Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen
Urt. v. 27.11.2014, Az.: L 8 SO 112/11

Höhe der angemessenen Kosten der Unterkunft (KdU); Beschränkung des Streitgegenstandes; Zeitpunkt einer Obliegenheitsverpflichtung; Subjektive Möglichkeit der Kostensenkung; Anspruch auf Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung nach dem SGB XII; Leistungen für die Unterkunft; Keine Zustimmung des Sozialhilfeträgers vor Abschluss eines Mietvertrags über eine neue Unterkunft durch Nichthilfeempfänger

Bibliographie

Gericht
LSG Niedersachsen-Bremen
Datum
27.11.2014
Aktenzeichen
L 8 SO 112/11
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2014, 33702
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:LSGNIHB:2014:1127.L8SO112.11.0A

Verfahrensgang

vorgehend
SG Osnabrück - 03.02.2011 - AZ: S 5 SO 152/09

Fundstellen

  • FEVS 2015, 569-576
  • info also 2016, 47

Redaktioneller Leitsatz

1. Eine Beschränkung des Streitgegenstands allein auf Unterkunfts- oder Heizungskosten ist nicht möglich.

2. Eine Begrenzung der Leistungen auf das nach § 29 Abs. 1 Satz 2 SGB XII a.F. angemessene Maß folgt nicht aus § 29 Abs. 1 Satz 5 SGB XII a.F. (nun § 35 Abs. 1 Satz 4 SGB XII), nach dem ohne vorherige Zustimmung des zuständigen Leistungsträgers KdU nur in sozialhilferechtlich angemessener Höhe übernommen werden müssen.

3. Ein Nichthilfeempfänger, der durch den Umzug hilfebedürftig wird, benötigt keine Zustimmung des Sozialhilfeträgers zu den Aufwendungen der neuen Wohnung.

4. Subjektiv möglich sind einer leistungsberechtigten Person Kostensenkungsmaßnahmen nur dann, wenn sie Kenntnis davon hatte, dass zum einen der Leistungsträger von unangemessenen KdU ausgeht und zum anderen sie die Obliegenheit trifft, kostensenkende Maßnahmen zu ergreifen.

Tenor:

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Osnabrück vom 3. Februar 2011 wird zurückgewiesen.

Die Beklagte hat der Klägerin die außergerichtlichen Kosten des Berufungsverfahrens zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Beteiligten streiten um höhere Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung nach dem Vierten Kapitel des SGB XII für die Zeit von Oktober 2009 bis Juni 2010, insbesondere um die Höhe der angemessenen Kosten der Unterkunft (KdU) im Gebiet der beklagten kreisfreien Stadt.

Die im Dezember 1943 geborene, alleinstehende Klägerin ist als schwerbehinderter Mensch mit einem Grad der Behinderung von 60 und dem Merkzeichen RF (ab 17. Januar 2014 zusätzlich mit dem Merkzeichen G) anerkannt und bezieht seit Ende 2008 mit Vollendung des 65. Lebensjahres eine Regelaltersrente, die sich in dem streitgegenständlichen Zeitraum auf einen monatlichen Nettobetrag von 538,72 EUR belief. In dieser Zeit fielen für ihre etwa 58 qm große, in der F. in Osnabrück, Stadtteil G., gelegene und zum 1. Juli 2009 bezogene Wohnung monatlich Kosten für die Grundmiete von 320,00 EUR und Betriebskosten von 100,00 EUR (inkl. Heizkosten von 40,00 EUR) an.

Bis Mitte 2007 war die Klägerin wegen Unterhaltszahlungen ihres (mittlerweile verstorbenen) Ehemanns zur Bestreitung ihres Lebensunterhalts nicht auf Sozialhilfeleistungen angewiesen. Zu dieser Zeit lebte sie in einer Wohnung im Gebiet der Beklagten, Stadtteil H., für die sie eine Gesamtmiete von 422,00 EUR je Monat (inkl. Heizkosten) entrichten musste. Nach der Beantragung von Sozialhilfeleistungen bezog die Klägerin auf die Kostensenkungsaufforderung der Beklagten vom 18. Juni 2007, nach der für alleinstehende Leistungsberechtigte eine Grundmiete nebst kalten Nebenkosten (Bruttokaltmiete) von 300,00 EUR sozialhilferechtlich angemessen sei und die tatsächlichen KdU der Klägerin nur für einen Übergangszeitraum von sechs Monaten gewährt würden, zum 1. Oktober 2007 eine etwa 37 qm große Wohnung in der I. im Stadtteil G. zu einer Bruttokaltmiete von 250,00 EUR zuzüglich Heizkostenvorauszahlungen von 20,00 EUR je Monat.

Wegen der Aufnahme einer geringfügigen Beschäftigung als Raumpflegerin im Dezember 2007 schied die Klägerin ab Januar 2008 aus dem Sozialhilfebezug aus, bis sie die Erwerbstätigkeit aus gesundheitlichen Gründen aufgeben musste und ab Juni 2008 (wieder) die Altersrente ergänzende Sozialhilfeleistungen in monatlicher Höhe von etwa 87,00 EUR in Anspruch nahm (Bescheide der Beklagten vom 3. und 27. Juni 2008). Aufgrund der Bewilligung von Wohngeld in monatlicher Höhe von 114,00 EUR hob die Beklagte die Bewilligung der Grundsicherungsleistungen ab 1. Januar 2009 (für die Monate Januar und Februar 2009) wieder auf (Aufhebungsbescheid vom 13. Januar 2009).

Während des Wohngeldbezugs (bis Juni 2009) beantragte die Klägerin bei der Beklagten mit Schreiben vom 28. April 2009 die Übernahme der Mietsicherheit von 600,00 EUR für die im streitgegenständlichen Zeitraum von der Klägerin bewohnte Wohnung (Mietbeginn: 1. Juli 2009) und übersandte den am gleichen Tag abgeschlossenen Mietvertrag. Dieser Anmietung stimmte die Beklagte unter Hinweis auf sozialhilferechtlich angemessene KdU von 335,00 EUR für Alleinstehende nicht zu (Schreiben vom 29. April 2009).

Am 6. Mai 2009 beantragte die Klägerin erneut Leistungen der Grundsicherung nach dem SGB XII, die ihr unter Berücksichtigung angemessener KdU von 335,00 EUR und Heizkosten von 33,37 EUR (Abzug von Warmwasserkosten von 6,63 EUR) in monatlicher Höhe von 204,39 EUR bewilligt wurden (Bescheid vom 19. Mai 2009). Wegen der Erhöhung des Regelsatzes für Alleinstehende zum 1. Juli 2009 (auf 359,00 EUR), einer Rentenerhöhung (auf 538,72 EUR je Monat) und der Erhöhung des Abzugs für Warmwasserkosten (6,79 EUR) korrigierte die Beklagte die Leistungsbewilligung durch Aufhebungs- und Änderungsbescheid vom 3. August 2009, mit dem der Klägerin für die Zeit vom 1. August 2009 bis 30. Juni 2010 Grundsicherungsleistungen in monatlicher Höhe von 197,80 EUR bewilligt wurden.

Am 20. August 2009 reichte die Klägerin bei der Beklagten die zum 17. September 2009 fällige Betriebskostenabrechnung für die vormals bewohnte Wohnung in der I. ein (Betriebsjahr 2008), nach der sie unter Berücksichtigung der vollständig beglichenen Abschlagsbeträge noch einen Betrag von 495,75 EUR nachzuzahlen hatte.

Daraufhin hob die Beklagte die Bewilligung von Grundsicherungsleistungen für den Zeitraum vom 1. August 2009 bis zum 30. Juni 2010 (Bescheid vom 3. August 2009) durch den - hier angegriffenen - Aufhebungs- und Änderungsbescheid vom 25. August 2009 auf und bewilligte der Klägerin unter Übernahme der Nebenkostennachforderung in fast vollständiger Höhe (482,18 EUR) Leistungen für den Monat August 2009 von 675,98 EUR und für die Zeit von September 2009 bis Juni 2010 Leistungen in unveränderter Höhe (197,80 EUR je Monat). Hierbei berücksichtigte sie die nach ihrer Auffassung angemessenen KdU von 335,00 EUR je Monat.

Den hiergegen wegen der nicht vollständig übernommenen Miete erhobenen Widerspruch wies die Beklagte durch Widerspruchsbescheid vom 30. September 2009 mit der Begründung zurück, die Klägerin könne nach der aktuellen Auswertung der Osnabrücker-Vermietungsmarkt-Erhebung nur angemessene KdU in monatlicher Höhe von 335,00 EUR (Grundmiete zzgl. kalte Nebenkosten) beanspruchen. Der Anmietung der Wohnung in der F., durch die die Klägerin wieder sozialhilfebedürftig geworden sei, habe die Beklagte nicht zugestimmt. Die Klägerin habe wegen des vorangegangenen Bezugs von Sozialhilfeleistungen auch gewusst, dass die mögliche Übernahme von KdU von der Beklagten vor Abschluss des Mietvertrags geprüft werden müsse.

Die Klägerin hat am 8. Oktober 2009 beim Sozialgericht (SG) Osnabrück Klage gegen den Aufhebungs- und Änderungsbescheid vom 25. August 2009 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 30. September 2009 erhoben mit dem Ziel der Übernahme der tatsächlichen KdU von 380,00 EUR je Monat und im Wesentlichen zur Begründung ausgeführt, sie habe aus der vorherigen Wohnung wegen Schimmelbefalls ausziehen müssen und in der ihr zur Verfügung stehenden Zeit keine günstigere Wohnung finden können. Das SG hat die Beklagte durch Urteil vom 3. Februar 2011 unter Abänderung des Bescheids vom 25. August 2009 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 30. September 2009 verurteilt, der Klägerin im Zeitraum vom 1. August 2009 bis 30. Juni 2010 Leistungen nach dem SGB XII unter Berücksichtigung von Unterkunftskosten i.H.v. 369,00 EUR zu gewähren, und im Übrigen die Klage abgewiesen. Unter Rückgriff auf die zur Ermittlung der angemessenen KdU heranzuziehende Produkttheorie des Bundessozialgerichts (BSG) hat es zur Begründung u.a. ausgeführt, dass die für die Klägerin konkret angemessene Wohnfläche nach den niedersächsischen Richtlinien über die soziale Wohnraumförderung (Wohnraumförderungsbestimmungen - WFB 2003) 60 qm betrage. Der Klägerin stehe wegen ihrer Schwerbehinderung nach Ziffer B Nr. 11.4 WFB 2003 eine Erhöhung der Wohnfläche um 10 qm zu. Auf Grundlage der von der Beklagten zur Gerichtsakte gereichten "Osnabrücker-Vermietungsmarkt-Erhebung 2005 bis 2009" der ArbeitGemeinschaft für Osnabrück (AGOS) vom 6. August 2010 sei entgegen der Auffassung der Beklagten für das Stadtgebiet Osnabrück - der hier maßgebliche räumliche Vergleichsmaßstab - im Jahr 2009 ein Kaltmietzins von 5,15 EUR sozialhilferechtlich angemessen. Die von der Beklagten herangezogene Datengrundlage entspreche den Vorgaben der Rechtsprechung des BSG (Urteil vom 22. September 2009 - B 4 AS 18/09 -), die Beklagte habe indes nicht die richtigen Schlüsse gezogen. Zur Bestimmung des maßgeblichen unteren Segments des Wohnungsmarktes seien in entsprechender Anwendung des § 28 Abs. 3 SGB XII (i.d.F. vom 27. Dezember 2003, BGBl. I S. 3022) die Bezieher von Grundsicherungsleistungen in Osnabrück von 12 % der Gesamtbevölkerung herauszunehmen. Das untere Quintil mache damit 20 % der "Restbevölkerung" von 88 %, also 17,6 % aus. Das untere Segment des Wohnungsmarkts setze sich dann aus dem Anteil der Grundsicherungsempfänger (12 %) und den unteren 20 % der Restbevölkerung (17,6 %) zusammen, was einem Anteil von etwa 30 % der Gesamtbevölkerung entspreche. Die untere Kappungsgrenze laufe also nicht bei der 183. Wohnung der insgesamt 913 Wohnungen sondern erst bei der 274. Wohnung von unten, für die eine Kaltmiete von 5,15 EUR zu entrichten sei.

Gegen das ihr am 16. Februar 2011 zugestellte Urteil des SG hat die Beklagte am 15. März 2011 Berufung eingelegt. Sie macht geltend, dass der Umzug der Klägerin zum 1. Juli 2009 ohne vorherige Zustimmung der Beklagten erfolgt sei und daher nur die angemessenen KdU zu erbringen seien. Nach der Produkttheorie des BSG zur Ermittlung der Angemessenheitsgrenze sei entgegen der Entscheidung des SG eine angemessene Wohnungsgröße von 50 qm zu Grunde zu legen, weil ein pauschaler Zuschlag zur Wohnungsgröße nach den WFB 2003 nicht rechtens, vielmehr der konkrete - allerdings nicht ersichtliche - Bedarf der Klägerin maßgeblich sei. Nach dem von der Beklagten zur Gerichtsakte gereichten Konzept zur Feststellung der abstrakten und konkreten Angemessenheit der Unterkunftskosten "Osnabrücker-Vermietungsmarkt-Erhebung" vom 8. März und 6. August 2010 (Bl. 40 ff., 45 ff. d. GA) sei bei Wohnungen mit einer Größe von bis zu 50 qm von einem angemessenen Quadratmeterpreis der Bruttokaltmiete von 6,72 EUR auszugehen, mithin von angemessenen KdU von 335,50 EUR, gerundet 336,00 EUR. Auf dieser Grundlage hat die Beklagte bereits im erstinstanzlichen Verfahren ein Teilanerkenntnis abgegeben (Schriftsatz vom 6. August 2010), das von der Klägerin allerdings nicht zur Beilegung des Rechtsstreits angenommen worden ist. Zudem hat sie die Berufung auf den Leistungszeitraum vom 1. Oktober 2009 bis 30. Juni 2010 begrenzt (Schriftsatz vom 12. November 2014).

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Osnabrück zu ändern und die Klage gegen den Aufhebungs- und Änderungsbescheid der Beklagten vom 25. August 2009 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 30. September 2009 abzuweisen, soweit mit dieser ab Oktober 2009 Leistungen nach dem 4. Kapitel des SGB XII unter Berücksichtigung von Kosten der Unterkunft von mehr als 336,00 EUR je Monat begehrt werden. Die Klägerin beantragt, die Berufung zurückzuweisen. Sie hält die Entscheidung des SG für zutreffend. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Prozessakte und der beigezogenen Verwaltungsakten der Beklagten (2 Bände) verwiesen. Diese Akten haben dem Senat vorgelegen und sind Gegenstand der Entscheidungsfindung gewesen.

Entscheidungsgründe

Die aufgrund der Zulassung durch das SG nach §§ 143, 144 SGG statthafte und im Übrigen zulässige Berufung der Beklagten ist unbegründet.

Gegenstand des Rechtsstreits ist der Aufhebungs- und Änderungsbescheid der Beklagten vom 25. August 2009 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 30. September 2009 (§ 95 SGG), mit dem die Beklagte die Leistungen der Klägerin nach dem Vierten Kapitel des SGB XII für den Zeitraum von August 2009 bis Juni 2010 wegen der Nebenkostenabrechnung für das Betriebsjahr 2008 unter Aufhebung des Bescheids vom 3. August 2009 neu (und nicht nur wiederholend, vgl. dazu Engelmann in von Wulffen/Schütze, SGB X, 8. Aufl 2014, § 31 RdNr 32) bewilligt hat und gegen den sich die Klägerin zulässigerweise mit einer kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abse. 1 und 4 SGG) wehrt. Wegen des Antrags der Klägerin in erster Instanz ist der Streitgegenstand in der Sache zulässigerweise beschränkt auf den Anspruch auf Übernahme höherer Aufwendungen für Unterkunft und Heizung nach § 42 SGB XII i.V.m. § 29 SGB XII (hier i.d.F. vom 27. Dezember 2003, BGBl. I 3022, geändert durch Gesetze vom 21. März 2005, BGBl I 2005, 818, und vom 2. Dezember 2006, BGBl. I 2670, m.W.v. 7. Dezember 2006 - im Folgenden § 29 SGB XII aF; zur möglichen Beschränkung des Streitgegenstandes in dieser Hinsicht vgl. BSG, Urteil vom 14. April 2011 - B 8 SO 18/09 R - juris Rn. 10 m.w.N.; zur neuen Rechtslage im SGB II vgl. jüngst BSG, Urteil vom 4. Juni 2014 - B 14 AS 42/13 R - juris Rn. 10 ff.). In zeitlicher Hinsicht ist der Gegenstand des Berufungsverfahrens wegen der Beschränkung durch die Beklagte begrenzt auf den Zeitraum vom 1. Oktober 2009 bis zum 30. Juni 2010 (Schriftsatz vom 12. November 2014).

Die Berufung der Beklagten ist unbegründet, weil der Klägerin in diesem Zeitraum kein geringerer Anspruch auf Leistungen der Unterkunft und Heizung zugestanden hat, als dies vom SG entschieden worden ist. Dabei bedarf der Tenor der erstinstanzlichen Entscheidung, der lediglich KdU in monatlicher Höhe von 369,00 EUR - ohne Kosten der Heizung - berücksichtigt, dahingehend der Auslegung, dass der Anspruch auf Übernahme der Heizkosten entsprechend der angegriffenen Verfügung - also in monatlicher Höhe von 33,21 EUR (40,00 EUR tatsächliche Kosten abzgl. 6,79 EUR Kosten für Warmwasser) - besteht, mithin ein Leistungsanspruch unter Berücksichtigung von Kosten der Unterkunft und Heizung in monatlicher Höhe von 402,21 EUR ausgeurteilt worden ist. Eine Beschränkung des Streitgegenstands allein auf Unterkunfts- oder Heizungskosten ist nicht möglich (vgl. BSG, Urteil vom 7. November 2006 - B 7b AS 8/06 R - juris Rn. 22 zu § 22 Abs. 1 SGB II i.d.F. vom 24. Dezember 2003, BGBl. I S. 2954). Demgegenüber beläuft sich der von der Klägerin geltend gemachte Anspruch auf Übernahme ihrer tatsächlichen Aufwendungen für Unterkunft und Heizung von monatlich 422,00 EUR abzüglich der Warmwasserkosten von 6,47 EUR (vgl. zur Höhe der abzugsfähigen Warmwasserkosten im Zeitraum Juli 2009 bis Juni 2010 LSG Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 18. Dezember 2012 - L 7 AS 1416/10 - juris Rn. 30), also auf 415,53 EUR je Monat.

Die Klägerin ist im streitgegenständlichen Zeitraum (1. Oktober 2009 bis 30. Juni 2010) leistungsberechtigt nach dem 4. Kapitel des SGB XII gewesen, weil sie die nach § 41 Abs. 2 SGB XII (i.d.F. vom 20. April 2007, BGBl. I 554) maßgebliche Altersgrenze überschritten hatte und ihren notwendigen Lebensunterhalt nicht aus Einkommen und Vermögen bestreiten konnte.

Nach § 42 Satz 1 Nr. 2 SGB XII (i.d.F. vom 27. Dezember 2003, BGBl. I S. 2954) umfassen die Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung die angemessenen tatsächlichen Aufwendungen für Unterkunft und Heizung entsprechend § 29 SGB XII aF. Nach § 29 Abs. 1 SGB XII aF werden Leistungen für die Unterkunft in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen erbracht (Satz 1). Übersteigen die Aufwendungen für die Unterkunft den der Besonderheit des Einzelfalles angemessenen Umfang, sind sie insoweit als Bedarf der Personen, deren Einkommen und Vermögen nach § 19 Abs. 1 SGB XII zu berücksichtigen sind, anzuerkennen (Satz 2). Dies gilt solange, als es diesen Personen nicht möglich oder nicht zuzumuten ist, durch einen Wohnungswechsel, durch Vermieten oder auf andere Weise die Aufwendungen zu senken, in der Regel jedoch längstens für sechs Monate (Satz 3). Vor Abschluss eines Vertrages über eine neue Unterkunft haben Leistungsberechtigte den dort zuständigen Träger der Sozialhilfe über die nach den Sätzen 2 und 3 maßgeblichen Umstände in Kenntnis zu setzen (Satz 4). Sind die Aufwendungen für die neue Unterkunft unangemessen hoch, ist der Träger der Sozialhilfe nur zur Übernahme angemessener Aufwendungen verpflichtet, es sei denn, er hat den darüber hinausgehenden Aufwendungen vorher zugestimmt (Satz 5). Nach § 29 Abs. 3 Satz 1 SGB XII aF werden Leistungen für Heizung in tatsächlicher Höhe erbracht, soweit sie angemessen sind.

Nach diesen Maßgaben waren von der Beklagten in dem streitgegenständlichen Zeitraum (1. Oktober 2009 bis 30. Juni 2010) nach § 29 Abs. 1 Satz 1 SGB XII aF die tatsächlichen Kosten der Unterkunft und Heizung in monatlicher Höhe von 415,53 EUR (s.o.) als Leistungen zu berücksichtigen.

Eine Begrenzung der Leistungen auf das nach § 29 Abs. 1 Satz 2 SGB XII aF angemessene Maß folgt nicht aus § 29 Abs. 1 Satz 5 SGB XII aF (nun § 35 Abs. 1 Satz 4 SGB XII), nach dem ohne vorherige Zustimmung des zuständigen Leistungsträgers KdU nur in sozialhilferechtlich angemessener Höhe übernommen werden müssen. Die Beklagte hat zwar der Anmietung der Wohnung in der F. zum 1. Juli 2009 ausdrücklich nicht zugestimmt (Schreiben vom 29. April 2009). Die Obliegenheit nach § 29 Abs. 1 Sätze 4 und 5 SGB XII aF, vor Abschluss eines Mietvertrags über eine neue Unterkunft die Zustimmung des Sozialhilfeträgers zu den Aufwendungen einzuholen, gilt entgegen der Auffassung der Beklagten aber nur für einen Wohnungswechsel während des Bezugs von existenzsichernden Leistungen (BSG, Urteil vom 17. Dezember 2009 - B 4 AS 19/09 R - juris Rn. 19 zu § 22 Abs. 2 Satz 1 SGB II i.d.F. vom 20. Juli 2006, BGBl. I 1706; so schon Bundesverwaltungsgericht - BVerwG -, Urteil vom 17. November 1994 - 5 C 11/93 - juris Rn. 12 zum Wunsch- und Wahlrecht nach § 3 Abs. 2 Bundessozialhilfegesetz - BSHG; vgl. auch Berlit in LPK-SGB XII, 9. Aufl. 2012, § 35 Rn. 78; Scheider in Schellhorn/Schellhorn/Hohm, SGB XII,18. Aufl. 2010, § 35 Rn. 35). Ein Nichthilfeempfänger, der durch den Umzug hilfebedürftig wird, benötigt keine Zustimmung des Sozialhilfeträgers zu den Aufwendungen der neuen Wohnung (so ausdrücklich zum SGB II BSG, aaO., Rn. 17 unter Hinweis auf die Rechtsprechung des BVerwG zu § 3 Abs. 2 BSHG; Grube in Grube/Wahrendorf, SGB XII, 5. Aufl. 2014, § 35 Rn. 57). Danach hat bei der Klägerin, die zum Zeitpunkt des Abschlusses des Mietvertrags über die neue Wohnung am 28. April 2009 nicht Empfängerin von existenzsichernden Leistungen nach dem SGB XII gewesen ist, sondern ihren Bedarf aus eigenem Einkommen (Altersrente und Wohngeld) selbst decken konnte, keine Obliegenheit bestanden, die Zustimmung der Beklagten zu den Aufwendungen der neuen Wohnung einzuholen. Eine solche Zustimmung hat sie mit ihrem Antrag vom 28. April 2009 auch nicht begehrt, vielmehr die Übernahme der Mietsicherheit für die neue Wohnung.

Waren danach von der Beklagten mit Leistungsbeginn zum 1. Juli 2009 gemäß § 42 Satz 1 Nr. 2 SGB XII i.V.m. § 29 Abs. 1 Satz 1 SGB XII aF die tatsächlichen KdU und Heizung zu erbringen, folgt eine Verringerung des Leistungsanspruchs auf das sozialhilferechtlich angemessene Maß nach § 29 Abs. 1 Satz 2 SGB XII aF auch nicht zu einem späteren Zeitpunkt aus § 29 Abs. 1 Satz 3 SGB XII aF, nach dem die tatsächlichen KdU nur so lange als Bedarf der Hilfe suchenden Person anzuerkennen sind, als es dieser nicht möglich oder nicht zuzumuten ist, durch einen Wohnungswechsel, durch Vermieten oder auf andere Weise die Aufwendungen zu senken, in der Regel jedoch längstens für sechs Monate.

Der Klägerin wäre in dem streitgegenständlichen Zeitraum die Kostensenkung zwar objektiv möglich gewesen, nicht aber subjektiv. Subjektiv möglich sind einer leistungsberechtigten Person Kostensenkungsmaßnahmen nur dann, wenn sie Kenntnis davon hatte, dass zum einen der Leistungsträger von unangemessenen KdU ausgeht und zum anderen sie die Obliegenheit trifft, kostensenkende Maßnahmen zu ergreifen. Zur Überzeugung des Senats liegen diese Voraussetzungen hier unter Berücksichtigung der konkreten Umstände nicht vor.

Nach Auffassung des Senats fehlt es an der Durchführung eines ordnungsgemäßen Kostensenkungsverfahrens, durch das die Klägerin zweifelsfrei über ihre Obliegenheit in Kenntnis versetzt worden ist, im Hinblick auf ihre KdU kostensenkende Maßnahmen zu ergreifen (ausführlich zum Erfordernis eines solchen Verfahrens i.S. eines "Hinweises auf die Rechtslage" auch bei einer Anmietung einer unangemessen teuren Wohnung kurz vor Eintritt in den Leistungsbezug BSG, Urteil vom 17. Dezember 2009 - B 4 AS 19/09 R - juris Rn. 15-19 m.w.N.; vgl. auch BSG, Urteil vom 12. Juni 2013 - B 14 AS 60/12 R - juris Rn. 37 f.). Nach der Rechtsprechung des BSG sind nur geringe Anforderungen an ein solches Kostensenkungsverfahren zu stellen. Ausreichend ist regelmäßig ein Informationsschreiben mit Aufklärungs- und Warnfunktion, das lediglich ein "Angebot" darstellt, in einen Dialog über die angemessenen KdU einzutreten. Es enthält den Hinweis des Leistungsträgers auf die seiner Auffassung nach unangemessenen KdU und auf die Kostensenkungsobliegenheit der leistungsberechtigten Person, der diese innerhalb eines Übergangszeitraums nachzukommen habe. Den Grundsicherungsträger trifft aber keine Beratungspflicht, wie und in welcher Weise die Kosten auf den ihrer Auffassung nach angemessenen Betrag gesenkt werden könnten (BSG, Urteil vom 19. Februar 2009 - B 4 AS 30/08 R - juris Rn. 40 m.w.N.). Sind dem Leistungsempfänger die maßgeblichen Gesichtspunkte bekannt, bedarf es nicht einmal der Aufklärung, sondern regelmäßig nur der Angabe des angemessenen Mietpreises (BSG, Urteil vom 27. Februar 2008 - B 14/7b AS 70/06 R - juris Rn. 13).

Nach diesen Maßgaben war entgegen der Auffassung der Beklagten eine Aufklärung der Klägerin über die Rechtslage nach § 29 Abs. 1 Sätze 1 bis 3 SGB XII aF bzw. eine (nochmalige) Kostensenkungsaufforderung auch unter Berücksichtigung des vorangegangenen Bezugs von Sozialhilfe (von Juli bis Dezember 2007 und von Juni bis Dezember 2008) und der Aufforderung der Beklagten vom 18. Juni 2007 betreffend die damalige Wohnung der Klägerin nicht entbehrlich. Aufgrund dieser Umstände kann nicht davon ausgegangen werden, dass der Klägerin die maßgeblichen Umstände über eine sie treffende Kostensenkungsobliegenheit bekannt waren.

Hierzu im Einzelnen:

Die Kostensenkungsaufforderung vom 18. Juli 2007 kann die Kenntnis über die Kostensenkungsobliegenheit betreffend die ab Juli 2009 bewohnte Wohnung nicht vermitteln, weil sie eine andere Wohnung in einem anderen Stadtteil der Beklagten und eine Angemessenheitsgrenze aus dem Jahr 2007 betrifft und sich durch Zeitablauf erledigt hatte. Im Grundsatz ist die Obliegenheit zur Kostensenkung und damit eine Kostensenkungsaufforderung stets einem konkreten Lebenssachverhalt zuzuordnen, also den Aufwendungen einer konkreten Wohnung. Es bedarf stets der Prüfung aller Umstände des Einzelfalls, ob auch bei einem Überschreiten der Angemessenheitsgrenze nach § 29 Abs. 1 Satz 2 SGB XII die Übernahme der tatsächlichen Kosten nach § 29 Abs. 1 Satz 3 SGB XII im Ausnahmefall gerechtfertigt ist (etwa wegen subjektiver Unzumutbarkeit des Wohnungswechsels aufgrund gesundheitlicher Gründe oder wegen offensichtlicher Unwirtschaftlichkeit, vgl. dazu auch § 22 Abs. 1 Satz 4 SGB II i.d.F. vom 13. Mai 2011, BGBl. I 850). Ohne Nennung des maßgeblichen Vergleichsraums, der der Ermittlung der angemessenen KdU zu Grunde gelegen hat (vgl. zum Vergleichsraum jüngst etwa BSG, Urteil vom 12. Dezember 2013 - B 4 AS 87/12 R - juris Rn. 22 m.w.N.), war der Kostensenkungsaufforderung auch nicht zu entnehmen, auf welches Gebiet sich die Angemessenheitsgrenze bezogen hat (z.B. Stadtteil, Gebiet der beklagten Stadt oder des Landkreises). Ob dies bereits zur Unwirksamkeit der Kostensenkungsaufforderung aus dem Jahr 2007 führt, lässt der Senat offen. Jedenfalls hatte sich die Aufforderung - ungeachtet des Umstands, dass sie sich auf eine andere Wohnung der Klägerin bezog und die Klägerin zwischendurch in einer weiteren Wohnung gewohnt hat - durch Zeitablauf erledigt. Auch nach Auffassung der Beklagten sind die KdU für alleinstehende Leistungsberechtigte im Jahr 2007 in geringerer Höhe als angemessen i.S.d. § 29 Abs. 1 Satz 2 SGB XII aF anzusehen als im Jahr 2009 (300,00 EUR je Monat im Jahr 2007 statt 336,00 EUR im Jahr 2009). Der Leistungsträger muss zwar nur die zum Zeitpunkt der Kostenaufforderung seiner Auffassung nach angemessene Höhe der KdU mitteilen. Der Streit darüber, welche KdU angemessen sind, ist bei der Bewilligung von Leistungen zu führen, wobei die behördliche Änderung der Angemessenheitsgrenze sogar im Verlaufe des Gerichtsverfahrens zulässig ist (vgl. BSG, Urteil vom 10. September 2013 - B 4 AS 77/12 R - juris Rn. 44). Ist allerdings ein längerer Zeitraum - wie hier von zwei Jahren - verstrichen, kann eine früher erfolgte Kostensenkungsaufforderung keine Geltung mehr beanspruchen (ähnlich für den Fall, in dem auf eine erste Kostensenkungsaufforderung hin über längere Zeit hinweg gleichwohl die Kosten der Unterkunft und Heizung vollständig übernommen worden sind, BSG, Urteil vom 12. Juni 2013 - B 14 AS 60/12 R - juris Rn. 36). Im vorliegenden Fall kommt noch hinzu, dass die Klägerin mehrmals aus dem Leistungsbezug nach dem SGB XII wegen der Aufnahme einer geringfügigen Beschäftigung und dem Bezug von Wohngeld ausgeschieden ist und zwischendurch eine andere Wohnung bezogen hatte.

Die Verweigerung der Zustimmung zum Wohnungswechsel durch das Schreiben der Beklagten vom 29. April 2009 hat die Klägerin zwar in Kenntnis über die von der Beklagten (damals) vertretene Angemessenheitsgrenze für einen Einpersonenhaushalt von 335,00 EUR gesetzt, wobei der maßgebliche Vergleichsraum wiederum nicht genannt worden ist. Es fehlt dem Schreiben aber der Hinweis auf die Obliegenheit der Klägerin zur Kostensenkung i.S. des § 29 Abs. 1 Satz 3 SGB XII aF. In diesem Einzelfall war ein gesonderter Hinweis auf die maßgebliche Rechtslage jedoch erforderlich, wie der Streit der Beteiligten im Verwaltungs- und Gerichtsverfahren exemplarisch aufzeigt. Die Beklagte ist der - nicht der Rechtslage entsprechenden (s.o.) - Auffassung, sie sei bereits wegen der fehlenden Zustimmung zu den Aufwendungen der neuen Unterkunft nach § 29 Abs. 1 Satz 5 SGB XII aF nicht verpflichtet, die tatsächlichen KdU der Klägerin zu erstatten. Dies ergibt sich nicht nur aus ihrer Klageerwiderung und der Berufungsbegründung sondern auch aus dem gesamten Verwaltungsverfahren. Bereits der Erstbewilligungsbescheid vom 19. Mai 2009 für die Zeit vom 1. Juli 2009 bis zum 30. Juni 2010 enthält den Hinweis, dass der Klägerin bei Antragstellung mitgeteilt worden sei, dass in der Leistungsberechnung nur die angemessenen KdU berücksichtigt würden. Die Ablehnung eines Überprüfungsantrags vom 14. August 2009 (Bl. 86 d. VA Bd. II) durch Bescheid vom 25. August 2009, dem keine Rechtsbehelfsbelehrung beigefügt war (Bl. 102 d. VA Bd. II), hat die Beklagte allein damit begründet, dass keine zwingenden Gründe nach § 29 SGB XII aF für die Anmietung der nunmehr unangemessenen Wohnung vorliegen würden. Eine ähnliche Begründung ist auch bei der Zurückweisung des Widerspruchs der Klägerin gegen den Ausgangsbescheid durch Widerspruchsbescheid vom 25. September 2009 erfolgt. Dort ist nach der Feststellung der Unangemessenheit der KdU zur Prüfung, ob persönliche Gründe die Übernahme der tatsächlichen KdU rechtfertigen können, ausgeführt, dass es keine rechtlich erheblichen Gründe für die Anmietung der Wohnung in der F. gegeben und die Klägerin die Wohnung sogar ohne vorherige Zustimmung der Beklagten angemietet habe. In der Folge hat die Klägerin ihre Klage maßgeblich mit der Begründung erhoben, sie habe die vorherige Wohnung wegen Schimmelbefalls aufgeben müssen und in der ihr zur Verfügung stehenden Zeit keine günstigere Wohnung finden können. M.a.W.: Die Klägerin ist davon ausgegangen, dass ihr die tatsächlichen KdU bei einem "berechtigten" Wohnungswechsel zustehen würden, und ihr war nicht klar, dass sie die KdU - da unangemessen hoch - ohnehin zu senken habe. Auf den rechtlichen Aspekt des Fehlens einer Kostensenkungsaufforderung sind die Beteiligten erstmals im Vorfeld der mündlichen Verhandlung am 27. November 2014 durch gerichtliche Verfügung vom 16. Oktober 2014 hingewiesen worden.

Bei dieser Sachlage bedurfte es nach der - nicht zustimmungsbedürftigen - Anmietung der neuen Wohnung einer erneuten Kostensenkungsaufforderung durch die Beklagte, um die Klägerin in Kenntnis von der unabhängig vom Vorliegen einer Zustimmung zu den Aufwendungen der Unterkunft bestehenden Kostensenkungsobliegenheit nach § 29 Abs. 1 Satz 3 SGB XII zu setzen. Ohne eine solche Aufforderung findet eine Verringerung der übernahmefähigen KdU auf das angemessene Maß nach § 29 Abs. 1 Satz 3 SGB XII aF nicht statt.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für eine Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor.-