerkannten Praxisbesonderheiten nach § 20 SGB X obliegenden Sachverhaltsermittlungen nachholen müssen. Zu klären ist zum einen, wie hoch der Anteil diabetologischer Behandlungen in der Vergleichsgruppe der Allgemeinärzte in 2001 gewesen ist; anschließend ist der ermittelte Wert mit dem entsprechenden Patientenanteil in der Praxis der Klägerin zu vergleichen und darauf basierend die anerkannte Praxisbesonderheit in der Weise zu quantifizieren, dass der durch sie verursachte Mehraufwand in Form der kostenerhöhenden Auswirkungen bestimmt wird (vgl hierzu BSG SozR 3-2500 § 106 Nrn 23, 41, 43 und 54). Ferner wird der Beschwerdeausschuss klären müssen, ob bei den im Rahmen der Schmerztherapie eingesetzten Arzneimitteln weiterhin nur retardierte Opioide zu berücksichtigen sind, oder ob darüber hinaus die Verordnung andersartiger Schmerzmittel ebenfalls als Praxisbesonderheit anzuerkennen ist.

Nachdem der Beklagte den auf diese Praxisbesonderheiten entfallenden Mehraufwand ermittelt und - ggf unter Berücksichtigung des Verböserungsverbots - quantifiziert hat, wird er sein Ergebnis mit ausreichend nachvollziehbaren Erwägungen darlegen und ergänzend prüfen müssen, ob und in welchem Umfang noch ein von der Klägerin zu erstattender Verordnungsmehraufwand verbleibt.

6. Die Kostenentscheidung folgt aus § 197a Abs 1 S 1 SGG iVm §§ 154 Abs 1 und 3, 162 Abs 3 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).

Gründe, die Revision zuzulassen (§ 160 Abs 2 SGG), liegen nicht vor.

Die Streitwertfestsetzung beruht auf der Anwendung des § 197a Abs 1 S 1 SGG iVm §§ 47 Abs 1, 52 Abs 1 Gerichtskostengesetz (GKG).