Verwaltungsgericht Stade
Beschl. v. 30.09.2004, Az.: 8 A 1220/04
Erlöschen der Mitgliedschaft eines freigestellten Lehrers im Personalrat als Voraussetzungen zum Erlöschen der Wahlberechtigung in seiner Dienststelle; Selbstständige personalvertretungsrechtliche Bedeutung des Begriffs "Abordnung"
Bibliographie
- Gericht
- VG Stade
- Datum
- 30.09.2004
- Aktenzeichen
- 8 A 1220/04
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2004, 20750
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:VGSTADE:2004:0930.8A1220.04.0A
Rechtsgrundlagen
- § 80 Abs. 4 NBG
- § 23 Abs. 1 Nr. 2 NPersVG
- § 11 Abs. 4 Nr. 2 Nds. PersVG
Verfahrensgegenstand
Verpflichtung zur Bildung eines Wahlvorstandes
Amtlicher Leitsatz
Ein auf der Grundlage des § 80 Abs. 4 NBG für ein Jahr freigestellter Lehrer verliert seine Wahlberechtigung zum Personalrat, sodass dieser unter den Voraussetzungen des § 23 Abs. 1 Nr. 2 NPersVG neu zu wählen ist.
In der Personalvertretungssache
hat das Verwaltungsgericht Stade - 8. Kammer (Fachkammer für Personalvertretungssachen des Landes) -
nach Anhörung der Beteiligten
am 30. September 2004
durch:
den Vizepräsidenten des Verwaltungsgerichts Schulz,
den Richter am Verwaltungsgericht Fahs,
die Richterin Reccius,
den ehrenamtlichen Richter Herrn A.,
die ehrenamtliche Richterin Frau B.
beschlossen:
Tenor:
- 1.)
Der Antrag wird abgelehnt.
- 2.)
Der Gegenstandswert beträgt 4.000,- Euro.
Gründe
I.
Der Antragsteller begehrt die Feststellung, dass seine vorzeitige Neuwahl nicht notwendig ist.
Der antragstellende Personalrat wurde mit fünf Mitgliedern im Rahmen der Personalratswahlen im Jahre 2000 gewählt. Für die Wahl standen lediglich fünf Bewerber zur Verfügung, sodass es keine Ersatzmitglieder gibt. Durch Erlass des Nds. MK ist die nächste Personalratswahl auf den März 2005 verschoben worden.
Im April 2004 ist ein Mitglied des Antragstellers aus gesundheitlichen Gründen von seinem Amt zurückgetreten. Einem weiteren Mitglied war auf dessen Antrag durch Bescheid der Bezirksregierung Lüneburg vom 14.03.2003 eine Teilzeitbeschäftigung auf der Grundlage des § 80 Abs. 4 NBG gewährt worden; in einer "Ansparphase" vom 01.08.2003 unterrichtete der betreffende Beamte mit voller Stundenzahl, um für die Zeit vom 01.08.2004 bis zum 31.07.2005 - bei Zahlung der Hälfte der Dienstbezüge für die gesamte Zeit - freigestellt zu werden.
Im Hinblick auf die zwischenzeitlich begonnene Freistellungsphase streiten die Beteiligten allein über die Frage, ob die Mitgliedschaft des freigestellten Beamten im Personalrat auf Grund der Freistellung erlischt, sodass auf Grund des Absinkens der Gesamtzahl der Mitglieder des Personalrates eine vorzeitige Neuwahl erforderlich ist, oder ob - anderenfalls - der Personalrat in seiner derzeitigen Besetzung bis zum Ende der (verlängerten) Wahlperiode im Amt bleibt; Anlass für den Streit ist die vom Bet. im Vorfeld angekündigte und - nach Eingang des vorliegenden Antrags am 13.07.2004 - am 20.08.2004 durchgeführte Personalversammlung zum Zwecke der Wahl eines Wahlvorstandes.
Der Antragsteller ist der Ansicht, dass die Rechtsstellung des derzeit freigestellten Personalratsmitgliedes der eines teilzeitbeschäftigten Beamten über die gesamte Zeit von August 2003 bis Ende Juli 2005 entspreche. Der Beamte nehme seine Dienstgeschäfte im August 2005 wieder auf, scheide damit also jedenfalls nicht dauerhaft aus der Dienststelle aus; vielmehr würden lediglich seine Dienstpflichten hinsichtlich der Unterrichtsgewährung in der Freistellungsphase ruhen. Damit unterscheide sich die vorliegende Konstellation erheblich von den Fällen der sog. Altersteilzeit im Blockmodell, in denen der Betreffende nicht wieder an seine Dienststelle zurückkehre.
Auch die seit Einführung des § 80 Abs. 4 NBG - diese Vorschrift stellt die Rechtsgrundlage für die Freistellung des betroffenen Mitglieds des Antragstellers dar - vorgenommenen Änderungen des Nds. PersVG hätten die Frage des Erlöschens des Wahlrechts in der Dienststelle nicht berührt, was den Rückschluss auf den Willen des Gesetzgebers zulasse, dass die hier vorgenommene dienstrechtliche Regelung keine Auswirkungen auf personalvertretungsrechtliche Frage haben solle.
Der Antragsteller meint, dass auf Grund dieser Erwägungen das Wahlrecht seines freigestellten Mitgliedes nicht erloschen sei, sodass dessen Mitgliedschaft im Personalrat fortbestehe. Aus diesem Grunde sei die Gesamtzahl der Mitglieder im Personalrat auch nicht um mehr als ein Viertel gesunken und eine Neuwahl daher nicht erforderlich.
Der Antragsteller beantragt
festzustellen, dass eine vorzeitige Neuwahl des Personalrates bei den ............ nicht erforderlich ist.
Der Beteiligte beantragt,
den Antrag abzulehnen.
Er meint, dass für die in § 11 Abs. 4 Nds.PersVG geregelte Frage des Erlöschens der Wahlberechtigung allein darauf abzustellen sei, ob der betreffende Beamte für den maßgeblichen Zeitraum von seiner Verpflichtung, seinen Dienst zu verrichten, freigestellt sei. Dies sei hier der Fall, sodass die Wahlberechtigung und damit die Mitgliedschaft des freigestellten Beamten im Personalrat erloschen sei. Das Absinken der Mitglieder des Antragstellers um damit mehr als ein Viertel ( 2 von 5 ) mache damit vorzeitige Neuwahlen erforderlich.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die wechselseitigen Schriftsätze der Beteiligten Bezug genommen.
II.
Der zulässige Antrag bleibt ohne Erfolg. Entgegen der Auffassung des Antragstellers liegen die gesetzlichen Voraussetzungen für eine Neuwahl, die zwingend zu erfolgen hat, vor.
Gem. § 23 Abs. 1 Nr. 2 Nds. PersVG ist der Personalrat vorzeitig neu zu wählen, wenn die Gesamtzahl der Mitglieder um mehr als ein Viertel gesunken ist; Ersatzmitglieder stehen hier nicht zur Verfügung.
Nach dem Rücktritt eines Mitglieds ist diese Voraussetzung erfüllt, wenn und weil der freigestellte Kollege nicht mehr dem Personalrat angehört.
Das ist nach § 25 Abs. 1 Nr. 4 Nds. PersVG der Fall. Nach dieser Vorschrift erlischt die Mitgliedschaft im Personalrat bei Erlöschen der Wahlberechtigung in der Dienststelle. Die Voraussetzungen hierfür ergeben sich aus § 11 Abs. 4 Nr. 2 Nds. PersVG. Dem Wortlaut nach erlischt hiernach das Wahlrecht im Falle einer Beurlaubung, die länger als drei Monate gedauert hat, und wenn zu diesem Zeitpunkt feststeht, dass der Beschäftigte nicht innerhalb einer Frist von weiteren - für Lehrer, vgl. § 96 Abs. 3 Nds. PersVG - neun Monaten an die Dienststelle zurückkehrt. Diese Voraussetzungen, nämlich eine Abwesenheit von mehr als einem Jahr, sind für den freigestellten Beamten hier erfüllt, denn die Freistellung dauert exakt ein Jahr, sodass er erst nach mehr als einem Jahr wieder an die Dienststelle zurückkehrt.
Die Tatsache, dass in § 11 Abs. 4 Nr. 2 Nds. PersVG von "Beurlaubung" die Rede ist (dies stellt der Antragsteller in den Mittelpunkt seiner Überlegungen und meint, um eine Beurlaubung handele es sich in der vorliegenden Konstellation einer Teilzeitbeschäftigung - hierzu auch der Wortlaut des § 80 Abs. 4 NBG - nicht), steht dem nicht entgegen.
Das BVerwG hat in seiner im Rahmen der Anhörung erwähnten Entscheidung vom 02.09.1983 (6 P 29/82; weitere Fundstellen ZBR 1984, 80 sowie PersV 1985, 164 [BVerwG 02.09.1983 - BVerwG 6 P 29.82]) ausgeführt, dass es für den Fall einer Abordnung im Sinne des § 11 Abs. 4 Nr. 1 Nds. PersVG nicht auf den dienstrechtlichen Begriff der Abordnung ankomme, sondern dieser Begriff eine selbstständige personalvertretungsrechtliche Bedeutung habe; insoweit sei "anhand konkreter äußerer Umstände wie seiner räumlichen Einbeziehung in den Dienststellenbetrieb und seiner Unterstellung unter die "äußere Ordnung" der Dienststelle zu beurteilen", ob bzw. in welcher Dienststelle der betreffende Beamte beschäftigt ist.
Diesen Erwägungen entsprechend kommt es vorliegend allein auf die Fragestellung an, ob der betreffende Beamte innerhalb der genannten Frist tatsächlich in der Dienststelle ist oder ob er schlicht "weg" ist. Die Heranziehung allein dieses Kriteriums für die Auslegung des personalvertretungsrechtlichen Gehalts des Begriffes "Beurlaubung" ist auch nahe liegend, denn ein abwesender Kollege ist aus eigenem Erleben und eigener Erkenntnis nicht in die personalvertretungsrechtlichen Problemstellungen der Dienststelle involviert, sodass er sich insoweit keine eigene Meinung bilden kann; auch etwa als Ansprechpartner für die Beschäftigten steht er nicht zur Verfügung (mit entsprechenden Erwägungen auch BVerwG, B. v. 15.05.2002, 6 P 8/01 zum Erlöschen der Mitgliedschaft im Personalrat mit Eintritt in die Freistellungsphase der Altersteilzeit). Im Sinne dieser Erwägungen ist das in der Freistellungsphase befindliche Mitglied des Personalrats länger als die vom Gesetz vorgesehene Jahresfrist beurlaubt.
Auf die weiteren Überlegungen des Antragstellers kommt es danach nicht an. Insbesondere kann sich der Antragsteller nicht auf den von seinem Bevollmächtigten im Rahmen der Anhörung gebildeten Beispielsfall einer längerfristigen Erkrankung berufen; die Annahme einer Krankschreibung für einen Zeitraum von mehr als neun Monaten - nach einer Abwesenheit von mehr als drei Monaten von der Dienststelle muss zu diesem Zeitpunkt feststehen, dass dieser Zustand für den genannten weiteren Zeitraum andauert - ist schlicht unrealistisch.
Hiernach musste der Antrag des Antragstellers abgelehnt werden. Gerichtskosten werden im personalvertretungsrechtlichen Beschlussverfahren nach den §§ 83 Abs. 2 Nds. PersVG, 12 Abs. 5 ArbGG nicht erhoben. Für eine Kostenentscheidung ist auch hier im Übrigen kein Raum.
Streitwertbeschluss:
Der Gegenstandswert beträgt 4.000,- Euro.
Die Festsetzung des Gegenstandswertes folgt aus § 23 Abs. 3 S. 2 RVG.
Fahs
Reccius