Landgericht Verden
Urt. v. 30.01.2013, Az.: 7 O 276/12
Schadensersatz wegen Nichtübernahme der Belehrung über die Spekulationssteuer aus dem Vertragsentwurf in den endgültigen Grundstückskaufvertrag
Bibliographie
- Gericht
- LG Verden
- Datum
- 30.01.2013
- Aktenzeichen
- 7 O 276/12
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2013, 32483
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:LGVERDN:2013:0130.7O276.12.0A
Verfahrensgang
- nachfolgend
- OLG Celle - 08.04.2013 - AZ: 3 U 33/13
Rechtsgrundlage
- § 17 BeurkG
In dem Rechtsstreit
1. xxx
2. xxx
Kläger
Prozessbevollmächtigte zu 1, 2: Rechtsanwälte
Geschäftszeichen:
gegen
Rechtsanwalt und Notar |
Beklagter
Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte
Streitverkündete
hat die 7. Zivilkammer des Landgerichts Verden auf die mündliche Verhandlung vom 18. Dezember 2012 durch
den Vorsitzenden Richter am Landgericht Koch, den Richter am Landgericht Hauschildt
und die Richterin am Landgericht Vitens
für Recht erkannt:
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kläger tragen die Kosten des Rechtsstreits als Gesamtschuldner.
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
Der Kläger war nach Erwerb am 06.04.1999 Eigentümer einer Eigentumswohnung und eines PKW-Einstellplatzes belegen in der Liegenschaft ... in ... Der
Kläger hatte selbst die Anschrift Teerhof 31 in 28199 Bremen. Er beabsichtigte im Jahre 2009 die Eigentumswohnung zu verkaufen und wandte sich an die Firma ... in Bremen. Diese wandte sich an den Beklagten und bat um Fertigung eines entsprechenden Kaufvertrages, sowie Übersendung eines Entwurfes an die Vertragsbeteiligten. Der Beklagte fertige einen Entwurf und übersandte diesen mit Schreiben vom 11.03.2009 an den Kläger. In diesem Vertragsentwurf ist neben anderen Hinweisen auch der auf Spekulationssteuer gem. §§ 22 Abs. 2, 23 EStG vorhanden. Bei der Verhandlung des Kaufvertrages am 27.03.2009 war im zu beurkundenden Vertrag die Belehrung über die Spekulationssteuer nicht mehr enthalten. Mit Steuerbescheid vom 27.07.2012 für das Jahr 2009 wurde gegen die Kläger als Gesamtschuldner ein zu versteuernder Veräußerungsgewinn in Höhe von 73.877,- € als Spekulationssteuer festgesetzt. Der Kläger hatte die Wohnung nur 7 Monate selbst bewohnt.
Die Kläger behaupten, der Beklagte habe ohne vorherige Absprache mit ihnen den ursprünglichen Vertragsentwurf eigenmächtig abgeändert und die Belehrung herausgenommen. Sie sind der Ansicht, dem Beklagten hätte auffallen müssen, bei Durchsicht der Grundbuchauszüge, dass der Zeitpunkt des Erwerbes etwa 10 Jahre her gewesen ist. Zudem hätte der Beklagte fragen müssen, ob 2 Jahre bei Eigennutzung durch den Kläger voll gewesen wären. Zudem hätte der Beklagte auf dem Erwerbstermin vor 10 Jahren aufgrund des Gesprächs über die Einbauküche kommen müssen, da diese ebenfalls fast 10 Jahre alt gewesen sei. Sie sind der Ansicht, aufgrund der unterbliebenen Belehrung zum Anfallen der Spekulationssteuer sei ihnen der Schaden in Höhe der Klageforderung entstanden, welchen der Beklagte ihnen zu erstatten habe.
Die beantragen,
- 1.
den Beklagten zu verurteilen, an sie 36.440,08 € zzgl. 5 % Punkten Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 10.09.2012 als Gesamtgläubiger zu zahlen,
- 2.
den Beklagten zu verurteilen, an sie 1.490,19 € nebst Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit (17.10.2012) zu zahlen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er ist der Ansicht, er sei seiner Belehrungspflicht hinreichend nachgekommen, da die Belehrungen im Vertragsentwurf enthalten gewesen sein. Aufgrund dieser Hinweise sei der Kläger verpflichtet gewesen, sich steuerrechtlich beraten zu lassen. Er behauptet, er habe keine Kenntnis davon gehabt, dass der Kläger das Wohnungseigentum vor weniger als 10 Jahren erworben hatte. Er behauptet, er sei davon ausgegangen, der Kläger habe die Wohnung aufgrund der übereinstimmenden Anschriften selbst bewohnt.
Wegen des weiteren Parteivorbringens wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist zulässig, jedoch unbegründet.
I.
Den Klägern steht gegen den Beklagten kein Anspruch auf Schadensersatz wegen eines Beratungsfehlers während der Beurkundung gem. §§ 823 II BGB iVm. 17 Abs. 1 BeurkG, der einzig in Betracht kommenden Anspruchsgrundlage, zu.
1. Dem Beklagten ist kein Beratungsfehler vorzuwerfen.
Zwar besteht bei der Möglichkeit der Besteuerung eines Spekulationsgewinns ein objektiver Anlass für die Entstehung einer entsprechenden Beratungspflicht seitens des Notars (vgl. Ganter/Hertel/Wöstmann, Handbuch der Notarhaftung, 2. Aufl., Rn. 1255). Denn grundsätzlich kann ein Notar gehalten sein, die von den Verkäufern abgegebenen, für die Steuerbefreiung wichtigen Erklärungen klarzustellen und/oder einen Hinweis darüber zu geben, dass Zweifel an der Steuerbefreiung bestehen könnten (vgl. BGH NJW 1980, 2472 [BGH 22.04.1980 - VI ZR 96/79]).
Jedoch ist auch für die Verletzung einer Belehrungspflicht subjektive Voraussetzungen in der Person des Notars, dass dieser die Tatsachen, aus denen sich die Gefährdung ergibt, kennt (vgl. Ganter/Hertel/Wöstmann, Handbuch der Notarhaftung, Rn. 1260). Allerdings braucht der Notar die besonderen Umstände, die Anlass für die Hinweis- und Warnpflicht sein könnte, nicht zu ermitteln (vgl. BGH NJW 1995, 2796, BGH NJW 1980, 2472 [BGH 22.04.1980 - VI ZR 96/79]). Denn hat der Notar keinerlei Hinweise (Indizien) auf Umstände, die eine Gefahrenlage begründen, besteht für ihn auch kein Anlass für irgendwelche Nachforschungen. Liegen objektiv solche Hinweise vor und kann dem Notar deswegen, weil er sie nicht zur Kenntnis genommen hat, noch kein Fahrlässigkeitsvorwurf gemacht werden, schadet es ihm ebenfalls nicht, dass er keine Ermittlung angestellt hat. Nur für den Fall, dass die Hinweise von einer Art sind, dass ein sorgfältiger Notar sofort an die Gefahr denkt, ist es fahrlässig, wenn dem Betroffenen keine entsprechende Mitteilung gemacht wird. Auf weitere Ermittlungen, um den Verdacht zu prüfen, kommt es dann nicht an (vgl. Ganter/Hertel/Wöstmann, Rn. 450).
Bei der den Notar treffenden Aufmerksamkeitspflicht ist zu beachten, dass sich die ursprüngliche Spekulationsfrist von 2 Jahren auf 10 Jahre erhöht hat und die Grundsätze der Rechtsprechung zur früheren Rechtslage (so noch BGH NJW 1989, 586ff [BGH 10.11.1988 - IX ZR 31/88]) nicht uneingeschränkt übernommen werden können, da der Ablauf einer Frist von 2 Jahren eher ins Auge sticht als einer solchen von 10 Jahren.
Gerade hier waren die vorliegenden Hinweise und Indizien nicht derart auffällig, dass sie dem Beklagten sofort ins Auge fallen mussten. Der Kläger hatte dieselbe Anschrift wie das Verkaufsobjekt. Zudem konnte der Beklagte nicht erkennen, ob der Anschaffungspreis des Wohnobjektes über oder unter dem Verkaufspreis lag. Er konnte aus der Grundschuld nicht ersehen, wie hoch der Kaufpreis lag. Es ist hieraus nur ersichtlich, welcher Betrag finanziert worden ist. Demnach hätte er nicht nachfragen müssen, wie viel Eigenkapital in den Kaufpreis eingebracht worden ist. Zudem konnte der Beklagte auch nicht wissen, dass der Kläger nur 7 Monate vor dem Verkauf in dem Objekt selbst gewohnt hat. Dieses war dem Beklagten aus den vorliegenden Unterlagen nicht ersichtlich und der Kläger hatte diese zuvor auch nicht erwähnt.
2. Unabhängig von der fehlenden subjektiven Voraussetzung für die Verletzung einer Hinweispflicht hat der Beklagte durch den Hinweis auf die Belehrung im ersten Vertragsentwurf dem Kläger zu 2.) auch keine Sicherheit vermittelt, dass durch das Weglassen in der beurkundeten Version keine Spekulationssteuer anfallen würde.
Den Hinweis unter § 10e über mögliche Spekulationsgewinne in dem Kauf Vertragsentwurf, den die Kläger von dem Beklagten am 11.03.2009 übersandt erhalten hatten, hatte der Kläger zu 2.) gar nicht zur Kenntnis genommen. Der Kläger zu 2. hat in der mündlichen Verhandlung vom 18.12.2012 angegeben, er habe gar nicht gemerkt, dass die beurkundete Fassung von dem Entwurf abgewichen sei, er habe seinen Fokus auf den zweiten Entwurf gerichtet. Insofern hat der Kläger zu 2) auch nicht darüber reflektiert, dass der Beklagte die Belehrung unter § 10e herausgenommen hat, weil er diese für nicht einschlägig gehalten habe.
II.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung hinsichtlich der vorläufigen Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 709 Satz 1 und 2 ZPO.