Landgericht Verden
Urt. v. 19.03.2013, Az.: 4 O 678/12

Bibliographie

Gericht
LG Verden
Datum
19.03.2013
Aktenzeichen
4 O 678/12
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2013, 64309
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Tenor:

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin.

Den Beklagten wird wegen Verzögerung des Rechtstreits eine besondere Gebühr mit einem Gebührensatz von 1,0 auferlegt.

Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand:

Die Beklagte zu 1) ist die Tochter, der Beklagte zu 2) der Schwiegersohn der Klägerin.

Der Ehemann der Klägerin, Vater der Beklagten zu 1), verstarb am 16. Oktober 2011 in W., seinem letzten Wohnsitz. Die Klägerin ist Alleinerbin nach ihrem Ehemann.

Im Dezember 2007 zahlte der Erblasser 50.000,00 €, die mit 5,5 % zu verzinsen waren. Weitere von der Klägerin gezahlte 50.000,00 € aus Juni 2008 sollten ebenfalls mit 5,5 % p.a. verzinst werden. Ausweislich zweier Tilgungspläne (Bl. 7, 17 d.A.) erfolgten seit 2009 regelmäßige monatliche Zahlungen in Höhe von jeweils 275,00 €.

Nach Kündigungserklärungen vom 5. Juli 2011 und vom 5. Juli 2011 fordert die Klägerin nunmehr Rückzahlung mit der Behauptung, beide Zahlungen seien darlehnshalber erfolgt.

Sie ist der Auffassung, ein Zurückbehaltungsrecht wegen vermeintlicher Pflichtteilsansprüche bestünde schon deshalb nicht, weil der Erblasser Südafrikaner gewesen sei und das südafrikanische Recht einen Pflichtteilsanspruch nicht vorsehe.

Die Klägerin beantragt,

die Beklagten zu verurteilen, als Gesamtschuldner an sie 102.537,18 € nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 1. Oktober 2011 zu  zahlen.

Die Beklagten beantragen,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte zu 1) behauptet, die Beträge von je 50.000,00 € seien -ausschließlich ihr- im Wege der Schenkung zugeflossen. Eine Tilgung -jedenfalls zu Lebzeiten der Eltern- sei nicht vereinbart, vielmehr sollten ausschließlich monatliche Zinszahlungen als Leibrente in der vereinbarten Höhe erfolgen.

Die Beklagten erheben die Einrede des Zurückbehaltungsrechts mit der Begründung, sie hätten einen Auskunftsanspruch über den Wert des Nachlasses gegenüber der Klägerin. Zur Anwendung deutschen Rechts trägen sie vor, der Erblasser habe zwischenzeitlich die deutsche Staatsangehörigkeit erworben.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den vorgetragenen Inhalt der zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.

Gemäß Beweisbeschluss vom 26. Februar 2013 (Bl. 217 d.A.) ist Beweis erhoben worden. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Protokoll der Sitzung vom 26. Februar 2013 (Bl. 209 f. d.A.) Bezug genommen.

Die Akten 9 IV 422/11 AG Walsrode waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist unbegründet.

Die Klägerin hat gegen die Beklagten keinen Anspruch auf Rückzahlung von Darlehen gemäß § 488 BGB.

Nach dem Ergebnis der durchgeführten Beweisaufnahme geht das Gericht nicht mehr davon aus, dass die Zahlungen an die Beklagten darlehenshalber erfolgt sind.

Dabei verkennt das Gericht nicht, dass sich aus der Erklärung der Beklagten vom 6. November 2007 (Bl. 114 d.A.) zunächst die Vermutung für eine darlehensweise Hingabe des Geldes in Höhe von 50.000,00 € seitens des Erblassers ergibt und dass auch die regelmäßigen, seit Jahren vorgenommenen Zahlungen in Höhe von jeweils 275,00 € monatlich ebenfalls eine gewisse Vermutung für die Annahme von Darlehen rechtfertigen könnten.

Diese Vermutung ist jedoch durch die seitens des Beklagtenvertreters im Termin am 8. Januar 2013 überreichte Erklärung widerlegt.

Nach dem Inhalt der sowohl von dem Erblasser als auch von der Klägerin unterzeichneten Erklärung sollte ein Darlehnsvertrag nicht geschlossen und eine Tilgung der Hauptforderung nicht vereinbart sein.

Diese Erklärung ist, wie die hierzu vernommenen Zeugen B. und M. übereinstimmend bestätigt haben, anlässlich einer Gesellschafterversammlung am 26. August 2011 erfolgt. Nach den Bekundungen der Zeugin B. sollte damit auf Wunsch des Beklagtenvertreters die zunächst mündlich abgegebene Erklärung des Erblassers schriftlich festgehalten werden, wonach mit den Beklagten kein Darlehensvertrag abgeschlossen wurde und insbesondere eine Tilgung der Summe von 100.000,00 € nicht erfolgen sollte. Es kann dahingestellt bleiben, ob, wie die Zeugin B. erklärt, die Bestätigung so zu verstehen ist, dass zu keinem Zeitpunkt eine Rückzahlung der Hauptsumme mehr erfolgen sollte. Jedenfalls aber ergibt sich hieraus, dass weder der Erblasser noch die Klägerin von den Beklagten eine Rückzahlung der Summe von 100.000,00 € zu Lebzeiten erwarteten.

Dass, wie der Zeuge M. erklärt, diese Erklärung lediglich ausdrücken sollte, man habe einen schriftlichen Darlehensvertrag nicht abgeschlossen, hält das Gericht für eher lebensfremd. Beide Zeugen sind als Steuerberater bzw. Wirtschaftsprüfer zweifellos geschäftsgewandt und in der Lage, zu erkennen, ob eine Bestätigung einen Darlehensvertrag oder lediglich die Schriftform des Darlehensvertrages betrifft. Hinzu kommt, dass auch der Erblasser auf ausdrückliche Nachfrage der Zeugin B., ob tatsächlich eine Tilgung nicht erfolgen solle, dies ausdrücklich bestätigt hat.

Das Gericht zweifelt nicht an der Richtigkeit der Angaben dieser Zeugin, die Art und Verlauf des Gespräches in schlüssiger Weise wiedergegeben und auch selbst eingeräumt hat, von der Vorgeschichte der Hingabe des Geldes keine Kenntnis gehabt zu haben, weil sie mit den persönlichen Angelegenheiten der Beklagten nicht vertraut, sondern lediglich mit den steuerlichen Angelegenheiten befasst gewesen sei. Gerade deshalb habe sie sich zu entsprechenden Nachfragen veranlasst gesehen.

Demgegenüber trägt die Schilderung des Zeugen M. wenig zur Aufklärung bei. Dieser will die Erklärung von vornherein in der Weise verstanden haben, wie er sie -soweit angesichts der Schwärzungen des Textes überhaupt entzifferbar- wiedergibt. Insbesondere erscheint dem Gericht die Erklärung des als Wirtschaftsprüfer tätigen Zeugen, wie es gleichwohl zur Bestätigung der im Wortlaut klaren Formulierung ohne einen Widerspruch des Zeugen kommen konnte, nicht nachvollziehbar. Der Umstand, dass es Freitagnachmittag mit „Gewitter im Anzug“ war und „man deshalb unter Spannung“ gestanden habe, macht das Verhalten des Zeugen, der eine ersichtlich von ihm zu prüfende und ihm deshalb vorgelegte Erklärung unterzeichnet, in der ein entscheidendes Wort einfach vergessen worden sein soll, nicht nachvollziehbar.

Danach kann letztlich dahingestellt bleiben, was ursprünglich die Parteien bei Auszahlung des Geldes vereinbart hatten. Die Erklärung vom 26. August 2011 kann nach Auffassung des Gerichts vernünftigerweise nur so verstanden werden, dass eine Rückzahlung des geflossenen Betrages zumindest zu Lebzeiten der Eltern der Beklagten zu 1) nicht (mehr) erfolgen sollte.

Eine Rückzahlung jedenfalls zu Lebzeiten war nach dem übereinstimmenden Willen der Vertragsparteien damit nicht vorgesehen und eine Kündigung deshalb ausgeschlossen.

Die Anfechtungserklärung vom 1.02.2013 geht ins Leere. Abgesehen davon, dass eine Bedrohungssituation auch nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme nicht erkennbar ist, ist die Anfechtungserklärung verfristet, nämlich nicht innerhalb der Jahresfrist gem. § 124 BGB erfolgt.

Auf die Frage, ob der Beklagten zu 1) gegen die Klägerin ein Auskunftsanspruch mit der Folge der Geltendmachung eines Zurückbehaltungsrechts zusteht, kommt es deshalb nicht mehr an.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO, die Anordnung der Verzögerungsgebühr beruht auf § 38 GKG. Durch Verschulden der Beklagten war die Anberaumung eines neuen Termins zur mündlichen Verhandlung und Beweisaufnahme erforderlich geworden, nachdem der Beklagtenvertreter im Termin zur mündlichen Verhandlung am 8.01.2013 erstmals das o.a. Dokument präsentiert hat. Dieses nicht entschuldigte nachträgliche Vorbringen des Verteidigungsmittels hat damit die Erledigung des Rechtsstreits verzögert.

Danach erscheint es gerechtfertigt, den Beklagten von Amts eine besondere Gebühr, dessen Höhe das Gericht mit 1,0 für angemessen hält, aufzuerlegen.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 709 ZPO.