Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen
Urt. v. 29.01.2015, Az.: L 1/4 KR 17/13
Beitragsbemessung in der Krankenversicherung und Pflegeversicherung unter Anrechnung von Leistungen aus einer Unterhaltsabfindung; Maßgeblicher Zeitraum für die Verteilung einer Unterhaltsabfindung; Begriff der einmaligen Einnahme
Bibliographie
- Gericht
- LSG Niedersachsen-Bremen
- Datum
- 29.01.2015
- Aktenzeichen
- L 1/4 KR 17/13
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2015, 15936
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:LSGNIHB:2015:0129.L1.4KR17.13.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- SG Oldenburg - AZ: S 62 KR 262/10
Rechtsgrundlagen
- § 240 Abs. 1 S. 2 SGB V
- Beitragsverfahrensgrundsätze Selbstzahler § 5 Abs. 3 S. 3
- Beitragsverfahrensgrundsätze Selbstzahler § 5 Abs. 4
Fundstellen
- AiSR 2015, 161-165
- FamRZ 2015, 1841
- NVwZ 2015, 9
Redaktioneller Leitsatz
1. Nach der Rechtsprechung des BSG sind die Beitragsverfahrensgrundsätze Selbstzahler eine ausreichende Rechtsgrundlage für die Beitragsfestsetzung.
2. Einmalige Einnahmen sind Einnahmen, bei denen sich das Geschehen im Wesentlichen in einer einzigen Leistung erschöpft und die nicht wiederkehrend sind (z.B. typischerweise sind dies etwa einmalige Sozialleistungen, Schenkungen, Gewinne aus Verlosungen, Steuererstattungen, Nachzahlungen oder Abfindungen nach Arbeitsverhältnissen.
3. Auch wenn eine Abfindungszahlung auf den nachehelichen Unterhaltsanspruch in einer Summe zugeflossen ist, liegt keine einmalige Einnahme im Sinne von § 5 Abs. 3 Beitragsverfahrensgrundsätze vor, die dem jeweiligen Beitragsmonat mit 1/12 zuzuordnen ist, sondern diese Einnahme ist nach ihrem Zweck über einen längeren Zeitraum zu verteilen.
4. Nach den gesetzlichen Vorschriften ist die gesamte wirtschaftliche Leistungsfähigkeit zu berücksichtigen; tatsächlich nicht erzielte Einnahmen dürfen nicht fingiert werden.
Tenor:
Die Berufung wird zurückgewiesen.
Die Beklagte hat der Klägerin auch die Kosten des Berufungsverfahrens zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Streitig ist die Höhe der Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung in der Zeit vom 21 Juni 2010 bis 10. April 2011.
Die am 13. September 1960 geborene Klägerin war seit 1. Januar 1996 über ihren am 26. März 1959 geborenen Ehemann in der landwirtschaftlichen Krankenkasse familienversichert. Die Klägerin war seinerzeit Hausfrau und Mutter und arbeitete in der Baumschule des Ehemannes mit. Am 20. Juni 2010 wurde die am 23. Dezember 1988 geschlossene Ehe geschieden. Mit Beschluss des Amtsgerichts (AG) Z vom 11. Mai 2010 (Az.: 11 F 899/09 S) wurde der Versorgungsausgleich bezüglich der Anrechte in der Rentenversicherung durchgeführt. Hinsichtlich des nachehelichen Unterhalts haben sich die Beteiligten -ohne Bezifferung im gerichtlichen Verfahren- auf einen Abfindungsbetrag in Höhe von 35.000,00 EUR verständigt. Diesen Betrag hat der frühere Ehemann der Klägerin am 4. Mai 2010 überwiesen (Kontoauszug vom 4. Mai 2010: Abfindung wegen Scheidung - 35.000,00 EUR).
Die Klägerin stellte am 2. Juni 2010 einen Antrag bei der Beklagten auf Aufnahme als freiwilliges Mitglied, da ihre Familienversicherung wegen Scheidung zum 20. Juni 2010 erloschen sei und legte verschiedene Unterlagen (Einkommenserklärung, Beschluss des AG Z, Kontoauszug) vor.
Mit Bescheid vom 30. Juni 2010 setzte die Beklagte die Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung auf der Grundlage von beitragspflichtigen Einnahmen in Höhe von 2.916,67 EUR (35.000,00 EUR: 12 = 2916,66 EUR) wie folgt fest:
Monatlicher Gesamtbetrag ab 1. Juli 2010: 481,96 EUR (Beitrag zur Krankenversicherung 417,08 EUR, Zusatzbeitrag 8,0 EUR, Beitrag zur Pflegeversicherung 56,88 EUR), Teilbetrag vom 21. Juni 2010 bis 30. Juni 2010: 160,65 EUR.
Gegen die Beitragseinstufung legte die Klägerin mit Schreiben vom 13. Juli 2010 Widerspruch ein. Die Beklagte habe offensichtlich die Abfindungszahlung auf den nachehezeitlichen Ehegattenunterhaltsanspruch von 35.000,00 EUR, umgelegt auf zwölf Monate, berücksichtigt. Dies sei nicht nachzuvollziehen. Die Klägerin habe sich auf ihren kompletten Aufstockungsunterhaltsanspruch abfinden lassen. Bezugnehmend auf die Entscheidung des Oberlandesgerichts (OLG) Oldenburg vom 18. Februar 2009 zum Az.: 4 UF 118/08 sei von einem Unterhaltsanspruch der Klägerin jedenfalls für die Dauer von 10 Jahren auszugehen. Dies wären auf den Monat umgelegte Einkünfte aus Ehegattenunterhalt von gerundet 292,- EUR. Selbst wenn man einen ehebedingten Nachteil vorliegend nicht annehmen wollte, wäre nach den Empfehlungen des Deutschen Familiengerichtstages von einem nachehelichen Unterhaltsanspruch auszugehen von 1/4 bis 1/3 der Ehedauer, dies wären zwischen 5,5 bis 7,3, also immerhin rund 6 Jahre. Die von der Beklagten vorgenommene Zuordnung sei unangemessen. Hier könne auch eine zwingende Einordnung nach § 5 Abs. 3 der Beitragsverfahrensgrundsätze für Selbstzahler nicht festgestellt werden. Gleichermaßen könnten auch § 5 Abs. 4 oder Abs. 5 der Beitragsverfahrensgrundsätze einschlägig sein. Es sei zu berücksichtigen, dass die Klägerin aufgrund ihrer langjährigen Abwesenheit aus dem bezahlten Erwerbsleben (zunächst Hausfrau und Mutter, anschließend Mitarbeit in der Baumschule des früheren Ehemannes) auf dem Arbeitsmarkt als ungelernt zu gelten habe. Im Unterhaltsrecht würde in einem solchen Fall von erzielbaren fiktiven Einkünften im hiesigen Raum von 750,-EUR netto ausgegangen (vgl. Ziffer 9.2.2 der Leitlinien des OLG). Seit der Trennung bemühe sich die Klägerin vergeblich um eine bezahlte Erwerbstätigkeit. Angesichts ihres Alters und der bisherigen Erwerbsbiographie würden lediglich Aushilfstätigkeiten auf 400,- EUR Basis angeboten.
Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 6. Oktober 2010 zurück. Nach § 240 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) sei sicherzustellen, dass die Beitragsbelastung die gesamte wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des freiwilligen Mitglieds berücksichtige. Bei der Bestimmung der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit seien mindestens die Einnahmen des freiwilligen Mitglieds zu berücksichtigen, die bei einem vergleichbaren versicherungspflichtig Beschäftigten der Beitragsbemessung zugrunde zu legen seien. Zu den beitragspflichtigen Einnahmen gehörten nach den Beitragsverfahrensgrundsätzen Selbstzahler alle Einnahmen und Geldmittel, die zum Lebensunterhalt verbraucht würden oder verbraucht werden könnten, ohne Rücksicht auf ihre steuerliche Behandlung. Einmalige Einnahmen würden mit 1/12 des Jahresbetrages als monatliche beitragspflichtige Einnahmen gelten. Bei der Abfindung zur Erfüllung der Unterhaltsansprüche wegen Beendigung der Ehe handele es sich um eine Einnahme, die der Klägerin zur Bestreitung ihres Lebensunterhaltes zur Verfügung stehe. Durch sie werde die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit geprägt. Nach § 5 Abs. 3 S. 3 Beitragsverfahrensgrundsätze Selbstzahler seien Einmalzahlungen, die nicht im Voraus zu erwarten seien, vom Zeitpunkt ihres Zuflusses dem jeweiligen Kalendermonat mit 1/12 des Betrages für 12 Monate zuzuordnen. Die in den Beitragsverfahrensgrundsätzen Selbstzahler abweichenden Regelungen träfen auf die Unterhaltsabfindung nicht zu. Der Zuordnungszeitraum unterliege insoweit der Begrenzung durch das Datum des Zuflusses der Zahlung. Nach den vorliegenden Unterlagen habe die Klägerin die Unterhaltszahlung am 4. Mai 2010 erhalten, entsprechend würden die monatlichen beitragspflichtigen Einnahmen für die Zeit vom 21. Juli 2010 (Beginn der Mitgliedschaft) bis zum 4. Mai 2011 auf 1/12 der Zahlung, also in Höhe von 2.916,67 EUR festgesetzt.
Hiergegen hat die Klägerin am 21. Oktober 2010 Klage vor dem Sozialgericht (SG) Oldenburg erhoben. Sie hat sich auf ihre Ausführungen im Widerspruchverfahren bezogen und ergänzend vorgetragen, dass sie sich im Vorfeld bei der Beklagten erkundigt und angegeben habe, dass sie derzeit nicht erwerbstätig, sondern arbeitssuchend sei. Sie habe angegeben, sie bewohne ein eigenes abbezahltes Haus und würde einen nachehezeitlichen Ehegattenunterhaltsanspruch in Höhe einer Abfindung von 35.000,00 EUR erhalten. Man habe ihr mitgeteilt, dass sie sich für einen monatlichen Beitrag in Höhe von 139,- EUR versichern könne. Daraufhin habe die Klägerin den Antrag unterschrieben. Sie habe sich darauf verlassen, dass sie nur den Mindestbeitrag auf Grundlage eines monatlichen Einkommens von 500,- EUR zu bezahlen habe. Die Beklagte müsse sich die Angaben ihrer Mitarbeiterin zurechnen lassen, sodass eine Mitgliedschaft begründet worden sei auf Grundlage der Mindestbeiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung.
Auf den Antrag der Klägerin vom 21. Oktober 2010 hat das SG Oldenburg mit Beschluss vom 15. November 2010 die aufschiebende Wirkung der Klage gegen den Widerspruchsbescheid vom 6. Oktober 2010 angeordnet (Az.: S 62 KR 267/10 ER). Der 4. Senat des Landessozialgerichts (LSG) Niedersachsen-Bremen hat die dagegen am 24. November 2010 eingelegte Beschwerde der Beklagten mit Beschluss vom 15. Dezember 2010 (Az.: L 4 KR 559/10 B ER) zurückgewiesen. Nach der im einstweiligen Rechtsschutzverfahren gebotenen summarischen Prüfung sei der Senat zu dem Ergebnis gelangt, dass die Voraussetzungen des § 86 b Abs.1 Nr. 2 iVm § 86 a Abs. 3 S. 2 1. Alt. Sozialgerichtsgesetz (SGG) vorliegen würden. In Anbetracht des Zwecks der der Klägerin von ihrem geschiedenen Ehemann geleisteten Unterhaltsabfindung und der von ihr behaupteten Falschberatung durch die Beklagte sei ein Erfolg der Klage mindestens so wahrscheinlich wie ein Misserfolg.
Die Klägerin hat seit Juni 2010 Beiträge auf Grund der Mindestbemessungsgrenze von 851,67 EUR (2010) gezahlt.
Seit 11. April 2011 stand die Klägerin in einem Arbeitsverhältnis und war pflichtversichert. Anschließend bezog sie Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes (Bl. 65 GA; Bescheide des Jobcenters im Landkreis Z vom 6. Juli 2012 und 24. November 2012 - PKH Heft).
Das SG hat mit Urteil vom 19. November 2012 den Bescheid der Beklagten vom 30. Juni 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 6. Oktober 2010 aufgehoben und die Beklagte verurteilt, die Höhe des Gesamtbeitrages zur Kranken- und Pflegeversicherung auf der Grundlage der Mindestbeitragsbemessungsgrenze neu festzusetzen. Das SG hat zur Begründung ausgeführt, dass nach § 5 Abs. 3 der Beitragsverfahrensgrundsätze Selbstzahler einmalige beitragspflichtige Einnahmen vom Zeitpunkt ihres Zuflusses dem jeweiligen Beitragsmonat mit 1/12 des zu erwartenden Betrages für zwölf Monate zuzuordnen seien. Nach dem Wortlaut dieser Regelung sei die Vorgehensweise der Beklagten nicht zu beanstanden. Zu beachten sei hier jedoch, dass mit der Zahlung der Abfindung in Höhe von 35.000,- EUR die nachehelichen Unterhaltsansprüche der Klägerin vollständig abgegolten sein sollten, so dass eine Umlegung auf nur zwölf Monate der Sachlage nicht gerecht werde. Die Abfindung komme vielmehr im weiteren Sinne einem Versorgungsbezug oder einer Kapitalabfindung aus einer befreienden Lebensversicherung gleich, sodass hier § 5 Abs. 4 Beitragsverfahrensgrundsätze Selbstzahler analog anzuwenden sei. Danach seien die in Form nicht regelmäßig wiederkehrender Leistungen gewährten Versorgungsbezüge, Leistungen aus einer befreienden Lebensversicherung sowie Leistungen von Versicherungsunternehmen, die wegen einer Einschränkung der Erwerbsfähigkeit oder zur Alters- oder Hinterbliebenenversorgung gezahlt würden, vom Zeitpunkt des auf die Auszahlung folgenden Monats dem jeweiligen Beitragsmonat mit einem 1/120 des Zahlbetrages der Leistung für 120 Monate zuzuordnen. Demgemäß sei die Abfindung auf 120 Monate umzulegen, so dass im wirtschaftlichen Ergebnis der Gesamtbeitrag auf der Grundlage der Mindestbemessungsgrenze festzusetzen sei. Gegen das am 18. Dezember 2012 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 15. Januar 2013 Berufung zum LSG Niedersachsen-Bremen eingelegt und darauf hingewiesen, dass sie in Übereinstimmung mit § 5 Abs. 3 S. 3 Beitragsverfahrensgrundsätze Selbstzahler iVm dem Katalog des GKV Spitzenverbandes vom 24. Oktober 2008 über beitragspflichtige Einnahmen und deren beitragsrechtliche Bewertungen nach § 240 SGB V davon ausgehe, dass es sich bei der Abfindung um eine Einmalzahlung gehandelt habe, deren Zahlbetrag für zwölf Monate mit je ein 1/12 den beitragspflichtigen Einnahmen zuzuordnen sei. Eine Vergleichbarkeit mit einem Versorgungsbezug oder einer Kapitalabfindung aus einer befreienden Lebensversicherung sei schon deshalb nicht gegeben, weil es sich bei der streitigen Abfindung von Ehegattenunterhalt weder um einen Versorgungsausgleich noch um eine Leistung zum Ausgleich von Einkommen nach Ausscheiden aus dem Erwerbsleben gehandelt habe, sondern um den Ausgleich nachehelicher Unterhaltsansprüche im Anschluss an die Ehescheidung.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Oldenburg vom 19. November 2012 aufzu- heben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend. Die Beklagte verkenne, dass gemäß § 240 Abs. 1 S. 2 SGB V sicherzustellen sei, dass die Beitragsbelastung die gesamte wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des freiwilligen Mitglieds zu berücksichtigen habe. Bei einer Ehedauer von 20 Jahren sei nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH) von einer langen Ehe auszugehen. Unterhaltsrechtlich bedeute dies, dass der Verpflichtete Unterhalt für die Berechtigte zu zahlen habe jedenfalls bis zum Renteneintritt. Vorliegend sei die Verpflichtung der wirtschaftlichen Situation aufgrund der Ehe der Klägerin besonders stark ausgeprägt, da sie in der Baumschule ihres Ehemannes mitgearbeitet und während der Ehezeit kaum in die Sozialkasse eingezahlt habe. Sie habe nur monatliche Rentenansprüche bezogen auf die Ehezeit in Höhe von 18,63 EUR erworben. Ein Anspruch auf Zugewinnausgleich habe nicht bestanden, weil Gütertrennung vereinbart worden sei. Es sei somit festzustellen, dass die Klägerin nur mit der vereinbarten Abfindungszahlung auf ihren nachehelichen Unterhaltsanspruch in Höhe von 35.000,00 EUR aus der Ehe herausgegangen sei. Angesichts dieser Situation von einer wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit der Klägerin in Höhe eines monatlichen Einkommens von ca. 2.900,- EUR (35.000,00 EUR: 12 Monate) auszugehen, sei unangemessen und würde die Klägerin unverhältnismäßig benachteiligen. Weshalb eine Vergleichbarkeit mit einem Versorgungsbezug nicht gegeben sein sollte, werde von der Beklagten nicht ausgeführt. Unterhalt sei dazu bestimmt, den Lebensbedarf des Berechtigten zu decken.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Verwaltungsakte der Beklagten und der Gerichtsakten L 1/4 KR 17/13 und L 4 KR 559/10 B ER = S 62 KR 267/10 ER (SG Oldenburg) Bezug genommen. Diese haben vorgelegen und sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung und Entscheidungsfindung geworden.
Entscheidungsgründe
Die gemäß § 143 f. SGG form- und fristgerecht erhobene Berufung der Beklagten ist zulässig, aber nicht begründet. Das SG hat in seinem Urteil vom 19. November 2012 zutreffend entschieden, dass die angefochtenen Bescheide der Beklagten rechtswidrig sind und Beiträge seit 21. Juni 2010 (bis 10. April 2011) lediglich auf der Mindestbemessungsgrundlage zu erheben sind.
Nach § 240 Abs. 1 SGB V wird die Beitragsbemessung für freiwillige Mitglieder einheitlich durch den Spitzenverband Bund der Krankenkassen geregelt. Dabei ist sicherzustellen, dass die Beitragsbelastung die gesamte wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des freiwilligen Mitglieds berücksichtigt. Bei der Bestimmung der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit sind mindestens die Einnahmen des freiwilligen Mitglieds zu berücksichtigen, die bei einem vergleichbaren versicherungspflichtig Beschäftigten der Beitragsbemessung zugrunde zu legen sind. Als beitragspflichtige Einnahmen gilt für den Kalendertag mindestens der 90. Teil der monatlichen Bezugsgröße.
Die Beitragsverfahrensgrundsätze Selbstzahler regeln nach ihrem § 1 das Nähere zur Beitragsbemessung für freiwillige Mitglieder der gesetzlichen Krankenversicherung nach Maßgabe des § 240 SGB V. Dies gilt auch für Beiträge zur Pflegeversicherung, soweit das Beitragsrecht der Pflegeversicherung hinsichtlich der Beitragsbemessung auf § 240 SGB V verweist.
Nach § 2 Abs. 1 werden die Beiträge nach den beitragspflichtigen Einnahmen des Mitglieds bemessen. Die Beitragsbemessung hat die gesamte wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Mitglieds zu berücksichtigen. Nach § 3 Abs. 1 sind als beitragspflichtige Einnahmen das Arbeitsentgelt, das Arbeitseinkommen, der Zahlbetrag der Rente der gesetzlichen Rentenversicherung, der Zahlbetrag der Versorgungsbezüge sowie alle Einnahmen und Geldmittel, die für den Lebensunterhalt verbraucht werden oder verbraucht werden können, ohne Rücksicht auf ihre steuerliche Behandlung zugrunde zu legen. Die Einnahmen sind nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten abzugrenzen; eine die beitragspflichtigen Einnahmen mindernde Berücksichtigung von Zwecksetzungen einzelner Einnahmen findet nicht statt. Nach § 5 Abs. 1 sind die beitragspflichtigen Einnahmen jeweils dem Monat der Mitgliedschaft, für den Beiträge zu zahlen sind, zuzuordnen (Beitragsmonat). Laufende beitragspflichtige Einnahmen sind dem Beitragsmonat zuzuordnen, in dem der Anspruch auf sie entsteht oder in dem sie zufließen, sofern nicht eine typisierende Zuordnung bei der Beitragsbemessung der einzelnen Personengruppen vorgeschrieben ist. Einmalige beitragspflichtige Einnahmen, die nicht im Voraus zu erwarten sind, sind nach § 5 Abs. 3 ohne Rücksicht auf den Zeitpunkt ihrer Entstehung oder des Zuflusses dem jeweiligen Beitragsmonat mit 1/12 des zu erwartenden Betrags für zwölf Monate zuzuordnen.
Die in Form nicht regelmäßig wiederkehrender Leistungen gewährten Versorgungsbezüge aus einer befreienden Lebensversicherung sowie Leistungen von Versicherungsunternehmen, die wegen einer Einschränkung der Erwerbsfähigkeit oder zur Alters- und Hinterbliebenenversorgung gezahlt werden, sind vom Zeitpunkt des auf die Auszahlung folgenden Monats dem jeweiligen Beitragsmonat mit 1/120 des Zahlbetrages der Leistung für 120 Monate zuzuordnen (§ 5 Abs. 4 Beitragsverfahrensgrundsätze Selbstzahler).
Abfindungen, Entschädigungen oder ähnliche Leistungen, die wegen Beendigung des Arbeitsverhältnisses in Form nicht monatlich wiederkehrender Leistungen gezahlt werden, sind vom Zeitpunkt des Zuflusses dem jeweiligen Beitragsmonat mit einem Betrag in Höhe des laufenden Arbeitsentgelts, das zuletzt vor Beendigung des Arbeitsverhältnisses erzielt wurde, zuzuordnen, längstens für die Zeit (Tage), die sich in entsprechender Anwendung des § 143 a SGB III ergibt (§ 5 Abs. 5 Beitragsverfahrensgrundsätze Selbstzahler).
Nach der Rechtsprechung des BSG sind die Beitragsverfahrensgrundsätze Selbstzahler eine ausreichende Rechtsgrundlage für die Beitragsfestsetzung (BSG, Urteile vom 19. Dezember 2012 - B 12 KR 20/11 R; 18. Dezember 2013 - B 12 KR 3/12 R und B 12 KR 15/11 R)
Bei der an die Klägerin gezahlten Abfindung des nachehelichen Unterhaltes handelt es sich nicht um eine einmalige Einnahme im Sinne des § 5 Abs. 3 Beitragsverfahrensgrundsätze Selbstzahler.
Bei der an die Klägerin gezahlten Abfindung handelt es sich weder um Arbeitsentgelt, Arbeitseinkommen, Rente oder einen Versorgungsbezug iS von § 3 Abs. 1 Beitragsverfahrensgrundsätze. Sie ist auch keine Einnahme nach § 3 Abs. 1 a oder b. Eben so wenig liegt ein Versorgungsbezug oder eine Leistung aus einer befreienden Lebensversicherung (§ 5 Abs. 4) oder eine Abfindung/Entschädigung, die wegen Beendigung eines Arbeitsverhältnisses gezahlt wird (§ 5 Abs. 5), vor. Die Abfindung auf nachehelichen Unterhalt kann aber als Einnahme angesehen werden, die zum Lebensunterhalt verbraucht wird oder verbraucht werden kann (§ 3 Abs. 1).
Der Abfindungszahlung auf den nachehelichen Unterhaltsanspruch ist der Klägerin zwar in einer Summe zugeflossen, es liegt jedoch keine einmalige Einnahme im Sinne von § 5 Abs. 3 Beitragsverfahrensgrundsätze vor, die dem jeweiligen Beitragsmonat mit 1/12 zuzuordnen ist, sondern diese Einnahme ist nach ihrem Zweck über einen längeren Zeitraum zu verteilen.
Nicht jeder Betrag, der in einer Summe ausgezahlt wird, ist - wie die die Regelungen in § 5 Abs. 4 Beitragsverfahrensgrundsätze Selbstzahler zu den Versorgungsbezügen oder dem Unterhalt dienenden Leistungen von Versicherungsunternehmen zeigen- eine einmalige Einnahme im Sinne des § 5 Abs. 3 Beitragsverfahrensgrundsätze.
Einmalige Einnahmen sind Einnahmen, bei denen sich das Geschehen im Wesentlichen in einer einzigen Leistung erschöpft und die nicht wiederkehrend sind (z.B. typischerweise sind dies etwa einmalige Sozialleistungen, Schenkungen, Gewinne aus Verlosungen, Steuererstattungen, Nachzahlungen oder Abfindungen nach Arbeitsverhältnissen (Schmidt, in Eicher, SGB II, 3. Auflage, 2013, § 11 SGB II Rdnr. 34).
Die an die Klägerin gezahlte Abfindung auf nachehelichen Unterhalt dient dem Ausgleich nachehelicher Unterhaltsansprüche, die entstehen, wenn der bedürftige Ehegatte nach der Scheidung nicht selbst für seinen Unterhalt sorgen kann. Nach dem Tag der Rechtskraft eines Scheidungsurteils kann ein Anspruch auf nachehelichen Unterhalt bestehen. Für die Zeit nach der Scheidung einer Ehe geht das Gesetz (§ 1569 Abs. 1 Satz 1 Bürgerliches Gesetzbuch -BGB-) grundsätzlich von der Eigenverantwortung jedes Ehegatten für seinen Lebensunterhalt aus. Es gewährt einen Anspruch auf nachehelichen Unterhalt nur unter besonderen, in §§ 1570 bis 1576 BGB aufgezählten Voraussetzungen. Dazu gehören die Bedürfnislage wegen fehlender angemessener Erwerbstätigkeit (§ 1573 Abs. 1 BGB) oder Billigkeitsgründe (§ 1576 BGB). Ein Unterhaltsanspruch besteht nur dann, wenn der Einkommensunterschied zwischen den Ehegatten auf ehebedingten Nachteilen beruht, wenn z.B. die Ehefrau während einer langjährigen Ehe längere Zeit nicht berufstätig war (z.B. wegen Kinderbetreuung), sie ihre Berufskarriere unterbrochen hat und deshalb nach dem Wiedereintritt ins Berufsleben nur schlechter bezahlte Anstellungen bekommt.
Liegt ein Anspruch auf nachehelichen Unterhalt vor, so kann die Unterhaltspflicht nach § 1578 b Abs. 2 BGB zeitlich beschränkt werden oder der Anspruch erlischt, wenn anstelle des nachehelichen Unterhalts durch Gerichtsurteil oder - wie hier- durch vertragliche Vereinbarungen eine Kapitalleistung (§ 1585 Abs. 2 BGB) festgesetzt wird. Diese Kapitalleistung ersetzt den Anspruch auf Unterhalt, der - abhängig von der Dauer der Ehe - nicht nur auf ein Jahr beschränkt ist (vgl. Berger/Manzel, Jauernig, BGB, 14. Aufl., 2011, § 1578 b Rdnr. 7; Büte, in Büte, Poppen, Menne, Unterhaltsrecht, 2. Auflage, 2009, 1578 b Rdnr. 21 mit wN; OLG Oldenburg, Urteil vom 18. Februar 2009 - 4 UF 118/08 Rdnr. 32: 10 Jahre nach 27-jähriger Ehe).
Der Zufluss der 35.000,00 EUR bestimmte also nicht - wie bei einer einmaligen Einnahme - die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit der Klägerin im Monat Mai 2010 oder im Jahr 2010, sondern ersetzt den Unterhaltsanspruch - angesichts der Ehedauer von 22 Jahren - mehrerer Jahre, ersetzt also eine monatlich regelmäßig wiederkehrende Leistung. Sie ist also - wie das SG richtig ausgeführt hat - mit einem (in Form nicht regelmäßig wiederkehrender Leistung gewährten) Versorgungsbezug oder einer Kapitalabfindung aus einer befreienden Lebensversicherung zu vergleichen, die mit 1/120 des Zahlbetrags der Leistung für längsten 120 Monate zuzuordnen sind.
Nach den gesetzlichen Vorschriften ist die gesamte wirtschaftliche Leistungsfähigkeit zu berücksichtigen. Tatsächlich nicht erzielte Einnahmen dürfen nicht fingiert werden (BSG, Urteil vom 18. Dezember 2013 - B 13 KR 15/11 R). Die Beitragsverfahrensgrundsätze haben den allgemeinen Gleichheitsgrundsatz zu beachten, nachteilige Sonderregelungen für einzelne Mitglieder müssen gerechtfertigt werden können. Gleiches gilt für die Behandlung verschiedener Einnahmearten, die nach Heranziehung oder Nichtheranziehung zu Ungleichbehandlung von Mitgliedern führen. Regelungsprobleme ergeben sich bei manchen Einnahmen daraus, dass sie eine Zweckbestimmung aufweisen, die durch die Beitragsverfahrensgrundsätze für Selbstzahler nicht berücksichtigt wird (Peters, Kasseler Kommentar, Band 1, § 240 Rdnr. 27).
Für die hier streitige Einnahme treffen die Beitragsverfahrensgrundsätze keine passende Regelung. Die Beurteilung als einmalige Einnahme, die dem jeweiligen Beitragsmonat mit 1/12 zuzuordnen ist, würde aber zum einen zu einer unangemessenen Schlechterstellung der Klägerin gegenüber Personen führen, die ihren nachehelichen Unterhalt regelmäßig monatlich über einen längeren Zeitraum erhalten. Zum anderen würde dies zu einer unangemessenen Benachteiligung auch gegenüber Empfängern eines (einmaligen) Versorgungsbezuges führen, der ebenfalls auf die Versorgung für einen längeren Zeitraum angelegt ist und bei dem dieser Umstand bei der Beitragsbemessung durch die Verteilung auf längsten 10 Jahre berücksichtigt wird.
Für Versorgungsbezüge, die ebenfalls Einkommens- oder Unterhaltsersatzfunktion haben (vgl. Peters, Kasseler Kommentar, aaO., § 229 Rdnr. 5) galt nach früherem Recht, dass sie nicht beitragspflichtig waren, wenn von vornherein eine nicht wiederkehrende Leistung (Kapitalzahlung) vereinbart worden war. Diese Regelung führte zu Umgehungsmöglichkeiten bei der Beitragspflicht der Versorgungsbezüge und aus Gründen der Gleichbehandlung wurde diese Lücke durch die Neufassung des § 229 Abs. 1 Satz 3 SGB V in der ab 1. Januar 2004 geltenden Fassung durch Art 1 Nr. 143 des GMG vom 14. November 2003 BGBl. I, 2190) geschlossen. Danach wurden nun alle Versorgungsbezüge (auch die, die von vornherein als Kapitalleistung vereinbart worden waren) auf 10 Jahre verteilt (zum Ganzen, Peters, aaO., § 229 Rdnr. 21 ff).
Würde man die an die Klägerin gezahlte Kapitalabfindung auf nachehelichen Unterhalt nur auf ein Jahr verteilen, führte dies zu einer nicht mit dem Gerechtigkeitsgedanken zu vereinbarenden Schlechterstellung, so dass im Falle der Klägerin eine Verteilung auf 10 Jahre angemessen erscheint.
Daraus folgt, dass im Falle der Klägerin in dem streitigen Zeitraum ab 21. Juni 2010 die Beitragsbemessung nach Mindestbeiträgen (wie bisher geschehen) vorzunehmen war.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Es hat kein gesetzlicher Grund vorgelegen, die Revision zuzulassen (§ 160 Abs. 2 SGG).