Landgericht Verden
Urt. v. 19.09.2013, Az.: 4 S 3/13

Schutz eines Pfändungsschutzkontos bei Insolvenzeröffnung

Bibliographie

Gericht
LG Verden
Datum
19.09.2013
Aktenzeichen
4 S 3/13
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2013, 52681
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:LGVERDN:2013:0919.4S3.13.0A

Verfahrensgang

vorgehend
AG Nienburg - 24.01.2013 - AZ: 6 C 516/12

Fundstellen

  • FoVo 2014, 35-36
  • InsbürO 2014, 36-37
  • InsbürO 2013, 501
  • NZI 2014, 36-37
  • VuR 2014, 70-71
  • ZBB 2013, 417
  • ZIP 2013, 1954-1955
  • ZVI 2013, 479-480

In dem Rechtsstreit
...
hat die 4. Zivilkammer des Landgerichts Verden auf die mündliche Verhandlung vom 29. August 2013 durch
den Vorsitzenden Richter am Landgericht xxxx
die Richterin am Landgericht xxxx und
die Richterin am Landgericht xxxx
für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung der Berufungsbeklagten gegen das am 24: Januar 2013 verkündete Urteil des Amtsgerichts Nienburg - 6 C 516/12 - wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Streitwert für den II. Rechtszug: 900,00 EUR.

Tatbestand

Der Kläger führte bei der Beklagten ein Girokonto unter der Nummer xxx als Pfändungsschutzkonto im Sinne des § 850 k ZPO.

Am 14. Mai 2012 hat das Amtsgericht Syke - 15 IK 164/12 - das Insolvenzverfahren über das Vermögen des Klägers eröffnet. Die Beklagte beabsichtigt, das Pfändungsschutzkonto nicht weiter zu führen, weil die Geschäftsbeziehungen zwischen den Parteien gemäß §§ 115,116 InsO erloschen seien.

Der Kläger ist der Auffassung, die Geschäftsbeziehungen zur Beklagten bestünden auch nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens fort.

Der Kläger hat beantragt,

festzustellen, dass das für den Kläger bei der Beklagten bestehende Pfändungsschutzkonto mit der Nummer xxx durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Klägers (Amtsgericht Syke 15 IK 154/12) nicht erloschen ist.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat die Auffassung vertreten, das Pfändungsschutzkonto erlösche gemäß § 115, 116 InsO mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens.

Das Amtsgericht hat der Klage stattgegeben und zur Begründung ausgeführt, es sei zwar richtig, dass nach den §§ 115, 116 InsO Geschäftsbesorgungsverträge wie Giroverträge erlöschen. Unter Berücksichtigung der Gründe des Pfändungsschutzes jedoch gelte dies nicht für ein Pfändungsschutzkonto. Ziel der Reform des Kontopfändungsschutzes sei es einerseits, das Bankkonto als Objekt für den Zugriff von Gläubigern zu erhalten, andererseits dem Insolvenzschuldner die typischerweise anfallenden und der Existenzsicherung dienenden Geldgeschäfte des täglichen Lebens weiterhin unbar zu ermöglichen. Im Ergebnis müsse daher bei Abwägung dieser Umstände die Funktionsfähigkeit eines Girokontos trotz der Pfändung erhalten bleiben, der Verlust eines Girokontos würde den Betroffenen dagegen von dem bargeldlosen Zahlungsverkehr vollständig ausschließen. Diese Grundsätze seien auch im Insolvenzverfahren anzuwenden, wobei § 36 Abs. 1 S. 2 InsO sicherstelle, dass der Kontopfändungsschutz auch im Insolvenzverfahren Anwendung finde.

Hiergegen wendet sich die Beklagte mit der Berufung. Sie ist der Auffassung, sofern der Gesetzgeber gewollt hätte, dass die Beendigung des Girovertrages für die Pfändungsschutzkonten keine Geltung hätte, diese Regelung in den § 116 InsO aufgenommen worden wäre. Da dies jedoch ausdrücklich nicht erfolgt sei, sei auch für eine entsprechende Gesetzesauslegung kein Raum. Ziel des Gesetzgebers sei es nicht gewesen, dem Schuldner sein Girokonto zu erhalten, lediglich, sicherzustellen, dass nicht pfändbare Beträge entsprechend der monatlichen Freibeträge dem Schuldner zur Verfügung stehen sollten. Dem Schuldner stehe es frei, nach Beendigung des Girovertrages einen neuen Vertragsabschluss zu erreichen.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Amtsgerichts Nienburg vom 24. Januar 2013 abzuändern und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er verteidigt das angefochtene Urteil.

Hinsichtlich des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Berufung hat in der Sache keinen Erfolg.

Zu Recht hat das Amtsgericht die Feststellung getroffen, dass das bei der Beklagten bestehende Pfändungsschutzkonto des Klägers durch Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht erloschen ist.

Der Kläger hat einen Anspruch auf Fortsetzung der Geschäftsbeziehungen mit der Beklagten hinsichtlich des dort geführten Pfändungsschutzkontos.

Der Feststellungsantrag ist zulässig. Ein rechtliches Interesse an der begehrten Feststellung besteht, weil der Kläger nur so die Fortsetzung des Pfändungsschutzkontos gegenüber der Beklagten erreichen kann.

Entgegen der Auffassung der Beklagten und Berufungsklägerin *-wird im Falle einer Insolvenzeröffnung ein Pfändungsschutzkonto von der Wirkung der §§ 115, 116 InsO nicht in der gleichen Weise erfasst wie ein normales Girokonto. Durch die Insolvenz verliert das Pfändungsschutzkonto nicht seine Funktion, das Pfändungsschutzkonto bleibt vielmehr in seinem Bestand unberührt mit der Folge, dass der Kläger weiterhin über dieses Konto verfügen kann. Insoweit stimmt die Kammer der Auffassung des Amtsgerichts zu, dass §§ 115, 116 InsO im Kontext mit § 36 Abs. 1 InsO sowie seinem Verweis auf § 850 k ZPO zu betrachten sind. In diesem Zusammenhang ist der Bestand eines Pfändungsschutzkontos notwendige Voraussetzung eines vom Gesetzgeber mit dieser Regelung gewünschten Schuldnerschutzes. Nur so ist der Insolvenzschuldner in der Lage, den vom Gesetzgeber gewünschten Pfändungsschutz zu nutzen.

Zwar ist der Beklagten darin zuzustimmen, dass es insoweit an einer konkreten gesetzlichen Regelung fehlt, gleichwohl kann die vom Gesetzgeber bei Regelung des Pfändungsschutzes im Insolvenzverfahren zutage getretene Intention vernünftigerweise nur auch der Erhalt des Girokontos des Schuldners im Insolvenzverfahren gewesen sein.

Im Ergebnis würde der Verlust des Pfändungsschutzkontos mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens den Schuldner von jeglicher Möglichkeit des bargeldlosen Zahlungsverkehrs ausschließen. Dieser jedoch ist für Geschäfte des täglichen Lebens, Zahlung von Miete, Erhalt von Arbeitseinkommen oder Sozialleistungen zur Existenzsicherung unabdingbar.

Dass der Gesetzgeber mit Änderung des Pfändungsschutzes im Insolvenzverfahren dieses in Kauf genommen haben sollte, hält die Kammer für ausgeschlossen. Das Gegenteil ergibt sich vielmehr aus der Begründung des Gesetzentwurfs. So heißt es in der BT-Drucksache 16/7615 auf S. 15 unter e): Mit dem ausdrücklichen Verweis auf § 850 K ... ZPO in § 36 Abs. 1 Satz 2 InsO ist sichergestellt, dass der neue Kontopfändungsschutz auch im Insolvenzverfahren Anwendung findet". Somit war der Schutz des § 850 K ZPO auch in der Insolvenz ausdrücklich gewollt.

Hinzu kommt, dass die Beklagte und Berufungsklägerin gem. § 4 des Nds. Sparkassengesetzes (NSpG) als Sparkassenunternehmen die "angemessene und ausreichende Versorgung aller Bevölkerungskreise und insbesondere des Mittelstandes mit geld- und kreditwirtschaftlichen Leistungen in der Fläche" sicherzustellen hat. Das bedeutet, dass ihre Pflichten bei der "Versorgung aller Bevölkerungskreise" weitergehen, als bei einer privatrechtlich organisierten Bank (vgl. auch LG Verden -4 S 49/12-). Hierzu gehört auch die Eröffnung der Teilnahme am bargeldlosen Zahlungsverkehr durch die Führung von Girokonten. Deshalb hat die Berufungsklägerin unabhängig davon, dass es sich bei der Führung eines P- Kontos um die Erfüllung einer gesetzlichen Pflicht handelt (OLG Düss. vom 16.03.2013 -I-6 U 114/11-, zitiert nach [...]) angesichts des den Sparkassen auferlegten Kontrahierungszwanges das P-Konto des Klägers gem. § 242 BGB fortzusetzen, weil sie verpflichtet wäre, diese Geschäftsbeziehungen mit dem Berufungsbeklagten umgehend neu zu begründen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 708 Nr. 10 ZPO.

Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision gem. § 543 Abs. 2 ZPO liegen nicht vor. Die Entscheidung hat keine grundsätzliche Bedeutung und auch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung, erfordert eine Entscheidung des Revisionsgerichts nicht. Die unmittelbare Grundrechtsbindung der Sparkassen im Bereich öffentlicher Daseinsvorsorge hat der BGH bereits in der Entscheidung vom 11.03.2003 (NJW 2003, 1658 [BGH 11.03.2003 - XI ZR 403/01]) festgelegt.