Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen
Beschl. v. 08.01.2015, Az.: L 8 SO 314/14 B ER
Grundsicherungsleistungen für einen EU-Ausländer; Leistungsausschluss; Gewöhnlicher Aufenthaltsort, Wohnsitz und Daueraufenthaltsrecht; Anspruch auf Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung nach dem SGB XII; Unbeachtlichkeit des Nichtbestehens eines Aufenthaltsrechts beim gewöhnlichen Aufenthalt im Inland; Nichtanwendbarkeit des Leistungsausschlusses nach § 23 Abs. 3 S. 1 SGB XII auf Staatsangehörige der Unterzeichnerstaaten des Europäischen Fürsorgeabkommens
Bibliographie
- Gericht
- LSG Niedersachsen-Bremen
- Datum
- 08.01.2015
- Aktenzeichen
- L 8 SO 314/14 B ER
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2015, 12626
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:LSGNIHB:2015:0108.L8SO314.14B.ER.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- SG Hannover - 26.08.2014 - AZ: S 27 SO 297/14 ER
Rechtsgrundlagen
- § 23 Abs. 3 SGB XII
- § 42 Nr. 1 SGB XII
- § 28 SGB XII
- § 19 Abs. 2 SGB XII
- § 41 SGB XII
- §§ 82 ff. SGB XII
- § 90 SGB XII
- § 30 Abs. 3 SGB I
- § 37 S. 1 SGB I
- § 2 Abs. 2 Nr. 5 FreizügG/EU
- § 4 FreizügG/EU
- § 5 Abs. 5 S. 1 FreizügG/EU
- § 7 Abs. 1 S. 1 Nr. 4 SGB II
- EFA Art. 1
- (2004) § 4a Abs. 7 FreizügG/EU
- § 30 Abs. 3 S. 2 SGB I
- § 23 Abs. 3 S. 1 Alt. 1 SGB XII
- § 41 Abs. 1 S. 1 SGB XII
Fundstellen
- FEVS 2016, 40-45
- InfAuslR 2015, 304-305
- SAR 2015, 62-65
- info also 2016, 94
Redaktioneller Leitsatz
1. Den gewöhnlichen Aufenthalt hat jemand gemäß § 30 Abs. 3 SGB I - die Vorschrift ist auch im Rahmen des SGB XII anwendbar (§ 37 Satz 1 SGB I) - dort, wo er sich unter Umständen aufhält, die erkennen lassen, dass er an diesem Ort oder in diesem Gebiet nicht nur vorübergehend verweilt. Generell muss am gewöhnlichen Aufenthaltsort der Schwerpunkt der persönlichen Lebensverhältnisse liegen.
2. Da der gewöhnliche Aufenthalt keinen Wohnsitz (§ 30 Abs. 3 Satz 1 SGB I) voraussetzt, können auch Wohnungslose einen gewöhnlichen Aufenthalt begründen.
3. Für das Bestehen eines Daueraufenthaltsrechts ist es unerheblich, wenn keine Bescheinigung hierüber (§ 5 Abs. 5 Satz 1 FreizügG/EU) vorgelegt wird, da diese Bescheinigung nur deklaratorische Bedeutung hat.
Tenor:
Auf die Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluss des Sozialgerichts Hannover vom 26. August 2014 aufgehoben.
Die Antragsgegnerin wird im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, dem Antragsteller für die Zeit ab dem 1. Juli 2014 bis zum 31. Dezember 2014 vorläufig Leistungen in Höhe von 65,53 EUR monatlich und für die Zeit ab dem 1. Januar 2015 bis zum Eintritt der Bestandskraft des Ablehnungsbescheides der Landeshauptstadt Hannover vom 28. Juli 2014, längstens jedoch bis zum 30. Juni 2015 vorläufig Leistungen in Höhe von 73,53 EUR monatlich zu gewähren.
Die Antragsgegnerin hat die außergerichtlichen Kosten des Antragstellers zu erstatten.
Der Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe für das erstinstanzliche Verfahren und für das Beschwerdeverfahren wird abgelehnt.
Gründe
I. Der Antragsteller und Beschwerdeführer (nachfolgend: Antragsteller) begehrt im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes die Gewährung von Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung nach dem Vierten Kapitel des SGB XII. Der 1940 geborene Antragsteller ist italienischer Staatsangehöriger und bezieht seit Juli 2000 von der Deutschen Rentenversicherung Knappschaft-Bahn-See bzw. einem Rechtsvorgänger Altersrente, ursprünglich wegen Arbeitslosigkeit oder nach Altersteilzeitarbeit (Auszahlungsbetrag ab Juli 2013: 320,10 EUR; ab Juli 2014: 325,47 EUR). Bis Oktober 2008 gewährte ihm die Landeshauptstadt Hannover (LHH) namens und im Auftrag der Antragsgegnerin und Beschwerdegegnerin (nachfolgend: Antragsgegnerin) ergänzende Leistungen nach dem Vierten Kapitel des SGB XII. Die Leistungsgewährung endete, weil der Verdacht bestand, dass der Antragsteller Sozialleistungen aus Italien bezog, nachdem er einen Termin zur persönlichen Vorsprache bei der LHH ohne Entschuldigung nicht wahrgenommen hatte. Der Antragsteller bewohnte bis Mai 2008 eine Wohnung im C. in Hannover und ab Juni 2008 eine Wohnung in der D. in Hannover. Das Mietverhältnis über die Wohnung in der D. endete zum 28. Februar 2009. Der Antragsteller hat angegeben, ausschlaggebend für die Beendigung des Mietverhältnisses sei die Ablehnung von Leistungen für die Erstausstattung für die unmöblierte Wohnung durch die LHH gewesen. Eine neue Wohnung hat er seither, soweit ersichtlich, nicht bezogen. Im Mai 2013 beantragte der Antragsteller Leistungen nach dem Vierten Kapitel des SGB XII. Bei einer Vorsprache bei der LHH am 17. Mai 2013 gab er - einem hierzu gefertigten Gesprächsvermerk zufolge - an, dass er sich im Jahr nur zwei bis drei Monate in Deutschland und im Übrigen in Italien aufhalte. Bei einer weiteren Vorsprache am 30. Mai 2013 erklärte er - dem hierzu gefertigten Gesprächsvermerk zufolge -, sein gewöhnlicher Aufenthalt sei nicht Italien. Er pendele immer sehr unregelmäßig in Abständen von zwei bis vier Monaten zwischen Deutschland und Italien, wobei er von ihm bekannten LKW-Fahrern mitgenommen werde. Die LHH lehnte den Antrag mit Bescheid vom 21. August 2013 mit der Begründung ab, dass der Antragsteller seinen gewöhnlichen Aufenthalt nicht in Hannover habe. Widerspruch erhob der Antragsteller hiergegen nicht. Am 1. Juli 2014 beantragte der Antragsteller erneut Leistungen nach dem Vierten Kapitel des SGB XII und legte einen noch nicht unterzeichneten Mietvertrag über eine Wohnung im E. in Hannover vor. In dem über die Vorsprache gefertigten Aktenvermerk hieß es, der Antragsteller möchte wieder nach Hannover ziehen und die Wohnung mit seiner Freundin beziehen. Nach eigener Aussage pendele er immer zwischen Italien und Hannover. Am 3. Juli 2014 stellte eine Mitarbeiterin des Diakonischen Werkes Hannover - Zentrale Beratungsstelle für Personen in besonderen sozialen Schwierigkeiten - (ZBS Hannover) für den Antragsteller klar, dass dieser alleine in die Wohnung einziehen und nur gelegentlich Besuch von seiner Freundin empfangen wolle. Außerdem übersandte die ZBS Hannover eine Aufenthaltsbestätigung, wonach der Antragsteller seit 2008 ohne festen Wohnsitz sei und sich in der Zwischenzeit ständig in Hannover aufgehalten habe (Schreiben vom 17. und 18. Juli 2014). Die LHH lehnte den Antrag namens und im Auftrag der Antragsgegnerin mit Bescheid vom 28. Juli 2014 ab und führte zur Begründung aus, dass ein EU-Bürger, der (allein) aus dem Freizügigkeitsrecht heraus einreise und keinen anderen ausländerrechtlichen Status aufzuweisen habe, nur dann Ansprüche nach dem SGB XII haben könne, wenn der Aufenthalt als erlaubt anzusehen sei. Wer weder zur Arbeitsuche noch als Arbeitnehmer in Deutschland sei und ohne ausreichende Finanzmittel und/oder ausreichenden Krankenversicherungsschutz einreise, halte sich nicht erlaubt in Deutschland auf und habe keinen Anspruch auf Leistungen nach dem SGB XII. Über den gegen den Bescheid vom 28. Juli 2014 am 6. August 2014 erhobenen Widerspruch des Antragstellers ist bisher nicht entschieden worden. Der Antragsteller hat am 24. Juli 2014 beim Sozialgericht (SG) Hannover einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gestellt, mit dem er Ansprüche auf Leistungen nach dem Vierten Kapitel des SGB XII sowie auf Erteilung einer Zustimmung zum Umzug in die Wohnung E., Hannover, geltend gemacht hat. Er hat unter Vorlage einer eidesstattlichen Versicherung vorgetragen, dass er vor etwa 45 Jahren als Gastarbeiter nach Deutschland gekommen sei und hier seither - wenn auch mit Unterbrechungen - gelebt habe. Er habe seine letzte Beschäftigung im Alter von etwa 57 Jahren verloren und im Anschluss bis zum Beginn des Rentenbezuges Arbeitslosenhilfe erhalten. Seit der Beendigung des Mietverhältnisses über die Wohnung in der D. sei er wohnungslos. Seinen Lebensunterhalt habe er mit seiner Rente bestritten und sei bei verschiedenen Freunden in Hannover untergekommen. Wenn etwas Geld übrig gewesen sei, habe er in einer Pension gelebt. Er sei jährlich etwa für drei Monate in Italien, wo er seine Familie in Neapel besuche. Er lebe jedoch in Hannover und habe seinen Lebensmittelpunkt in Hannover. Auf Aufforderung des SG, nähere Angaben zu seinem Aufenthalt in den letzten sechs Jahren zu machen, hat der Antragsteller unter Vorlage einer weiteren eidesstattlichen Versicherung ergänzend vorgetragen, dass er sich in den letzten sechs Jahren überwiegend in Deutschland aufgehalten habe. Seit 2009 halte er sich jährlich für etwa sieben bis acht Monate in Deutschland und für vier bis fünf Monate - üblicherweise von November bis Februar/März - in Italien auf. In Italien wohne er bei seinem Bruder in Neapel. In Deutschland lebe er auf der Straße und schlafe im Warteraum des Hauptbahnhofs Hannover. Etwa zwei- bis dreimal wöchentlich gehe er zu Bekannten in der D., wo er sich rasieren und waschen könne. Er hat ein Schreiben der ZBS Hannover vom 20. August 2014 vorgelegt, in dem bestätigt worden ist, dass der Antragsteller seit dem 23. Dezember 2008 in laufendem Kontakt mit der Beratungsstelle stehe und unter deren Adresse postalisch erreichbar sei. Der Antragsteller hat die Auffassung vertreten, dass er seinen gewöhnlichen Aufenthalt in Hannover habe. Er halte sich außerdem erlaubt in Deutschland auf, weil er ein Daueraufenthaltsrecht nach § 4a FreizügG/EU habe. Die Voraussetzungen für einen Leistungsausschluss gemäß § 23 Abs. 3 SGB XII seien nicht erfüllt, weil er nicht nach Deutschland eingereist sei, um Sozialhilfe zu erhalten. Im Übrigen ergebe sich ein grundsätzlicher Leistungsanspruch auch aus dem Europäischen Fürsorgeabkommen (EFA). Die Antragsgegnerin ist dem Antrag entgegengetreten. Der Antragsteller verfüge über keine ausreichenden Existenzmittel und sei daher als nicht erwerbstätiger Unionsbürger nicht gemäß § 2 Abs. 2 Nr. 5, § 4 FreizügG/EU freizügigkeitsberechtigt. Bei unerlaubtem Aufenthalt bestehe kein Anspruch auf Sozialhilfe. Auch im Rahmen des EFA werde ein erlaubter Aufenthalt vorausgesetzt. Das SG hat den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung mit Beschluss vom 26. August 2014 abgelehnt. Der Antragsteller habe einen Anordnungsanspruch nicht glaubhaft gemacht. Es sei davon auszugehen, dass sich der Antragsteller in den letzten sechs Jahren überwiegend in Italien aufgehalten habe und nunmehr beabsichtige, wieder in Deutschland zu leben. Da der Antragsteller somit wieder nach Deutschland eingereist sei, greife der Leistungsausschluss gemäß § 23 Abs. 3 SGB XII ein. Der Antragsteller könne sich außerdem nicht auf das EFA berufen, da es hierfür an einem Aufenthaltsrecht des Antragstellers fehle. Ein Aufenthaltsrecht ergebe sich nicht aus § 2 Abs. 2 Nr. 5 i.V.m. § 4 FreizügG/EU, weil der Antragsteller nicht über genügend Existenzmittel verfüge. Der Antragsteller habe den Nachweis für das Vorliegen eines Daueraufenthaltsrechts gemäß § 4a FreizügG/EU nicht erbracht. Der Antragsteller hat hiergegen am 26. September 2014 Beschwerde eingelegt, mit der er einen Anspruch auf Leistungen nach dem Vierten Kapitel des SGB XII weiterverfolgt. Er hat ein Schreiben der ZBS Hannover vom 26. September 2014 vorgelegt, in dem bestätigt worden ist, dass der Antragsteller dort seit Jahren regelmäßig, mindestens einmal wöchentlich, vorspreche. Die einzelnen Termine der Vorsprachen seien zwar nur noch für die Zeit ab Mai 2013 erfasst, allerdings habe der Antragsteller auch davor in etwa gleichen Abständen bei der ZBS Hannover vorgesprochen. Er sei nie länger als ein paar Monate im Jahr im Italien gewesen und habe seinen dauerhaften Aufenthalt und Lebensmittelpunkt trotz der derzeitig bestehenden Wohnungslosigkeit seit Jahrzehnten in Hannover. Dem Schreiben war eine Aufstellung über 55 Vorsprachen des Antragstellers bei der ZBS Hannover in der Zeit vom 13. Mai 2013 bis zum 25. September 2014 beigefügt. Zur Begründung trägt der Antragsteller ergänzend vor, es sei wohl unstreitig, dass er bis 2008 ein Daueraufenthaltsrecht gemäß § 4a FreizügG/EU gehabt habe. Außerdem könne nicht davon ausgegangen werden, dass er das Aufenthaltsrecht wieder verloren habe, denn gemäß § 4a Abs. 7 FreizügG/EU führe erst eine Abwesenheit aus einem seiner Natur nach nicht nur vorübergehenden Grund von mehr als zwei aufeinander folgenden Jahren zum Verlust des Daueraufenthaltsrechts. Auf Anfrage des Senats hat er mitgeteilt, dass er im November 2014 nicht nach Italien gereist sei, sondern sich weiter in Deutschland aufhalte; er plane, lediglich die Weihnachtstage in Italien zu verbringen. Die Antragsgegnerin hält die Beschwerde für unbegründet und verweist auf ihre bisherigen Stellungnahmen sowie den Beschluss des SG vom 26. August 2014. Sie hat einen Vermerk über eine am 4. Dezember 2014 bei der LHH erfolgte Vorsprache eines - namentlich nicht genannten - Leistungsbeziehers übersandt, der hierbei behauptet hat, der Antragsteller fahre nach einem Aufenthalt von wenigen Tagen in Deutschland wieder zurück nach Italien und beziehe dort Sozialhilfe. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der beigezogenen Verwaltungsakten der Antragsgegnerin Bezug genommen.
II. Die form- und fristgerecht (§ 173 SGG) eingelegte Beschwerde ist statthaft (§ 172 SGG). Insbesondere ist sie nicht nach § 172 Abs. 3 Nr. 1 i.V.m. § 144 Abs. 1 SGG ausgeschlossen, denn der Wert des Beschwerdegegenstandes übersteigt 750 EUR (§ 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG). Gegenstand des Beschwerdeverfahrens sind ausschließlich Leistungen nach dem Vierten Kapitel des SGB XII. Die Erteilung einer Zustimmung zum Umzug in die Wohnung E., Hannover, begehrt der Antragsteller im Beschwerdeverfahren nicht mehr. In zeitlicher Hinsicht ist das Begehren dahin auszulegen, dass der Zeitraum Juli 2014 bis Juni 2015 streitgegenständlich ist. Insoweit ist zum einen zu berücksichtigen, dass sowohl der Leistungsantrag nach dem SGB XII als auch der Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz im Juli 2014 gestellt worden sind, und zum anderen, dass Leistungen nach dem Vierten Kapitel des SGB XII in der Regel für zwölf Monate bewilligt werden (§ 44 Abs. 1 Satz 1 SGB XII). Außerdem ist das Vorbringen des Antragstellers dahin auszulegen, dass er für die Zeit von Juli bis Dezember 2014 Leistungen in Höhe von (zumindest) 65,53 EUR monatlich und für die Zeit von Januar bis Juni 2015 in Höhe von (zumindest) 73,53 EUR monatlich und damit insgesamt in Höhe von (zumindest) 834,36 EUR begehrt. Denn bereits der Regelbedarf gemäß Regelbedarfsstufe 1 (§ 42 Nr. 1 SGB XII i.V.m. Anlage zu § 28 SGB XII) in Höhe von 391 EUR (Juli bis Dezember 2014) bzw. 399 EUR (Januar bis Juni 2015) übersteigt die Altersrente des Antragstellers (325,47 EUR) in entsprechender Höhe. Die Beschwerde ist auch begründet. Das SG hat den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung zu Unrecht abgelehnt. Einstweilige Anordnungen sind nach § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Voraussetzung für den Erlass einer einstweiligen Anordnung ist, dass ein geltend gemachtes Recht gegenüber dem Antragsgegner besteht (Anordnungsanspruch) und der Antragsteller ohne den Erlass der begehrten Anordnung wesentliche Nachteile erleiden würde (Anordnungsgrund). Sowohl die hinreichende Wahrscheinlichkeit eines in der Sache gegebenen materiellen Leistungsanspruchs als auch die Eilbedürftigkeit der Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile sind glaubhaft zu machen (§ 86b Abs. 2 Satz 4 SGG i.V.m. § 920 Abs. 2 ZPO). Nach diesen Maßgaben hat der Antragsteller einen Anspruch auf Leistungen nach dem Vierten Kapitel des SGB XII sowie einen Anordnungsgrund glaubhaft gemacht. Der Antragsteller hat glaubhaft gemacht, dass er zum leistungsberechtigten Personenkreis gemäß § 19 Abs. 2, § 41 SGB XII gehört. Er hat die maßgebliche Altersgrenze (§ 41 Abs. 2 Satz 1, 2 SGB XII) erreicht und zudem glaubhaft gemacht, dass er seinen Lebensunterhalt nicht aus Einkommen oder Vermögen bestreiten kann (§ 41 Abs. 1 Satz 1 SGB XII). Konkrete Anhaltspunkte dafür, dass er neben seiner Altersrente sonstiges Einkommen (§§ 82 bis 84 SGB XII) erzielt oder über einzusetzendes Vermögen (§ 90 SGB XII) verfügt, liegen nicht vor. Im Übrigen geht auch die Antragsgegnerin - ebenso wie das SG - davon aus, dass der Antragsteller deswegen kein Aufenthaltsrecht gemäß § 2 Abs. 2 Nr. 5, § 4 FreizügG/EU hat, weil er über keine ausreichenden Existenzmittel verfügt. Der Antragsteller hat außerdem glaubhaft gemacht, dass er seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Inland hat (§ 41 Abs. 1 Satz 1 SGB XII). Den gewöhnlichen Aufenthalt hat jemand gemäß § 30 Abs. 3 Satz 2 SGB I - die Vorschrift ist auch im Rahmen des SGB XII anwendbar (§ 37 Satz 1 SGB I) - dort, wo er sich unter Umständen aufhält, die erkennen lassen, dass er an diesem Ort oder in diesem Gebiet nicht nur vorübergehend verweilt. Generell muss am gewöhnlichen Aufenthaltsort der Schwerpunkt der persönlichen Lebensverhältnisse liegen (Blüggel in: jurisPK-SGB XII, 2. Auflage 2014, § 41 Rn. 107). Bereits aus dem Wortlaut der Vorschrift ergibt sich, dass das Bestehen eines gewöhnlichen Aufenthalts keinen ständigen Aufenthalt erfordert und vorübergehende Abwesenheiten einem gewöhnlichen Aufenthalt nicht entgegenstehen (Schlegel in: jurisPK-SGB I, 2. Auflage 2011, § 30 Rn. 36). Eine längere Verweildauer am Aufenthaltsort gehört regelmäßig zu den Umständen, die den Schluss auf einen gewöhnlichen Aufenthalt rechtfertigen (Bundessozialgericht - BSG -, Urteil vom 16. Oktober 1986 - 12 RK 13/86, Rn. 11 - juris; Blüggel, aaO.). Da der gewöhnliche Aufenthalt keinen Wohnsitz (§ 30 Abs. 3 Satz 1 SGB I) voraussetzt, können auch Wohnungslose einen gewöhnlichen Aufenthalt begründen (Thie in: LPK-SGB XII, 9. Auflage 2012, § 41 Rn. 10). Vorliegend hat sich der Antragsteller unter Zugrundelegung seiner Angaben im streitgegenständlichen Zeitraum, also seit Juli 2014, überwiegend in Hannover aufgehalten; dort hat - seinen Angaben zufolge - der Schwerpunkt seiner persönlichen Lebensverhältnisse gelegen. Seine Angaben stellen sich als glaubhaft dar, die von ihm behaupteten Tatsachen sind also überwiegend wahrscheinlich. Die von ihm abgegebenen eidesstattlichen Versicherungen, die generell zur Glaubhaftmachung geeignet sind (§ 202 Satz 1 SGG i.V.m. § 294 Abs. 1 ZPO), werden vor allem durch die Schreiben der ZBS Hannover vom 17./18. Juli 2014, 20. August 2014 und 26. September 2014 gestützt. Die Aufstellung vom 26. September 2014 dokumentiert regelmäßige Vorsprachen des Antragstellers in der Zeit von Mai 2013 bis September 2014, ohne dass Anlass besteht, an der Richtigkeit der Angaben der ZBS Hannover zu zweifeln. Lediglich für die Monate August bis November 2013 sowie für Januar 2014 sind keine Vorsprachen des Antragstellers dokumentiert. Einem gewöhnlichen Aufenthalt des Antragstellers im Inland steht auch nicht das Fehlen eines Aufenthaltsrechts entgegen (vgl. zur Einfärbungslehre bei der Auslegung des § 30 Abs. 3 SGB I: Schlegel, aaO., Rn. 49 ff.). Nach summarischer Prüfung ist das Bestehen eines Aufenthaltsrechts keine notwendige Voraussetzung für das Vorliegen eines gewöhnlichen Aufenthalts im Inland gemäß § 41 Abs. 1 Satz 1 SGB XII. Das BSG hat zum Erfordernis des gewöhnlichen Aufenthalts gemäß § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 SGB II entschieden, dass das Innehaben einer bestimmten Freizügigkeitsberechtigung nach dem FreizügG/EU oder eines bestimmten Aufenthaltstitels nach dem AufenthG kein zusätzliches Anspruchsmerkmal darstellt, und dies maßgeblich mit der Regelungssystematik des SGB II begründet, das Leistungsausschlüsse für Ausländer in § 7 Abs. 1 Satz 2 SGB II vorsieht (BSG, Urteil vom 30. Januar 2013 - B 4 AS 54/12 R, Rn. 19 - juris). Entsprechendes gilt für das SGB XII, das in § 23 SGB XII Regelungen über Sozialhilfe für Ausländer trifft. Ohnehin hat der Antragsteller glaubhaft gemacht, dass er ein Daueraufenthaltsrecht hat. Ausgangspunkt sind hierbei die Angaben des Antragstellers über seine jahrzehntelange Erwerbstätigkeit in Deutschland, die dadurch gestützt werden, dass er eine Altersrente aus der deutschen gesetzlichen Rentenversicherung bezieht. Im Hinblick auf diese Erwerbstätigkeit begegnet die Annahme des Antragstellers, dass er ein Daueraufenthaltsrecht erworben hat, keinen durchgreifenden Bedenken. Zum anderen kann nicht davon ausgegangen werden, dass er das Daueraufenthaltsrecht verloren hat. Insbesondere fehlen konkrete Anhaltspunkte dafür, dass nach dem Eintritt von Wohnungslosigkeit und dem Ende des Bezuges von Leistungen nach dem Vierten Kapitel des SGB XII, also nach Oktober 2008, ein Verlust des Aufenthaltsrechts eingetreten ist. Maßstab für die Beurteilung dürfte hierbei unabhängig vom Zeitpunkt der Entstehung des Aufenthaltsrechts § 4a Abs. 7 FreizügG/EU sein, denn die Vorschrift dürfte auch auf Daueraufenthaltsrechte anwendbar sein, die vor ihrem Inkrafttreten am 28. August 2007 entstanden sind (Renner/Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, 10. Auflage 2013, § 4a FreizügG/EU Rn. 72). Der Antragsteller hat glaubhaft gemacht, dass er sich seit 2008 überwiegend in Hannover aufgehalten hat und seine Aufenthalte in Italien keinen ununterbrochenen Zeitraum von mehr als zwei Jahren umfasst haben. Auch insoweit stützt sich der Senat nicht nur auf die eidesstattlichen Versicherungen des Antragstellers, sondern auch auf die Schreiben der ZBS Hannover vom 17./18. Juli 2014, 20. August 2014 und 26. September 2014, in denen ein laufender Kontakt mit dem Antragsteller seit Dezember 2008 bestätigt worden ist. Eine Abwesenheit von weniger als zwei Jahren kann gemäß § 4a Abs. 7 FreizügG/EU nicht zum Verlust des Daueraufenthaltsrechts führen. Für das Bestehen eines Daueraufenthaltsrechts ist es unerheblich, dass der Antragsteller keine Bescheinigung hierüber (§ 5 Abs. 5 Satz 1 FreizügG/EU) vorgelegt hat, da diese Bescheinigung nur deklaratorische Bedeutung hat (Renner/Bergmann/Dienelt, aaO., § 5 FreizügG/EU Rn. 5, 40; vgl. BSG, Vorlagebeschluss vom 12. Dezember 2013 - B 4 AS 9/13 R, Rn. 13 - juris). Der Antragsteller hat glaubhaft gemacht, dass ein Anspruch auf Sozialhilfe nicht gemäß § 23 Abs. 3 Satz 1 Alt. 1 SGB XII - ein Ausschluss gemäß § 23 Abs. 3 Satz 1 Alt. 2 SGB XII kommt ohnehin nicht in Betracht - ausgeschlossen ist. Die Vorschrift ist bei Staatsangehörigen der Signatarstaaten des EFA, die sich erlaubt in Deutschland aufhalten, nicht anwendbar, denn sie wird insoweit durch das Gleichbehandlungsgebot gemäß Art. 1 EFA verdrängt. Der Senat hat dies mit Beschluss vom 23. Mai 2014 (L 8 SO 129/14 B ER - juris) entschieden und hält an seiner Auffassung fest. Der Antragsteller hat für die Zeit vom 1. Juli bis zum 31. Dezember 2014 einen Leistungsanspruch in Höhe von 65,53 EUR monatlich und für die Zeit ab dem 1. Januar 2015 in Höhe von 73,53 EUR monatlich glaubhaft gemacht. Als Bedarf ist derzeit lediglich der Regelbedarf gemäß Regelbedarfsstufe 1 in Höhe von 391 EUR (Juli bis Dezember 2014) bzw. 399 EUR (ab Januar 2015) zu berücksichtigen (§ 42 Nr. 1 i.V.m. Anlage zu § 28 SGB XII). Weitere Bedarfe sind bisher nicht erkennbar, insbesondere hat der Antragsteller, soweit ersichtlich, noch keine Aufwendungen für Unterkunft und Heizung zu tragen (§ 42 Nr. 4, § 35 SGB XII). Auf den Bedarf des Antragstellers ist seine Altersrente in Höhe von derzeit 325,47 EUR anzurechnen. Dass von diesem Betrag Abzüge gemäß § 82 Abs. 2 SGB XII vorzunehmen sind, ist nicht ersichtlich. Auf der anderen Seite fehlen bisher Anhaltspunkte für weiteres Einkommen des Antragstellers. Der Antragsteller hat auch einen Anordnungsgrund glaubhaft gemacht, weil er zur Bestreitung seines aktuellen Lebensunterhalts - soweit ersichtlich - über keine genügenden finanziellen Mittel aus Einkommen oder Vermögen verfügt Die gerichtliche Anordnung erstreckt sich auf einen Zeitraum vom 1. Juli 2014 bis zur möglicherweise eintretenden Bestandskraft des Bescheides der LHH vom 28. Juli 2014, längstens bis zum 30. Juni 2015 (§ 44 Abs. 1 Satz 1 SGB XII). Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Soweit der Antrag auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes zunächst auch auf Erteilung einer Zustimmung zum Umzug gerichtet war, ist er zwar ohne Erfolg geblieben. Dies steht aber der vollen Kostentragung durch die Antragsgegnerin nicht entgegen. Der Antragsteller hat sein wesentliches Antragsziel erreicht, und der Bezug von Leistungen nach dem Vierten Kapitel des SGB XII dürfte ihm auch die Möglichkeit eröffnen, eine kostenangemessene Wohnung anzumieten. Der Antrag des Antragstellers auf Gewährung von Prozesskostenhilfe (PKH) für das erstinstanzliche Verfahren ist unzulässig, weil das SG für dieses Verfahren mit Beschluss vom 11. August 2014 PKH bewilligt hat. Auch der Antrag auf Gewährung von PKH zur Durchführung des Beschwerdeverfahrens war abzulehnen, weil die Antragsgegnerin die ihm durch das Beschwerdeverfahren entstandenen außergerichtlichen Kosten zu erstatten hat und dem Antragsteller daher für seinen PKH-Antrag das Rechtsschutzbedürfnis fehlt. Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 177 SGG).