Verwaltungsgericht Göttingen
Urt. v. 04.08.2023, Az.: 1 A 193/21

Betreuungspflichtiger; Erbe; Ersatzvornahme; Halter; Kosten; Sofortvollzug; Tierschutz Kostentragungspflicht der Alleinerbin für Kosten der Unterbringung von Katzen des verstorbenen Erblassers in einem Tierheim im Wege des Sofortvollzugs

Bibliographie

Gericht
VG Göttingen
Datum
04.08.2023
Aktenzeichen
1 A 193/21
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2023, 28837
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:VGGOETT:2023:0804.1A193.21.00

Tatbestand

Die Klägerin wendet sich gegen die Kosten einer tierschutzrechtlichen Unterbringung von Katzen.

Am 10.07.2020 wurde der Leichnam des verstorbenen Bruders der ursprünglichen Klägerin in dessen Wohnung von Beschäftigten der Feuerwehr der Stadt B-Stadt aufgefunden. Sie fanden in der Wohnung außerdem zwei Katzen vor und verbrachten diese noch am selben Tag ins örtliche Tierheim. Am darauffolgenden Tag ordnete das Veterinäramt des Beklagten die Unterbringung der Katzen im Tierheim an. Ende August 2020 informierte das Amtsgericht B-Stadt - Nachlassgericht - das Tierheim darüber, dass Alleinerbin des Verstorbenen die ursprüngliche Klägerin sei, die Mutter der jetzigen Klägerin. Dies gelangte zur Kenntnis des Beklagten.

Unter dem 04.09.2020 teilte der Beklagte der ursprünglichen Klägerin mit, dass sie Eigentümerin der beiden Katzen geworden sei und für die Kosten der Unterbringung im Tierheim und der tierärztlichen Behandlungen aufkommen müsse. Er bat sie auch, kurzfristig mitzuteilen, ob sie die Katzen aufnehmen wolle oder sie zur Vermittlung freigebe. Am 07.09.2020 antwortete die ursprüngliche Klägerin, dass sie alters- und krankheitsbedingt nicht in der Lage sei, die Katzen aufzunehmen, und sie zur Vermittlung freigebe. Sie betrachte die Angelegenheit damit als für sie erledigt. Eine Katze konnte ab dem 20.09.2020 vom Tierheim vermittelt werden, die zweite Katze ab dem 17.10.2020.

Mit Bescheid vom 10.08.2021 setzte der Beklagte gegenüber der ursprünglichen Klägerin die Kosten für die Unterbringung der Katzen im Tierheim fest. Darin forderte er die Zahlung von 9,78 EUR für jeden Tag der Unterbringung, insgesamt 1.916,77 EUR, und 358,95 EUR für tierärztliche Leistungen und Medikamente, mithin also insgesamt 2.275,72 EUR, zahlbar binnen vier Wochen. Zur Begründung verwies der Beklagte darauf, dass die Klägerin "als Erbin" die Kosten zu tragen habe, die er bereits verauslagt habe.

Dem Kostenbescheid zugrunde lagen Rechnungen des Tierheims B-Stadt sowie des Tierarztes. Das Tierheim stellte dem Beklagten unter dem 10.08.2020 für die Aufnahme und Versorgung von zwei Katzen vom 10.07.2020 bis 09.08.2020 Kosten in Höhe von 606,36 EUR für die Unterbringung (31 Tage x 9,78 EUR x 2) sowie von 60 EUR für Personal- und Fahrtkosten anlässlich von Tierarztbesuchen am 16.07.2020 und 22.07.2020 zuzüglich Umsatzsteuer in Höhe von 16 %, insgesamt 772,98 EUR in Rechnung. Es stellte weiter unter dem 14.09.2020 für die Aufnahme und Versorgung von zwei Katzen vom 10.08.2020 bis 09.09.2020 Kosten in Höhe von 606,36 EUR für die Unterbringung (31 Tage x 9,78 EUR x 2) sowie von 30 EUR für Personal- und Fahrtkosten anlässlich eines Tierarztbesuchs am 11.09.2020 zuzüglich Umsatzsteuer in Höhe von 16 %, insgesamt 738,18 EUR in Rechnung. Mit zwei "Endabrechnungen" unter dem 19.10.2020 stellte es mit dem identischen Zusatz "Aufnahme und Versorgung von 2 Katzen, hier: Katze E. vom 10.09.2020 bis einschl. 16.10.2020" einmal für 10 Tage zu je 9,78 EUR abzüglich Vermittlungsgebühr von 50 EUR und zuzüglich Umsatzsteuer 55,45 EUR in Rechnung, zum anderen für 37 Tage zu je 9,78 EUR und Personal- und Fahrtkosten anlässlich eines Tierarztbesuchs am 14.10.2020 abzüglich einer Vermittlungsgebühr von 90 EUR zuzüglich Umsatzsteuer 350,16 EUR in Rechnung. Der Tierarzt berechnete dem Beklagten für die Untersuchung und Behandlung der Katzen am 16.07., 22.07. und 23.07.2020 102,99 EUR, am 11.09.2020 124,44 EUR, für die Behandlung der Katze E. am 14.10.2020 außerdem 131,52 EUR.

Die anwaltlich vertretene ursprüngliche Klägerin hat am 24.08.2021 Klage erhoben. Sie macht im Wesentlichen geltend, zwischen den Beteiligten läge bereits kein Rechtsverhältnis vor, da die beiden Katzen aufgrund einer Anordnung des Ordnungsamtes der Stadt und nicht des Landkreises B-Stadt ins Tierheim verbracht worden seien. Sie habe mehrfach erfolglos versucht, Kontakt mit dem Tierheim aufzunehmen, um den Verbleib der Katzen zu klären und sich um eine anderweitige Unterbringung zu kümmern. Das Tierheim habe weder auf die Rückrufbitte auf dem Anrufbeantworter noch auf das Klingeln vor Ort reagiert. Zudem sei keine tierschutzrechtliche Anordnung ihr gegenüber erlassen worden, obwohl die Unterbringung der Katzen über mehrere Monate erfolgt sei und der Erlass einer solchen Anordnung daher möglich gewesen wäre. Die Voraussetzungen für eine solche tierschutzrechtliche Anordnung hätten darüber hinaus nicht vorgelegen. Sie sei insbesondere keine Halterin der Katzen im Sinne des § 16a Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 TierSchG gewesen. Die Haltereigenschaft in diesem Sinne stelle auf ein tatsächliches, nicht auf ein rechtliches Verhältnis ab. Auf eine erbrechtliche Universalsukzession nach § 1922 BGB komme es insoweit nicht an. Vielmehr hätte sie eine faktische Verfügungsgewalt über die Katzen gehabt haben müssen, was jedoch nicht der Fall gewesen sei. Schließlich sei auch die vom Beklagten eingeforderte Kostenhöhe nicht nachvollziehbar, da Katzen ohne Weiteres zu einem Tagessatz von höchstens 5 EUR statt der vom Beklagten berechneten 9,78 EUR untergebracht werden könnten. Das Tierheim B-Stadt biete selbst Pensionsplätze für Katzen für lediglich 8 EUR pro Tag und Katze an. Zu berücksichtigen sei außerdem, dass für die Dauer eines stationären Aufenthalts der beiden Katzen in der Kleintierpraxis Dr. F. am 22. und 23.07.2020 eine nicht gerechtfertigte Doppelabrechnung sowohl der stationären Unterbringung beim Tierarzt als auch der Unterbringung im Tierheim erfolgt sei. Weitere abgerechnete Maßnahmen wie die Kennzeichnung einer der Katzen mit einem Transponder sowie die Impfung beider Katzen seien nicht notwendig, jedenfalls aber nicht dringlich gewesen. Auch hätte es keines Personalaufwandes im Umfang eines Stundenlohns von 30 EUR für die Fahrt zum Tierarzt bedurft, da für diese Tätigkeit keinerlei Qualifikation erforderlich sei.

Die ursprüngliche Klägerin ist im Dezember 2022 verstorben. Die Klägerin ist ihre Alleinerbin und setzt den Rechtsstreit fort.

Die Klägerin beantragt,

den Kostenfestsetzungsbescheid des Beklagten vom 10.08.2021 aufzuheben.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er trägt insbesondere vor, die Unterbringung und Versorgung der Katzen im Sofortvollzug sei angesichts der gegenwärtigen Gefahr für Leib und Leben der Tiere rechtmäßig gewesen. Die (ursprüngliche) Klägerin werde auch als richtige Adressatin in Anspruch genommen, da die Haltereigenschaft im Wege der Universalsukzession auf sie übergegangen sei. Auch der Höhe nach seien die Kosten nicht zu beanstanden. Dies gelte insbesondere, da Tiere, die durch die Veterinärbehörde eingewiesen werden, in entsprechend teurerer Einzelhaltung untergebracht würden. Auch während der stationären Behandlung in der Tierarztpraxis sei der entsprechende Platz im Tierheim freigehalten und daher auch abgerechnet worden. Die Impfungen seien geboten gewesen, da der Impfstatus der Katzen mangels Impfpässen nicht bekannt gewesen und eine umfassende Titerbestimmung teurer gewesen sei als die durchgeführten Impfungen. Zudem gingen die Vermittlungschancen von Katzen gegen Null, wenn die Kosten notwendiger Impfungen dem neuen Eigentümer auferlegt würden. Der abgerechnete Tagessatz von 30 EUR für die Fahrt zum Tierarzt umfasse neben Personal- auch Sachkosten für die Verwendung eines Pkw, Benzinkosten, anteilige Versicherung und Steuern für den Pkw und die Zurverfügungstellung von geeigneten Transportboxen.

Die Kammer hat mit Beschluss vom 24.05.2023 die Rechtssache der Berichterstatterin als Einzelrichterin zur Entscheidung übertragen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und die beigezogenen Vorgänge des Beklagten verwiesen.

Entscheidungsgründe

Die Einzelrichterin entscheidet mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung, § 101 Abs. 2 VwGO.

I.

Die Klage ist zulässig, insbesondere ist sie durch den Tod der ursprünglichen Klägerin nicht unzulässig geworden. Da die ursprüngliche Klägerin durch einen Prozessbevollmächtigten vertreten war, dessen Prozessvollmacht nach § 173 Satz 1 VwGO i.V.m. § 86 ZPO durch den Tod der ursprünglichen Klägerin in ihrem Bestand nicht berührt wird, und weder Prozessbevollmächtigte noch der Beklagte einen Antrag auf Unterbrechung des Verfahrens gestellt haben (§ 173 Satz 1 VwGO i.V.m. § 246 Abs. 1 Hs. 2 ZPO), wird das Verfahren von der Klägerin als Erbin der ursprünglichen Klägerin fortgeführt. Sie tritt als Rechtsnachfolgerin durch Parteiwechsel kraft Gesetzes als Beteiligte in die prozessuale Stellung der Erblasserin und in das Vertretungsverhältnis aus der Vollmacht ein. Etwas Anderes würde nur gelten, wenn der Streitgegenstand ein höchstpersönliches Recht der ursprünglichen Klägerin beträfe; das ist hier nicht der Fall.

II.

Die Anfechtungsklage ist unbegründet, da der Kostenbescheid des Beklagten vom 10.08.2021 rechtmäßig ist und die Klägerin nicht in ihren Rechten verletzt (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

1. Rechtsgrundlage für den Kostenbescheid ist § 70 NVwVG in Verbindung mit §§ 64 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1, 66 NPOG. Danach kann eine Ersatzvornahme auf Kosten der betroffenen Person auch ohne vorausgehenden Verwaltungsakt angewendet werden, wenn dies zur Abwehr einer gegenwärtigen Gefahr erforderlich ist und die Verwaltungsbehörde hierbei innerhalb ihrer Befugnisse handelt.

§ 16a Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 TierSchG kommt demgegenüber nicht als Rechtsgrundlage für den Kostenbescheid in Betracht. Nach dieser Vorschrift kann die zuständige Behörde ein Tier, das nach dem Gutachten des beamteten Tierarztes mangels Erfüllung der Anforderungen des § 2 TierSchG erheblich vernachlässigt ist oder schwerwiegende Verhaltensstörungen aufzeigt, dem Halter fortnehmen und so lange auf dessen Kosten anderweitig pfleglich unterbringen, bis eine den Anforderungen des § 2 TierSchG entsprechende Haltung des Tieres durch den Halter sichergestellt ist. Dem Grunde nach kann die Behörde einen Kostenbescheid auf diese Regelung stützen (vgl. OVG LSA, Beschl. v. 25.07.2022 - 3 L 125/21 -, juris Rn. 8; VG Würzburg, Beschl. v. 27.01.2021 - W 9 S 20.2019 -, juris Rn. 23). Allerdings liegen hier die Tatbestandsvoraussetzungen von § 16a Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 TierSchG nicht vor. Die Regelung setzt nach ihrem Wortlaut eine tierschutzrechtliche Anordnung über die Fortnahme und Unterbringung von Tieren voraus, die hier gerade nicht erfolgt ist.

Da sich die Rechtmäßigkeit der Fortnahme von Tieren ohne vorausgehenden Verwaltungsakt nach dem Verwaltungsvollstreckungsrecht der Länder bestimmt (vgl. BVerwG, Urt. v. 12.01.2012 - 7 C 5.11 -, juris Rn. 18; VG Lüneburg, Urt. v. 12.12.2016 - 6 A 268/16 -, juris Rn. 31; Schleswig-Holst. VG, Beschl. v. 20.02. 2020 - 1 B 2/20 -, juris Rn. 32ff; VG Cottbus, Beschl. v. 17.11.2020 - 3 L 463/20 -, juris Rn. 20), ist auch auf die Rechtsgrundlage für den Kostenersatz für Maßnahmen der Verwaltungsvollstreckung als Rechtsgrundlage für den streitgegenständlichen Bescheid zu rekurrieren.

2. Der Kostenfestsetzungsbescheid ist formell rechtmäßig.

Insbesondere ist der Beklagte gemäß § 64 Abs. 3 Satz 1 NPOG für die Anwendung von Zwangsmitteln zuständig, da er auch für den Erlass des (hier fiktiven) zugrundeliegenden Verwaltungsaktes zuständig wäre. Die Zuständigkeit des Beklagten für die Durchführung des Tierschutzgesetzes ergibt sich aus § 1 Nr. 10 Allgemeine Zuständigkeitsverordnung für Gemeinden und Landkreise zur Ausführung von Bundesrecht - AllgZustVO-Kom - vom 14.12.2004 (Nds. GVBl. S. 589). Die örtliche Zuständigkeit des Beklagten erstreckt sich aufgrund einer entsprechenden Zweckvereinbarung zwischen dem Beklagten und der Stadt B-Stadt vom 12.07.2017 auch auf das Gebiet der Stadt B-Stadt.

Der Zuständigkeit des Beklagten steht nicht entgegen, dass die Katzen am 10.07.2020 von Bediensteten der Stadt B-Stadt aufgefunden und in das Tierheim verbracht wurden. Die Stadt B-Stadt wäre nur dann für Verwahrung und Sorge für die Katzen zuständig, wenn es sich bei diesen um Fundtiere gehandelt hätte (§ 967 BGB i.V.m. § 4 Nr. 12 AllgZustVOKom). Das war hier aber nicht der Fall, da es sich bei den Katzen nicht um verlorene Sachen im Sinne von § 90a i.V.m. § 965 Abs. 1 BGB handelte. Verloren ist eine Sache, wenn sie besitz-, aber nicht herrenlos ist (Oechsler in: MüKo zum BGB, 9. Aufl. 2023, § 965 Rn. 1; vgl. auch Hess. VGH, Beschl. v. 17.05.2017 - 8 A 1064/14 -, juris Rn. 35). Die Katzen standen ursprünglich im Besitz des Herrn G. H.. Mit dessen Tod ging auch der Besitz an den Katzen gemäß § 857 BGB auf die ursprüngliche Klägerin als Alleinerbin über. Die Katzen waren somit zu keinem Zeitpunkt besitzlos.

Mit Schreiben vom 04.09.2020 ist die frühere Klägerin auch angehört worden.

3. Auch die materiell-rechtlichen Voraussetzungen des § 70 NVwVG in Verbindung mit §§ 64 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1, 66 NPOG liegen zum für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage maßgeblichen Zeitpunkt der behördlichen Entscheidung vor.

a. Die Verwahrung der Tiere im Tierheim ab dem 10.07.2020 war zur Abwehr einer gegenwärtigen Gefahr (§ 2 Nr. 2 NPOG) erforderlich. An der Annahme einer erheblichen Vernachlässigung der beiden Katzen im Sinne des § 2 TierSchG zum Zeitpunkt ihrer Inobhutnahme durch den Beklagten und Anordnung der Unterbringung im Tierheim bestehen keine Zweifel. Sie waren zu dem Zeitpunkt jedenfalls nicht angemessen ernährt, § 2 Nr. 1 TierSchG. Dies folgt für eine der beiden Katzen aus der Rechnung der Kleintierpraxis Dr. F. vom 31.07.2020. Danach sei die Katze des verstorbenen G. H. sehr dünn gewesen und habe schlecht gefressen. Jedenfalls aber wären sie beim Verbleib in der Wohnung des Verstorbenen bis zur Klärung der Erbfolge und Durchsetzung der artgerechten Haltung mit Haltungsverfügung nach § 16a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 TierSchG gegenüber dem noch unbekannten Halter in allernächster Zeit mit einer an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit verhungert.

b. Der Beklagte handelte auch innerhalb seiner Befugnisse. Ein für die Fortnahme und Unterbringung im Tierheim im Wege der Ersatzvornahme erforderlicher, hypothetisch rechtmäßiger Grundverwaltungsakt gemäß § 16a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 TierSchG - gerichtet auf Anordnung, die Katzen in Verwahrung zu nehmen und sie artgerecht zu halten - hätte der ursprünglichen Klägerin gegenüber erlassen werden können. Zum einen erfüllte die Tierhaltung in der Wohnung des verstorbenen Bruders der ursprünglichen Klägerin, wie ausgeführt, nicht die Anforderungen von § 2 TierSchG. Zum anderen hätte sich eine Haltungsverfügung auch an die ursprüngliche Klägerin richten können, weil diese Halterin der Tiere im Sinne des § 16a Abs. 1 S. 2 Nr. 2 TierSchG war. Halter ist jede Person, die ein Tier hält, betreut oder zu betreuen hat (Hirt/Maisack/Moritz, TierSchG, 4. Aufl. 2023, § 16a TierSchG, Rn. 21 m.w.N., § 2 TierSchG, Rn. 7 a. E.). Insoweit gilt ein weiter Halterbegriff, der neben dem Halter im engeren Sinn, also der Person, die die tatsächliche Bestimmungsmacht über das Tier in eigenem Interesse und nicht nur ganz vorübergehend ausübt, auch den Betreuer und den Betreuungspflichtigen umfasst. Maßgeblich ist die tatsächliche Beziehung zwischen dem Pflichtigen und dem Tier; auf die rechtliche Beziehung zum Tier im Sinne der Eigentümerstellung kommt es hingegen nicht an (Hirt/Maisack/Moritz, a.a.O., § 2 Rn. 4).

Vorliegend war die ursprüngliche Klägerin Eigentümerin der beiden Katzen im Wege der Universalsukzession nach § 1922 Abs. 1 BGB und damit nach § 857 BGB auch Besitzerin der Katzen geworden. Sie war Halterin im engeren Sinn, da sie zum einen die (rechtliche) Bestimmungsmacht über die Tiere erlangt hatte und zum anderen nach § 857 BGB Besitz an ihnen ausübte. Sie hatte auch ein eigenes, nicht fremdbestimmtes Interesse an den Katzen, dass sich darin äußerte, dass sie mit Schreiben vom 07.09.2020 die Freigabe der Katzen zur Vermittlung erklärte. Sie hat darüber hinaus aber auch ein eigenes tatsächliches Interesse an den Tieren offenbart, indem sie nach eigenem Vortrag mehrfach den Kontakt zum Tierheim B-Stadt suchte, um den weiteren Verbleib der Katzen zu regeln. Der Umstand, dass die ursprüngliche Klägerin mit Schreiben vom 07.09.2020 erklärte, die Angelegenheit sei für sie erledigt, hat demgegenüber keine Auswirkungen auf ihre Haltereigenschaft. Dies folgt daraus, dass schon eine Dereliktion durch den Eigentümer nach § 134 BGB i.V.m. § 3 S. 1 Nr. 3 TierSchG nichtig ist. Erst recht kann sich der Halter nicht durch die einfache Erklärung, sich nunmehr nicht mehr um ein Tier kümmern zu wollen, seiner tierschutzrechtlichen Verantwortung entziehen.

Aber selbst wenn die Klägerin nicht Halterin der Katzen im engeren Sinn war, war sie jedenfalls Betreuungspflichtige und damit Halterin im weiteren Sinn, weil sie als Eigentümerin und Besitzerin der Katzen die Rechtspflicht hatte, für die Katzen zu sorgen.

Für den Beklagten bestand auch keine Veranlassung, nachträglich eine vollstreckbare Grundverfügung gemäß § 16a Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 TierSchG gegenüber der ursprünglichen Klägerin zu erlassen, nachdem diese als Alleinerbin des verstorbenen Herrn H. ausfindig gemacht worden war. Grundsätzlich ist dem Zwangsvollstreckungsrecht ein Übergang vom Sofortvollzug in das gestreckte Verfahren fremd. Gleichwohl sind Konstellationen denkbar, in denen ein Verwaltungshandeln im Sofortvollzug - wie hier - mit andauernden Maßnahmen einhergeht, die laufende Kosten verursachen. In diesen Fällen ist die Behörde unter Rechtsschutzaspekten gehalten, alles Notwendige zu unternehmen, um den Verantwortlichen über die getroffenen Maßnahmen zu informieren und unnötige Kosten zu vermeiden. Ob dies jedoch auch gebietet, einen vollstreckbaren Grundverwaltungsakt zu erlassen und damit in das gestreckte Verfahren zu wechseln, ist eine Frage des Einzelfalls (vgl. OVG NRW, Urt. v. 22.02.2021 - 2 A 2901/19 -, juris Rn. 71, 75). Ein solcher Fall lag hier nicht vor. In zeitlicher Hinsicht konnte er erst eintreten, als der Beklagte mit Erhalt des Erbscheins vom 24.08.2020 Kenntnis von der Person der Klägerin erhielt. Die ursprüngliche Klägerin hatte aufgrund des Schreibens vom 04.09.2020 Kenntnis von dem Sachverhalt und dessen Rechtsfolgen erlangt, so dass sie handlungsfähig wurde und eine Rechtsschutzverkürzung nicht zu befürchten war. Die angegebenen Unterbringungskosten von rund 770 EUR monatlich lagen dabei sogar über dem tatsächlich abgerechneten Betrag von 1916,17 EUR für über drei Monate. Zudem setzte der Beklagte die Klägerin darüber in Kenntnis, dass sie auch eventuell anfallende Kosten für eine notwendige tierärztliche Behandlung tragen müsse. Im Übrigen war auch in Ansehung der Angabe der Klägerin, dass sie die Tiere nicht zu sich nehmen können und mit der Vermittlung einverstanden sei, eine Grundverfügung nach § 16a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 TierSchG unter Rechtsschutzaspekten entbehrlich. Daran ändert sich nichts durch die Tatsache, dass die ursprüngliche Klägerin nach eigenem Vortrag mehrfach den Kontakt zum Tierheim B-Stadt gesucht hat, um den Verbleib der Katzen zu regeln. Denn richtiger Ansprechpartner wäre insoweit der Beklagte selbst als zuständige Behörde gewesen, nicht das Tierheim. Auch eine Fortnahmeverfügung war entbehrlich, weil die Klägerin unter dem 07.09.2020 konkludent erklärt hatte, mit der Unterbringung im Tierheim einverstanden zu sein.

c. Schließlich sind die vom Beklagten eingeforderten Kosten der Ersatzvornahme auch der Höhe nach gerechtfertigt. Insoweit weist die Klägerin zutreffend darauf hin, dass nur die für die Ersatzvornahme erforderlichen Kosten eine Inanspruchnahme der Klägerin rechtfertigen. Dies folgt bereits aus dem Wortlaut des § 66 Abs. 1 Satz 1 NPOG, wonach die Ersatzvornahme auf Kosten der betroffenen Person vorgenommen wird. Die geltend gemachten Kosten sind erforderliche Kosten der Ersatzvornahme.

Das gilt zunächst für die Kosten der Unterbringung der beiden Katzen im Tierheim. Der geltend gemachte Tagessatz von 9,78 EUR ist nicht zu beanstanden. Dieser liegt zwar über den ansonsten vom Tierheim B-Stadt verlangten 8 EUR. Jedoch hat der Beklagte in nachvollziehbarer Weise erläutert, dass die Höhe des Tagessatzes infolge der Einzelhaltung der Katzen zustande kommt. Dabei ist es nicht zu beanstanden, neu eingewiesene Tiere zunächst in Einzelhaltung aufzunehmen, um eine etwaige Übertragung von Krankheiten auf andere Tiere zu verhindern. Dies gilt umso mehr, wenn wie im Falle der beiden Katzen der Impfstatus der Tiere nicht bekannt ist. Der Höhe des Tagessatzes ist die Klägerin auch nicht mit dem Hinweis, für die Unterbringung hätten auch 5 EUR genügt, substantiiert entgegengetreten. Die Anzahl der abgerechneten Tage im Tierheim ist ebenfalls nicht zu beanstanden, da nicht erkennbar ist, dass das Tierheim die Vermittlungen der Katzen nicht betrieben und damit auf eine Begrenzung der Unterbringung nicht hinreichend hingewirkt hätte. Dass die letzten Rechnungen des Tierheims vom 19.10.2020 einen fehlerhaften Betreff enthielten, ist unschädlich.

Die berechneten 30,00 EUR für Fahrt- und Personalkosten im Zusammenhang mit Tierarztbesuchen begegnen ebenfalls keine Bedenken. Soweit die Klägerin darauf verweist, dass Personalkosten in Höhe von 30,00 EUR pro Stunde überhöht seien, verkennt sie zum einen, dass in diesem Betrag ausweislich der Belege des Tierheims B-Stadt vom 10.08., 14.09. und 19.10.2020 auch Fahrtkosten enthalten sind. Zum anderen handelt es sich nicht um einen Stundenlohn, sondern um einen Pauschalbetrag für Personal- und Fahrtkosten. Unter Zugrundelegung des im Jahr 2020 geltenden gesetzlichen Mindestlohns von 9,35 EUR pro Stunde ist der angesetzte Pauschalbetrag von 30 EUR jedenfalls nicht zu hoch, wenn berücksichtigt wird, dass ein Tierarztbesuch die Hinfahrt, Wartezeit und Rückfahrt zum Tierheim umfasst.

Auch die Kosten für die Impfungen sowie einen Transponder begegnen im Ergebnis keinen Bedenken. Bei den mit Bescheid vom 10.08.2021 eingeforderten Kosten für die für tierärztliche Leistungen und Medikamente handelt es sich um die unmittelbaren Kosten der Ersatzvornahme im Sinne des § 66 Abs. 1 Satz 1 NPOG, weil diese insgesamt dazu diente, die tierschutzgerechte Versorgung der Katzen sicherzustellen, zu der die ursprüngliche Klägerin aus Rechtsgründen verpflichtet gewesen wäre. Dass die tierärztliche Behandlung der Katzen zur tierschutzgerechten Versorgung erforderlich war, bestreitet die Klägerin nicht. Sie meint lediglich, die Behandlung sei nicht dringend gewesen. Auch dieser Vortrag ist nicht substantiiert. Die Alternative einer Titerbestimmung zur Ermittlung des Impfstatus der Katzen wäre zudem teurer gewesen als die durchgeführten Impfungen. Die Kennzeichnung von Katzen mittels Transponder wiederum ist nach § 1 Abs. 1 Satz 1 der Verordnung über die Kastrations- und Kennzeichnungspflicht von Katzen in der Stadt B-Stadt verpflichtend und hätte von der ursprünglichen Klägerin ebenfalls veranlasst werden müssen.

Die Abrechnung sowohl der stationären Tierarztbehandlung als auch des entsprechenden Platzes im Tierheim erscheint mit Blick auf die erforderliche Vorhaltung des Tierheimplatzes geboten. So befand sich die Katze nur für einen absehbar kurzen Zeitraum von zwei Tagen in stationärer Behandlung, in denen eine anderweitige Vergabe des Tierheimplatzes nicht zweckmäßig war. Anhaltspunkte dafür, dass das Tierheim durch die zweitägige Abwesenheit einer Katze konkret kalkulierbare Aufwendungen erspart hat, beispielsweise für Futterkosten, liegen nicht vor. Dafür erscheint die lediglich zweitägige Aufnahme der Katze in stationärer Behandlung auch als zu geringfügig, um effektiv Einfluss auf die Futtermittelbeschaffung oder ähnliche Aufwendungen des Tierheims gehabt zu haben.

Als Halterin war die Klägerin schließlich auch betroffene Person im Sinne des § 66 Abs. 1 Satz 1 NPOG und damit richtige Kostenschuldnerin.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 167 VwGO in Verbindung mit §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.