Verwaltungsgericht Stade
Urt. v. 10.09.2004, Az.: 6 A 722/04
Anerkennung ausländischer Flüchtlinge; Anspruch auf Anerkennung als Asylberechtigter; Anspruch auf Feststellung von Abschiebungshindernissen; Anforderung an eine politische Verfolgung eines Asylberechtigten; Vorliegen der Voraussetzungen eines Abschiegungshindernisses
Bibliographie
- Gericht
- VG Stade
- Datum
- 10.09.2004
- Aktenzeichen
- 6 A 722/04
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2004, 18855
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:VGSTADE:2004:0910.6A722.04.0A
Rechtsgrundlagen
- Art. 16 a Abs. 1 GG
- § 51 Abs. 1 AuslG
- § 53 Abs. 1 AuslG
- § 53 Abs. 4 AuslG
- § 53 Abs. 6 S. 1 AuslG
Verfahrensgegenstand
Asyl, §§ 51 Abs. 1, 53 AuslG, Ausreiseaufforderung und Abschiebungsandrohung
Prozessführer
Frau A., B.
Staatsangehörigkeit: syrisch
Prozessgegner
Bundesrepublik Deutschland,
vertreten durch das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge
- Außenstelle Oldenburg -, Klostermark 70-80, 26135 Oldenburg
Sonstige Beteiligte
Bundesbeauftragter für Asylangelegenheiten,
Rothenburger Straße 29, 90513 Zirndorf
Redaktioneller Leitsatz
Bei der politischen Verfolgung handelt es sich grundsätzlich um eine staatliche Verfolgung. Ihr steht die Verfolgung durch eine Organisation mit staatsähnlicher Herrschaftsgewalt gleich. Sie besteht entweder in einer vom Staat kraft seiner Gebietsgewalt unmittelbar vorgenommenen oder in einer zwar von Dritten begangenen, vom Staat aber trotz Innehabung der Gebietsgewalt nicht verhinderten und damit mittelbar vorgenommenen Rechtsgutsverletzung. Das Merkmal "politisch" kennzeichnet die Verfolgung als Verhalten einer organisierten Herrschaftsmacht, vorrangig eines Staates, welcher der Betroffene unterworfen ist. Eine Verfolgung ist dann eine politische, wenn sie dem einzelnen in Anknüpfung an asylerhebliche Merkmale, d.h. aus Gründen, die allein in seiner politischen Überzeugung, seiner religiösen Grundentscheidung oder in für ihn unverfügbaren Merkmalen liegen, die sein Anderssein prägen, gezielt Rechtsverletzungen zufügt, die ihn ihrer Intensität nach aus der übergreifenden Friedensordnung der staatlichen Einheit ausgrenzen.
In der Verwaltungsrechtssache
hat das Verwaltungsgericht Stade - 6. Kammer -
auf die mündliche Verhandlung vom 10. September 2004
durch
Richter am Verwaltungsgericht Wermes
für Recht erkannt:
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen.
Gerichtskosten werden nicht erhoben.
Die Klägerin trägt die außergerichtlichen Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.
Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Tatbestand
Die am 1. Januar 1930 geborene Klägerin stammt nach eigenen Angaben aus Syrien. Sie besitzt die kurdische Volkszugehörigkeit und die yezidische Religionszugehörigkeit.
Die Klägerin reiste im November 2003 mit einem bis zum 10. Dezember 2003 befristeten Visum auf dem Luftweg in die Bundesrepublik Deutschland ein.
Am 19. Januar 2004 meldete sie sich in Oldenburg als Asylsuchende.
Mit dem Beschluss vom 27. Februar 2004 bestellte das Amtsgericht Oldenburg den Sohn der Klägerin Herrn Mawali D. zum Betreuer, da die Klägerin nach einem Schlaganfall nicht in der Lage sei, ihre Angelegenheiten selbst zu besorgen.
Bei der Anhörung der Klägerin vor dem Bundesamt am 10. März 2004 gab der Sohn der Klägerin im wesentlichen an, dass seine Mutter in Markab bei Amouda gelebt habe. Von dort aus sei sie nach Deutschland gekommen. Die drei verheirateten Töchter der Klägerin hätten sich wegen der schwierigen wirtschaftlichen Situation nicht mehr um die Klägerin kümmern können. Kurz bevor die Klägerin nach Deutschland gekommen sei, sei sie auf dem Weg nach Amouda zu einem Arzt von Moslems als Ungläubige und Ketzerin beschimpft worden. Sie sei von ihnen verachtet worden. Gegen Angriffe von Moslems habe der syrischen Staat seine Mutter nicht geschützt. Seine Mutter habe vor drei Jahren einen Schlaganfall erlitten, als ihr Haus von Sicherheitskräften überfallen worden sei. Seinerzeit habe der syrische Staat nach seinem Bruder gesucht. Seine pflegebedürftige Mutter könne keinesfalls nach Syrien zurückkehren, denn es gebe dort niemanden, der sich wirklich um sie kümmern und sie unterstützen könnte.
Mit Bescheid vom 15. April 2004 lehnte das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge den Asylantrag der Klägerin ab und stellte fest, dass weder die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG vorliegen noch Abschiebungshindernisse nach § 53 AuslG gegeben sind. Ferner wurde die Klägerin zur Ausreise aufgefordert und für den Fall der Nichtbefolgung wurde ihr die Abschiebung nach Syrien angedroht.
Dagegen hat die Klägerin mit einem am 29. April 2004 bei Gericht eingegangenen Schriftsatz Klage erhoben, mit der sie geltend macht, dass die in Syrien lebenden Yeziden einer mittelbaren Gruppenverfolgung ausgesetzt seien. Bekanntlich schütze der syrische Staat die Yeziden nicht vor Übergriffen der islamisch/arabischen Bevölkerung, da die Yeziden als Gottesfeinde betrachtet werden, deren Kultur zerstört werden solle. In jüngster Zeit habe es Übergriffe der syrischen Armee gegen die yezidische Bevölkerung gegeben. Es sei festzustellen, dass sich die Situation der Yeziden ständig verschlechtere. Der von ihr geschilderte Vorfall als sie vergeblich versucht habe, einen Arzt aufzusuchen, sei für Übergriffe gegen Yeziden typisch.
Im Fall einer Rückkehr nach Syrien sei sie völlig schutzlos. Auf Grund ihres Krankheitszustandes sei sie unmittelbarer Lebensgefahr ausgesetzt, da sie in Syrien die notwendige ärztliche Versorgung und Betreuung nicht erhalten könne. Sie sei inzwischen auf einen Rollstuhl angewiesen und sei auch nicht mehr in der Lage, ohne fremde Hilfe Nahrung aufzunehmen. In Syrien sei sie ganz auf sich allein gestellt und könne nicht überleben.
Die Klägerin beantragt,
den Bescheid des Bundesamtes für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge vom 15. April 2004 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, die Klägerin den Kläger als Asylberechtigten im Sinne des Art. 16 a Abs.1 GG anzuerkennen und festzustellen, dass die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG, hilfsweise Abschiebungshindernisse nach § 53 AuslG vorliegen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Am 10. September 2004 hat eine mündliche Verhandlung stattgefunden. Diesbezüglich wird auf die Niederschrift vom Verhandlungstag verwiesen.
Wegen des weiteren Sachverhalts wird auf die Gerichtsakten zu diesem Verfahren sowie auf die beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Bundesamtes und des Landkreises E. Bezug genommen.
Gründe
Die Klage hat keinen Erfolg.
Der Bescheid des Bundesamtes für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge vom 15. April 2004 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in seinen Rechten, wie es für eine erfolgreiche Klage erforderlich wäre.
Der Klägerin steht weder ein Anspruch auf Anerkennung als Asylberechtigte gemäß Art. 16 a Abs. 1 des Grundgesetzes - GG - zu noch hat sie einen Anspruch auf Feststellung von Abschiebungshindernissen gemäß § 51 Abs.1 AuslG.
In Syrien war die Klägerin vor ihrer Ausreise nicht aus individuell in seiner Person liegenden Gründen politischer Verfolgung im Sinne von Art. 16 a Abs. 1 GG bzw. § 51 Abs. 1 AuslG ausgesetzt. Eine solche hat ihr auch nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit gedroht. Ebenso wenig droht der Klägerin gegenwärtig und in absehbarer Zukunft im Falle einer Rückkehr nach Syrien politische Verfolgung mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit.
Politische Verfolgung i.S.v. Art. 16 a Abs. 1 GG und § 51 Abs. 1 AuslG ist grundsätzlich staatliche Verfolgung (vgl. BVerfG, Beschluss. v. 10. Juli 1989 - 2 BvR 502 u.a./86 - BVerfGE 80, 315, 334). Ihr steht die Verfolgung durch eine Organisation mit staatsähnlicher Herrschaftsgewalt gleich. Sie besteht entweder in einer vom Staat kraft seiner Gebietsgewalt unmittelbar vorgenommenen oder in einer zwar von Dritten begangenen, vom Staat aber trotz Innehabung der Gebietsgewalt nicht verhinderten und damit mittelbar vorgenommenen Rechtsgutsverletzung. Das Merkmal "politisch" kennzeichnet die Verfolgung als Verhalten einer organisierten Herrschaftsmacht, vorrangig eines Staates, welcher der Betroffene unterworfen ist (st. Rspr., vgl. nur BVerwG, Urt. vom 18. Januar 1994 - 9 C 48.92 -, NVwZ 1994, 497 m.w.N.). Eine Verfolgung ist dann eine politische, wenn sie dem einzelnen in Anknüpfung an asylerhebliche Merkmale, d.h. aus Gründen, die allein in seiner politischen Überzeugung, seiner religiösen Grundentscheidung oder in für ihn unverfügbaren Merkmalen liegen, die sein Anderssein prägen (BVerfG, Beschluss v. 10. Juli 1989, a.a.O., 333), gezielt Rechtsverletzungen zufügt, die ihn ihrer Intensität nach aus der übergreifenden Friedensordnung der staatlichen Einheit ausgrenzen (BVerfG, a.a.O., 334 f.). Daran fehlt es bei Nachteilen, die jemand aufgrund der allgemeinen Zustände in seinem Heimatstaat zu erleiden hat, wie Hunger, Naturkatastrophen, aber auch bei den allgemeinen Auswirkungen von Unruhen, Revolutionen und Kriegen (BVerfG, a.a.O., 335). Nicht jede gezielte Verletzung von Rechten, die etwa nach der Verfassungsordnung der Bundesrepublik Deutschland unzulässig ist, begründet schon eine asylerhebliche politische Verfolgung. Erforderlich ist, dass die Maßnahme den von ihr Betroffenen gerade in Anknüpfung an asylerhebliche Merkmale treffen soll. Ob eine in dieser Weise spezifische Zielrichtung vorliegt, die Verfolgung mithin "wegen" eines Asylmerkmals erfolgt, ist anhand ihres inhaltlichen Charakters nach der erkennbaren Gerichtetheit der Maßnahme selbst zu beurteilen, nicht nach den subjektiven Gründen oder Motiven, die den Verfolgenden dabei leiten (BVerfG, a.a.O., S. 335 unter Bezugnahme auf BVerfGE 76, 143, 157, 166 f.). Schließlich muss die in diesem Sinne gezielt zugefügte Rechtsverletzung von einer Intensität sein, die sich nicht nur als Beeinträchtigung, sondern als - ausgrenzende - Verfolgung darstellt. Das Maß dieser Intensität ist nicht abstrakt vorgegeben. Es muss der humanitären Intention entnommen werden, die das Asylrecht trägt, demjenigen Aufnahme und Schutz zu gewähren, der sich in einer für ihn ausweglosen Lage befindet (BVerfG, a.a.O., S. 335 unter Bezugnahme auf BVerfGE 74, 51, 64 [BVerfG 26.11.1986 - 2 BvR 1058/85], und allgemein auf BVerfGE 54, 341, 357; 76, 143, 158 ff., 163 f.).
Gemessen an diesen Maßstäben ist das Gericht der Überzeugung, dass der Klägerin eine politische Verfolgung vor ihrer Ausreise nicht drohte und eine solche ihr auch nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit bei einer Rückkehr bevorsteht. Es ist nicht erkennbar, dass die 74-jährige Klägerin vor ihrer Ausreise Opfer von asylerheblichen Verfolgungsmaßnahmen geworden ist. Soweit die Klägerin vorträgt, in Syrien auf dem Weg zum Arzt von Moslems beschimpft worden zu sein, kann darin eine politische Verfolgung nicht erblickt werden, denn solche Behelligungen erreichen nicht die asylrelevante Erheblichkeitsschwelle. Die von der Klägerin geschilderten Belästigungen stellen nach der Intensität und Schwere keine Eingriffe in die vom Asylrecht umfassten Freiheitsgüter und Schutzrechte dar.
Entgegen der Auffassung der Klägerin war sie auch als Yezidin einer politischen Verfolgung in Form der Gruppenverfolgung nicht ausgesetzt.
Angehörige der yezidischen Glaubensgemeinschaft aus dem Nordosten Syriens (Distrikt Hassake) sind in Syrien weder aktuell noch auf absehbare Zeit einer dem syrischen Staat zurechenbaren asyl- bzw. abschiebungsschutzrelevanten Gruppenverfolgung ausgesetzt. Die für eine Gruppenverfolgung erforderliche Verfolgungsdichte kann nämlich weiterhin nicht festgestellt werden (ständige Rechtsprechung des Nds. OVG (Urteile vom 22. Juni 1999 - 2 L 670/98 -, 14. Juli 1999 - 2 L 4943/97 -, 27. März 2001 - 2 L 5117/97 -, 22. Mai 2001 - 2 L 2644/99 - und 12. Dezember 2001 - 2 L 5428/97 -; Beschlüsse vom 6. Dezember 2002 - 2 LB 833/01 - und 20. Dezember 2002 - 2 LA 2358/01 -), die mit der Rechtsprechung anderer Oberverwaltungsgerichte (vgl. z.B. OVG Münster, Urteil vom 21. April 1998 - 9 A 6597/95.A -; OVG Bremen, Urteil vom 4. November 1998 - OVG 2 BA 4/97 -; OVG Saarland, Urteil vom 28. Mai 1999 - 3 R 74/98 - und Beschluss vom 11. März 2002 - 3 Q 47/01 -; OVG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 27. Juni 2001 - A 3 S 461/98 -, Beschluss vom 11. Februar 2002 - A 3 S 370/99 - und Urteil vom 9. Oktober 2002 - A 3 S 518/98 -) übereinstimmt und der auch das erkennende Gericht folgt).
Bei einer quantitativen Betrachtung der Relation von ermittelten Yeziden, die sich im Jahr 2000 noch im Nordosten Syriens befunden haben sollen (ca. 4000), und der aus insgesamt 77 Verfolgungsschlägen abgeleiteten Zahl von etwa acht Vorfällen jährlich ergibt sich, dass von den Verfolgungsschlägen auf jedes Jahr bezogen nur 0,2 v.H. der im Nordosten Syriens lebenden Yeziden betroffen waren. Auch wenn man an Stelle der Gesamtzahl yezidischer Personen in diesem Raum lediglich die Zahl der Yezidenfamilien zugrunde legt, in denen die Einzelpersonen als Verband gelebt haben, führt die Zahl der jährlichen Verfolgungsschläge, die zudem seit Mitte der 90-iger Jahre (mit Ausnahme der Landwegnahmen) rückläufig sind, ebenfalls nur zu einem Prozentsatz von etwas mehr als 1,2 v.H. (VG Braunschweig, Urteil vom 30.07.2003 - 6 A 201/01 -).
Das Gericht teilt nicht die hiervon abweichende Auffassung des VG Gießen (Urt. vom 02.10.2002, 2 E 4712/00.A). Soweit dieses Gericht meint, die erforderliche Verfolgungsdichte für die Annahme einer mittelbaren Gruppenverfolgung annehmen zu können, ohne eine konkrete Quantifizierung der vorkommenden Übergriffe vornehmen zu müssen, entspricht diese Rechtsauffassung nicht der höchstrichterlichen Rechtsprechung. Nach dieser höchstrichterlichen Rechtsprechung (vgl. BVerwG, Beschluss vom 23.Dezember 2002, 1 B 42.02 m.w.N.), die das Gericht teilt, müssen zur Ermittlung der Verfolgungsdichte bei der Feststellung, ob eine (mittelbare) Gruppenverfolgung vorliegt, die Angehörigen der fraglichen Bevölkerungsgruppe in einem Verfolgungsgebiet innerhalb des Verfolgungszeitraums in Beziehung gesetzt werden mit Anzahl und Intensität der Verfolgungsmaßnahmen (sog. quantitative und qualitative Betrachtung). Dieser grundsätzlich heranzuziehende abstrakte Maßstab für die Feststellung der erforderlichen Verfolgungsdichte ist auch bei kleinen Bevölkerungsgruppen anzulegen (BVerwG, Beschluss vom 23.Dezember 2002, a.a.O..).
Die Voraussetzungen, unter denen das Bundesverwaltungsgericht in einem konkreten Einzelfall wegen der besonders geringen Zahl der Angehörigen einer Gruppe (syrisch-orthodoxe Christen im Tur Abdin / Beschluss vom 22. Mai1996, 9 B 136.36 <juris>) "eine weitere Quantifizierung der Verfolgungsschläge" für entbehrlich gehalten hat, liegen hier ersichtlich nicht vor. Die vom VG Gießen in seiner Entscheidung vom 2. Oktober 2002 (a.a.O..) der Feststellung zu Grunde gelegten Erkenntnisse, dass die Yeziden aus der Provinz Jazirah (Distrikt Hassake) in Syrien einer mittelbaren staatlichen Gruppenverfolgung ausgesetzt seien, waren auch Grundlage des Urteils des OVG Magdeburg vom 27. Juni 2001 (A 3 S 482/98), dessen Feststellungen das Bundesverwaltungsgericht im Revisionsverfahren nicht beanstandet hat. Nach diesen Feststellungen sind die den Yeziden im Distrikt Hassake drohenden Verfolgungsmaßnahmen selbst bei Zugrundelegung der "günstigen" Zahlen des yezidischen Kulturforums (Gutachten des Kulturforums der yezidischen Glaubensgemeinschaft e.V. in Oldenburg vom 19. November 2000) nicht so dicht und eng gestreut, dass für jeden Gruppenangehörigen eine beachtliche Wahrscheinlichkeit besteht, selbst Opfer eines derartigen asylrelevanten Übergriffs zu werden. Hiervon ist nach der Auffassung des Gerichts auch gegenwärtig und für einen absehbaren Zeitraum weiter auszugehen.
Kurden und Yeziden drohen ebenso wie anderen syrischen Asylbewerbern allein wegen einer etwaigen illegalen Ausreise, der Stellung eines Asylantrags und des zeitweiligen - ggfs. auch mehrjährigen - Auslandsaufenthaltes bei einer Rückkehr nach Syrien nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit Maßnahmen, die im Rahmen des § 51 Abs. 1 AuslG relevant sind (vgl. Nds. OVG, Beschluss vom 20. Dezember 2002 - 2 LA 2358/01 -).
Vor diesem Hintergrund drohen der Klägerin auch bei einer Rückkehr nach Syrien nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit politische Verfolgungsmaßnahmen seitens des syrischen Staates oder von Dritter Seite, die der syrische Staat dulden oder begünstigen würde.
Abschiebungshindernisse gemäß § 53 AuslG greifen zugunsten der Klägerin ebenfalls nicht ein. Ihrer Abschiebung nach Syrien stehen nicht Abschiebungshindernisse nach
§ 53 Abs. 1 AuslG bzw. § 53 Abs. 4 AuslG i.V.m. Art. 3 EMRK entgegen. Nach diesen Vorschriften darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem für ihn die konkrete Gefahr besteht, der Folter (§ 53 Abs. 1 AuslG) bzw. der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung (§ 53 Abs. 4 AuslG i.V.m. Art. 3 EMRK) unterworfen zu werden. Dafür sind im vorliegenden Fall keine Gesichtspunkte ersichtlich.
Auch in Bezug auf die Bestimmung des § 53 Abs. 6 Satz 1 AuslG ist im Fall des Klägerin das Vorliegen der Voraussetzungen eines Abschiebungshindernisses zu verneinen.
Nach dieser Vorschrift kann von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat abgesehen werden, wenn dort für ihn eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. In die Beurteilung, ob dem betreffenden Ausländer eine i.S.d. § 53 Abs. 6 Satz 1 AuslG erhebliche konkrete Gefahr droht, sind grundsätzlich nur solche Umstände einzubeziehen, die sein besonderes, individuelles Schicksal betreffen (BVerwG, Urt. v. 17. Oktober 1995 - 9 C 9.95 - NVwZ 1996, 199 [BVerwG 17.10.1995 - 9 C 9/95]).
Es ist in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts anerkannt (vgl. etwa Urt. v. 25.11.1997, BVerwGE 105, 383 [BVerwG 25.11.1997 - 9 C 58/96] = DVBl 1998, 284), dass dazu auch die Gefahr der Verschlimmerung der Krankheit eines ausreisepflichtigen Ausländers infolge unzureichender Behandlungsmöglichkeiten im Zielstaat gehört. Dabei kommt es nicht nur auf die allgemeine Möglichkeit der notwendigen ärztlichen Behandlung oder Medikation an, sondern der erkrankte Ausländer muss diese auch tatsächlich erlangen können, d.h. sie muss für ihn individuell aus finanziellen Gründen erreichbar sein (vgl. BVerwG, Urt. v. 29.10.2002, DVBl 2003, 463 = AuAS 2003, 106). § 53 Abs. 6 Satz 1 AuslG setzt allerdings voraus, dass die drohende Gesundheitsgefahr "erheblich" ist, also eine Gesundheitsbeeinträchtigung von besonderer Intensität zu erwarten ist. Das ist der Fall, wenn sich der Gesundheitszustand des Ausländers infolge fehlender Behandlungsmöglichkeiten wesentlich oder gar lebensbedrohlich verschlechtern würde. "Konkret" ist die Gefahr, wenn diese Verschlechterung alsbald nach der Rückkehr eintreten würde. Dabei gilt der Prognosemaßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit (vgl. BVerwG, Beschluss vom 18. Juli 2001, Buchholz 402.240§ 53 AuslG Nr. 46). Ein ausreisepflichtiger Ausländer kann deshalb nicht verlangen, im Bundesgebiet zu bleiben, um eine optimale medizinische Versorgung in Anspruch zu nehmen (Nds. OVG, Beschluss vom 08. 09.2004 - 11 ME 53/04 -).
Hiervon ausgehend kann nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit festgestellt werden, dass sich der Gesundheitszustand der Klägerin alsbald nach Rückkehr nach Syrien wesentlich oder gar lebensbedrohlich verschlechtern würde. Vielmehr spricht Überwiegendes dafür, dass eine Fortführung der in Deutschland begonnenen medizinischen und medikamentösen Behandlung der Klägerin wie auch die Pflege der Klägerin auch in Syrien sichergestellt ist. Die Klägerin leidet an den Folgen eines vor etwa vier Jahren erlittenen Schlaganfalls mit der Lähmung der rechten Körperseite und Sprachstörungen. Nach Angaben ihres Sohnes in der mündlichen Verhandlung ist die Klägerin einmal in der Woche in ärztlicher Behandlung. Die Klägerin erhalte sechs bis sieben verschiedene Medikamente. Nach dem vom Gericht beigezogenen amtsärztlichen Bericht des Landkreises E. vom 24. Mai 2004 benötigt die Klägerin im Bereich der Körperpflege, der Mobilität sowie der Ernährung mehrmals am Tag Hilfe. Des weiteren ist sie auf Hilfe bei der gesamten hauswirtschaftlichen Versorgung angewiesen. Insgesamt liegt aus amtsärztlicher Sicht bei der Klägerin eine erhebliche Pflegebedürftigkeit (Pflegestufe 1) vor. Die Pflege der Klägerin sowie die komplette hauswirtschaftliche Versorgung erfolgt durch den Sohn der Klägerin. Diese vom Sohn der Klägerin übernommene Betreuung und Pflege könnten nach Überzeugung des Gerichts auch die drei in Syrien verbliebenen Töchter der Klägerin übernehmen. Dafür spricht neben dem traditionellen großen Zusammenhalt innerhalb yezidischer Familien, dass die Klägerin in der Zeit nach ihrem Schlaganfall bis zur Ausreise nach Deutschland über einen Zeitraum von drei Jahren offenbar von ihren Angehörigen in Syrien versorgt worden ist, ohne dass vom Sohn der Klägerin vorgetragen wurde, dass sich in dieser Zeit der Gesundheitszustand der Klägerin erheblich verschlechtert hat.
Auch wenn die Angehörigen nach Angaben des Sohnes der Klägerin in der mündlichen Verhandlung nicht bereit oder in der Lage gewesen seien, die Betreuung und Pflege ihrer Mutter durch Aufnahme bei sich weiter zu gewährleisten, folgt daraus noch nicht, dass die Klägerin bei einer Rückkehr nach Syrien konkret gefährdet wäre. Nach Erkenntnissen des Auswärtigen Amtes kann eine dauerhafte Fremdhilfe bei der Körperpflege, beim An- und Auskleiden und den täglichen Verrichtungen auch in Syrien geleistet werden. Geschultes Personal sei vorhanden (Auswärtiges Amt an VG Stade vom 22. April 2003). Die Kosten der Pflege müssten allerdings von dem Kranken bzw. von seiner Familie getragen werden. Heime oder andere Einrichtungen, in denen die Betroffene dauerhaft untergebracht werden könnte, gibt es nicht. Die monatlichen Kosten für die permanente Betreuung in der eigenen Wohnung durch medizinisch geschultes Personal liegen bei etwa 4000 syrischen Pfund (beim Kurs von 1 Euro = 63, 30 S.P. im Juli 2003 etwa 63,20 Euro) (Auswärtiges Amt an Bundesamt vom 4. Juli 2003). Es ist nicht ersichtlich, dass die Pflegekosten in dieser Höhe von der Familie nicht aufgebracht werden kann. Die Klägerin hat sieben Kinder, von denen sich drei in Deutschland aufhalten, die die Pflegekosten übernehmen könnten. Der Umstand, dass die Angehörigen der Klägerin einen flog der Klägerin und ihrer Tochter nach Deutschland finanzieren konnten, zeigt, dass sie über entsprechende Finanzmittel verfügen, um die Pflege der Klägerin in Syrien sicherzustellen.
Ebenso ist nach Überzeugung des Gerichts die ärztliche bzw. medikamentöse Versorgung der Klägerin in Syrien gewährleistet.
Die Medikamentenversorgung in Syrien ist grundsätzlich sichergestellt, muss jedoch häufig vom Patienten gezahlt werden. Neben der öffentlichen kostenfreien Gesundheitsversorgung hat sich ein umfangreicher Magd kompetenter privater Versorgung gebildet. Darüber hinaus ist eine gezielte Einfuhr von Medikamenten aus Deutschland für bestimmte Personen möglich (Bericht des Auswärtigen Amtes über die asyl- und Abschiebungsrelevanten Lage in Syrien vom 1. April 2004). Mit Hilfe ihrer Angehörigen dürfte es für die Klägerin weder ein organisatorisches noch ein finanzielles Problem darstellen, die nötigen Medikamente auch in Syrien weiterhin zu bekommen.
Entgegen der Auffassung der Klägerin, wird sie bei einer Rückkehr nach Syrien auch nicht von einer ärztlichen Versorgung abgeschnitten sein. Nach Informationen des Auswärtigen Amtes erhalten Yeziden auch als sog. Maktumiin staatliche Hilfe. Sie werden in staatlichen Krankenhäusern medizinisch versorgt (Auswärtiges Amt an das Bundesamt vom 27. April 2004). Zudem hat der Sohn der Klägerin in der mündlichen Verhandlung angegeben, dass eine Behandlung durch kurdische Ärzte ohne weiteres möglich sei.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 1 VwGO; 83 b AsylVfG.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
Gegen dieses Urteil ist die Berufung nur zulässig, wenn sie von dem Niedersächsischen Oberverwaltungsgericht zugelassen wird.