Landessozialgericht Niedersachsen
Urt. v. 17.07.2001, Az.: L 9 SB 165/99
1 Stunde; 2 Stunden; Grundpflege; hauswirtschaftliche Verrichtung; hauswirtschaftliche Versorgung; hauswirtschaftlicher Hilfebedarf; Hilfebedarf; Hilflosigkeit; Merkzeichen H; Mindestgrenze; Mindestumfang; Nachteilsausgleich H; Pflegebedürftigkeit; Schwerbehindertenrecht; wirtschaftlicher Wert; zeitliche Grenze; zeitliche Mindestgrenze; zeitlicher Mindestumfang; zeitlicher Umfang
Bibliographie
- Gericht
- LSG Niedersachsen
- Datum
- 17.07.2001
- Aktenzeichen
- L 9 SB 165/99
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2001, 40261
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Verfahrensgang
- vorgehend
- SG - 06.07.1999 - AZ: S 13 SB 282/97
Rechtsgrundlagen
- § 4 Abs 4 SchwbG
- § 59 Abs 1 SchwbG
- § 33b Abs 6 S 2 EStG
- § 33b Abs 6 S 3 EStG
- § 65 Abs 2 S 2 EStDV 1955
- § 35 Abs 1 BVG
- § 15 Abs 1 BVG
- § 14 Abs 1 SGB 11
- § 14 Abs 4 Nr 4 SGB 11
- § 15 Abs 3 SGB 11
Tenor:
Das Urteil des Sozialgerichts Osnabrück vom 6. Juli 1999 wird insoweit abgeändert, als danach der Bescheid des Versorgungsamtes Osnabrück vom 21. Oktober 1996 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 6. Juni 1997 aufgehoben wird.
Im übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.
Der Beklagte hat dem Kläger dessen außergerichtliche Kosten auch des Berufungsverfahrens zu erstatten.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten darüber, ob bei dem Berufungsbeklagten die Voraussetzungen des Nachteilsausgleichs "Hilflosigkeit" (Merkzeichen "H") festzustellen sind.
Der ... 1969 geborene Berufungsbeklagte leidet seit seiner Geburt an den Folgen einer Röteln-Infektion der Mutter während des zweiten Schwangerschaftsmonats. Auf einen im Dezember 1979 gestellten Antrag hin stellte der Berufungskläger mit Bescheid vom 4. Februar 1980 wegen der Funktionsbeeinträchtigungen
-- Taubstummheit
-- Herzfehler
-- asthmatische Bronchitis
-- Neurodermitis
einen Grad der Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) von 100 sowie das Vorliegen der Voraussetzungen der Merkzeichen "G", "H", "RF" und "B" fest.
Aufgrund von Ermittlungen, die er 1991 aufgenommen hatte, entzog der Berufungskläger dem Berufungsbeklagten mit Bescheid vom 20. Juli 1992 nach vorheriger Anhörung das Merkzeichen "H" während er den Grad der Behinderung (GdB) unter Berücksichtigung der Funktionsbeeinträchtigungen
-- Taubstummheit
-- operierter Herzfehler und chronisch spastische Bronchitis
-- Sehminderung mit Augenmuskelstörung
-- Fehlhaltung nach Oberschenkelhalsbruch links
-- Neurodermitis
mit 100 -- ebenso wie die weiteren Merkzeichen -- unverändert neu feststellte. Ein gegen den Entzug des Merkzeichens "H" erhobener Widerspruch des Berufungsbeklagten blieb ohne Erfolg.
Am 19. August 1996 stellte der Berufungsbeklagte einen Verschlimmerungsantrag, mit dem er die erneute Zuerkennung des Merkzeichens "H" begehrte. Das Versorgungsamt (VA) holte einen Befundbericht des behandelnden Arztes Dr. F vom 6. September 1990 ein und lehnte den Antrag mit Bescheid vom 21. Oktober 1996 ab. Zur Begründung führte es aus, daß hinsichtlich der festgestellten Behinderungen eine wesentliche Änderung nicht eingetreten sei und die Voraussetzungen für den Nachteilsausgleich nicht vorlägen. Hiergegen erhob der Berufungsbeklagte am 29. Oktober 1996 Widerspruch, zu dessen Begründung er verschiedene ärztliche Atteste vorlegte. Das VA holte einen Formblatt-Bericht des Dr. F vom 17. Dezember 1996 zum Umfang der beim Berufungsbeklagten erforderlichen Hilfeleistungen bei persönlichen Verrichtungen, wegen dessen Einzelheiten auf Bl. 184 -- 185 der Schwerbehindertenakten Bezug genommen wird, und einen Befundbericht der Augenärztin Dr. P vom 25. März 1997 ein. Den Widerspruch wies das Landesversorgungsamt mit Widerspruchsbescheid vom 6. Juni 1997 zurück.
Am 2. Juli 1997 ist Klage erhoben worden, nach deren Eingang der Berufungsbeklagte am 30. Dezember 1997 einen Schlaganfall mit linksseitiger Hemiparese erlitten hat. Das Sozialgericht (SG) hat hierüber die Arztberichte des Hans-Susemihl-Krankenhauses E vom 23. 1. 1998 sowie der M.-Klinik L vom 15. April 1998 beigezogen und den Arztbericht des Dr. F vom 5. Mai 1998 eingeholt. Sodann hat es zur Frage der Hilflosigkeit des Klägers das internistische Fachgutachten des Dr. B vom 21. Juli 1998 erstatten lassen, wegen dessen Einzelheiten auf Bl. 65 -- 71 der Gerichtsakten verwiesen wird.
Mit Urteil vom 6. Juli 1999 hat das SG sodann unter Aufhebung des Bescheides vom 21. Oktober 1996 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 6. Juni 1997 festgestellt, daß beim Berufungsbeklagten ab Dezember 1997 die Voraussetzungen des Merkzeichens "H" vorliegen.
Hiergegen richtet sich die am 10. August 1999 eingelegte Berufung des Berufungsklägers. Er macht geltend, zu einer Aufhebung der ergangenen Bescheide habe es schon deshalb nicht kommen können, weil sie auch nach Auffassung des SG zum Zeitpunkt ihres Erlasses rechtmäßig gewesen seien. Im übrigen fehle es aber auch an den Voraussetzungen für eine Feststellung des Merkzeichens "H". Der zwischenzeitlich vom MDK mit Gutachten vom 8. Dezember 1997 und 24. April 1998 ermittelte Pflegebedarf liege mit 71 Minuten täglich deutlich unterhalb der Schwelle von 2 Stunden, von der ab lediglich von einem erheblichen Hilfebedarf bei den häufig und regelmäßig wiederkehrenden Verrichtungen ausgegangen werden dürfe.
Der Berufungskläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Osnabrück vom 6. Juli 1999 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Berufungsbeklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er verteidigt das angefochtene Urteil.
Wegen weiterer Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der Versorgungsakten des Berufungsklägers Bezug genommen, die beigezogen worden sind.
Entscheidungsgründe
Die zulässige, insbesondere rechtzeitig eingelegte Berufung des Berufungsklägers ist überwiegend unbegründet. Das SG hat diesen mit seinem angefochtenen Urteil vom 6. Juli 1999 zu Recht verurteilt, beim Berufungsbeklagten ab 1. Dezember 1997 die Voraussetzungen des Nachteilsausgleichs "Hilflosigkeit" festzustellen.
Hilflos i.S.v. §§ 4 Abs. 4 SchwbG, 33 b Abs. 6 Satz 2 EStG ist eine Person, wenn sie für eine Reihe von häufig und regelmäßig wiederkehrenden Verrichtungen zur Sicherung ihrer persönlichen Existenz im Ablauf eines jeden Tages fremder Hilfe dauernd bedarf. Zu den Verrichtungen in diesem Sinne gehören das An- und Auskleiden, die Nahrungsaufnahme, die Körperpflege (Waschen, Kämmen, Rasieren), das Verrichten der Notdurft, die Mobilität (Aufstehen, Zubettgehen, Bewegung innerhalb und außerhalb der Wohnung) und ein Mindestmaß an persönlicher Kommunikation (BSG, Urt. v. 2. Juli 1997 -- 9 RVs 9/96 --). Weitergehende hauswirtschaftliche Verrichtungen wie die Reinigung der Wohnung oder die Pflege der Kleidung bleiben demgegenüber außer Betracht (BSG a.a.O.).
Im Falle des Berufungsbeklagten ist hiernach jedenfalls für den streitbefangenen, im Dezember 1997 beginnenden Zeitraum Hilflosigkeit anzunehmen. Auszugehen ist hierbei von den multiplen Grunderkrankungen des Berufungsbeklagten, die dessen Leistungsfähigkeit aufgrund der im dritten Schwangerschaftsmonat durchgemachten Röteln-Infektion der Mutter bereits von Geburt an erheblich einschränken. Aus den im Verfahrensverlauf zu den Akten gelangten ärztlichen Stellungnahmen und Berichten ergibt sich insoweit, daß die Gesundheit des Berufungsbeklagten neben einem angeborenen und wiederholt operierten Herzfehler (Vitium) und einer ebenfalls angeborenen Taubstummheit auch durch eine zuletzt schwere Neurodermitis (vgl. Befundbericht des Dermatologen Dr. S vom 28. Oktober 1996, Blatt 183 der Beiakten), eine Netzhauttrübung im Sinne eines grauen Stars bei Stabsichtigkeit (vgl. Befundberichte des Dr. F vom 29. Oktober 1996, Blatt 182 der Beiakten sowie der Augenärztin Dr. P vom 25. März 1997, Blatt 190 der Beiakten), einer durch langjährige Dauermedikation mit Kortison entstandenen Osteoporose -- mit der Folge eines Oberschenkelhalsbruches in noch jugendlichem Alter -- (vgl. Befundbericht des Dr. F vom 29. Oktober 1996, Blatt 182 der Beiakten) sowie eine asthmoide Bronchitis (vgl. Befundbericht des Dr. F vom 08. Mai 1998, Blatt 42 der Gerichtsakten) beeinträchtigt wird. Dabei verstärken sich die Wirkungen dieser Grunderkrankungen teilweise gegenseitig, worauf hinsichtlich des Zusammenwirkens der Folgen von Taubstummheit und Sehbehinderung für die Orientierungs- und Kommunikationsfähigkeit des Berufungsbeklagten bereits der versorgungsärztliche Dienst mit der gutachtlichen Stellungnahme der Frau Dr. H -- W vom 12. Dezember 1991 hingewiesen hat. Nicht zu übersehen ist aber auch, daß sowohl die Einschränkungen der Lungenfunktion durch die asthmoide Bronchitis als auch die Beeinträchtigungen des Blutkreislaufs durch den Herzfehler Wirkungen auf die körperliche Belastungs- und Leistungsfähigkeit des Berufungsbeklagten haben. Vor diesem Hintergrund sind die Feststellungen des Dr. F in seinem vom Berufungskläger zur Fragestellung der Hilflosigkeit eingeholten Bericht vom 28. Oktober 1996 überzeugend, nach denen der Berufungsbeklagte schon vor dem 1997 erlittenen Schlaganfall bei einigen Verrichtungen auf fremde Hilfe angewiesen gewesen ist. Während er danach in der Lage war, sich innerhalb des Hauses selbständig zu bewegen, bedurfte er außerhalb -- jedenfalls gelegentlich -- der Begleitung. Die Selbständigkeit bei der Körperpflege war durch die Erfordernisse der intensiven therapeutischen Hautpflege, namentlich beim Baden, eingeschränkt. Nahrungsaufnahme, An- und Auskleiden sowie das Verrichten der Notdurft waren selbständig möglich. Ob im Hinblick auf die hiernach noch weitgehende Handlungsfähigkeit des Berufungsbeklagten bereits vor 1997 Hilflosigkeit angenommen werden könnte, bedarf im vorliegenden Berufungsverfahren keiner Entscheidung. Festzuhalten ist indessen, daß schon die Grunderkrankungen des Berufungsbeklagten seinerzeit einen in zeitlicher Hinsicht nicht unerheblichen Hilfebedarf begründet haben. Der Dermatologe Dr. V hält in seinem Attest vom 25. Januar 2000 allein für die schwere Hauterkrankung einen täglichen Pflegeaufwand von 2 Stunden für realistisch und die durch Befundberichte vom 6. September 1990 und 8. Mai 1998 überzeugend präzisierte Feststellung des Dr. F im Bericht vom 28. Oktober 1996, daß der Berufungsbeklagte wegen der begründeten Besorgnis von Fehldosierungen seiner Medikamente, wegen seines Hangs, den ständigen Juckreiz durch schädliches Dauerbaden vorübergehend zu lindern, wegen seiner mangelnden Kommunikations- und Orientierungsfähigkeit nach spontanem Verlassen der Wohnung und wegen der Gefahr asthmatischer Anfälle ständiger Anleitung und Aufsicht bedürfe, begründet ebenfalls einen zeitlich ausgedehnten Hilfebedarf, der gem. § 33b Abs. 6 Satz 3 EStG bei der Beurteilung der Hilflosigkeit zu berücksichtigen ist.
Nachdem der Berufungsbeklagte im Dezember 1997 einen Schlaganfall mit linksseitiger Hemiparese erlitten hat, ist sein Handlungsvermögen in Bezug auf weitere maßgebliche Verrichtungen eingeschränkt worden. Aus dem Gutachten des Dr. B vom 21. Juli 1998 ergibt sich insoweit, daß der Berufungsbeklagte -- wegen der auch von anderen Ärzten festgestellten Einschränkungen in der Gebrauchsfähigkeit seiner linken Hand -- seine Nahrung nicht mehr selbständig zu sich nehmen kann, sondern auf eine vorherige Zerkleinerung angewiesen ist. Auch beim Waschen und Duschen ist nunmehr teilweise fremde Hilfe erforderlich, ebenso beim An- und Auskleiden.
Der Senat hält hiernach die Zuerkennung des Nachteilsausgleichs "Hilflosigkeit" für den streitbefangenen Zeitraum jedenfalls deshalb für erforderlich, weil der Berufungsbeklagte vor dem Hintergrund eines schon zuvor in zeitlicher Hinsicht erheblichen Hilfebedarfs von den regelmäßig wiederkehrenden Verrichtungen zur Sicherung seiner persönlichen Existenz nunmehr allein noch das Verrichten der Notdurft vollständig ohne fremde Hilfe bewerkstelligen kann. Dies belegt im übrigen auch das Pflegegutachten des MDK Niedersachsen -- Dr. L -- vom 27. April 1998, nach dem der Berufungsbeklagte bis auf das "Ausscheiden können", das "Sich beschäftigen können" und die Bewegung innerhalb der Wohnung alle weiteren erfaßten Aktivitäten des täglichen Lebens nur "bedingt selbständig" oder "teilweise unselbständig" erledigen kann.
Soweit der Berufungskläger schließlich gegen die Annahme von Hilflosigkeit einwendet, daß der Umfang notwendiger Hilfe das Maß von 2 Stunden täglich nicht erreiche, vermag sich der Senat diesem Argument schon im Ansatz nicht anzuschließen. Wie er inzwischen wiederholt entschieden hat (vgl. Urteil vom 10. September 1999 -- Az. L 9 V 56/97 --, Urteil vom 29. Mai 2001 -- Az. L 9 SB 265/97 --) bietet weder der Wortlaut des Gesetzes noch die ihn auslegende Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) für diese zeitliche Grenze einen Anhalt. Allerdings hat das BSG wiederholt betont, daß der Hilfebedarf von meßbarem wirtschaftlichen Wert sein müsse. Hierfür hat es einen zeitlichen Umfang der Hilfe von 1 Stunde täglich veranschlagt. Dieser Mindestumfang der Hilfe ist jedoch kaum im Sinne einer starren zeitlichen Grenze zu verstehen (vgl. zuletzt Urt. v. 2. Juli 1997 -- 9 RVs 9/96 --, wo der Anspruch auf Feststellung der Voraussetzungen des Nachteilsausgleichs "Hilflosigkeit" mit der Begründung verneint wird, daß der dortige Anspruchsteller lediglich bei einzelnen Verrichtungen auf Hilfe angewiesen sei und im übrigen der Hilfebedarf die zeitliche Mindestgrenze von 1 Stunde täglich deutlich unterschreite).Soweit der Berufungskläger in diesem Zusammenhang darauf verweist, daß namentlich die Neufassung von § 65 Abs. 2 Satz 2 EStDV seine Forderung nach einem mindestens zweistündigen Hilfebedarf stütze, vermag der Senat dieser Auffassung im Ergebnis nicht zu folgen. Nach der genannten Bestimmung kann ein Steuerpflichtiger den Nachweis seiner Hilflosigkeit nicht nur durch einen Schwerbehindertenausweis mit dem eingetragenen Merkzeichen "H" oder einen entsprechenden Bescheid der Versorgungsverwaltung, sondern auch durch Zuerkennung der Pflegestufe III nach dem SGB XI erbringen. Richtig ist danach allerdings, daß ein Hilfebedarf von mindestens 3, aber weniger als 5 Stunden täglich bei den durch § 14 Abs. 4 SGB XI näher bestimmten Verrichtungen diesen Nachweis der Hilflosigkeit noch nicht begründet, weil er lediglich zur Zuerkennung der Pflegestufe II führt (§ 15 Abs. 3 Nr. 2 und 3 SGB XI). Aus diesem Umstand können indessen keine Rückschlüsse auf den zeitlichen Mindestumfang der nach § 35 Abs. 1 BVG oder § 33 b Abs. 6 Satz 2 EStG erforderlichen Hilfe gezogen werden. Bei der Bestimmung des Hilfebedarfs sind insoweit lediglich diejenigen Verrichtungen heranzuziehen, die der Sicherung der persönlichen Existenz dienen, während nach § 14 Abs. 1 SGB XI auf alle gewöhnlichen und regelmäßig wiederkehrenden Verrichtungen des täglichen Lebens abzustellen ist. Der Hilfebedarf nach dem SGB XI wird danach auch durch die hauswirtschaftliche Versorgung mitbestimmt (§ 14 Abs. 4 Nr. 4 SGB XI), während diese für die Ermittlung des Hilfebedarfs nach § 15 Abs. 1 BVG oder § 33 b Abs. 6 Satz 2 EStG außer Betracht bleibt. Der Begriff des Hilfebedarfs in § 35 Abs. 1 BVG und § 33 b Abs. 6 Satz 2 EStG entspricht damit im wesentlichen demjenigen der Grundpflege nach § 15 Abs. 3 SGB XI. Auch insoweit stellt allerdings diese Vorschrift für die Zuerkennung der Pflegestufen bestimmte zeitliche Mindestgrenzen auf: Während die Grundpflege für die Zuerkennung der Pflegestufe II durchschnittlich mindestens 2 Stunden täglich betragen muß, kommt die Zuerkennung der Pflegestufe III erst bei einem Grundpflege -- Bedarf von durchschnittlich 4 Stunden täglich in Betracht. Gerade dieser Umstand spricht indessen dagegen, § 65 Abs. 2 Satz 2 EStDV überhaupt für die Gewinnung bestimmter zeitlicher Mindestanforderungen an den Hilfebedarf nach § 35 Abs. 1 BVG und § 33 b Abs. 6 Satz 2 EStG heranzuziehen; denn die in § 15 Abs. 3 SGB XI für die Grundpflege festgesetzten Mindestzeiten müßten dann dazu führen, für den Hilfebedarf einen zeitlichen Mindestumfang von wenigstens 4 Stunden täglich zu fordern. Die vom Berufungskläger vertretene Auffassung würde jedenfalls durch die von ihm geforderte Heranziehung der Regelungen in § 15 Abs. 3 SGB XI nicht gestützt, weil danach eine Hilfebedürftigkeit im Umfang von durchschnittlich zwei Stunden Grundpflege täglich die Zuerkennung der Pflegestufe III und mit ihr die Vermutung der Hilflosigkeit gerade nicht begründet.
Richtigerweise kann § 65 Abs. 2 Satz 2 EStDV vor diesem Hintergrund lediglich als eine Vorschrift verstanden werden, die den Nachweis der Hilflosigkeit in solchen Fällen erleichtert, in denen nach Zuerkennung der Pflegestufe III -- bei einem dann vorliegenden Umfang der Grundpflege von durchschnittlich 4 Stunden täglich -- kein Zweifel daran bestehen kann, daß der Pflegebedürftige zugleich bei den häufig und regelmäßig wiederkehrenden Verrichtungen zur Sicherung seiner persönlichen Existenz dauernd fremder Hilfe bedarf (§§ 35 Abs. 1 BVG, 33 b Abs. 6 Satz 2 EStG). Der mit dieser Verfahrenserleichterung verbundene Schluß von der Erfüllung höherer auf die Erfüllung geringerer Anforderungen setzt keine bestimmte mathematische Korrelation zwischen den Anforderungen an die Zuerkennung der Pflegestufe III und denjenigen an die Annahme von Hilfebedürftigkeit i.S.v. §§ 35 Abs. 1 BVG und 33 b Abs. 6 Satz 2 EStG voraus. Er ist zur Überzeugung des Senats bei Vorliegen der Voraussetzungen der Pflegestufe III in tatsächlicher Hinsicht auch dann gerechtfertigt, wenn mit der jüngeren Rechtsprechung des Bundessozialgerichts davon ausgegangen wird, daß das Vorliegen von Hilflosigkeit nicht in erster Linie durch die Erfüllung zeitlicher Mindestanforderungen an den Umfang der Hilfe, sondern wesentlich dadurch bestimmt ist, daß die Durchführung der maßgebenden Verrichtungen von der Angewiesenheit auf fremde Hilfe geprägt wird. Auch hierauf wird die Zuerkennung der Pflegestufe III in der Praxis sachlich zutreffend schließen lassen.
Schließlich ist auch nicht deshalb von einem zeitlichen Mindestumfang des Hilfebedarfs in Höhe von zwei Stunden auszugehen, weil die Sektion "Versorgungsmedizin" des ärztlichen Sachverständigenbeirats beim Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung (BMA) bei ihrer Tagung am 15. und 16. April 1997 unter dem Tagesordnungspunkt 2.3 festgestellt hat, daß von einem erheblichen Umfang der Hilfe i.S.v. § 33 b EStG bzw. 35 Abs. 1 BVG in der Regel erst dann ausgegangen werden könne, wenn sie täglich mindestens zwei Stunden erbracht werde, während es auf die Anzahl der Verrichtungen, bei denen sie benötigt werde, nicht ankomme (Sitzungsniederschrift zu TOP 2.3, 2. Absatz, bestätigend auch Sitzungsniederschrift der Tagung vom 3. und 4. November 1999, TOP 2.1.1, 2. Absatz). Während die vom Sachverständigenbeirat verantworteten Anhaltspunkte für die Begutachtung im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertengesetz -- AHP -- und die sie klarstellend ergänzenden Sitzungsbeschlüsse der Sektion Versorgungsmedizin nach allgemein anerkannter Auffassung von den Gerichten zu beachten sind, soweit sie den Stand der medizinischen Wissenschaft für eine gleichmäßige Anwendung des Schwerbehinderten- und Versorgungsrechts regelhaft konkretisieren und deshalb als vorgegebenes medizinisches Sachverständigenwissen aufgefaßt werden können, ist doch klarstellend daran festzuhalten, daß es dem Sachverständigenbeirat an der Befugnis zur Setzung von Rechtsnormen oder zu einer für die Rechtsprechung verbindlichen Interpretation von Bundesgesetzen mangelt. Eine solche Kompetenz hat im übrigen der Sachverständigenbeirat, wie sich aus der Niederschrift seiner Sitzung vom 3. und 4. November 1999 ergibt, auch gar nicht in Anspruch genommen. Vielmehr ist es danach sein ausschließliches Ziel gewesen, mit den bei der Sitzung am 15. und 16. April 1997 verabschiedeten Kriterien die höchstrichterliche Rechtsprechung zu den rechtlichen Anforderungen an eine wesentliche Hilfebedürftigkeit zutreffend zu referieren. Schon deshalb ist aber die Beschlußfassung des Sachverständigenbeirates über den zeitlichen Mindestumfang der Hilfe eine für die Gerichte unverbindliche Meinungsäußerung.
Der zeitliche Umfang des beim Berufungsbeklagten festzustellenden Hilfebedarfs gibt dem Senat hiernach keine Veranlassung, den Anspruch auf Feststellung der Voraussetzungen des Nachteilsausgleichs "Hilflosigkeit" zu verneinen. Nachdem der MDK Niedersachsen bereits im Pflegegutachten vom 27. April 1998 den zeitlichen Pflegebedarf im Bereich der Grundpflege für die Zeit seit Dezember 1997 nachvollziehbar und überzeugend mit 71 Minuten täglich beziffert hat, bestehen für den Senat keinerlei Zweifel, daß -- zumal unter zusätzlicher Berücksichtigung der Zeiten erforderlicher Anleitung und Beaufsichtigung der Hilfebedarf des Berufungsbeklagten das Maß von einer Stunde täglich erreicht und somit erheblich ist.
Die Berufung ist demgegenüber begründet, soweit der Berufungskläger rügt, daß das Sozialgericht den Bescheid vom 21. Oktober 1996 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 6. Juni 1997 zu Unrecht aufgehoben habe. Diese Auffassung des Berufungsklägers trifft zu; denn als ablehnende Verwaltungsakte entfalten die genannten Bescheide keine Dauerwirkung, die ihnen einen auch für die Zeit ab Dezember 1997 maßgeblichen Regelungsgehalt verschafft (vgl. BSG, Urt. v. 22.10.1986, Az. 9a RVs 55/85).
Dasselbe gilt hinsichtlich des vorausgegangenen Änderungsbescheides vom 20. Juli 1992, mit dem das Versorgungsamt dem Berufungskläger das bis dahin noch festgestellte Merkzeichen "H" entzogen hat. (vgl. BSG, Urt. v. 23.Juni 1993, Az.: 9/9a RVs 1/92 zum gleichgelagerten Fall der Herabsetzung des GdB). Allerdings folgt hieraus zugleich, daß die Zuerkennung des Nachteilsausgleichs "Hilflosigkeit" ab Dezember 1997, anders als offenbar der Berufungskläger angenommen hat, unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt vom Vorliegen einer nachträglichen Veränderung im Sinne des § 48 SGB X abhängt.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183, 193 SGG. Dabei bleibt die teilweise Aufhebung des angefochtenen Urteils auf die Kostenentscheidung ohne Einfluß, weil das Unterliegen des Berufungsbeklagten insoweit unerheblich ist (Rechtsgedanke aus § 155 Abs. 1 Satz 3 VwGO).
Ein Grund, gem. § 160 Abs. 2 die Revision zuzulassen, besteht nicht.