Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen
Urt. v. 26.11.2014, Az.: L 3 KA 70/12

Neufestsetzung der Honorare eines Facharztes wegen fehlerhaft abgerechneter ambulanter Operationsleistungen

Bibliographie

Gericht
LSG Niedersachsen-Bremen
Datum
26.11.2014
Aktenzeichen
L 3 KA 70/12
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2014, 27701
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:LSGNIHB:2014:1126.L3KA70.12.0A

Verfahrensgang

vorgehend
SG Hannover - AZ: S 78 KA 579/09

Fundstellen

  • AMK 2015, 7
  • NZS 2015, 78

Tenor:

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Hannover vom 11. Juli 2012 aufgehoben. Die Klage wird abgewiesen. Der Kläger trägt die Kosten des erst- und zweitinstanzlichen Verfahrens. Die Revision wird zugelassen. Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird auf 64.390 Euro festgesetzt.

Tatbestand

Der Kläger nimmt als Facharzt für Urologie mit Praxissitz in I. (J.) an der vertragsärztlichen Versorgung teil. Mit seiner Klage wendet er sich gegen die Neufestsetzung seiner Honorare für die Quartale III/2005 - IV/2007 wegen fehlerhaft abgerechneter ambulanter Operationsleistungen.

Die beklagte Kassenärztliche Vereinigung (KÄV) hob die für die Quartale III/2005 bis IV/2007 ergangenen Honorarbescheide mit Bescheid vom 21. April 2009 teilweise auf und setzte ein um insgesamt 64.389,86 Euro verringertes Honorar fest; das überzahlte Honorar wurde zurückgefordert. Bei Durchsicht der Honorarabrechnungen des Klägers sei aufgefallen, dass er überdurchschnittlich viele endoskopische urologische Eingriffe nach den Ziffern 31282, 31283 und 31284 des Einheitlichen Bewertungsmaßstabs für vertragsärztliche Leistungen (EBM; in der ab 1. April 2005 geltenden Fassung) abgerechnet habe. Nach Überprüfung der Operationsberichte bzw der dazugehörigen histologischen Befunde für zehn namentlich benannte Patienten je Quartal habe sich ergeben, dass die Abrechnungsvoraussetzungen der genannten EBM-Nrn im überwiegenden Teil der von den Stichproben erfassten Fälle nicht erfüllt gewesen seien. Anstatt der dort geregelten Resektion habe es sich um eine bloße Probeexzision gehandelt. Da wegen der Falschansätze die Garantiefunktion der Abrechnungs-Sammelerklärungen weggefallen sei, hätten die Honorare auf der Grundlage einer Schätzung neu festgesetzt werden müssen. Der hiergegen eingelegte Widerspruch blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 29. September 2009).

Am 15. Oktober 2009 hat der Kläger Klage zum Sozialgericht (SG) Hannover erhoben. Die Argumentation der Beklagten, aus dem Umfang der bei den Eingriffen entnommenen Gewebspräparate lasse sich schließen, dass es sich lediglich um Probeexzisionen gehandelt habe, sei medizinisch unzutreffend. Dies gelte auch, soweit daraus, dass in den histologischen Berichten keine Koagulationsartefakte vermerkt worden seien, auf eine bloße Probeexzision geschlossen worden sei. Weiterhin sei es nicht korrekt, dass bei allen Laserdestruktionen Gewebe entnommen werden müsse. Bei den von der Beklagten namentlich angeführten Patienten seien deshalb die in Ansatz gebrachten Gebührenordnungspositionen zutreffend abgerechnet worden. Zumindest hätte die Gebührenordnungsnummer 26351 in den gestrichenen Fällen anerkannt werden müssen.

Mit Urteil vom 11. Juli 2012 hat das SG Hannover den Bescheid vom 21. April 2009 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 29. September 2009 aufgehoben. Anhand der vorliegenden Unterlagen könne sich die Kammer nicht davon überzeugen, dass der Kläger die abgerechneten Resektionen tatsächlich nicht erbracht habe. Die Operationsberichte seien zwar sehr kurz. Da es sich aber um kleinere operative Eingriffe an der Blase gehandelt habe und diese ein sehr übersichtliches Organ sei, sei weder die ausführliche Beschreibung des Verlaufs des Eingriffs noch die Benennung der Entnahmestelle von Gewebe erforderlich gewesen. Auch aus der Größe der entnommenen Gewebspartikel und dem Fehlen von Koagulationsartefakten sei nicht unbedingt abzuleiten, dass tatsächlich kein Laser eingesetzt und eine Resektion nicht durchgeführt worden sei. Es bestünden zwar durchaus Anhaltspunkte für eine falsche Abrechnung, angesichts fehlender ausreichender Indizien könne diese aber nicht festgestellt werden.

Gegen das ihr am 30. Juli 2012 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 29. August 2012 Berufung beim Landessozialgericht (LSG) Niedersachsen-Bremen eingelegt. Zur Begründung hat sie darauf hingewiesen, dass der Kläger die durchschnittliche Abrechnungshäufigkeit der EBM-Ziffern 31282 bis 31284 in einigen Quartalen um 406,9 vH bis 1.170,4 vH überschritten habe. In späteren Quartalen habe der Kläger auch mehrfach sein fehlerhaftes Abrechnungsverhalten eingestanden. Zu Unrecht hätte er die Leistungsbeschreibung des Operationsschlüssels (OPS) 5-573.40 so interpretiert, dass jegliche Exzision von Gewebe in der Blase die Abrechnung dieses OPS-Codes und der dort hinterlegten Ziffern rechtfertigen würde. Die Einschätzung des SG, eine ausführlichere Beschreibung des Verlaufs des Eingriffs sei nicht erforderlich, könne nicht geteilt werden. Aus den vorliegenden Operationsberichten ergebe sich nicht, dass der Leistungsinhalt der abgerechneten Ziffern erfüllt sei, sondern nur eine Probeexzision - als fakultativer Leistungsinhalt der Zystoskopie - erbracht worden sei. Im Übrigen stünden die Leistungen teilweise im Widerspruch zum Stand der medizinischen Wissenschaft. Die ihrer Ansicht nach fehlerhafte Abrechnung legt die Beklagte ergänzend anhand von 20 Einzelfällen dar.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Hannover vom 11. Juli 2012 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die seitens der Beklagten vorgelegten statistischen Vergleichswerte seien nicht aussagekräftig, weil er sich auf die Erbringung der streitbefangenen Eingriffe, insbesondere der transurethralen Resektion (TUR) der Harnblase, spezialisiert habe. Die von der Beklagten vorgenommene Unterscheidung zwischen zystoskopischer Probeentnahme und TUR der Blase sei willkürlich und nicht nachvollziehbar. Auch der Vorwurf, die klägerischen Leistungen stünden teilweise im Widerspruch zum Stand der medizinischen Wissenschaft, sei ohne vorherige Einholung einer qualifizierten urologischen Expertise aufgestellt worden.

Der Senat hat dem Kläger aufgegeben, die vollständigen Behandlungsunterlagen zu den in der Berufungsbegründung angeführten Einzelfällen vorzulegen. Der Kläger hat hierauf Befundberichte, Operationsprotokolle und histologische Befundberichte vorgelegt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der beigezogenen Verwaltungsakten der Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Berufung ist begründet. Das SG hat den Bescheid vom 21. April 2009 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 29. September 2009 zu Unrecht aufgehoben.

Die als isolierte Anfechtungsklage (§ 54 Abs 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG)) statthafte und auch im Übrigen zulässige Klage ist unbegründet. Die Beklagte hat zu Recht für die Quartale III/2005 bis IV/2007 ein um 64.389,86 Euro niedrigeres Honorar festgesetzt und den überzahlten Betrag vom Kläger zurückgefordert.

Rechtsgrundlage hierfür ist § 106a Abs 2 S 1 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V; hier anzuwenden in der Fassung des GKV-Modernisierungsgesetzes vom 14. November 2003, BGBl I 2190), wonach die KÄV die sachliche und rechnerische Richtigkeit der Abrechnungen der Vertragsärzte feststellt. Eine Richtigstellung hat demnach zu erfolgen, wenn ein Vertragsarzt bei seiner Quartalsabrechnung Gebührennummern ansetzt, deren Tatbestand durch seine Leistungen nicht erfüllt sind oder die er aus anderen Gründen nicht in Ansatz bringen darf. Dasselbe gilt, wenn der Vertragsarzt Leistungen unter Verstoß gegen die Vorschriften über formale oder inhaltliche Voraussetzungen der Leistungserbringung durchführt und abgerechnet hat (vgl hierzu Bundessozialgericht (BSG) SozR 4-2500 § 39 Nr 3 mwN).

Nach der Rechtsprechung des BSG (SozR 3-5550 § 35 Nr 1) kann die KÄV über die Berichtigung einzelner Leistungspositionen hinausgehend den gesamten Honorarbescheid aufheben und das Quartalshonorar neu festsetzen, wenn die Honorarabrechnung des Vertragsarztes erwiesenermaßen einen Fehlansatz aufweist, bei dem ihm grobe Fahrlässigkeit vorzuwerfen ist. Denn in diesem Fall erfüllt die jeder Quartalsabrechnung beizufügende sogenannte Sammelerklärung nicht mehr ihre Garantiefunktion und gilt damit als nicht wirksam abgegeben, sodass die gesamte quartalsbezogene Honorarabrechnung zu Fall kommt (vgl Clemens in: jurisPK-SGB V, 2. Aufl, § 106a Rn 212). Die Aufhebung des gesamten Honorarbescheids hat zur Folge, dass das Honorar insgesamt neu festzusetzen ist, wobei eine Schätzung erfolgen kann und nach der Rechtsprechung des BSG (aaO) in der Regel nicht zu beanstanden ist, wenn die KÄV das Honorar in der Höhe des Durchschnitts der Fachgruppe festsetzt.

Die genannten Voraussetzungen liegen in den hier umstrittenen Quartalen vor.

1.a) Der Kläger hat in jedem der umstrittenen Quartale in mindestens einem Fall zu Unrecht die Gebührenordnungsposition 31283 abgerechnet.

Hiermit wird der "endoskopische urologische Eingriff der Kategorie R 3" entsprechend des Anhangs 2 zum EBM vergütet. Zu den dort genannten Operationen der Kategorie R 3 gehören (1.) die transurethrale Inzision, Exzision, Destruktion und Resektion von (erkranktem) Gewebe der Harnblase: Resektion: nicht fluoreszenzstützt - OPS 5-573.40 - und (2.) die transurethrale und perkutan-transrenale Erweiterung des Ureters: Entfernung eines Stents, transurethral (OPS 5-560.8). Ob der Kläger diese Eingriffe tatsächlich erbracht hat - woran angesichts der seitens der Beklagten erhobenen medizinischen Einwände erhebliche Zweifel bestehen -, kann der Senat im Ergebnis offen lassen. Denn der Ansatz der EBM-Nr 31283 konnte schon deshalb nicht erfolgen, weil es an der hierfür notwendigen Dokumentation fehlt.

Die Dokumentation der ärztlichen Leistungen ist eine zentrale berufsrechtliche (§ 10 Berufsordnung der Ärztekammer Niedersachsen vom 22. März 2005 (BO)) und vertragsarztrechtliche (§ 57 Bundesmantelvertrag Ärzte (BMV-Ä)) Pflicht der Ärzte. Gem § 57 Abs 1 BMV-Ä hat der Vertragsarzt die Befunde, die Behandlungsmaßnahmen sowie die veranlassten Leistungen einschließlich des Tages der Behandlung in geeigneter Weise zu dokumentieren. Die Dokumentierung ist nicht nur Gedächtnisstütze für den Arzt, sie dient auch dem Interesse des Patienten an einer ordnungsgemäßen Dokumentation (§ 10 Abs 1 S 2 BO), der zB die Möglichkeit haben muss, das Ergebnis der ärztlichen Behandlung oder der diagnostischen Maßnahmen mittels Einholung einer Zweitmeinung überprüfen zu lassen (Trieb in: Schiller, Bundesmantelvertrag-Ärzte, § 57 Rn 12). Im Rahmen der Therapiesicherung müssen die Aufzeichnungen gewährleisten, dass jeder mit- oder weiterbehandelnde Arzt in die Lage versetzt wird, sich anhand der Dokumentation über die bis dato erfolgte Behandlung zu unterrichten. Der Beweissicherung dient die Dokumentation sowohl im Zusammenhang mit der Abrechnung vertragsärztlicher Leistungen als auch in Fällen der ärztlichen Haftpflicht. Dies gilt insbesondere auch bei der Durchführung (stationärer oder ambulanter) Operationen. Nach geltender Rechtsprechung kann der hierbei zu erstellende Operationsbericht zwar kurz und ggf stichwortartig abgefasst sein, muss aber zumindest die Angaben enthalten, die es einem Sachkundigen ermöglichen, die wesentlichen Schritte des Eingriffs nachzuvollziehen (Oberlandesgericht (OLG) Koblenz, Urteil vom 27. Juli 2006 - 5 U 212/05 - [...]). Zu berichten ist daher regelmäßig über den Operationssitus und die angewandte Technik mit stichwortartiger Beschreibung der jeweiligen tatsächlichen Eingriffe (OLG Oldenburg, Urteil vom 30. Januar 2008 - 5 U 92/06 - [...], unter Hinweis auf Bundesgerichtshof (BGH) VersR 1984, 386 f; LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 25. September 2013 - L 5 KA 3347/11 - [...]).

Ob die fehlende oder unzulängliche Dokumentation einer ärztlichen Befunderhebung oder Therapiemaßnahme in jedem Fall dazu führt, dass diese nicht als vertragsärztliche Leistung abgerechnet werden kann, kann im vorliegenden Zusammenhang offen bleiben. Das Fehlen einer ordnungsgemäßen Dokumentation steht aber jedenfalls dann einer Abrechnung der Leistung entgegen, wenn die Dokumentation nach der Leistungslegende der einzelnen Gebührenordnungsposition im EBM oder nach dem Inhalt der dem vorangestellten allgemeinen Bestimmungen Bestandteil der zu vergütenden Leistung ist (Senatsurteil vom 25. Juli 2012 - L 3 KA 57/11; LSG Baden-Württemberg, aaO; Clemens aaO, § 106a Rn 104; Trieb aaO, § 57 Rn 21).

Dies war vorliegend der Fall, denn in der allen ambulanten und belegärztlichen Operationen des EBM-Abschnitts 31.2 vorangestellten Präambel 31.2.1 ist unter Nr 5 geregelt, dass die dortigen Leistungen "sämtliche durch den Operateur erbrachten ärztlichen Leistungen, Untersuchungen am Operationstag, Verbände, ärztliche Abschlussuntersuchung(en), einen post-operativen Arzt-Patienten-Kontakt, Dokumentation(en) und Beratungen einschließlich des Abschlussberichts an den weiterbehandelnden Vertragsarzt und Hausarzt" umfassen.

Der Kläger hat das Erfordernis einer ausreichenden Dokumentation in den streitbefangenen Quartalen aber nicht beachtet.

So will er in den Quartalen III/05 bis III/06 und III/07 TUR der Blase vorgenommen haben, und zwar ua bei den Versicherten Sagkob (III/2005), Schermann (IV/2005), Beneken (I/2006), Gecer (II/2006), Hauerken (III/2006) und Schütte (III/2007). Entsprechende Operationsberichte sind jedoch weder in der Verwaltungsakte noch in den im Gerichtsverfahren seitens der Beklagten oder dem Kläger vorgelegten Unterlagen ersichtlich. Der Kläger hat in allen diesen Fällen lediglich "Befundberichte" an die weiterbehandelnden Ärzte vorgelegt, in denen Spalten für Diagnose, Eingriff, Anamnese, Befund und Bewertung/Therapie enthalten sind. Bereits hieraus ergibt sich, dass diese Dokumente nicht als Operationsbericht, sondern nur als Abschlussbericht an den weiterbehandelnden Vertragsarzt gelten können. Selbst soweit dort Angaben zum vorgenommenen Eingriff gemacht werden, beschränken diese sich lediglich auf die Kurzbezeichnung: "TUR Blase" oder "Laserkoagulation". Unter "Befund" finden sich in wenigen Befundberichten bruchstückhafte Schlagwörter wie "Kontrollbiopsie" oder "Resektion". Damit ist der angeblich durchgeführte Eingriff lediglich benannt, nicht aber beschrieben worden. Was der Kläger im Einzelnen unternommen hat, bleibt unklar.

Im Quartal IV/2006 (Versicherter K.) und im Quartal I/2007 (Versicherter L.) liegen daneben Operationsprotokolle vor, nach denen jeweils eine TUR der Blase durchgeführt worden sein soll. Zum Verlauf der Operation werden im Fall K. aber keine Angaben gemacht, im Fall L. ist unter "Befund" lediglich angegeben: "an der Blasenhinterwand verdächtige Stelle reseziert". Von einer nachvollziehbaren Angabe der dabei durchgeführten Einzelschritte kann angesichts dessen auch hier keine Rede sein. Dabei muss der Senat nicht klären, was im Detail notwendiger Inhalt einer TUR der Blase ist und welche Schritte demzufolge zumindest stichwortartig hätten angeführt werden müssen. Denn der Kläger selbst hat in seiner Widerspruchsbegründung betont, dass er in allen Fällen eine TUR mit anschließender Laserkoagulation der Blase durchgeführt habe. Demzufolge hätten zumindest diese beiden Schritte dokumentiert werden müssen. In den Protokollen fehlen im Übrigen Angaben zur Patientenvorbereitung, zu ggf erforderlichen Nachbereitungsmaßnahmen, Mitteilungen des genauen Befundes und verwertbare Namensangaben zum Anästhesisten und zur Operationsassistenz.

In den Quartalen II/2007 (Versicherter M.) und IV/2007 (Versicherte N.) hat der Kläger die EBM-Nr 31283 in Hinblick auf die OPS-Position 5-560.8 abgerechnet. Auch hier fehlt es aber an einer brauchbaren Dokumentation. Zum Quartal IV/2007 liegt lediglich ein Befundbericht vor, in denen als Therapie angegeben ist: "Entfernung der liegenden Schiene". Zum Quartal II/2007 besagt der Befundbericht: "Ureterstent entfernt" und zum Hergang des Eingriffs ist im Operationsprotokoll lediglich angegeben: "Schiene entfernt". Diese Angaben sind zur Dokumentation der Entfernung eines Stents bei transurethraler und perkutantransrenaler Erweiterung des Ureters schon deshalb nicht geeignet, weil die Schiene auch endoskopisch entfernt werden kann (vgl die Gebührenordnungsposition 26324). Dass der Kläger im Fall des Versicherten M. eine ambulante Operation der Kategorie R 3 durchgeführt haben will, erscheint im Übrigen schon deshalb ausgeschlossen, weil der Eingriff nach dem Operationsprotokoll lediglich fünf Minuten gedauert haben soll.

b) Dem Kläger ist in Hinblick auf die genannten Fehlabrechnungen auch grobe Fahrlässigkeit zur Last zu legen. Die Kenntnis des EBM und der in den dortigen Präambeln niedergelegten Abrechnungsvoraussetzungen gehört ebenso zu den elementaren Sorgfaltspflichten des Vertragsarztes wie die ausreichende Dokumentation der Behandlungsleistungen. Diese hat der Kläger nicht beachtet. Ein Operationsbericht, der den vorgenommenen Eingriff allenfalls durch einen einzigen Begriff umschreibt, kann offenkundig nicht als zur Dokumentation geeignet angesehen werden. Die anderslautende Auffassung des SG, wonach eine ausführliche Beschreibung des Verlaufs des Eingriffs nicht erforderlich sei, kann der Senat schon deshalb nicht nachvollziehen, weil der Kläger den Verlauf der Operation nicht zu wenig ausführlich, sondern überhaupt nicht beschrieben hat. Eine bloße leichte Fahrlässigkeit (iS eines Versehens, vgl BSG SozR 3-5550 § 35 Nr 1) kann damit nicht mehr angenommen werden.

2. Liegt nach alledem in jedem der Quartale III/2005 bis IV/2007 mindestens ein grob fahrlässiger Fehlansatz der Gebührenordnungsposition 31283 vor, konnte die Beklagte die Honorarbescheide aufheben und ein vermindertes Honorar festsetzen. Bei der Schätzung des dabei abzusetzenden Honorars hat sie auch die EBM-Ziffern 31282 und 31284 - zu den Operationen der Kategorien R 2 und R 4 - einbeziehen können, weil die Dokumentation aller Operationen aus den dargelegten Gründen unbrauchbar ist, wie sich aus den in den Verwaltungsunterlagen der Beklagten befindlichen Befundberichten und Protokollen ergibt, die in gleicher Weise abgefasst sind wie in den unter 1.a) genannten Fällen. Nicht zu beanstanden ist außerdem, dass auch die Gebührenordnungspositionen 31503, 31505, 31685 und 31687, mit denen die postoperative Überwachung bzw Behandlung nach der Erbringung der Leistungen gem den Nrn 31282 bis 31284 vergütet wird, in die Kürzung mit einbezogen worden ist. Denn die (vollständige) Erbringung dieser Leistungen, die nach der Leistungslegende der postoperativen Gebührenordnungspositionen Abrechnungsvoraussetzung ist, kann - wie dargelegt - nicht angenommen werden.

Entgegen der Auffassung des Klägers war die Beklagte nicht verpflichtet, die gestrichenen EBM-Nrn 31282 bis 31284 in die Gebührenordnungsposition 26351 (kleiner urologisch operativer Eingriff II) umzuwandeln. Denn der Vertragsarzt, der grob fahrlässige Falschabrechnungen und damit die Abgabe einer unrichtigen Sammelerklärung zu verantworten hat, kann gerade keine möglichst genaue Alternativberechnung beanspruchen (vgl bereits Senatsurteil vom 18. Februar 2004 - L 3 KA 99/02 - [...]), sondern muss sich als Folge seines gravierenden Fehlverhaltens auf eine mehr oder weniger grobe Schätzung verweisen lassen. Der Alternativansatz der Position 26351 fiele in diesem Zusammenhang aber schon deshalb kaum ins Gewicht, weil die laut EBM hierfür angesetzte Punktzahl (325) nur einen geringen Bruchteil der Punktzahl entspricht, die für endoskopische urologische Eingriffe der Kategorie R 2 bis R 4 gewährt wird (4.670 bis 8.560 Punkte). Im Übrigen wäre es zunächst Aufgabe des Klägers gewesen, korrekt darzulegen und im Zweifelsfall nachzuweisen, dass er den obligaten Leistungsinhalt der EBM-Ziff 26351 (Spaltung einer Harnröhrenstriktur nach Otis und/oder Entfernung einer oder mehrerer Geschwülste an der Harnröhrenmündung) tatsächlich erfüllt hatte (Senatsurteil vom 21. März 2012 - L 3 KA 42/08). Angaben hierzu liegen aber nicht vor, sodass nicht unterstellt werden kann, der Kläger hätte Leistungen nach der EBM-Nr 26351 erbracht.

Die Beklagte hat die Schätzung der neuen Honorarhöhe in allen Quartalen in der Weise quantifiziert, dass sie zunächst die Stichproben, bei denen sich ein fehlerhafter Ansatz der Gebührenordnungspositionen 31282 bis 31284, 31503 und 31505 sowie 31685 und 31687 ergeben hatte, ins Verhältnis zur Gesamtzahl der erhobenen Stichproben gesetzt hat. Anschließend hat sie die sich daraus ergebende Verhältniszahl auf die Gesamtzahl der unter den genannten EBM-Nrn abgerechneten Fälle hochgerechnet. Dies bildet den Umfang der zu Unrecht bei der bisherigen Honorarfestsetzung berücksichtigten Leistungen in repräsentativer Weise ab und ist damit in der Sache nicht zu beanstanden.

3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 197a Abs 1 S 1 SGG i.V.m. § 154 Abs 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).

Der Senat hat die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG).

Die Bemessung des Streitwerts ergibt sich aus der Anwendung des § 197a Abs 1 S 1 SGG i.V.m. §§ 47 Abs 1, 52 Abs 1 Gerichtskostengesetz (GKG).