Verwaltungsgericht Stade
Urt. v. 07.07.2003, Az.: 1 A 1014/00

Airbus; Ausgleichsbedarf; Eingriff; Ersatzmaßnahme; Hahnöfersand; Hamburg; Mühlenberger Loch; Naturschutz; Planfeststellung; Planrechtfertigung; Rügebefugnis; Verbandsklage

Bibliographie

Gericht
VG Stade
Datum
07.07.2003
Aktenzeichen
1 A 1014/00
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2003, 48148
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

Ein in Niedersachsen anerkannter Naturschutzverband kann die fehlende Planrechtfertigung für eine Ausgleichs- und Ersatzmaßnahme nach Naturschutzrecht grundsätzlich nicht rügen. Die Festsetzung einer solchen Maßnahme (Hahnöfersand) für einen Eingriff auf hamburgischem Gebiet (Mühlenberger Loch) unterliegt mit ihrer naturschutzfachlichen Begründung des Ausgleichsbedarfs und der Kompensationseignung keiner Kontrolle durch die niedersächsische Verwaltungsgerichtsbarkeit, wenn insoweit die Feststellungen und Abwägungen Gegenstand des gesonderten Planfeststellungsverfahrens für den auszugleichenden Eingriff, den die hamburgischen Verwaltungsgerichte überprüfen, gewesen sind.

Tatbestand:

1

Die Kläger sind anerkannte Verbände nach § 29 des Bundesnaturschutzgesetzes - BNatG -. Sie wenden sich gemeinsam gegen den Planfeststellungsbeschluss zur Schaffung von Süßwasserwattflächen auf dem Hahnöfersand in Niedersachsen als Kompensationsmaßnahme für die Erweiterung der Betriebsflächen der D. C. A. Airbus GmbH in das Mühlenberger Loch vom 11. Mai 2000. Diesem Planfeststellungsbeschluss, dessen sofortige Vollziehbarkeit gemäß § 80 Abs. 2 Nr. 4 VwGO angeordnet worden ist, liegt folgender Sachverhalt zugrunde:

2

Die Beklagte hat unter dem 8. Mai 2000 den Planfeststellungsbeschluss „DA-Erweiterung A3XX“ erlassen. Mit diesem Planfeststellungsbeschluss sind die maßgeblichen Voraussetzungen für die Erweiterung des Werksgeländes des D. C. A. Airbus-Werkes in Hamburg-F. geschaffen worden mit dem Ziel, dort die Fertigung des geplanten Großraumflugzeuges A3XX zu ermöglichen. Vorgesehen ist danach u.a. die Verfüllung einer etwa 170 ha großen Teilfläche des Mühlenberger Lochs sowie die Verlängerung der Start- und Landebahn des Betriebsflugplatzes. Das Mühlenberger Loch ist eine gering durchströmte Bucht der Elbe mit tidebeeinflussten Vorland- und Süßwasserwattflächen sowie Auenböden. Es wird von zahlreichen Vogelarten genutzt, ist u.a. Standort des als gefährdet anzusehenden Schierlings-Wasserfenchels und Rückzugsgebiet für Fischlarven und 31 Fischarten, von denen 13 bundesweit gefährdet sind. Es wurde durch die Verordnung über das Landschaftsschutzgebiet Mühlenberger Loch vom 25. Mai 1982 (hmbGVBl. S. 188) als Landschaftsschutzgebiet ausgewiesen. 1992 wurde es wegen beachtlicher Populationen der Löffelente, Krickente und Zwergmöwe als international bedeutsames Feuchtgebiet nach dem Internationalen Übereinkommen über den Schutz von Feuchtgebieten, insbesondere als Lebensraum für Wasser- und Wattvögel (RAMSAR-Konvention) anerkannt. Es ist europäisches Vogelschutzgebiet im Sinne des § 19 a Abs. 2 Nr. 4 BNatG und der Richtlinie 79/409/EWG des Rates vom 2. April 1979 (Amtsblatt EG 1979, L 103, S. 1) - Vogelschutz-Richtlinie (VS-RL) - der Europäischen Union. Weiter ist es dem Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit als potentielles Gebiet nach der Richtlinie 92/34/EWG des Rates vom 21. Mai 1992 (Amtsblatt EG 1992, L 206, S. 7) - Flora-Fauna-Habitat-Richtlinie (FFH-RL) - gemeldet. Durch eine am 4. Mai 2000 in Kraft getretene Änderungs-Verordnung vom 23. November 1999 (hmbGVBl. S. 264) ist die hier in Rede stehende Teilfläche des Mühlenberger Lochs aus dem Geltungsbereich des Landschaftsschutzgebietes herausgenommen worden.

3

Der Senat der Freien und Hansestadt Hamburg beschloss im September 1997 die Voraussetzungen dafür zu schaffen, dass der Bau des geplanten Großraumflugzeuges A3XX in Hamburg-Finkenwerder stattfinden kann. Die Beklagte hielt am 5. März 1998 den sogenannten Scoping-Termin zur Umweltverträglichkeitsuntersuchung ab und bewarb sich im Juni 1998 als Standort für die Fertigung des Großraumflugzeuges. Mit Schreiben vom 16. Oktober 1998 beantragte die Freie und Hansestadt Hamburg die wasserrechtliche Planfeststellung für die Verfüllung der Teilfläche des Mühlenberger Lochs zur Größe von ca. 170 ha. Mit Schreiben vom selben Tage beantragte die D. B. Airbus A. GmbH (DA), die unmittelbare Rechtsvorgängerin der D. C. A. Airbus GmbH, die Feststellung eines Planes gemäß § 8 des Luftverkehrsgesetzes für die Verlängerung und die Verbreiterung der Start- und Landebahn sowie die Veränderung des Flugbetriebes für ihren Werksflugplatz. Nach Auslegung der Pläne und Beilagen in der Zeit vom 26. Oktober bis 25. November 1998 erfolgte die Erörterung der Einwendungen im Februar und März 1999. Die EU-Kommission hat in einer Stellungnahme vom 19. April 2000 mitgeteilt, dass die negativen Auswirkungen des Projekts auf das für Natura 2000 ausgewählte Gebiet Mühlenberger Loch aus zwingenden Gründen des überwiegenden öffentlichen Interesses für gerechtfertigt gehalten würden. Nach einer Zusammenfassung des wasserrechtlichen und des luftverkehrsrechtlichen Planfeststellungsverfahrens stellte die Beklagte am 8. Mai 2000 den Plan unter Anordnung der sofortigen Vollziehung fest. Als eine der Ersatzmaßnahmen für die Verfüllung des Mühlenberger Loches wurde die den Gegenstand des vorliegenden Verfahrens bildende Umgestaltung des Hahnöfersandes in dem Planfeststellungsbeschluss festgesetzt und als Kompensation in die Begründungen der Entscheidung einbezogen.

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Hiergegen sind zahlreiche Klagen, teils verbunden mit Anträgen auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung, erhoben worden. In den Hauptsacheverfahren liegt bisher allein die stattgebende Entscheidung des Verwaltungsgerichts Hamburg vom 27. August 2002 - 15 VG 1383/02 - zugunsten betroffener Nachbarn vor. Mit dem Urteil hob das Verwaltungsgericht den Planfeststellungsbeschluss auf, weil die von dem verwirklichten Vorhaben ausgehenden Fluglärmemissionen das Grundrecht jener Kläger auf Eigentum beeinträchtigen würden und es für die nach der Urteilsbegründung als privatnützig zu qualifizierende Planung an einer ausreichenden bundesgesetzlichen Grundlage, insbesondere im Luftverkehrsgesetz fehle. Das Verfahren schwebt in der Berufung. Mehrere von verschiedenen Antragstellern, darunter Naturschutzverbänden, geführte Eilrechtsschutzverfahren gegen die sofort vollziehbare Zulassung des Vorhabens blieben, auch angesichts des Urteils vom 27. August 2002, erfolglos (vgl. hmbOVG, Beschlüsse vom 19.2.2001 - 2 Bs 370/00 -, vom 19.7.2001 - 2 Bs 370/00 - und vom 3.2.2003 - 2 Bs 376/02; VG Hamburg, Beschlüsse vom 2.10.2002 - 15 VG 3906/02 - und vom 21.11.2002 - 15 VG 2453/02 -).

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Der dem vorliegenden Verfahren zugrundeliegende Planfeststellungsbeschluss vom 11. Mai 2000 betrifft die Umgestaltung des Hahnöfersandes (im Folgenden: HS), um teilweise den Eingriff in das Mühlenberger Loch (im Folgenden: ML) durch die DA-Erweiterung zu kompensieren, wie es im Planfeststellungsbeschluss vom 8. Mai 2000 dem Grunde nach festgesetzt worden ist. Daher sollen auf dem HS zwei tidebeeinflusste Süßwasserwattflächen mit Flachwasserbereichen entstehen. Am 30. November 1998 beantragte die Beklagte, nachdem in einem Staatsvertrag vom 11. Oktober 1998 mit dem Land Niedersachsen ihr die Befugnis zur Durchführung von Planfeststellungsverfahren übertragen worden war, den Plan gemäß § 31 WHG, § 119 Abs. 1 NWG festzustellen. Der Plan umfasst als Maßnahmen die Verlegung der Hochwasserschutzanlage, die Herstellung von Leitdämmen, den Bodenabtrag und die erforderlich werdenden bauvorbereitenden Maßnahmen. Geplant ist im Einzelnen, auf insgesamt 99 ha den Boden im östlichen und im westlichen Teil des HS so weit abzutragen, dass diese Flächen von der Flut überspült werden können. Diese Arbeiten geschehen binnenseitig des bestehenden Landesschutzdeiches, der am Rand des HS an der Hahnöfer Nebenelbe verläuft. Während des Bodenabtrags wird auf dem HS am Rand der Borsteler Binnenelbe ein neuer, rückverlegter Landesschutzdeich errichtet. Die bestehende Justizvollzugsanstalt bleibt binnendeichs. Wenn der neue Deich steht und der Bodenabtrag beendet ist, wird der alte Deich beseitigt, so dass die abgetragenen Flächen der Tide ausgesetzt sind. Auf diesen Flächen soll sich ein Süßwasserwatt mit Schlickwatten bilden, so dass ein Rast- und Nahrungshabitat für die Löffelente entsteht. Diese Maßnahmen sollen dem Ausgleich des Eingriffs in das ML dienen. Der abgetragene Boden (bis zu 4,8 Millionen Kubikmetern) soll über eine Spülrohrleitung in das ML transportiert werden, das parallel zu diesem Ausbau teilverfüllt wird.

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Nach Auslegung der Planunterlagen endete die Frist zur Einreichung von Einwendungen mit Ablauf des 27. Januar 1999. Es gingen 51 Einwendungen und Stellungnahmen ein, die in der Zeit vom 16. März 1999 bis zum 19. März 1999 erörtert wurden. Der Kläger zu 1), dessen Vorbringen das des Klägers zu 2) umfasst, erhob mit Schreiben vom 26. Januar 1999 folgende Einwendung:

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Die Planung sei in ihrer Zielsetzung mit dem Gesamtvorhaben der DA-Erweiterung und somit mit dem dortigen Planfeststellungs- und Genehmigungsverfahren unauflöslich verbunden. Ausgleichsmaßnahmen seien nicht nur bloße Folgemaßnahmen einer Planfeststellung, die auf spätere Verfahrensschritte verlagert werden könnten. Sie seien vielmehr Teil des Planfeststellungsbeschlusses, seiner rechtsgestaltenden Wirkung und nicht zuletzt seiner Kosten. Dies gelte bezüglich des Gesamtvorhabens DA-Erweiterung umso mehr angesichts der speziellen Vorgaben des Artikel 6 Abs. 4 FFH-RL. Danach müssten, sofern ein Plan oder Projekt trotz Unverträglichkeit mit den Zielen der Richtlinie zugelassen werden solle, alle notwendigen Ausgleichsmaßnahmen vorgenommen werden, um sicherzustellen, dass die globale Kohärenz des Netzes Natura 2000 geschützt sei. Hierzu gehöre es unzweifelhaft, dass die Frage der Realisierbarkeit von geeigneten Ausgleichsmaßnahmen schon Bestandteil der Planfeststellung des Gesamtvorhabens sei. Da sich das Gesamtvorhaben DA-Erweiterung als rechtswidrig darstelle, bestehe ein planrechtfertigender Bedarf für die Schaffung von Ausgleichsflächen nicht. Die Planung sei bereits formell fehlerhaft. Wegen rechtsverbindlicher Zusagen der Freien und Hansestadt Hamburg gegenüber dem Airbus-Konsortium sei ein ergebnisoffenes Verfahren nicht mehr möglich gewesen. Die Wirtschaftsbehörde, Amt für Strom- und Hafenbau, entscheide zudem über ihren eigenen Antrag. In materieller Hinsicht sei die DA-Erweiterung unzulässig. So würden in der Bau- und Betriebsphase unzumutbare und gesundheitsschädigende Lärm- und Luftbelastungen sowie Erschütterungen verursacht. Durch den Flugverkehr in unmittelbarer Nähe zu Wohngebieten und zum Schiffsverkehr auf der Elbe entstünden Gefahren für Leib und Leben der Anwohner. Die Hochwassergefahren würden steigen. Das Landschaftsbild des Süderelberaumes werde verschandelt. Insbesondere verstoße das Vorhaben der DA-Erweiterung gegen die RAMSAR-Konvention, die Vogelschutzrichtlinie, die FFH-Richtlinie und hamburgisches Landesrecht. Für eine rein privatnützige Planung scheide eine Ausnahmeerteilung vom Erhaltungsgebot nach der Vogelschutzrichtlinie aus. Zwingende Gründe des überwiegenden öffentlichen Interesses sprächen nicht für die Durchführung des Vorhabens. Die nach Artikel 6 Abs. 4 FFH-RL vorgeschriebene Stellungnahme der Europäischen Kommission liege nicht vor, und der Eingriff sei zudem nicht ausgleichbar.

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Es sei zweifelhaft, ob der Airbus A3XX überhaupt gebaut werde. Es gebe demzufolge keine Rechtfertigung für die Zerstörung des Schutzgebietes Mühlenberger Loch. Die Ausgleichsflächen im Bereich des Hahnöfersandes seien ungeeignet. Wegen der hochspezifischen Nahrungsanforderungen der im Mühlenberger Loch vorkommenden Vogelarten, insbesondere der Löffelente, kämen hierfür nur im Umkreis Hamburgs gelegene Ausgleichsflächen mit Schlickwasserbereichen in Betracht, die zeitnah, d.h. bis zum nächsten Vogelzug zur Verfügung stehen und ihrerseits so groß sein müssten, dass die aus dem Mühlenberger Loch vertriebenen Vögel in diesem Gebiet ausreichenden Platz haben und genügend Nahrung vorfinden könnten. Selbst nach den Planfeststellungsunterlagen erfolge nur ein teilweiser Ausgleich für die Zerstörung des Mühlenberger Lochs. Die geplanten Süßwasserwattflächen im Bereich Hahnöfersand seien darüber hinaus in eine westliche und eine östliche Bucht zerteilt. Daraus ergebe sich eine im Vergleich zum Mühlenberger Loch deutlich geringere Eignung als Lebens- und Nahrungsraum für Vögel. Die Löffelenten seien außerordentlich störanfällig und könnten deshalb im Bereich Hahnöfersand nur einen sehr kleinen Bereich nutzen, der ausreichend Abstand vom Uferbereich halte. Der Betrieb der Justizvollzugsanstalt und der Segel- und Sportbootbetrieb auf der Hahnöfer Nebenelbe würden weitere Störfaktoren darstellen. Zudem sei völlig unklar, ob die Vögel das vorgesehene Gebiet überhaupt akzeptieren und besiedeln würden. Keinesfalls könnten die Flächen den Vögeln - wie dies die Vogelschutz- und FFH-Richtlinie forderten - zeitnah zur Verfügung stehen. Die Ausbildung von Süßwasserwattflächen einschließlich ihrer benthischen Besiedlung dauere bis zu einer stabilen Phase mindestens 5 bis 10 Jahre. Es sei im Übrigen zu erwarten, dass die vorgesehenen Flächen außerordentlich schnell verschlicken und verlanden würden. Verlandete Flächen stünden den Vögeln und Fischen nicht zur Verfügung. Durch die Durchführung der geplanten Maßnahme seien erhebliche Eingriffe in Natur und Landschaft bedingt. Es seien erhebliche Störungen im Bereich Hanskalbsand zu erwarten, und auch im Bereich der Hahnöfer Nebenelbe und Borsteler Binnenelbe werde es zu erheblichen Schweb- und Schadstoffeinträgen kommen, die negative Auswirkungen auf die Fischfauna hätten. Hahnöfersand habe bisher als winterliches Rastgebiet für Gänse und Schwäne gedient. Diese Rastflächen würden entfallen. Die Beseitigung von Bäumen führe zu erheblichen und dauerhaften Beeinträchtigungen des Landschaftsbildes. Zwei für den Elberaum hervorragende Moosfundorte würden durch den Baustellenanleger vernichtet.

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Die Einwendungen der Kläger wurden im Erörterungstermin angesprochen, insbesondere die Eignung der neu zu schaffenden Wattflächen im Bereich Hahnöfersand wurde ausführlich diskutiert und dargestellt.

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In dem am 11. Mai 2000 erlassenen Planfeststellungsbeschluss wurden die Einwendungen der Kläger zurückgewiesen. Mit der geplanten Umgestaltung des Hahnöfersandes sei eine erhebliche Aufwertung der dortigen Biotope verbunden, weshalb ein Eingriff in den Naturhaushalt nicht vorliege. Auch das Landschaftsbild werde nicht erheblich beeinträchtigt. Die heutige Situation auf dem HS sei dagegen nicht in besonderem Maße schutzwürdig. Die Bestandsaufnahme hinsichtlich der Rast- und Gastvögel auf dem HS habe zwar ergeben, dass dort Gänse in größerer Zahl und bis 1995 auch der nach FFH-RL geschützte Singschwan vorgefunden wurden. Diesen Tieren stünden jedoch in der näheren Umgebung ähnlich bedeutende oder wichtigere Rastplätze zur Verfügung wie z.B. die Wedeler Marsch. Eine Beeinträchtigung des Naturschutzgebietes Borsteler Binnenelbe während der Bauphase komme zwar in Betracht. Die Auswirkungen würden jedoch nicht als erheblich eingestuft. Denn nach Abschluss der Maßnahmen werde sich die Situation für die Vögel, die die Ufer der Borsteler Binnenelbe zu Brutzwecken nutzten, wieder normalisieren. Die geplante Unterschutzstellung des gesamten HS und des heutigen NSG Borsteler Binnenelbe und Großes Brack werde zudem dafür sorgen, dass die Schutzzwecke des Naturschutzgebietes gewahrt blieben. Der Ausbau führe nicht zu einer erheblichen Beeinträchtigung des Landschaftsbildes. Die Ersatzmaßnahme trage insgesamt zur Restauration einer ursprünglichen naturgegebenen Landschaft bei. Auf dem Hahnöfersand würden 99 ha Süßwasserwatten sowie 4,6 ha Flachwasserzone entstehen. Das Zoo- und Phyto-Plankton werde die Buchten unmittelbar nach deren Eröffnung für die Tide besiedeln. In der Folge werde auch eine Besiedlung des Sediments und der autotrophe Aufwuchs beginnen. Es sei nicht zu erwarten, dass die Eignung der neu zu schaffenden Flächen für Populationen der Löffelente erst in einem Zeitraum von ca. 10 Jahren eintrete. Bereits nach 2 Jahren werde ein großer Teil der Arten in bestimmter Menge vorhanden sein. Bereits nach 2 Jahren werde sich auf den neuen Flächen eine Schlickauflage von 10 bis 12 cm gebildet haben. Das sei für die Eignung als Nahrungsgebiet für die Löffelente ausreichend, denn im Schlickwatt seien die obersten Zentimeter am dichtesten besiedelt. Die bisherigen Erfahrungen ließen zudem erwarten, dass Löffelenten die neu geschaffenen Watten schnell annähmen. Diese Einschätzung stütze sich darauf, dass Löffelenten auch die Schlickwatten, die erst Anfang der siebziger Jahre im ML entstanden sind, schnell angenommen haben. Löffelenten rasteten ohnehin nicht jedes Jahr an derselben Stelle. Auch an anderen Rastgebieten schwanke die Größe der Population von Jahr zu Jahr sehr. Störfaktoren für die Löffelente, wie die Anwesenheit von Menschen oder hoher Bäume in dichtem Abstand von den Süßwasserwatten, werde es nicht geben. Der rückverlegte Deich werde, wie schon bisher der gesamte HS, für Menschen nicht zugänglich sein. Auch für Sportboote blieben die Flachwasserbereiche innerhalb der Leitdämme gesperrt. Es sei davon auszugehen, dass sich auf den Süßwasserwattflächen insgesamt eine Rastpopulation der Löffelente in einer Größenordnung von ca. 1.000 Exemplaren einstellen werde. Zwar treffe es zu, dass im Baujahr 2001 das neu zu schaffende Rastgebiet noch nicht zur Verfügung stehen werde. Es existierten im Elbe-Ästuar aber noch eine Reihe anderer kleinerer Rastgebiete der Löffelente, so dass unabhängig vom ML eine Rasttradition erhalten bleiben werde.

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Die Kläger haben am 26. Juni 2000 vorliegende Klage erhoben. Zur Begründung verweisen sie darauf, der angegriffene Planfeststellungsbeschluss sei formell und materiell rechtswidrig. Die Klagebefugnis begründe sich aus dem untrennbaren Zusammenhang des Ausgleichsverfahrens mit dem Hauptsacheverfahren DA-Erweiterung in das Mühlenberger Loch.

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Der Kläger zu 1) suchte am 19. Februar 2001 um Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes nach (1 B 196/01) und machte geltend:

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Der angefochtene Planfeststellungsbeschluss verstoße gegen zwingendes deutsches und europäisches Naturschutzrecht. Der Planfeststellungsbeschluss sei unter Verletzung der in § 29 BNatG dem Kläger eingeräumten Mitwirkungs- und Beteiligungsrechte zustande gekommen. Er verstoße gegen Rechtsnormen, die der Kläger gemäß § 60c NNatG auch ohne Geltendmachung subjektiver Rechtsverletzungen rügen könne. Im Einzelnen sei folgendes festzustellen:

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Der Beklagten fehle bereits die Befugnis zur Überplanung niedersächsischer Flächen. Denn der Staatsvertrag zwischen der Freien und Hansestadt Hamburg und dem Land Niedersachsen über die Planfeststellungsverfahren zum Zwecke der Erweiterung des D.-B.-A.-Airbus-Werkes in Hamburg-Finkenwerder vom 11. Oktober 1998 sei wegen Verstoßes gegen höherrangiges Recht nichtig. Der Eingriff in das Mühlenberger Loch sei gemeinschaftsrechtswidrig. Die Inanspruchnahme des Mühlenberger Loches für ein privatnütziges Industrieansiedlungsprojekt scheide aus, da das Mühlenberger Loch ein faktisches Vogelschutzgebiet sei, für das Artikel 4 der Vogelschutz-Richtlinie zur Anwendung gelange. Der Eingriff sei zudem nicht ausgleichbar und verstoße auch gegen Artikel 6 Abs. 4 FFH-RL, da berücksichtigungsfähige zwingende Gründe des überwiegenden öffentlichen Interesses für das Vorhaben nicht gegeben seien. Da die Nichtigkeit des Staatsvertrages sich gerade aus dem Verstoß gegen Normen ergebe, die auch im Rahmen des § 60c NNatG rügefähig seien, komme dem Kläger insoweit ein Rügerecht zu. Die Grundlage des Staatsvertrages sei im Übrigen entfallen, weil die zunächst beabsichtigte Endlinienfertigung des Airbus A3XX durch eine zwischenzeitlich beschlossene Aufteilung der Produktion zwischen Hamburg und Toulouse in Hamburg entfallen sei. Die Inanspruchnahme des Mühlenberger Lochs sei aber bisher mit dem für die komplette Endlinienfertigung benötigten Platz begründet worden. Darüber hinaus leide das Verfahren an einem nicht heilbaren absoluten Verfahrensfehler. Die Ausgleichsmaßnahme Hahnöfersand sei gesondert zum Verfahren DA-Erweiterung planfestgestellt worden. Eine Bindung des Hauptsacheverfahrens an die Realisierung der Ausgleichsmaßnahme HS bestehe nicht, in umgekehrter Richtung allein der Vorbehalt, dass mit dem Bau nicht vor Vollziehbarkeit der DA-Erweiterung begonnen werden dürfe. Ausgleichsmaßnahmen dürften aber abgesehen von Ausführungsdetails nicht einer späteren Planfeststellung vorbehalten werden. Dies gelte bezüglich des Gesamtvorhabens DA-Erweiterung ins Mühlenberger Loch umso mehr angesichts der speziellen Vorgaben des Artikel 6 Abs. 4 FFH-RL. Danach müssten, sofern ein Plan oder Projekt trotz Unverträglichkeit mit den Zielen der Richtlinie zugelassen werden solle, alle notwendigen Ausgleichsmaßnahmen vorgenommen werden, um sicherzustellen, dass die globale Kohärenz des Netzes Natura 2000 geschützt sei. Die zwingend vorgeschriebene Sicherstellung der Kohärenz durch den Ausgleich führe dazu, dass eine fehlende Ausgleichsmöglichkeit bereits der Zulassung des Eingriffs entgegenstehe, sich also nicht nur auf der Rechtsfolgenseite, sondern schon auf der tatbestandlichen Seite der Eingriffzulassung auswirke. Durch diese Fehlerhaftigkeit des verfahrensrechtlichen Entkoppelns von Eingriffs- und Ausgleichsverfahren seien die Beteiligungs- und Verfahrensrechte des Klägers rechtswidrig verkürzt worden. Er sei im Eingriffsverfahren DA-Erweiterung nicht beteiligt worden. Auch sein Antrag im hier streitgegenständlichen Verfahren, die Antragsunterlagen des Verfahrens DA-Erweiterung übermittelt zu bekommen und hierzu gesondert Stellung nehmen zu dürfen, sei abgelehnt worden. Ihm sei hierdurch das Recht und die Möglichkeit genommen, zur Rechtswidrigkeit des dem Ausgleich zugrunde liegenden Eingriffs sowie zur fehlenden Eignung der Maßnahme zur Wahrung der Kohärenz des Netzes Natura 2000 Stellung zu nehmen. Berücksichtige man die Zielsetzung des Mitwirkungsrechts der Verbände, den Belangen des Naturschutzes effektiv zur Geltung zu verhelfen, so genüge die Verfahrensbeteiligung des Klägers den vor diesem Hintergrund an die Art und Weise der Mitwirkung zu stellenden Anforderungen nicht. Die geplante Zerstörung des Schutzgebietes Mühlenberger Loch habe der vorherigen Stellungnahme der Europäischen Kommission bedurft. Die von der Kommission am 19. April 2000 abgegebene Stellungnahme äußere sich zum Ausgleichskonzept ausdrücklich nicht, sondern stelle stattdessen fest, dass die Kommission nicht umfassend beurteilen könne, ob die Ausgleichsmaßnahmen und deren Timing die Kohärenz des Netzes Natura 2000 gewährleisteten. Eine Alternativenprüfung, die nach Artikel 6 Abs. 4 FFH-RL erforderlich sei, fehle. Sie sei jedenfalls nicht Gegenstand der Antragsunterlagen und des Verfahrens gewesen und damit in keiner Weise nachvollziehbar. Das Verfahren sei nicht ergebnisoffen geführt worden. Die Beklagte habe als Teil der Wirtschaftsbehörde über ihren eigenen Antrag zu befinden gehabt. Sie sei aufgrund bereits erfolgter Versprechungen der Behördenspitze gegenüber der DASA gehindert gewesen, die rechtliche Problematik des Gesamtverfahrens objektiv zu prüfen. Der angefochtene Planfeststellungsbeschluss verstoße gegen mehrere rügefähige Normen des Naturschutzes. Die baubedingten erheblichen Beeinträchtigungen des unmittelbar an die Elbinsel Hahnöfersand angrenzenden Naturschutzgebietes Borsteler Binnenelbe und Großes Brack seien ihrerseits an Artikel 6 Abs. 4 FFH-RL zu messen. Sie stellten sich als gemeinschaftsrechtswidrig dar, da eine Alternativenprüfung nicht durchgeführt worden sei, die Ausgleichbarkeit der Beeinträchtigungen des Netzes Natura 2000 nicht sichergestellt und keine zwingenden Gründe des überwiegenden öffentlichen Interesses für das Vorhaben gegeben seien. Des weiteren verstoße der Plan gegen das Zerstörungs-, Beschädigungs- und Betretungsverbot des § 24 Abs. 2 NNatG. Gründe für die Zulassung von Ausnahmen bzw. Befreiungen seien nicht ersichtlich. Denn die letztlich hinter der Ausgleichsmaßnahme stehende Maßnahme DA-Erweiterung sei - wie dargelegt - gemeinschaftsrechtswidrig. Schließlich sei ein Verstoß gegen die §§ 7 ff. NNatG zu rügen. Rechtsfehlerhaft gehe die Beklagte davon aus, die bau- und vorhabensbedingten Auswirkungen stellten keinen Eingriff im Sinne von § 7 NNatG dar. Die Insel Hahnöfersand wäre im Falle der Vorhabensrealisierung über Jahre hinweg eine Großbaustelle. Bereits die Größenordnung und die Zeitdauer des Baues ließen keinen Zweifel daran, dass die Funktionsfähigkeit des Naturhaushaltes und des Landschaftsbildes erheblich beeinträchtigt würde. Die Funktionsfähigkeit des Naturhaushaltes werde ausweislich der Umweltverträglichkeitsprüfung in vielfältiger Hinsicht beeinträchtigt. Auf die Auffassung der Beklagten, diese Beeinträchtigungen seien deshalb nicht als Eingriff zu werten, weil die Maßnahme letztlich zu einer naturschutzfachlichen Aufwertung des Gebietes führen werde, komme es nicht an. Es könne nicht richtig sein, dass der Eingriff unter gemeinschaftsrechtlicher Sichtweise ausgeglichen werden solle und dabei die bisherigen ökologischen Funktionen der Ausgleichsgebiete ohne physisch-reale Kompensation entfallen sollten. Da die Beklagte die Eingriffsqualität der Maßnahme rechtsfehlerhaft verneint habe, sei die angestellte Abwägung zwangsläufig fehlerhaft. Im Übrigen könne die Maßnahme HS den Verlust der großräumigen Flächen des Mühlenberger Lochs niemals kompensieren. Ein Gebiet dürfe gemeinschaftsrechtlich nicht irreversibel beeinträchtigt werden, bevor die Ausgleichsmaßnahme wirklich zum Tragen komme. Allein die Bauphase werde Jahre in Anspruch nehmen, und die Entstehung der erhofften Lebensräume werde mindestens 10 Jahre dauern. Daraus folge, dass der Maßnahme bereits jedwede Planrechtfertigung fehle. Schließlich sei ein besonderes Vollzugsinteresse nicht gegeben. Dies folge schon daraus, dass die Maßnahme HS ohnehin keinen geeigneten Ausgleich für die aus dem Mühlenberger Loch vertriebenen Tierarten werde leisten können.

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Die Beklagte als Antragsgegnerin erwiderte, eine Verletzung von Mitwirkungsrechten des Klägers zu 1) sei nicht erfolgt. Insbesondere könne er seine Antragsbefugnis nicht aus Einwänden gegen den Planfeststellungsbeschluss Mühlenberger Loch herleiten. Denn er müsse dazu in seinen satzungsmäßigen Aufgaben berührt sein. Diese beschränken sich aber gemäß § 29 Abs. 4 BNatG auf das Gebiet des Landes, in dem der Verband anerkannt sei, hier also auf Niedersachsen. Die Antragsbefugnis des Klägers zu 1) folge auch nicht aus seiner Rüge, die Trennung der Verfahren sei rechtswidrig. Der Kläger zu 1) sei in Hamburg nicht zu beteiligen. Das habe das Hamburgische Oberverwaltungsgericht rechtskräftig entschieden. Vor diesem Hintergrund überrasche, dass der Kläger die naturschutzrechtlich gebotene Kompensationsmaßnahme verhindern wolle. In der Sache sei der Antrag unbegründet. Die Vollziehung der Maßnahme sei eilbedürftig, da sie der Kompensation nach § 19c Abs. 5 BNatG und Artikel 6 Abs. 4 FFH-RL diene. Um den Zusammenhang des Netzes von Natura 2000 sicherzustellen, müssten möglichst bald Ausgleichsflächen zur Verfügung gestellt werden. Die neu zu schaffenden Wattflächen würden erst nach etwa zwei Jahren so weit aufgeschlickt sein, dass sie ein ausreichendes Nahrungsangebot für die Zielarten aufwiesen. Dass dieses bis zu zehn Jahre dauern werde, sei unzutreffend. Das im Planfeststellungsbeschluss erörterte Gutachten K. habe einen Zeitraum von zwei Jahren zugrunde gelegt. Im Übrigen sei bei einer längeren Dauer die Eilbedürftigkeit des Vorhabens erst recht anzunehmen. In der Sache sei der Planfeststellungsbeschluss offensichtlich rechtmäßig. Gegen die Trennung der Verfahren bestünden keine Bedenken. Auch die Bestimmungen zum Schutz von Natura 2000 stünden der Maßnahme nicht entgegen. Ebenso wenig ergebe sich aus § 19c BNatG, dass über eine Kompensation gleichzeitig mit der Eingriffsmaßnahme entschieden werden müsse. Dies folge auch nicht aus Artikel 6 Abs. 4 FFH-RL. Ebenso wenig schreibe das nationale Verfahrensrecht zwingend vor, dass stets ein einheitliches Planfeststellungsverfahren durchzuführen sei. Weder § 75 noch § 78 VwVfG seien insoweit einschlägig. Ein Entscheidungsvorbehalt gemäß § 74 Abs. 3 VwVfG wäre in jedem Falle als zulässig anzusehen. Die Planrechtfertigung sei gegeben, weil die festgestellte Ausgleichsmaßnahme vernünftigerweise geboten sei. Dadurch werde ein bedeutender Beitrag zur Kompensation der Beeinträchtigung des Schutzgebietsystems Natura 2000 geleistet. Art und Umfang von Ersatzmaßnahmen nach der FFH-Richtlinie seien zudem in erheblichem Umfange in die Beurteilung der Mitgliedstaaten gestellt. Die Planfeststellungsbehörde könne sich auf diesen Beurteilungsspielraum berufen.

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Die Kammer lehnte den Eilrechtsschutzantrag des Klägers zu 1) mit Beschluss vom 15. März 2001 ab. Die dagegen eingelegte Beschwerde wies das Nds. Oberverwaltungsgericht mit Beschluss vom 1. Juni 2001 - 7 MB 1546/01 - (NuR 2002, 369 [OVG Rheinland-Pfalz 04.12.2001 - 6 A 10965/01]) zurück. Der angefochtene Planfeststellungsbeschluss leide voraussichtlich weder an formellen noch an materiellen Fehlern. Soweit die Rügebefugnis des Klägers zu 1) reiche, stelle sich in der Sache die Frage, ob die zur Sicherung des Zusammenhangs des Europäischen ökologischen Netzes „Natura 2000“ notwendigen Maßnahmen vorgesehen sind und ob die geplanten Ersatzmaßnahmen zur Erreichung des mit ihnen verfolgten Zwecks geeignet und erforderlich sind und keine Nachteile herbeiführen, die außer Verhältnis zu dem beabsichtigten Erfolg stehen. Es sei nicht zu erkennen, dass die Kompensationsmaßnahmen schlechthin ungeeignet seien. Wäre die Kritik der vom Kläger zu 1) zitierten Gutachter D. und Krieg berechtigt, bestünde ggf. die Notwendigkeit, weitere Maßnahmen zu treffen, damit die Anforderungen des Naturschutzes erfüllt werden. Bei offenem Ausgang des Hauptsacheverfahrens überwiege das öffentliche Interesse an einer Kompensation des Eingriffs in das Mühlenberger Loch.

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Die Kläger tragen zur Begründung ihrer Klage weiter vor. Sie setzen mit den im Eilrechtsschutzverfahren aufgeworfenen Rechtsfragen auseinander. Sie legen eine von Prof. Dr. Hartmut K. verfasste „Gutachterliche Stellungnahme zu vier Gutachten über die Ausgleichsmaßnahme Hahnöfer Sand zur Teilkompensation des Eingriffs in das Ramsar-Schutzgebiet Mühlenberger Loch“ vor. Mit dieser Stellungnahme beurteilt Prof. K. im Wesentlichen die zwei in den Planfeststellungsverfahren „DA-Erweiterung“ und „Hahnöfersand“ verwerteten Gutachten „Aquatische Lebensgemeinschaften im Mühlenberger Loch und im Rüschkanal “ und „Das Besiedlungspotential von Süßwasserwattgebieten am Hahnöfer Sand durch aquatische Lebensgemeinschaften der Tiedeelbe (DA-Ausgleichs-maßnahme)“ aus dem Jahre 1998. Die Stellungnahme gelangt nach detaillierten Betrachtungen zu dem Ergebnis, dass die genannten Gutachten wissenschaftlich wertlos seien und daher der Aufgabe einer umfassenden Erörterung und Abwägung aller zu berücksichtigenden Gesichtspunkte nicht gerecht würden. Die Kläger ziehen hieraus den Schluss, dass die als Plan festgestellte Ersatzmaßnahme naturfachlich ungeeignet und damit insgesamt unverhältnismäßig sei.

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Die Kläger beantragen,

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den Planfeststellungsbeschluss vom 11. Mai 2000 aufzuheben.

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Die Beklagte beantragt,

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die Klage abzuweisen.

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Dem Kläger zu 2) fehle die Klagebefugnis. Seine satzungsmäßigen Aufgaben beschränkten sich auf den Bereich Hamburgs. Für sein Verbandsklagerecht in Niedersachsen bestehe keine Rechtsgrundlage. Auch im Sinne des § 42 Abs. 2 VwGO könne der Kläger zu 2) eine mögliche Verletzung eigener Beteiligungsrechte nicht geltend machen. Die Klage sei im Übrigen unbegründet. Insoweit stützt die Beklagte sich im Wesentlichen auf die Ergebnisse des vom Kläger zu 1) geführten parallelen Eilrechtsschutzverfahrens.

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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakten und die vorgelegten Verwaltungsvorgänge ergänzend Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

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Die Klage des Klägers zu 1) ist zulässig. Er ist zunächst gemäß § 42 Abs. 2 VwGO als nach § 29 Abs. 2 und 3 BNatG anerkannter Verein klagebefugt, soweit er geltend macht, dass der angefochtene Planfeststellungsbeschluss den Vorschriften des Bundesnaturschutzgesetzes, des Niedersächsischen Naturschutzgesetzes, den aufgrund dieser Gesetze bestehenden Rechtsvorschriften oder anderen Normen widerspricht, die auch den Belangen des Naturschutzes und der Landschaftspflege zu dienen bestimmt sind, § 60c Abs. 1 NNatG. Da der Kläger im Verwaltungsverfahren von seinem Recht auf Stellungnahme gemäß § 29 Abs. 1 Nr. 4 BNatG Gebrauch gemacht hat, kann er die ihm zustehenden Einwände im Klageverfahren weiterverfolgen, § 60c Abs. 2 Nr. 1 NNatG. Der Antragsteller unterliegt auch nicht der Präklusion nach § 60c Abs. 3 Satz 1 des Gesetzes. Sämtliche von ihm klageweise vorgebrachten Einwände waren bereits Gegenstand seiner Stellungnahmen.

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Die Klagebefugnis des Klägers zu 2) ist überaus zweifelhaft. Noch im Einwendungsverfahren ist vorgetragen worden, der Kläger zu 2) habe zwar den Antrag auf Anerkennung als Naturschutzverband gestellt, darüber sei derzeit jedoch noch nicht entschieden worden. Ob danach zu einem Zeitpunkt vor Erhebung der Klage die erstrebte Anerkennung erteilt worden ist, lässt sich weder dem Vorbringen der Kläger noch den sonst verwertbaren Unterlagen entnehmen. Mit guten Gründen weist die Beklagte außerdem darauf hin, dass der Wirkungsbereich des Klägers zu 2) auf die Freie und Hansestadt Hamburg beschränkt ist. Die danach höchstwahrscheinlich zu verneinende Frage, ob der Kläger zu 2) den Planfeststellungsbeschluss vom 11. Mai 2000 gerichtlich angreifen darf, kann aber im Ergebnis auf sich beruhen, da die in ihrer Zielrichtung und Begründung von beiden Klägern mit identischem Vortrag verfolgte Klage, wie die nachfolgenden Ausführungen zeigen, ohne Erfolg in der Sache bleibt.

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Die Klage ist unbegründet. Vorschriften des objektiven Rechts sind nicht verletzt, soweit die Kläger dies aufgrund einer Rügebefugnis, die ihnen im Rahmen der Verbandsklage zusteht, geltend machen können. Dies ergibt sich schon zum einen aus den Gründen des Kammerbeschlusses vom 15. März 2001 - 1 B 196/01 -, die, soweit diese durch das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht in dem Beschluss vom 1. Juni 2001 - 7 MB 1546/01 - bestätigt worden sind auch angesichts des Vorbringens in der Hauptsache weiter Geltung beanspruchen. Zum anderen zeigt sich, dass die Einwendungen der Kläger in wesentlichen Teilen außerhalb des Verfahrensgegenstandes dieser Klage liegen. Die Einwendungen sind insoweit den Abwägungen und Festsetzungen in dem vorausgegangenen Planfeststellungsbeschluss „DA-Erweiterung“ vom 8. Mai 2000 zuzuordnen, und dies hat zur Folge, dass sie keiner gerichtlichen Überprüfung in diesem Klageverfahren unterliegen.

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Die Kammer hat in dem Beschluss vom 15. März 2001 - 1 B 196/01 - sämtliche verfahrensrechtlichen Rügen des Klägers zu 1) zurückgewiesen und hält, ohne die Gründe umfassend erneut aufzugreifen, daran fest, zumal die Kläger im Hauptsachverfahren nicht erneut, geschweige denn mit bisher unerörterten Gesichtspunkten, auf verfahrensrechtliche Einwendungen zurückgekommen sind. Ein rechtlicher Mangel des Verfahrens folgt insbesondere nicht daraus, dass im vorliegenden Fall die Beklagte zugleich Antragstellerin und auf der anderen Seite Anhörungs- und Planfeststellungsbehörde gewesen ist. Die Kammer hat dies bereits in ihren Beschlüssen vom 15. März 2001 (1 B 1937/00 und 1 B 196/01) festgestellt und sich insoweit der Rechtsauffassung des Hamburgischen OVG angeschlossen. Diese Ansicht folgt der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, dass gegen eine Identität von Vorhabenträger und Planfeststellungsbehörde keine rechtlichen Bedenken bestehen (BVerwG, Beschluss vom 02.10.2002 - 9 VR 11.02 - m.w.N.) In der Sache hat die Kammer u. a. ausgeführt, dass der Kläger zu 1) im Rahmen seines Verbandsklagerechts nach § 60c Abs. 1 NNatG das Fehlen einer Planrechtfertigung grundsätzlich nicht rügen kann. Auch hieran ist festzuhalten. Das Rügerecht eines anerkannten Naturschutzverbandes  ist nämlich gerade nicht darauf gerichtet, ihm eine volle gerichtliche Kontrolle des fachplanerischen Abwägungsvorgangs und seines Ergebnisses zuzugestehen, vielmehr die Zulässigkeit von Rechtsbehelfen darauf zu beschränken, dass der Verein geltend machen kann, der Erlass eines nunmehr in § 61 Abs. 1 BNatG n. F. genannten Verwaltungsakts widerspreche Rechtsvorschriften, die zumindest auch den Belangen des Naturschutzes und der Landschaftspflege zu dienen bestimmt sind; erfasst sind neben naturschutzrechtlichen Vorschriften im engeren Sinne auch sonstige umweltrechtliche Vorschriften und Vorschriften in anderen Gesetzen, z. B. im Bundesfernstraßengesetz, die den Belangen des Naturschutzes und der Landschaftspflege dienen. Die insbesondere in § 61 Abs. 2 Nr. 1 BNatG n. F. zum Ausdruck kommende Begrenzung der Klagebefugnis der anerkannten Naturschutzverbände hat deshalb zur Folge, dass Mängel in der Ermittlung nicht-naturschutzrechtlicher Belange grundsätzlich von ihnen im Verwaltungsprozess nicht geltend gemacht werden können (HessVGH, Beschl. v. 23.10.2002 - 2 Q 1668/02 - m. w. N).

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Ihre auch im vorliegenden Klagverfahren unveränderte Auffassung zur materiellen Rechtmäßigkeit des Planfeststellungsbeschlusses vom 11. Mai 2000 hat die Kammer im Beschluss vom 15. März 2001 folgendermaßen dargelegt:

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„Das Vorhaben ist mit den Regelungen des § 19c BNatG, welche Artikel 6 Abs. 2 bis 4 der FFH-Richtlinie umsetzen und gemäß § 39 Abs. 1 BNatG bis zum 8. Mai 2003 unmittelbar anwendbares Recht darstellen, vereinbar.

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Nach § 19c Abs. 1 BNatG sind Projekte vor ihrer Zulassung oder Durchführung auf ihre Verträglichkeit mit den Erhaltungszielen eines Gebietes von gemeinschaftlicher Bedeutung oder eines europäischen Vogelschutzgebietes zu überprüfen. Ein Vorhaben ist unzulässig, wenn die Prüfung der Verträglichkeit ergibt, dass das Projekt zu einer erheblichen Beeinträchtigung eines Gebietes von gemeinschaftlicher Bedeutung oder eines europäischen Vogelschutzgebietes in seinen für die Erhaltungsziele oder den Schutzzweck maßgeblichen Bestandteilen führen kann. Gemäß Abs. 3 der Vorschrift darf abweichend hiervon ein Projekt nur zugelassen oder durchgeführt werden, soweit es (1.) aus zwingenden Gründen des überwiegenden öffentlichen Interesses, einschließlich solcher sozialer oder wirtschaftlicher Art, notwendig ist und (2.) zumutbare Alternativen, den mit dem Projekt verfolgten Zweck an anderer Stelle ohne oder mit geringeren Beeinträchtigungen zu erreichen, nicht gegeben sind. Für den Bereich des Hahnöfersandes und die hier erfolgte Planfeststellung, die Gegenstand des anhängigen Verfahrens ist, sind aus diesen Vorschriften Bedenken aus naturschutzrechtlicher Sicht nicht erkennbar. Vielmehr macht der Antragsteller unter Hinweis auf diese Vorschriften deutlich, dass er bereits die Eingriffsmaßnahme im Bereich des Mühlenberger Lochs für rechtswidrig erachtet mit der Folge, dass es einer Kompensationsmaßnahme im Bereich Hahnöfersand damit nicht bedarf. Dass die Inanspruchnahme des Mühlenberger Lochs für die geplante DA-Erweiterungsmaßnahme mit nationalem und europäischem Recht nicht vereinbar ist, lässt sich für die Kammer im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes nicht feststellen. Zu dieser Frage hat sich das Oberverwaltungsgericht Hamburg in dem bereits genannten Beschluss vom 19. Februar 2001 geäußert. Das Oberverwaltungsgericht hat nicht feststellen können, dass die erfolgte Planfeststellung aus diesen Gründen rechtswidrig ist und hat demzufolge die Vollziehbarkeit des Planfeststellungsbeschlusses bestätigt. Da die Kammer nicht feststellen kann, dass diese Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts den Sachverhalt unrichtig würdigt, beschränkt sich damit die von der Kammer anzustellende Überprüfung auf mögliche Verstöße gegen naturschutzrechtliche Bestimmungen, die allein durch die auf Hahnöfersand durchzuführende Maßnahme bedingt sind. Bei dieser Prüfung lassen sich Verstöße gegen im Rahmen der Verbandsklage rügefähige Normen des Naturschutzes nicht feststellen.

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Soweit der Antragsteller einen Verstoß gegen Artikel 6 Abs. 4 FHH-RL rügt, gilt folgendes: Die baubedingten Beeinträchtigungen des angrenzenden Naturschutzgebietes Borsteler Binnenelbe und Großes Brack sind nicht zu bestreiten. Die FFH-Richtlinie hat nach Artikel 2 zum Ziel, zur Sicherung der Artenvielfalt durch die Erhaltung der natürlichen Lebensräume sowie der wild lebenden Tiere und Pflanzen im europäischen Gebiet der Mitgliedstaaten, für das der Vertrag Geltung hat, beizutragen. Die aufgrund dieser Richtlinie getroffenen Maßnahmen zielen darauf ab, einen günstigen Erhaltungszustand der natürlichen Lebensräume und wild lebenden Tier- und Pflanzenarten von gemeinschaftlichem Interesse zu bewahren oder wiederherzustellen. Zu diesem Zweck wird gemäß Artikel 3 ein kohärentes europäisches ökologisches Netz besonderer Schutzgebiete mit der Bezeichnung „Natura 2000“ errichtet. Dieses Netz besteht aus Gebieten, die die natürlichen Lebensraumtypen des Anhangs I sowie die Habitate der Arten des Anhangs II umfassen und muss den Fortbestand oder gegebenenfalls die Wiederherstellung eines günstigen Erhaltungszustandes dieser natürlichen Lebensraumtypen und Habitate der Arten in ihrem natürlichen Verbreitungsgebiet gewährleisten. Dass die auf Hahnöfersand durchzuführende Ausgleichsmaßnahme diesen Zielvorstellungen widerspricht, ist nicht erkennbar. In dem angefochtenen Planfeststellungsbeschluss ist dazu dargelegt, dass es sich bei den Baumaßnahmen auf Hahnöfersand naturgemäß um einen vorübergehenden Zustand handelt, der eine nachhaltige Beeinträchtigung des angrenzenden Naturschutzgebietes nicht erwarten lässt. Die Maßnahme bezweckt vielmehr gerade eine Verbesserung des bestehenden Zustandes. Zum einen dient sie als Ausgleichsmaßnahme für den Verlust von schützenswerten Flächen im Bereich des Mühlenberger Lochs. Zum anderen ist zur Überzeugung der Kammer zu erwarten, dass auch unabhängig von dieser Funktion als Ausgleichsmaßnahme durch die Rückverlegung des Deiches, die Abtragung der Insel und die Schaffung von Süßwasserwattflächen eine positive Veränderung des Ist-Zustandes erfolgt. Aus der Sicht des Naturschutzes stellt sich diese Maßnahme als Gewinn dar. Die Vorschriften des § 19c BNatG sowie die FFH-Richtlinie stehen dieser Maßnahme damit nicht entgegen.

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Soweit der Antragsteller einen Verstoß gegen § 24 Abs. 2 NNatG und damit gegen das Verbot der Zerstörung, der Beschädigung und des Betretens eines Naturschutzgebietes geltend macht, führt dieser Einwand ebenfalls nicht zur Rechtswidrigkeit des angefochtenen Planfeststellungsbeschlusses. Dem Antragsteller ist zuzugestehen, dass zwangsläufig die Herstellung der Ausgleichsfläche auf Hahnöfersand in gewissem Umfang die vorübergehende Inanspruchnahme des angrenzenden Naturschutzgebietes mit sich bringt. Dass diese Inanspruchnahme das Naturschutzgebiet oder einzelne seiner Bestandteile zerstören, beschädigen oder verändern kann, wie dies § 24 Abs. 2 NNatG beschreibt, ist jedoch nicht wahrscheinlich. In dem angefochtenen Planfeststellungsbeschluss sind rechtsfehlerfrei die hierzu erhobenen Einwendungen zurückgewiesen worden (Ziffer 2.9.3.10). Die Kammer folgt der darin enthaltenen Einschätzung, dass die Auswirkungen auf das Naturschutzgebiet als nicht erheblich einzustufen sind, zumal nach Abschluss der Maßnahmen sich die Situation für die Vögel, die die Ufer der Borsteler Binnenelbe zu Brutzwecken nutzen, wieder normalisieren wird. Ein naturschutzrechtlicher Ausgleich für diese nur vorübergehenden Beeinträchtigungen kann damit als entbehrlich angesehen werden.

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Daraus folgt zugleich, dass die Einschätzung der Antragsgegnerin, die bau- und vorhabensbedingten Auswirkungen stellten keinen Eingriff im Sinne von § 7 NNatG dar, zutreffend ist. § 7 NNatG definiert den Begriff des Eingriffs als Veränderungen der Gestalt oder Nutzung von Grundflächen, die die Leistungsfähigkeit des Naturhaushalts oder das Landschaftsbild erheblich beeinträchtigen können. Für diese Prognose besteht insbesondere wegen der vorübergehenden Beeinträchtigung des angrenzenden Naturschutzgebietes kein durchgreifender Anhaltspunkt.

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Soweit der Antragsteller schließlich einwendet, das Ausgleichskonzept im Bereich Hahnöfersand sei ungeeignet, ist dem nicht zu folgen. Aus § 19c Abs. 5 Satz 1 BNatG und aus Artikel 6 Abs. 4 FFH-RL ergibt sich die Verpflichtung, die zur Sicherung der Kohärenz, d.h. des Zusammenhangs des europäischen ökologischen Netzes Natura 2000, notwendigen Maßnahmen vorzusehen bzw. zu ergreifen. Wenn diese ökologischen Funktionen des Natura 2000-Netzes gestört werden, ist nach den genannten Vorschriften der Status quo des Schutzgebietssystems wiederherzustellen. Sicherung der Kohärenz bedeutet damit im Einzelfall, dass an anderer Stelle Ersatzflächen mit denselben Lebensraumtypen und Habitaten wie auf der beeinträchtigten Fläche zu schaffen sind. Sie müssen etwa gleich groß sein und die beeinträchtigten Flächen auch in ihrer Bedeutung in überregionalen Zusammenhängen, z.B. als Trittsteinbiotop für Zugvögel, ersetzen (Planfeststellungsbeschluss vom 11. Mai 2000 Ziffer 2.11). Dabei ist einzuräumen, dass die Ausgleichsmaßnahme Hahnöfersand für sich alleine genommen den Eingriff im Mühlenberger Loch nicht kompensieren kann. Naturschutzrechtlich ist es jedoch nicht geboten, nur eine Ausgleichsmaßnahme bei einem Eingriff in das Natura 2000-Netz vorzusehen.“

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Zu letzterem ist auf das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 31. Januar 2002 - 4 A 15.01 - (NuR 2002, 539 [VGH Baden-Württemberg 05.11.2001 - 5 S 1006/00]) hinzuweisen, wonach § 8 Abs. 3 BNatG selbst schwere Beeinträchtigungen des Naturhaushalts und des Landschaftsbildes in Kauf nimmt, wenn den für den Eingriff sprechenden Gründen größeres Gewicht zukommt. Die Eingriffsregelung kennt keine unantastbaren Gebiete. Sie macht Eingriffe lediglich davon abhängig, dass für die mit ihnen verbundenen Beeinträchtigungen ein Ausgleich geschaffen wird, und ist so konzipiert, dass der Ausgleichsbedarf mit der Schwere des Eingriffs wächst. Ist ein Vollausgleich möglich, so nimmt sie selbst schwere Beeinträchtigungen in Kauf. Auch bei einem Ausgleichsdefizit nötigt sie zu keinem abweichenden Ergebnis, wenn die gewichtigeren Gründe für den Eingriff sprechen. Die Frage des Ausgleichsbedarfs ebenso wie die Frage, ob die Umgestaltung des Hahnöfersandes in dem beabsichtigten Maß geeignet ist, den Eingriff in das Mühlenberger Loch auszugleichen, bildet jedoch keinen Gegenstand des vorliegenden Klageverfahrens und ist damit nicht von der Kammer zu überprüfen. Sie gehört nicht nur dem Sachzusammenhang nach in das Planfeststellungsverfahren „DA-Erweiterung“, sondern ist auch mit dem darüber erlassenen Planfeststellungsbeschluss vom 8. Mai 2000, dessen Rechtmäßigkeit die hamburgischen Gerichte festzustellen haben, entschieden worden. Den Ausgleichsbedarf für den Eingriff in das Mühlenberger Loch und die Kompensationsfähigkeit der Maßnahme Hahnöfersand können die Kläger demnach keiner Kontrolle durch die niedersächsische Verwaltungsgerichtsbarkeit unterziehen lassen. Unter diesem Gesichtspunkt hat es die Kammer in der mündlichen Verhandlung auch abgelehnt, den erschienenen Sachverständigen Prof. Dr. K. zu der naturschutzfachlichen Frage anzuhören, ob die hier streitigen Ersatzmaßnahmen zum Ausgleich für den Eingriff in das Mühlenberger Loch geeignet sind, wozu nach Ansicht der Kläger Anlass bestehe, weil die Beurteilungen der Beklagten zur Geeignetheit und zeitnahen Realisierbarkeit der Ersatzmaßnahme auf wissenschaftlich wertlosen Untersuchungen und Prognosen beruhten. Insoweit enthält der hier angefochtene Planfeststellungsbeschluss weder eigenständige Abwägungen noch eine selbständige Entscheidung, weil diese in dem Planfeststellungsbeschluss „DA-Erweiterung“ vom 8. Mai 2000 bereits vorweggenommen sind und zu dessen tragender Begründung gehören. Danach ist die Maßnahme Hahnöfersand als Ersatzmaßnahme nach § 9 Abs. 6 des hamburgischen Naturschutzgesetzes verbindlich festgesetzt worden (1.8.3). Der Ausgleichsbedarf für den Eingriff in das Mühlenberger Loch und die Kompensationsfähigkeit der Maßnahme Hahnöfersand sind aus diesem Grunde nicht mehr in das Überprüfungs- und Entscheidungsmaterial des Planfeststellungsverfahrens Hahnöfersand eingegangen, weil diese Fragen im Planfeststellungsverfahren „DA-Erweiterung“ vorgreiflich abgearbeitet worden sind. In dem Verfahren „DA-Erweiterung“ wurde das „Ob“, in den anderen Verfahren, u. a. betreffend die Umgestaltung des Hahnöfersandes , das „Wie“ der ökologischen Kompensation behandelt (2.2.8). Die Entscheidung, eine Teilkompensation für die Verfüllung des ML dadurch zu schaffen, dass genau bemessene Teile des HS zu Süßwasserwattflächen umgestaltet werden und zu diesem Zweck der Deich verlegt wird, ist allein Bestandteil des Planfeststellungsbeschlusses „DA-Erweiterung“ vom 8. Mai 2000. Der Plangeber für die DA-Erweiterung hat die Eignung der Kompensationsmaßnahme HS in dem Beschluss festgestellt und hierzu im Hinblick auf die Sicherung der Kohärenz des Natura-2000-Netzes eingehende Abwägungen über die Bilanz des Eingriffs in das ML und dessen Teilkompensation durch die Maßnahme HS in Bezug auf die einzeln betroffenen Schutzgüter angestellt (2.5.4.6). Dem Abwägungsvorgang haben detaillierte Einzelbewertungen der Boden- und Biotoparten auf HS in Gegenüberstellung mit den Verlusten zugrundegelegen, die infolge der DA-Erweiterung zu erwarten sind (2.12.4.1.1). Dieser Abwägungsvorgang war damit durch Erlass des Planfeststellungsbeschlusses „DA-Erweiterung“ vom 8. Mai 2000 abgeschlossen und konnte, was offensichtlich auch nicht beabsichtigt war, rechtslogisch in dem Verfahren „Hahnöfersand“ nicht wiederholt werden. Dies geschah übrigens im Gegensatz zu den anderen Kompensationsmaßnahmen, insbesondere in der Haseldorfer Marsch, die ausdrücklich als solche in dem Planfeststellungsbeschluss vom 8. Mai 2000 noch nicht festgesetzt worden sind.

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Den Klägern muss es vor diesem Hintergrund verwehrt bleiben, unter Berufung auf das Rügerecht anerkannter Naturschutzverbände die Frage der Kompensationseignung zur gerichtlichen Überprüfung zu stellen, da dem Grundsatz, der Bewertung und der Gewichtung nach hierüber schon in dem Planfeststellungsbeschluss „DA-Erweiterung“ vom 8. Mai 2000, und zwar nach hamburgischem Landes-Naturschutzrecht entschieden worden ist. Sie können deshalb die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Planfeststellungsbeschlusses HS vom 11. Mai 2000 nicht mit der Behauptung anzweifeln, die im Planfeststellungsbeschluss ML vom 8. Mai 2000 festgesetzte Kompensation durch die Schaffung von Süßwasserwattflächen und durch die Verlegung des Deiches werde scheitern. Eine Beanstandungsbefugnis der Verbandskläger ist durch den Gegenstand des angefochtenen Planfeststellungsbeschlusses vom 11. Mai 2000, der nur noch die Umsetzung der Kompensation betrifft, beschränkt. Dass die Maßnahme HS zu neuen, unvorhergesehenen und unverhältnismäßigen Eingriffen in Natur und Landschaft führen werde, ist nicht ersichtlich.

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Zusammenfassend ist festzustellen, dass die Umgestaltung des Hahnöfersandes als Ersatzmaßnahme für den Eingriff in das Mühlenberger Loch selbst keinen Eingriff in Natur und Landschaft darstellt, sondern auch in der Sache nicht zu Beeinträchtigungen führt und aufgrund einer Bilanzierung der während der Bauphase auftretenden Nachteile und Verluste für den bestehenden Zustand der Elbinsel gegenüber dem angestrebten und möglichen Ziel, Süßwasserwattflächen entstehen zu lassen, insgesamt unter naturschutzfachlichen Gesichtspunkten zu einer Aufwertung führt. Ob dieses Ergebnis erst, wie die Kläger befürchten, in zehn Jahren oder nach Ansicht der Beklagten wesentlich früher eintreten wird, berührt die Rechtmäßigkeit des Planfeststellungsbeschlusses vom 11. Mai 2000, soweit eine Beanstandungsbefugnis der Kläger reicht, nicht. Sofern man die Maßnahme Hahnöfersand, losgelöst von ihrer gewollten Bindung als Ersatzmaßnahme für den Eingriff in das Mühlenberger Loch, als denkbares und mögliches eigenständiges Projekt des Landes Niedersachsen zur naturschutzfachlichen Aufwertung des Areals Hahnöfersand mit dem Zweck, neue Überspülungsflächen für die Tide und zusätzlichen Lebensraum für wildlebende, teilweise gefährdete Arten zu schaffen, begreifen würde, läge es auf der Hand, den Wertzuwachs auf Seiten Niedersachsens als Gewinn einzustufen. Unter diesem Gesichtspunkt verbleiben rügefähige Verletzungen von Rechtsvorschriften im Sinne des § 60c Abs. 1 NNatG nicht. Entsprechendes machen die Kläger im Grunde auch nicht ernsthaft geltend, da ihr Aufhebungsbegehren auf die Behauptung gegründet ist, der Eingriff in das Mühlenberger Loch sei unzulässig und durch die Maßnahme Hahnöfersand nicht ausgleichbar.