Verwaltungsgericht Göttingen
Urt. v. 12.07.2007, Az.: 4 A 66/04
Gerichtliche Überprüfung einer Entscheidung über einen Streitfall i.S.v. § 118 Abs. 1 Niedersächsisches Wassergesetz (NWG); Voraussetzungen für das Vorliegen der Eigenschaft und die Existenz eines oberirdischen Gewässers
Bibliographie
- Gericht
- VG Göttingen
- Datum
- 12.07.2007
- Aktenzeichen
- 4 A 66/04
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2007, 52908
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:VGGOETT:2007:0712.4A66.04.0A
Verfahrensgang
Rechtsgrundlagen
Verfahrensgegenstand
Gewässerunterhaltung
In der Verwaltungsrechtssache ...
hat das Verwaltungsgericht Göttingen - 4. Kammer -
auf die mündliche Verhandlung vom 12. Juli 2007
durch
den Vizepräsidenten des Verwaltungsgerichts R.,
den Richter am Verwaltungsgericht S.,
die Richterin am Verwaltungsgericht T. sowie
die ehrenamtlichen Richter U. und V.
für Recht erkannt:
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens. Die außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen sind erstattungsfähig.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.
Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht der jeweilige Vollstreckungsgläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Tatbestand
Der Kläger wendet sich mit der Klage gegen die Festsetzung einer Gewässerunterhaltungspflicht durch den Beklagten.
Die W. - ein Gewässer 2. Ordnung - durchfließt das Gemeindegebiet der Stadt K. in Ost- West-Richtung etwa 600 bis 700 m nördlich des Stadtkerns. Etwa 600 m östlich der sog. Osttangente - einer Umgehungsstraße - befinden sich zwei Streichwehre und - östlich davon - der sog. "Trockene Überfall". Die Streichwehre dienen dem Anstau der W. sowie - wie auch der "Trockene Überfall" - der Abführung von Wasser nach Norden im Hochwasserfall, welches sodann nach etwa 150 m in westliche Richtung im historischen Bett der W. weiterfließt. Das übrige Wasser fließt als sog. X. nach Westen und vereinigt sich unmittelbar westlich der Osttangente - an der sog. "Schiefen Flut" - wieder mit der W.. Kurz zuvor zweigt ein Teil des Gewässers nach Südwesten ab, schwenkt nach etwa 600 m nach Nordwesten und später nach Norden und vereinigt sich sodann wieder mit dem Bett der W.; auch dieser Teil des Gewässers wird als X. bezeichnet. Im Jahr 1983 kam es zur Durchdämmung und zu einer weitgehenden Abtrennung dieses westlichen Teils des X., in dem seither nur im geringen Umfang Wasser abgeführt wurde und der vollständig verschlossen werden kann.
Im Bereich des westlichen Teils des X. wurde im Jahr 1320 durch die Mönche des Klosters K. eine Wassermühle eingerichtet. Zum Betrieb dieser Mühle legten die Mönche, von der W. abzweigend, als künstliches Gewässer den X. an. Um das Wasser von der W. in den Kanal leiten zu können, stauten sie die W. mittels der Streichwehre an. Dies führte dazu, dass das ursprüngliche Bett der W. im Bereich der Streichwehre und des "Trockenen Überfalls" über erhebliche Zeiträume des Jahres hinweg trocken fiel.
Am 26.7.1921 wurde der Y. K. AG das im Wasserbuch eingetragene Recht verliehen, das gesamte Wasser der W. in den X. einzuleiten und zum Mühlenbetrieb zu nutzen, soweit es nicht durch die am rechten Ufer des Kanals vorhandenen drei Überfälle (zwei Streichwehre und der "Trockene Überfall") sowie an der "Schiefen Flut" abgeführt werde. Später wurde der Mühlenbetrieb in einen Kraftwerksbetrieb umgewandelt. Weil der westliche Teil des Mühlengrabens nur ein geringes Fassungsvermögen hatte, wurde im Bereich des Übergangs vom östlichen in den westlichen Teil des X. s an der "Schiefen Flut" eine neue Kraftwerksanlage errichtet. Durch Bewilligungsbescheid vom XX.XX.XXXX erhielt die Y. AG das Recht, 17,2 m³/s zum Betrieb einer Wasserkraftanlage zu nutzen. Dieses Recht ging im Jahr 1975 auf die Firma Z., AA., über, der auch die Grundstücke des X. s gehörten. Die Firma Z. erhielt am XX.X.XXXX das bis XXXX verliehene Recht, "das aufgrund eines bestehenden alten Rechts zur Ableitung des gesamten Wassers der W. im Mühlenkanal (heute genannt AB.) zufließende Wasser auf dem Grundstück Gemarkung K., Flur X, Flurstück XXX, durch ein festes Überfallwehr ... und auf dem Grundstück Gemarkung K., Flur X, Flurstück XXX, durch ein festes Überfallwehr ... anzustauen, das Wasser des X. (Gemarkung K., Flur X, Flurstück XXX/X) am Kraftwerk durch ein bewegliches Wehr ... anzustauen und das im AB. zufließende und angestaute Wasser der W. ... bis zu einer Menge von max. 20 m³/s abzuleiten, um es zum Betrieb einer Wasserkraftanlage zur Erzeugung von elektrischer Energie zu gebrauchen, und wieder in die W. einzuleiten".
Am 26.6.1985 wurden das Kraftwerk und die Grundstücke des östlichen Teils des Mühlenkanals an die Mutter des Klägers verkauft. Am 16.12.1985 wurde das Wasserrecht der Firma Z. auf die Mutter des Klägers übertragen. Zu einem späteren Zeitpunkt gingen das Eigentum an den Gewässergrundstücken und das Wasserrecht auf den Kläger über.
Nachdem der Beklagte den Kläger Ende 2002 zu Unterhaltungsmaßnahmen am X. in Anspruch genommen hatte, beantragte der Kläger unter dem 14.3.2003 bei dem Beklagten, zu entscheiden, dass für den Gewässerabschnitt westlich des Flurstücks XX/X der Flur XX der Gemarkung K. (das im Bereich des "Trockenen Überfalls" liegt) bis zum Kraftwerk als Gewässer 2. Ordnung der zuständige Unterhaltungsverband unterhaltungspflichtig sei. Zur Begründung führte er aus, die W. verlaufe seit Jahrhunderten mit ganz überwiegender Wassermenge im Bett des X., so dass dieser als der Hauptwasserlauf anzusehen sei. Katasterunterlagen wiesen die Gewässerparzelle XXX/XX als Wasserlauf 2. Ordnung aus. Im Übrigen seien selbst Mühlengräben und Triebwerkskanäle als Wasserläufe 2. Ordnung zu behandeln, wenn sie für die Wasserwirtschaft von größerer Bedeutung seien. Der als Kanal bezeichnete Teil des Gewässers habe überörtliche und größere wasserwirtschaftliche Bedeutung als der Altarm der W.. Der Wortlaut der Benutzungsrechte spreche dafür, dass der Kanal die W. sei. Auch im Rahmen des Rhumeausbaus aus Hochwasserschutzgründen, der auch den Bereich südlich des X. betroffen habe, seien alle beteiligten Behörden davon ausgegangen, dass es sich bei dem Ausbauabschnitt um ein Gewässer 2. Ordnung handele.
Durch Bescheid vom 27.10.2003 stellte der Beklagte fest, dem Kläger obliege die Unterhaltungspflicht für die Flurstücke XXX und XXX/XX (X.) sowie XXX/X (westliches Überfallwehr) und XXX/X (östliches Überfallwehr), Flur XX (später korrigiert: Flur X), Gemarkung K.. Zur Begründung bezog er sich auf eine Stellungnahme der Bezirksregierung AC. vom 10.7.2003 und führte aus, die Bezirksregierung habe die Frage der Gewässerklassifizierung W. /X. in K. durch dieses Schreiben abschließend geklärt und eine Übersichtskarte zum Rhumeverlauf für verbindlich erklärt, die die W. von der Quelle in AD. über den "Trockenen Überfall" bis zum Uh-Bach als Gewässer 2. Ordnung und den X. als Gewässer 3. Ordnung ausweise. Hierdurch habe die Obere Wasserbehörde von ihrem gesetzlich eingeräumten Recht Gebrauch gemacht, den Gewässerverlauf und die Gewässerklassifizierung W. /X. im strittigen Bereich durch eine detailgenaue Karte im Rahmen der bestehenden Verordnung zu konkretisieren.
Am 17.11.2003 legte der Kläger gegen den Bescheid des Beklagten Widerspruch ein, wobei er vertiefend ausführte, eine Einstufung des X. s als Wasserlauf 3. Ordnung widerspreche den wasserwirtschaftlichen Funktionen dieses Rhumeabschnitts und der seit alters gegebenen Klassifikation.
Die Bezirksregierung AC. wies den Widerspruch durch Widerspruchsbescheid vom 30.4.2004 zurück. Zur Begründung führte sie unter Bezugnahme auf ihre Stellungnahme vom 10.7.2003 aus, der X. habe seit Jahrhunderten den privaten Interessen der Mühlenbetreiber gedient und sei seit Beginn aufgrund des den Mönchen des Klosters K. eingeräumten Rechts, das Wasser der W. zu nutzen, durch das Hauptgewässer gespeist worden. Der Kanal sei daher einst als künstlicher Nebenarm mit dem Ziel der Nutzung durch die Mühlenbetreiber gebaut worden und sei Nebengewässer zur W.. In der Folgezeit hätten die Wasserkraftnutzer durch Ableitung sämtlichen zur Verfügung stehenden Wassers in den X. derart massiv in den Wasserabfluss eingegriffen, dass das Hauptgewässer periodisch trocken gefallen sei. Dies sei jedoch unerheblich, denn nach herrschender Auffassung würden Eigenschaft und Existenz eines oberirdischen Gewässers nicht dadurch beeinträchtigt, dass das Gewässer zeitweilig nicht fließe. Im Übrigen führe die W. im Bereich des "Trockenen Überfalls" heute wieder durchgängig Wasser, nachdem hier eine Sohlgleite errichtet worden sei. Da es sich bei dem X. um einen künstlich geschaffenen Nebenarm handele, teile er auch nicht die Eigenschaft des Hauptgewässers als Gewässer 2. Ordnung. Er sei daher nach dem System des Nds. Wassergesetzes als Gewässer 3. Ordnung anzusehen. Der Verordnungsgeber habe es nicht - wie in anderen Fällen von Mühlengräben - für notwendig gehalten, den W. kanal in das Verzeichnis der Gewässer 2. Ordnung aufzunehmen. Der Kanal habe auch nicht die Funktion des Hauptgewässers übernommen. Selbst in Zeiten oberirdischer Trockenheit sei im strittigen Bereich unterirdisch zufließendes Wasser durch die W. abgeführt worden. Die Unterhaltungspflicht folge der Gewässereinordnung; da die Gewässer 3. Ordnung grundsätzlich durch die Eigentümer zu unterhalten seien, sei der Kläger für den östlichen Teil des X. unterhaltungspflichtig. Eine abweichende Unterhaltungspflicht komme lediglich in den gesetzlich festgelegten Fällen in Betracht, die hier nicht vorlägen.
Am 24.5.2004 hat der Kläger Klage erhoben. Er wiederholt und vertieft seinen bisherigen Vortrag und führt ergänzend aus, der Bezirksregierung AC. stehe nicht das Recht zu, die Aussage der Verordnung über die Festsetzung von Gewässern 2. Ordnung nachträglich durch eine bloße geänderte Karte anders zu konkretisieren. Vielmehr hätte es der Änderung der Verordnung bedurft. Die Unterhaltungspflicht hinsichtlich der Flurstücke XXX/X und XXX/X der Flur X der Gemarkung K. sei nicht streitig gewesen, weshalb der Bescheid auch insoweit rechtswidrig und aufzuheben sei.
Der Kläger beantragt,
den Bescheid des Beklagten vom 27.10.2003 und den Widerspruchsbescheid der Bezirksregierung AC. vom 30.4.2004 aufzuheben sowie den Beklagten zu verpflichten, festzustellen, dass für die Wasserflurstücke XXX und XXX/XX der Flur X der Gemarkung K. der Beigeladene unterhaltungspflichtig ist,
und die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten im Vorverfahren für notwendig zu erklären.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er bezieht sich auf seinen bisherigen Vortrag.
Der Beigeladene beantragt gleichfalls,
die Klage abzuweisen.
Er tritt der Rechtsauffassung des Beklagten bei.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze, die Verwaltungsvorgänge des Beklagten, die im Verfahren 4 A 182/04 übersandten Wasserbuchakten sowie die in jenem Verfahren vorgelegten Akten des Nds. Landesbetriebs für Wasserwirtschaft, Küsten- und Naturschutz Bezug genommen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Klage ist nicht begründet.
Gemäß § 118 Abs. 1 des Nds. Wassergesetzes (NWG) kann die Wasserbehörde im Streitfall nach pflichtgemäßem Ermessen bestimmen, wem und in welchem Umfang ihm die Unterhaltung eines Gewässers, eine Kostenbeteiligung oder eine besondere Pflicht im Interesse der Unterhaltung obliegt. Da der Kläger der Auffassung ist, die Unterhaltung der Gewässerflurstücke des östlichen X. obliege nicht ihm, sondern einem anderen Pflichtigen, hat der Beklagte zu Recht einen Streitfall i.S.v. § 118 Abs. 1 NWG angenommen und über diesen im Rahmen des ihm insoweit zustehenden Entschließungsermessens entschieden. Diese Entscheidung ist durch das Verwaltungsgericht nicht lediglich auf Ermessensfehler zu überprüfen; vielmehr obliegt dem Gericht die Prüfung, ob die Festlegung der Unterhaltungspflicht der Gesetzeslage entspricht (Haupt/Reffken/Rhode, NWG, Stand: August 2006, § 118 Rn. 2 m.w.N.).
Der Beklagte hat zu Recht festgestellt, dass dem Kläger die Unterhaltungspflicht für die Flurstücke XXX und XXX/XX (X.) der Flur X der Gemarkung K. obliegt. Die Unterhaltungspflicht als öffentlich-rechtliche Verbindlichkeit (§ 97 NWG) hängt nach dem Nds. Wasserrecht im Wesentlichen von der Klassifizierung der Gewässer in Gewässer 1., 2. und 3. Ordnung ab (vgl. §§ 65-68 NWG). Dementsprechend befasst sich der Rechtsstreit im Kern mit der Frage, ob der X. als Gewässer 2. oder 3. Ordnung anzusehen ist. Gemäß § 100 Abs. 1 NWG obliegt die Unterhaltung der Gewässer 2. Ordnung den in der Anlage zum NWG genannten Wasser- und Bodenverbänden (Unterhaltungsverbänden), soweit sich nicht aus den §§ 105, 106, 110 und 111 etwas anderes ergibt. Demgegenüber obliegt die Unterhaltung der Gewässer 3. Ordnung gemäß § 107 Abs. 1 S. 1 NWG dem Eigentümer bzw. - sofern sich dieser nicht ermitteln lässt - dem Anlieger.
Gemäß § 67 S. 1 NWG sind Gewässer 2. Ordnung die nicht zur 1. Ordnung gehörenden Gewässer, die wegen ihrer überörtlichen Bedeutung für das Gebiet eines Unterhaltungsverbandes in einem Verzeichnis aufgeführt sind, das die Wasserbehörde als Verordnung aufstellt. In der Verordnung der Bezirksregierung AC. "über das Verzeichnis der Gewässer zweiter Ordnung in Gebieten der Unterhaltungsverbände, die der oberen Aufsicht der Bezirksregierung AC. unterstehen" , vom 31.1.1984 (Nds. MBl. S. 216, zuletzt geändert durch Verordnung vom 15.3.2000, Nds. MBl. S. 173) ist die W. im Bereich von der Quelle in AD. bis zum Uh-Bach (Imbshausen-Holtenser Bach) dem beigeladenen N. zugeordnet, der für die W. somit in diesem Bereich gemäß § 100 Abs. 1 NWG unterhaltungspflichtig ist. Im weiteren Bereich vom Uh-Bach bis zum Zufluss in die Leine unterliegt die W. sodann der Unterhaltung durch den AE.. Für den Mühlengraben besteht eine ausdrückliche Zuordnung durch das Verzeichnis der Gewässer 2. Ordnung nicht. Eine solche Zuordnung wäre ohne Weiteres möglich gewesen und ist durch eine nähere Konkretisierung des Verzeichnisses in anderen Fällen auch vorgenommen worden (z.B. ordnet das Verzeichnis dem AE. die Leine "mit Mühlengräben und Flüte in Göttingen" sowie den Mühlgraben der AF. zu). Der X. wäre deshalb lediglich dann Gewässer 2. Ordnung, wenn er Teil des Gewässers W. wäre.
Der Kläger ist der Auffassung, die W. fließe heute im Bett des X. s. Dieser Bereich habe gegenüber dem Altarm der W. eine höhere wasserwirtschaftliche Bedeutung. Er bilde das Gewässer W. und sei daher als Gewässer 2. Ordnung zu qualifizieren. Dem folgt die Kammer nicht. Sie kommt angesichts des historischen Ablaufs und unter Würdigung der vorgetragenen Argumente zu der Auffassung, dass der X. als künstliches Nebengewässer angelegt wurde, um den Interessen der Mühlenbetreiber zu dienen, und dass er diese Funktion auch heute nicht verloren hat.
Wie die Bezirksregierung AC. in ihrem an die Prozessbevollmächtigten des Klägers gerichteten Schreiben vom 10.7.2003 (Gerichtsakte Bl. 12) ausgeführt hat, wurde der X. etwa im Jahr 1320 durch die Mönche des Klosters K. errichtet, um die damalige Wassermühle anzutreiben. Die Ableitung wurde dabei mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nicht - wie es im Vortrag des Klägers anklingt - erst im Bereich des jetzigen Kraftwerks (d.h. im Bereich des Übergangs in den jetzt verschlossenen westlichen Teil des X. s) durchgeführt, sondern bereits im Bereich des "Trockenen Überfalls" und der Streichwehre. Hierfür sprechen der Wortlaut des 1921 verliehenen Wasserrechts ("das gesamte Wasser der W. oberhalb der Mühle in den Mühlenkanal einzuleiten und, soweit es nicht durch die am rechten Ufer des Mühlenkanals vorhandenen drei Überfälle [zwei Streichwehre und der "Trockene Überfall"] sowie durch die Freischleuse - die sog. "Schiefe Flut" - selbsttätig abgeführt wird, dem Mühlenbetriebe nutzbar zu machen ..."), die "Königlich Preussische Landesaufnahme 1876/1878", wonach im Bereich des jetzigen Kraftwerkes gar keine ständig wasserführende Verbindung zwischen X. und W. erkennbar ist, sowie die aus dem Jahr 1884 stammende Katasterkarte (Beiakte C Bl. 129), nach der in diesem Bereich eine schmale, mit einer Wehranlage versehene Verbindung besteht, während der östliche und der westliche Teil des X. s eine in sich geschlossene Einheit bilden.
Der X. diente stets den privaten Interessen der Mühlenbetreiber. Dementsprechend ist in den Wasserbuchakten unter dem 30.11.1919 vermerkt, dass "Unterhaltung, Reinhaltung pp. des Mühlenkanals in seiner ganzen Ausdehnung (Oberwasserlauf und Unterwasserlauf), von der oberen Grenze am Lohgraben an abwärts bis zur Wiedervereinigung mit der W. ... von jeher Sache der Eigentümer der Rhumemühle gewesen" ist (Beiakte C zum Verfahren 4 A 182/04, Bl. 7 f.). Auch heute dient der Kanal wesentlich den Interessen des Klägers als Betreiber des im Bereich der "Schiefen Flut" gelegenen Rhumekraftwerks.
Der Umstand, dass im Laufe der Jahrhunderte durch die Mühlenbetreiber praktisch sämtliches zur Verfügung stehende Wasser in den X. abgeleitet wurde, bis das Hauptgewässer periodisch trocken fiel, führt nicht dazu, dass der X. nunmehr zum neuen Hauptgewässer geworden ist. Die Ermächtigung, das gesamte Wasser eines Gewässers abzuführen mit der Folge, dass dieses trocken fällt, stellt aus heutiger Sicht einen wasserwirtschaftlichen Mangel dar, dem entgegenzuwirken ist. Gegenwärtig ist die ökologische Durchlässigkeit der W. im Bereich ihres historischen Verlaufes am "Trockenen Überfall" wieder hergestellt worden, indem dort eine Sohlgleite errichtet worden ist. Den Akten ist zu entnehmen, dass im Rahmen einer Neubewilligung des Wasserrechts ab dem Jahr 2014 darüber nachzudenken sein wird, ob es dem Kläger weiterhin gestattet werden kann, nahezu 100% des Wassers abzuführen, oder ob eine größere Menge des in der W. zufließenden Wassers in den Altarm der W. abzuleiten ist. Unabhängig hiervon wird die Eigenschaft und die Existenz eines oberirdischen Gewässers nicht dadurch beeinträchtigt, dass dieses Gewässer zeitweilig nicht fließt (vgl. § 1 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 des Wasserhaushaltsgesetzes und des NWG; Haupt/Reffken/Rhode, a.a.O., § 1 Rn. 4 m.w.N.).
Für die Annahme, dass der X., obwohl er im Interesse des Klägers den bei weitem größten Teil des Rhumewassers aufnimmt, nicht selbst zur W. geworden ist, spricht letztlich insbesondere Folgendes: Im November 1998 kam es im Bereich von K. zu einer erheblichen Überflutung der W. und zu einem Grundbruch des Rhumeufers im Bereich des "Trockenen Überfalls", bei dem das Wasser große Erdmassen mit sich riss und dessen ordnungsgemäße Beseitigung Kosten von mehr als 1 Million DM verursachte. Dieses Ereignis lässt erkennen, dass die W. bei erhöhter Wasserführung weiterhin die Neigung hat, in ihrem ursprünglichen Bett zu fließen. Hierzu trägt bei, dass der X. das Wasser nicht im sog. "Taltiefsten", sondern im Interesse der Mühlen- bzw. Kraftwerksbetreiber an einem stärkeren Gefälle erhöht geführt hat und heute noch führt. Auch für den weiteren Verlauf des X. bestehen Indizien, dass das Wasser dem ursprünglichen Rhumeverlauf zustrebt. Aus den Akten ergibt sich, dass die rechte (angeströmte) Gewässerflanke des X. zwischen dem trockenen Überfall und der Osttangente K. einschließlich der beiden Streichwehre besonders gefährdet sind, da das Wasser aus dem in einer flachen Hanglage befindlichen X. dem Taltiefsten zustrebt, wo sich das natürliche Gewässerbett der W. befindet (vgl. den Vermerk des Beklagten vom 2.12.2002, Beiakte B Bl. 27, sowie die gutachtliche Stellungnahme der Sachverständigen Prof. Dr.-Ing. Blümel/Dr.-Ing. Rickert, Hannover , vom 15.3.2003, Beiakte B Bl. 97). In einer früheren gutachtlichen Stellungnahme vom 30.6.1999 (Beiakte A zum Verfahren 4 A 182/04) hat der Sachverständige Blümel hierzu ausgeführt, die W. habe sich anlässlich des Hochwassers im November 1998 "mit der ihr eigenen Dynamik, die bei Hochwasserabfluss natürlich besonders ausgeprägt ist, lediglich dort wieder ein Gewässerbett geschaffen ..., das ihr früher bereits zur Verfügung stand". Aus den Erosionen der rechten Flanke des Mühlenkanals, dem Schadensereignis des Herbstes 1998 und den Ausführungen der Sachverständigen hierzu lässt sich schließen, dass die W., würde man hiergegen nicht einschreiten, in absehbarer Zeit wieder vollständig in ihr ursprüngliches Gewässerbett zurückfließen würde. Dies spricht maßgeblich gegen die Auffassung des Klägers, der Verlauf des Flusses habe sich in den künstlich geschaffenen X. verlagert, und vielmehr dafür, dass der Fortbestand dieses Kanals nur durch eine Aufrechterhaltung des Ableitungsbereiches in seiner derzeitigen Gestalt zu gewährleisten ist.
Der X. ist somit weiterhin künstliches Nebengewässer nimmt daher auch nicht gemäß § 65 Abs. 2 NWG als Teil des natürlichen Gewässers W. an deren Klassifizierung als Gewässer 2. Ordnung teil (vgl. Haupt/Reffken/Rhode, a.a.O., § 65 Rn. 4). Dies gilt unabhängig von der Frage, ob die Bezirksregierung AC. die Verordnung über das Verzeichnis der Gewässer 2. Ordnung durch Herausgabe einer Karte konkretisieren durfte, so dass es hierauf nicht ankommt. Es kann auch dahinstehen, ob eine ggf. vorliegende überörtliche wasserwirtschaftliche Bedeutung es rechtfertigen würde, den Kanal in das Verzeichnis der Gewässer 2. Ordnung aufzunehmen. Maßgeblich ist nämlich ausschließlich, dass der X. weder Bestandteil der W. noch im Verzeichnis gesondert aufgeführt und somit Gewässer 3. Ordnung ist, für das dem Kläger gemäß § 107 Abs. 1 S. 1 NWG die Unterhaltungspflicht obliegt. Hieran ändert auch nichts, dass der Kläger nach seinem Vortrag im Bereich des östlichen X. s in der Vergangenheit keine Unterhaltungsmaßnahmen durchgeführt hat. Selbst wenn derartige Maßnahmen durch nicht unterhaltungspflichtige Dritte vorgenommen worden sein sollten, hätte dies nicht zu einer Verlagerung der aufgrund der gesetzlichen Regelung bestehenden Unterhaltungspflicht geführt.
Die angefochtenen Bescheide sind auch nicht insoweit aufzuheben, als eine Unterhaltungspflicht des Klägers für die beiden Streichwehre (Flurstücke XXX/X und XXX/X der Flur X der Gemarkung K.) ausgesprochen worden ist. Zwar ist davon auszugehen, dass insofern kein Streit i.S.v. § 118 NWG über die Unterhaltungspflicht bestanden hat. Dies hat der Kläger spätestens im Widerspruchsverfahren klargestellt. Es ist jedoch weder substanziiert dargelegt noch ersichtlich, dass er durch die auch nach seiner Auffassung sachlich richtige Entscheidung des Beklagten in seinen Rechten verletzt ist.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 1, 162 Abs. 3 VwGO. Die Kosten des Beigeladenen sind erstattungsfähig, da der Beigeladene einen (erfolgreichen) Antrag gestellt und sich damit einem eigenen Kostenrisiko ausgesetzt hat (vgl. § 154 Abs. 3 VwGO). Da allein der Kläger kostenpflichtig ist, ist eine Entscheidung über den Antrag entbehrlich, die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten im Vorverfahren für notwendig zu erklären (vgl. Eyermann, VwGO, 11. Aufl. 2000, § 162 Rn. 14).
Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergeht nach § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
Rechtsmittelbelehrung
Gegen dieses Urteil ist die Berufung nur zulässig, wenn sie von dem Niedersächsischen Oberverwaltungsgericht in Lüneburg zugelassen worden ist.