Verwaltungsgericht Stade
Urt. v. 23.07.2003, Az.: 1 A 1866/02
amtsärztliche Untersuchung; Cannabis; Drogenscreening; Fahreignung; Kokain
Bibliographie
- Gericht
- VG Stade
- Datum
- 23.07.2003
- Aktenzeichen
- 1 A 1866/02
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2003, 48150
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Rechtsgrundlagen
- § 11 Abs 6 FeV
Amtlicher Leitsatz
Leitsatz
Das Einverständnis zu einer amtsärztlichen Untersuchung umfasst auch ein Drogenscreening, wenn der Untersuchte nach den Umständen, die zur amtsärztlichen Untersuchung führten, damit rechnen musste. Er muss dann die Kosten zahlen.
Tatbestand:
Die Klägerin wendet sich gegen die Kostenfestsetzung für eine ärztliche Untersuchung.
Wegen der Einzelheiten des Tatbestandes wird auf das Urteil in der Sache 1 A 1865/02 Bezug genommen. Durch Verfügung vom 14. März 2002, die der Klägerin mit Postzustellungsurkunde zugestellt wurde, ordnete das Straßenverkehrsamt des Beklagten die Vorlage eines amtsärztlichen Gutachtens gemäß §§ 46, 11 FeV an. In der Anordnung wird geschildert, dass die Klägerin auf den den Unfall aufnehmenden Polizeibeamten einen sehr kranken Eindruck machte. Sie habe stark unkonzentriert gewirkt und sei in ihrer Wahrnehmungsfähigkeit eingeschränkt gewesen. Dem Polizisten sei weiter eine undeutliche Aussprache und die verspätete Wahrnehmung seiner Ausführungen aufgefallen. Die Bewegungsabläufe der Klägerin hätten ebenfalls sehr unkoordiniert gewirkt. Die Klägerin habe angegeben, an Bulimie zu leiden und derzeit in psychiatrischer Behandlung zu sein. Die Klägerin hat ihre Einverständniserklärung zu der Untersuchung am 21. März 2002 unterschrieben und wurde, nachdem zwei anberaumte Untersuchungstermine nicht wahrgenommen wurden, am 21. Mai 2002 vom Amtsarzt des Beklagten untersucht. Im Zusammenhang mit der Untersuchung hatte der Amtsarzt zunächst einem Arztbrief der Medizinisch-Psychosomatischen Klinik Bad Bramstedt entnommen, dass die Klägerin, letztmalig im Juli 2000, Kokain konsumiert sowie Haschisch geraucht hätte. Wegen dieser Angaben sowie wegen der angegebenen Symptome in dem Polizeibericht führte der Amtsarzt ein Drogenscreening durch. In seiner Stellungnahme vom 31. Mai 2002 hatte der Amtsarzt von einem viermonatigen Kokainkonsum gesprochen. Dies beruhte darauf, dass in dem Arztbrief, der einen Zeitraum von vier Monaten abdeckte, von einem Gebrauch maximal einmal pro Monat gesprochen worden war.
Mit Bescheid vom 22. Mai 2002 setzte der Beklagte die Kosten für die amtsärztliche Untersuchung auf 248,72 Euro fest. In diesem Betrag sind 113,40 Euro für das durchgeführte Drogenscreening enthalten.
Gegen diesen Bescheid legte die Klägerin durch Schreiben ihres Prozessbevollmächtigten vom 21. Juni 2002 Widerspruch ein, weil für die Durchführung eines Drogenscreenings keine Veranlassung bestanden habe. Die Klägerin habe dies nicht veranlasst und auch nicht gebilligt. Es sei auch kein Rechtsgrund ersichtlich, der die Anordnung eines Drogenscreenings rechtfertigen könnte.
Durch Schreiben vom 12. Juli 2002 teilte der Beklagte dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin nochmals mit, weshalb er die Untersuchung angeordnet habe. Mit Bescheid vom 10. Oktober 2002 wies der Beklagte den Widerspruch zurück. Die Durchführung des Drogenscreenings sei bei dem zugrunde liegenden Sachverhalt aus amtsärztlicher Sicht zwingend erforderlich gewesen und sei rechtlich nicht zu beanstanden.
Am 31. Oktober 2002 hat die Klägerin durch Schreiben ihres Prozessbevollmächtigten Klage erhoben. Sie wiederholt ihr Vorbringen aus dem Vorverfahren und meint, dass feststehe, dass der Unfall vom 27. Februar 2002 nichts mit dem Konsum von Drogen zu tun gehabt hätte. Der tatsächlich zugestandene Drogenkonsum sei viermal erfolgt und liege mehr als zwei Jahre zurück. Ein Drogenscreening sei daher überflüssig gewesen. Es sei darüber hinaus nicht einzusehen, dass die Klägerin eine hinter ihrem Rücken durchgeführte Untersuchung bezahlen müsse.
Die Klägerin beantragt,
den Kostenfestsetzungsbescheid des Beklagten vom 22. Mai 2002 insoweit aufzuheben, als darin 113,40 Euro für ein Drogenscreening enthalten sind, sowie den Widerspruchsbescheid des Beklagten vom 10. Oktober 2002 aufzuheben.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er verteidigt die ergangenen Bescheide.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Streitakte und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Beklagten sowie auf den Inhalt der Akte 1 A 1865/02 und den zu jenem Verfahren beigezogenen Beiakten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Klage hat keinen Erfolg.
Der Beklagte hat zu Recht eine amtsärztliche Untersuchung über die Fahreignung der Klägerin durch seine Verfügung vom 14. März 2002 angeordnet. Unter Berücksichtigung der Stellungnahme des den Unfall in Hamburg aufnehmenden Polizeibeamten sowie des äußeren Zustandes der Klägerin zu diesem Zeitpunkt war eine Untersuchung der Klägerin auf ihre Fahreignung und die Einholung einer Stellungnahme des Amtsarztes, ob eine weitere Begutachtung der Klägerin erforderlich ist, zwingend geboten. Damit war auch die Durchführung eines Drogenscreenings von dem Auftrag umfasst, und die Klägerin musste mit einer derartigen Untersuchung auch rechnen. Dies ergibt sich nicht nur daraus, dass die Klägerin während der Unfallaufnahme einen Eindruck hinterlassen hat, der durchaus auch auf einen Cannabiskonsum hätte zurückgeführt werden können, sondern sie musste insbesondere mit einer derartigen Untersuchung deshalb rechnen, weil sie selbst einen Drogenkonsum in früheren Zeiten zugegeben hat. Für die Bewertung der hier maßgeblichen Frage kommt es dabei keinesfalls darauf an, ob ein viermaliger Kokainkonsum oder ein Kokainkonsum über vier Monate zugestanden war. Der Amtsarzt wäre im vorliegenden Fall auch gehalten gewesen, eine derartige Untersuchung durchzuführen, wenn nur ein einmaliger Drogenkonsum zugestanden worden wäre. Das ergibt sich insbesondere daraus, dass nach Ansicht der Kammer und vieler Verwaltungsgerichte im Falle des Konsums harter Drogen ein einmaliger Konsum bereits dazu führen kann, dass im Anschluss daran eine einjährige Abstinenz nachgewiesen werden muss, bevor eine Fahrerlaubnis wiedererteilt werden kann. Insoweit war der Verdacht - auch zu Gunsten der Klägerin - durch eine objektive Kontrolle auszuräumen. Die gemäß § 11 Abs. 6 FeV von der Fahrerlaubnisbehörde zu bestimmenden Fragen, die durch den Amtsarzt geklärt werden sollten, umfassten daher auch die Frage nach einem möglichen Drogenkonsum. Im Übrigen war im vorliegenden Fall auch durch diese Untersuchung auszuschließen, dass der drastische, bis zur Lebensgefährlichkeit gehende Gewichtsverlust und der von der Polizei bemerkte Zustand nicht doch auf eine Drogenwirkung zurückzuführen war. Dies hat der Amtsarzt sodann nach den medizinischen Feststellungen in seinen folgenden Stellungnahmen, z.B. vom 13. August 2002, ausgeschlossen. Im Übrigen ist auch darauf hinzuweisen, dass die Klägerin auch selbst das Ergebnis des Drogenscreenings für sich argumentativ ins Feld führt, indem sie damit den Beweis als erbracht ansieht, aktuell keine Drogen mehr zu konsumieren.
Die Untersuchung war daher insgesamt geboten, um die Zweifel an der Fahreignung der Klägerin möglicherweise auszuräumen. Die Klägerin hat daher die Kosten der Untersuchung zu tragen.