Landgericht Verden
Urt. v. 20.09.2013, Az.: 1 O 106/12

Bibliographie

Gericht
LG Verden
Datum
20.09.2013
Aktenzeichen
1 O 106/12
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2013, 64303
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Tenor:

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger.

3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 Prozent des zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

4. Der Streitwert wird auf 28.761,30 € festgesetzt.

Tatbestand:

Der Kläger macht gegenüber beiden Beklagten Ansprüche aus Insolvenzanfechtung geltend.

Der Kläger ist Insolvenzverwalter über das Vermögen der M. KG. Das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Insolvenzschuldnerin ist am 5. März 2008 eröffnet worden. Die Beklagte zu 1 hatte - insoweit zwischen dem Kläger und der Beklagten zu 1 unstreitig - die Insolvenzschuldnerin mit Werkleistungen beauftragt. Die Beklagte zu 2 ist Einzugsstelle der Sozialkassen der Bauwirtschaft. Die Beklagte zu 2 hat von der Beklagten zu 1 auf Weisung der Insolvenzschuldnerin Zahlungen in Höhe von insgesamt 28.761,30 € erhalten (11.462,91 € am  2.666,87 € am 21.11.2005 und 700,40 € am 27.12.2005). Diese Zahlungen fordert der Kläger mit der Klage von den Beklagten als Gesamtschuldner zurück.

Der Kläger ist der Auffassung, dass die Zahlungen anfechtbar im Sinne von § 133 Abs.1 InsO erfolgt und daher nach § 143 Abs.1 InsO zurückzugewähren seien. Die Zahlungen seien nachteilig im Sinne des § 129 Abs.1 InsO gewesen, weil sie die künftige Aktivmasse bei der Schuldnerin verringert hätten. Die Insolvenzschuldnerin habe vorsätzlich gehandelt, da sie bereits zum Zeitpunkt der ersten streitgegenständlichen Zahlung zahlungsunfähig gewesen sei. Zumindest habe die Zahlungsunfähigkeit gedroht. Der Kläger behauptet, beide Beklagten hätten die Zahlungsunfähigkeit der Insolvenzschuldnerin gekannt. Der persönlich haftende Gesellschafter der Schuldnerin habe gegenüber beiden Beklagten offengelegt, dass er ohne die entsprechende direkte Zahlung nicht in der Lage sei, den fälligen Zahlungen bei der Beklagten zu 2 nachzukommen. Die Beklagte zu 1 habe die Rückstände, die die Insolvenzschuldnerin bei der Beklagten zu 2 hatte, gekannt. Die Beklagte zu 2 habe nicht nur von einer Zahlungsstockung ausgehen können.

Der Kläger beantragt,

1. die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an den Kläger 28.761,30 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 05.03.2008 zu zahlen,

2. die Beklagte zu 2 außerdem zu verurteilen, Zinsen in Höhe von jeweils 4 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz auf 11.462,91 € vom 21.11.2005 bis 04.03.2008, auf 13.931,12 € vom 27.12.2005 bis 04.03.2008, auf 2.666,87 € vom 21.11.2005 bis 04.03.2008 und auf 700,40 € vom 27.12.2005 bis 04.03.2008 zu zahlen.

Die Beklagten beantragen,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte zu 1 bestreitet, dass die Insolvenzschuldnerin mit Gläubigerbenachteiligungsabsicht gehandelt habe. Zum Zeitpunkt der streitgegenständlichen Zahlungen habe keine Zahlungsunfähigkeit bzw. drohende  Zahlungsunfähigkeit bei der Insolvenzschuldnerin vorgelegen. Die Beklagte zu 1 habe jedenfalls keine Kenntnis von einer vorsätzlichen Benachteiligung durch die Insolvenzschuldnerin gehabt. Die Beklagte zu 1 bestreitet, dass die Insolvenzschuldnerin ihr gegenüber ihre wirtschaftliche Situation offengelegt habe. Sie behauptet, dass sie nicht gewusst habe, welche Rückstände insgesamt bei der Beklagten zu 2 aufgelaufen waren. Die Anweisungsbitte der Insolvenzschuldnerin habe nicht auf eine Zahlungsunfähigkeit schließen lassen, denn es sei in der Bauwirtschaft üblich, zur Zahlungsabkürzung Verrechnungsabreden zu treffen. Die Beklagte trägt vor, dass sie gegenüber der Beklagten zu 2 der Bürgenhaftung gem. § 1 a AEntG (jetzt § 14 AEntG) unterlag, so dass sie nur einen gesetzlichen Anspruch der Beklagten zu 2 befriedigt habe.

Die Beklagte zu 2 erachtet sich als nicht passivlegitimiert, soweit die Zahlungen auf die Winterbauumlage in Höhe von 2.666,87 € vom 21.11.2005 und in Höhe von 700,40 € vom 27.12.2005 angefochten werden. Sie bestreitet, dass die Insolvenzschuldnerin zum Zeitpunkt der angefochtenen Zahlungen zahlungsunfähig gewesen sei oder Zahlungsunfähigkeit drohte. Die Beklagte zu 1 habe mit den Zahlungen eine eigene Pflicht gegenüber der Beklagten zu 2 erfüllt. Die Beklagte zu 2 bestreitet zudem, dass die Insolvenzschuldnerin überhaupt einen Werklohnanspruch gegenüber der Beklagten zu 1 hatte.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist unbegründet.

I.

Dem Kläger steht gegenüber den Beklagten unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt ein Zahlungsanspruch zu. Ein Anspruch ergibt sich insbesondere nicht aus § 143 Abs. 1 in Verbindung mit § 133 Abs. 1 InsO (Beklagte zu 2) bzw. § 631 Abs.1 BGB in Verbindung mit §§ 96 Abs.1 Nr.3, 133 Abs.1 InsO (Beklagte zu 1).

1. Die Insolvenzschuldnerin und die Beklagte zu 1 haben seinerzeit vereinbart, dass die Beklagte zu 1 für die Insolvenzschuldnerin Zahlungen an die Beklagte zu 2 erbringt und zwar in Anrechnung auf die Werklohnansprüche der Insolvenzschuldnerin gegenüber der Beklagten zu 1. Der Kläger könnte die verrechneten Werklohnansprüche von der Beklagten zu 1 nur dann verlangen, wenn er die Verrechnungsabrede wirksam angefochten hätte. Dies ist nicht der Fall.

Zwar ist die separate Insolvenzanfechtung einer Vereinbarung, mittels derer gesetzliche Regressansprüche des Auftraggebers aus § 14 AEntG gegen einen Werklohnanspruch des Auftragnehmers nach Erklärung einer Schuldübernahme zur Lohnzahlungsverpflichtung aufgerechnet werden, grundsätzlich möglich. Das AEntG tritt hinter die insolvenzrechtlichen Regelungen zurück. Eine solche Verrechnungsabrede kann gem. § 96 Abs.1 Nr.3 InsO unwirksam sein (OLG Dresden, BauR 2011, 1057). Dies setzt aber voraus, dass die Beklagte zu 1 die Möglichkeit der Verrechnung durch eine anfechtbare Rechtshandlung erlangt hat.

2. Ein Anspruch des Klägers gegenüber der Beklagten zu 2 gem. § § 143 Abs. 1 in Verbindung mit § 133 Abs. 1 InsO setzt ebenfalls eine anfechtbare Rechtshandlung voraus.

3. Nach § 133 Abs. 1 InsO ist eine Rechtshandlung anfechtbar, welche der Schuldner in den letzten zehn Jahren vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens mit dem Vorsatz, seine Gläubiger zu benachteiligen, vorgenommen hat, wenn der andere Teil zur Zeit der Handlung den Vorsatz des Schuldners kannte.

Die Voraussetzungen des Anfechtungstatbestandes des § 133 Abs. 1 Satz 1 InsO sind vom Insolvenzverwalter zu beweisen. Dem Anfechtungsgegner obliegt dann, wenn der Vermutungstatbestand des § 133 Abs. 1 Satz 2 InsO gegeben ist, der Gegenbeweis. Dieser hat sich auf die Vermutungsfolge zu beziehen, also die Kenntnis des Anfechtungsgegners vom Benachteiligungsvorsatz des Schuldners im Zeitpunkt der Vornahme der angefochtenen Rechtshandlung. Der Anfechtungsgegner muss darlegen und beweisen, dass entweder der Schuldner nicht mit Benachteiligungsvorsatz handelte oder dass er, der Anfechtungsgegner, nichts von dem Benachteiligungsvorsatz des Schuldners wusste.

4. Die angefochtenen Zahlungen vom 21.11.2005 und 27.12.2005 stellten mittelbare Leistungen der Insolvenzschuldnerin und damit Rechtshandlungen der Insolvenzschuldnerin dar.

Die zwischen der Insolvenzschuldnerin und der Beklagten zu 1 getroffene Verrechnungsabrede stellt ebenfalls eine Rechtshandlung im Sinne des § 133 Abs.1 InsO dar.

Beide Rechtshandlungen haben zu einer Benachteiligung der Gesamtheit der Gläubiger geführt. Soweit die Beklagte zu 2 bestritten hat, dass der Insolvenzschuldnerin überhaupt ein Werklohnanspruch gegenüber der Beklagten zu 1 zustand, ist das Bestreiten angesichts des übereinstimmenden Vortrages des Klägers und der Beklagten zu 1 sowie des zur Akte gereichten Schriftverkehrs (Anlagen K1 bis K3) unsubstantiiert.

2. Es spricht viel dafür, dass die Insolvenzschuldnerin mit Benachteiligungsvorsatz handelte.

Benachteiligungsvorsatz hat, wer bei Vornahme der Rechtshandlung die Benachteiligung der Gläubiger im Allgemeinen als Erfolg seiner Rechtshandlung will oder als mutmaßliche Folge erkennt und billigt. Er muss also entweder wissen, dass er neben dem Anfechtungsgegner nicht alle Gläubiger innerhalb angemessener Zeit befriedigen kann, oder aber sich diese Folge als möglich vorgestellt, sie aber in Kauf genommen haben, ohne sich durch die Vorstellung dieser Möglichkeit von seinem Handeln abhalten zu lassen. Ist der Schuldner im Zeitpunkt der Vornahme der Rechtshandlung bereits zahlungsunfähig, handelt er folglich nur dann nicht mit dem Vorsatz, die Gesamtheit der Gläubiger zu benachteiligen, wenn er aufgrund konkreter Umstände - etwa der sicheren Aussicht, demnächst Kredit zu erhalten oder Forderungen realisieren zu können - mit einer baldigen Überwindung der Krise rechnen kann. Droht die Zahlungsunfähigkeit, bedarf es konkreter Umstände, die nahe legen, dass die Krise noch abgewendet werden kann (BGH NJW-RR 2007, 1537 [BGH 24.05.2007 - IX ZR 97/06] m.w.N.).  Zahlungsunfähig ist ein Schuldner, der nicht in der Lage ist, die fälligen Zahlungspflichten zu erfüllen. Zahlungsunfähigkeit ist in der Regel anzunehmen, wenn der Schuldner seine Zahlungen eingestellt hat (§ 17 Abs. 2 InsO). Die tatsächliche Nichtzahlung eines erheblichen Teils der fälligen Verbindlichkeiten reicht auch dann für eine Zahlungseinstellung aus, wenn die tatsächlich noch geleisteten Zahlungen beträchtlich sind, aber im Verhältnis zu den fälligen Gesamtschulden nicht den wesentlichen Teil ausmachen. Eine einmal eingetretene Zahlungseinstellung kann nur dadurch wieder beseitigt werden, dass der Schuldner seine Zahlungen insgesamt wieder aufnimmt. (BGH, a.a.O. m.w.N.).

Ausweislich der vom Kläger vorgelegten Zusammenstellung (Bl. 6 ff d.A.) waren zum Zeitpunkt der ersten streitgegenständlichen Zahlung an die Beklagte zu 1 Verbindlichkeiten in Höhe von 981.512,86 € fällig und sind bis zur Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht bedient worden. Dies könnte auf eine Zahlungsunfähigkeit bzw. eine drohende Zahlungsunfähigkeit der Insolvenzschuldnerin hindeuten. Dies muss aber letztlich nicht entschieden werden, weil jedenfalls nicht zur Überzeugung des Gerichts feststeht, dass die Beklagten zu 1und 2 einen etwaigen Benachteiligungsvorsatz der Insolvenzschuldnerin gekannt haben.

3. Weitere Voraussetzung des Anfechtungstatbestandes des § 133 Abs. 1 InsO ist nämlich, dass der Anfechtungsgegner den Benachteiligungsvorsatz des Schuldners kannte. Seine Kenntnis wird vermutet, wenn der andere Teil wusste, dass die Zahlungsunfähigkeit des Schuldners drohte und dass die Handlung die Gläubiger benachteiligte (§ 133 Abs. 1 Satz 2 InsO). Dies ist in der Regel anzunehmen, wenn die Verbindlichkeiten des Schuldners bei dem späteren Anfechtungsgegner über einen längeren Zeitraum hinweg ständig in beträchtlichem Umfang nicht ausgeglichen werden und jenem den Umständen nach bekannt ist, dass es noch weitere Gläubiger mit ungedeckten Ansprüchen gibt (BGH, a.a.O. m.w.N.).

a) Der Kläger hat nicht dargelegt und unter Beweis gestellt, dass die Beklagte zu 1 von einer - drohenden oder bereits eingetretenen - Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin wusste. Es ist nicht ersichtlich, woher die Beklagte zu 1 Kenntnis über die Höhe der Verbindlichkeiten der Insolvenzschuldnerin gehabt haben sollte. Gegenüber der Beklagten zu hatte die Insolvenzschuldnerin gerade keine Verbindlichkeiten. Die Tatsache, dass die Insolvenzschuldnerin die Beklagte zu um eine direkte Zahlung an die Beklagte zu 2 gebeten hat, lässt nicht zwingend den Rückschluss auf eine Zahlungsunfähigkeit bzw. drohende Zahlungsunfähigkeit der Insolvenzschuldnerin zu. Insofern könnte es sich aus Sicht der Beklagte zu 1 auch um eine vorübergehende Zahlungsschwierigkeit gehandelt haben. Soweit der Kläger behauptet hat, der persönlich haftende Gesellschafter der Insolvenzschuldnerin habe gegenüber der Beklagten zu 1 offengelegt, dass er ohne die direkte Zahlung nicht in der Lage sei, die Rückstände bei der Beklagten zu 2 zu begleichen, fehlt es der Behauptung an Substanz. Es fehlen Angaben dazu, wann, bei welcher Gelegenheit, in welcher Form und wem genau gegenüber dies erfolgt sein soll.

b) Gleiches gilt für die Beklagte zu 2. Es steht nicht zur Überzeugung des Gerichts fest, dass diese Kenntnis von einer - drohenden oder bereits eingetretenen - Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin hatte. Ausweislich der Insolvenztabelle (Bl. 25 d.A.) hatte die Insolvenzschuldnerin bei der Beklagten zu 2 erst ab Dezember 2005 Zahlungsrückstände. Die hier streitgegenständlichen Zahlungen, mit denen die Insolvenzschuldnerin bei der Beklagten zu 2 im Rückstand war, mussten aus Sicht der Beklagten zu 2 nicht zwingend auf eine drohende oder bereits eingetretene - Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin schließen lassen.

Dass die Beklagte zu 2 ein Schreiben der Insolvenzschuldnerin erhalten hat, mit dem diese um einen Teilerlass rückständiger Beträge gebeten hat bzw. dass die Beklagte zu 2 Kenntnis davon hatte, dass die Insolvenzschuldnerin sich mit solchen Schreiben an andere Sozialversicherungsträger gewandt hat, hat der Kläger nicht unter Beweis gestellt.

7

II.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs.1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 709 ZPO.