Verwaltungsgericht Göttingen
Urt. v. 10.07.2007, Az.: 2 A 25/06

Auskunftserteilung; Auskunftspflicht; Berechnungsgrundlage; Bescheid; Bestandskraft; Dauerverwaltungsakt; Einkommensverhältnis; Elternteil; Ermittlung; Jugendhilfeleistung; Jugendhilfemaßnahme; KICK; Kostenbeitrag; Neufestsetzung; Neuregelung; Prüfung; Vergleich; Volljähriger; Änderung

Bibliographie

Gericht
VG Göttingen
Datum
10.07.2007
Aktenzeichen
2 A 25/06
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2007, 71704
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Tatbestand:

1

Die Beteiligten streiten um die Verpflichtung der Klägerin zur Auskunftserteilung über ihre Einkommensverhältnisse.

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Die Klägerin ist die Mutter des am … geborenen K. C.. Für diesen erbringt die Beklagte seit dem 14. Mai 2001 Jugendhilfeleistungen im Rahmen seiner Unterbringung in einer Wohngruppe. Nach Eintritt der Volljährigkeit von K. wird die Hilfe als Leistung der Hilfe für junge Volljährige fortgesetzt und dauert bis heute, voraussichtlich bis zur Beendigung einer Ausbildung im Jahre 2008 in Form des betreuten Einzelwohnens an. Mit Bescheid vom 24. März 2004 bewilligte die Beklagte K. mit Wirkung vom 17. Oktober 2003 solche Leistungen in Form des § 35 a SGB VIII in einer Wohngruppe und ab 1. April 2004 in Form des betreuten Einzelwohnens mit max. 8 Betreuungsstunden. Gleichzeitig stellte sie im Rahmen der Hilfegewährung K. s Lebensunterhalt gemäß § 39 SGB VIII sicher.

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Seit Beginn der Maßnahme zieht die Beklagte die Klägerin zu einem Kostenbeitrag heran. Gegen entsprechende Heranziehungsbescheide vom 25. Februar und 5. September 2002 hatte die Klägerin Klage erhoben. Diese Verfahren endeten durch übereinstimmende Erledigungserklärungen der Beteiligten in der mündlichen Verhandlung vom 28. Januar 2004, nachdem die Beklagte sich bereit erklärt hatte, ein von der Klägerin in ihrer Wohnung für ihren Sohn vorgehaltenes Zimmer beitragsmindernd zu berücksichtigen. Mit Bescheid vom 27. April 2004 setzte die Beklagte daraufhin den von der Klägerin zu zahlenden Kostenbeitrag ab 1. Januar 2004 auf monatlich 248,00 Euro fest.

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Mit Bescheid vom 7. Dezember 2005, zur Post gegeben am 12. Dezember 2005, teilte die Beklagte der Klägerin mit, dass zum 1. April 2006 eine neue gesetzliche Regelung über die Festsetzung von Kostenbeiträgen bei Jugendhilfemaßnahmen in Kraft trete und bat sie einen beigefügten Fragebogen zu ihren Einkommensverhältnissen bis spätestens zum 31. Januar 2006 zurück zu geben.

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Gegen diesen Bescheid hat die Klägerin am 13. Januar 2006 Klage erhoben.

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Zu deren Begründung führt sie im Wesentlichen aus, der von ihr zu zahlende Kostenbeitrag sei mit Bescheid vom 27. April 2004 bestandskräftig in Höhe von 248,00 Euro festgesetzt worden. Die Bestandskraft stehe einer Neufestsetzung entgegen, zumal der Bescheid auf einer vergleichsähnlichen Abmachung im Rahmen der mündlichen Verhandlung vor der erkennenden Kammer am 28. Januar 2004 beruhe. Im Übrigen sei das betreute Einzelwohnen, das die Beklagte ihrem Sohn gewähre keine Maßnahme für die ein Kostenbeitrag erhoben werden dürfe.

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Die Klägerin beantragt,

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den Bescheid des Beklagten vom 7. Dezember 2005 in Ziffer II aufzuheben.

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Die Beklagte beantragt,

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die Klage abzuweisen.

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Er ist der Ansicht, die Klägerin sei auskunftspflichtig. Die Maßnahme für ihren Sohn sei kostenbeitragspflichtig und sie, die Beklagte, habe zu prüfen, ob der Beitrag nach der geänderten Rechtslage neu festzusetzen sei.

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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze sowie die Verwaltungsvorgänge der Beklagten Bezug genommen. Diese Unterlagen sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.

Entscheidungsgründe

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Die zulässige Klage ist unbegründet.

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Der Bescheid der Beklagten vom 7. Dezember 2005 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

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Rechtsgrundlage für die an die Klägerin gerichtete Aufforderung, über ihre Einkommensverhältnisse Auskunft zu geben, ist § 97 a SGB VIII i.d.F. des Gesetzes zur Weiterentwicklung der Kinder- und Jugendhilfe (Kinder- und Jugendhilfeweiterentwicklungsgesetz -KICK-) vom 8. September 2005 (BGBl. I, S. 2729).

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Danach sind u.a. Elternteile verpflichtet, dem örtlichen Träger über ihre Einkommens- und Vermögensverhältnisse Auskunft zu geben, soweit dies u.a. für die Ermittlung eines Kostenbeitrags nach den §§ 92 bis 94 erforderlich ist. Ein solches Erfordernis besteht hier.

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Die Klägerin ist - auch weiterhin ab dem 1. April 2006 - dem Grunde nach kostenbeitragspflichtig. Dies ergibt sich aus § 91 Abs. 1 Nr. 8 i.V.m. Nr. 6 SGB VIII. Danach wird u.a. für junge Volljährige, die vollstationäre Leistungen erhalten soweit sie den Leistungen der Nr. 5 und 6 entsprechen ein Kostenbeitrag erhoben. Das betreute Wohnen, für das der volljährige Sohn der Klägerin ab 1. April 2004 Jugendhilfeleistungen erhält, ist eine Eingliederungshilfe für seelisch Behinderte in Einrichtungen über Tag und Nacht und in sonstiger Wohnform nach § 35 a Abs. 2 Nr. 4 SGB VIII im Sinne von § 91 Abs. 1 Nr. 6 SGB VIII. Als solche ist die Leistung mit Bescheid vom 24. März 2004 bewilligt und als solche stellt sie sich auch tatsächlich dar (vgl. zu den Erscheinungsformen des betreuten Wohnens Jans/Happe/Saurbier/Maas, Jugendhilferecht, Loseblattsammlung, § 35 a Rn. 55).

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Folglich ist die Klägerin gemäß § 92 Abs. 1 Nr. 5 SGB VIII aus ihrem Einkommen zu den Kosten der Jugendhilfemaßnahme heranzuziehen, was durch Erhebung eines Kostenbeitrags geschieht. Der Umfang der Heranziehung bestimmt sich nach § 94 Abs. 5 SGB VIII i.V.m. der Kostenbeitragsverordnung vom 1. Oktober 2005 (BGBl. I S. 2907). Da die Maßnahme für den Sohn der Klägerin vor dem 1. Oktober 2005 begonnen hat, erfolgt die Heranziehung nach den neuen Vorschriften gemäß § 97 b SGB VIII erst zum 1. April 2006, worauf die Beklagte die Klägerin in dem angefochtenen Bescheid zutreffend hingewiesen hat. Durch das KICK ist eine grundlegende Neuregelung der Kostenbeitragsvorschriften erfolgt, die die Jugendhilfeträger grundsätzlich berechtigt, Kostenbeiträge den nunmehr geltenden Vorschriften entsprechend neu festzusetzen.

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Demgegenüber beruft sich die Klägerin zu Unrecht auf die Bestandskraft des ursprünglichen Kostenbeitragsbescheides vom 27. April 2004. Die Frage, ob ein neuer Kostenbeitrag festzusetzen ist, ist keine, die im Verfahren die Auskunftspflicht betreffend - quasi inzident - zu beantworten ist. Für das Auskunftverlangen reicht es aus, dass, wie hier, eine grundsätzlich kostenbeitragspflichtige Maßnahme vorliegt und der in die Auskunftspflicht Genommene grundsätzlich beitragspflichtig ist. Ob und ggf. in welcher Höhe ein Kostenbeitrag neu festzusetzen ist, ist Gegenstand eines gesonderten anschließenden Verfahrens. Allerdings merkt das Gericht an, dass die geänderte Rechtslage die Beklagte im Rahmen des hier einschlägigen § 48 SGB X grundsätzlich zu einer Änderung des als Dauerverwaltungsakts zu betrachtenden Bescheides vom 27. April 2004 berechtigt. Sie ist auch nicht durch die etwaige Rechtskraft eines mit der Klägerin abgeschlossenen Vergleichs an der Änderung dieses Bescheides gehindert. Ein solcher Vergleich existiert ganz offensichtlich nicht. Die in der mündlichen Verhandlung vom 28. Januar 2004 abgegebenen übereinstimmenden Erledigungserklärungen haben Vergleichswirkung nicht. Keineswegs wollte sich die Beklagte für alle Zukunft damit verpflichten, die damals zugrunde gelegten Berechnungsgrundlagen stets zugrunde zu legen.

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Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 1, 188 Satz 2 VwGO.

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Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit stützt sich auf §§ 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.