Landgericht Verden
Urt. v. 15.12.2008, Az.: 10 O 102/08

Bibliographie

Gericht
LG Verden
Datum
15.12.2008
Aktenzeichen
10 O 102/08
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2008, 44357
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:LGVERDN:2008:1215.10O102.08.0A

Fundstellen

  • WM 2009, 656-658 (Volltext mit amtl. LS)
  • WuB 2009, 468-470

In dem Rechtsstreit

...

wegen Unterlassung der Sperrung von VISA-Karten

hat die 10. Zivilkammer (2. Kammer für Handelssachen) des Landgerichts Verden auf

die mündliche Verhandlung vom 10.11.2008 durch

den Vorsitzenden Richter am Landgericht ...,

den Handelsrichter ... und

den Handelsrichter ...

für Recht erkannt:

Tenor:

  1. Die durch Beschluss der Kammer vom 24.9.2008 erlassene einstweilige Verfügung bleibt aufrecht erhalten.

  2. Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Antragsgegnerin.

  3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar

Tatbestand

1

Die Parteien betreiben Bankgeschäfte. Sie geben an ihre Kunden VISA-Kreditkarten heraus.

2

Die Antragsgegnerin hat in ihrem Bereich an ihren Geldautomaten seit dem 14.8.2008 durch Programmierung der Bank-Identifikationsnummern der Antragstellerinnen die Abhebung von Bargeld mit VISA-Kreditkarten gesperrt, welche die Antragstellerinnen herausgeben. Kunden mit VISA-Kreditkarten der ..., der ... und der ... können Geld von den Geldautomaten der Antragsgegnerin abheben. Kunden mit EC-Karten der Antragstellerinnen können Bargeld von den Geldautomaten der Antragsgegnerin abheben, wobei ihrem Konto allerdings die banküblichen Gebühren für die Abhebung, prozentual nach dem abgehobenen Betrag, belastet werden. Diese Gebühren sind höher als die im Rahmen der VISA-Verträge mit der VISA-Organisation vereinbarten Gebühren. Nach diesen Verträgen fließen 1,74 € für jede Bargeldabhebung mit VISA-Kreditkarten dem Geldautomaten betreibenden Institut zu.

3

Die Antragstellerinnen behaupten, dass Mitarbeiter der Antragsgegnerin dem Mitarbeiter ... der Antragstellerin zu 1. am 29.8.2008 in ihrer Geschäftsstelle ... in ..., der Hauptstelle am ... in ... und der Geschäftsstelle in der ... in ... auch die Barauszahlung im Schalterraum verweigert hätten. In der Hauptstelle sei ihm geraten worden, die in der Nähe befindliche Filiale der Antragstellerin zu 1. aufzusuchen. Man zahle an Kunden der Direktbanken nicht aus. In der Geschäftsstelle der Antragstellerin zu 1 in der ... habe man ihn zur ... in der Nachbarschaft geschickt. Der Mitarbeiter ... der Antragstellerin zu 4. habe am 4.9.2008 gleiche Erfahrungen in der Hauptstelle der Antragsgegnerin in ... und der Geschäftsstelle ... in ... gemacht. In der Hauptstelle habe man ihn auf die Filiale der ... verwiesen. Auf den Bildschirmen der Geldautomaten sei das VISA-Logo, das VISA-Electron-Logo und das VISA-Plus-Logo angezeigt worden. Ein Hinweis auf die Sperrung der Automaten für der Antragstellerinnen sei nicht vorhanden gewesen. Ein solcher Hinweis sei aber am 18.9.2008 neben dem Geldautomaten der Antragsgegnerin in der Hauptstelle angebracht gewesen, als der Mitarbeiter Kühnel der Antragstellerin zu 2. vergeblich versucht habe, dort mittels seiner VISA-Kreditkarte Geld abzuheben. Auf die Bitte im Schalterraum, ihm 50 € bar auszuzahlen sei er mit dem Hinweis abgewiesen worden, dass an Kunden der Direktbanken nicht ausgezahlt werde.

4

Die Antragstellerinnen sind der Ansicht, dass die Antragsgegnerin als Vertragspartner der VISA-Organisationen nach den von ihr akzeptierten Statuten verpflichtet sei, ihre Geldautomaten auch für ihre Kunden zugänglich zu machen, zumindest sei sie verpflichtet, auf die Kreditkarten bar auszuzahlen. Da sie dies für Kunden anderer Banken täte, die mit einer von denen herausgegebenen VISA-Kreditkarte an die Automaten käme, sei in der Sperrung der Automaten und der Weigerung, an ihre Kunden bar auszuzahlen, eine gezielte Behinderung eines Mitbewerbers zu sehen.

5

Die von der Antragstellerin getroffenen Maßnahmen richteten sich gezielt gegen die Antragstellerinnen, ohne damit eigene Geschäfte zu fördern. Denn Kunden der Antragstellerinnen, die auf diese Weise von der Antragsgegnerin abgewiesen würden, würden nach aller Erfahrung nicht Kunden der Antragsgegnerin werden.

6

Die Kammer hat, nachdem die Antragstellerinnen ihren Vortrag durch Vorlage von Unterlagen und eidesstattliche Versicherungen der Mitarbeiter ..., ... und ... glaubhaft gemacht haben, die begehrte einstweilige Verfügung erlassen. Mit Beschluss vom 24.9.2008 hat sie angeordnet:

"Gemäß §§ 935, 940, 937 ZPO, § 3, 4 Nr. 10 UWG, §§ 8, 12 UWG wird unter Bezugnahme auf die angeheftete Antragsschrift nebst Anlagen, deren Tatsachenbehauptungen glaubhaft gemacht worden sind und deren rechtliche Würdigung zutrifft, im Wege einer einstweiligen Verfügung wegen Dringlichkeit ohne mündliche Verhandlung mit der Kosten folge aus § 91 ZPO angeordnet:

Die Antragsgegnerin wird verurteilt, es zu unterlassen, durch elektronische, technische oder sonstige Vorrichtungen oder sonstige Maßnahmen gleicher Wirkung an Geldautomaten, die sie zur Nutzung von V ISA-Kreditkarten zum Zwecke der Abhebung von Bargeld bereitstellt, insbesondere durch Auslesen und Sperren der für die Antragstellerinnen zu 1. bis 4. geltenden sogenannten Banking Identification Numbers (BIN, Bankidentifikationsnummern)

  • BIN ... (Antragstellerin zu 1.)

  • BIN ... (Antragstellerin zu 2.)

  • BIN ...81 (Antragstellerin zu 3.)

  • BIN ... (Antragstellerin zu 4.),

die Abhebung von Bargeld bis zu 200,00 € unter Einsatz von VISA-Kreditkarten, die von der Antragstellerinnen ausgegeben wurden, zu verhindern oder sonst unmöglich zu machen.

Für jeden Fall der Zuwiderhandlung wird de Schuldnerin Ordnungsgeld bis zu 250 000,- EUR und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, Ordnungshaft oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten angedroht.

Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Verfahrens.

Der Streitwert wird auf 100 000,- EUR festgesetzt."

7

Hiergegen wendet sich die Antragsgegnerin mit ihrem Widerspruch.

8

Sie räumt die Sperrung der Automaten für Kunden der Antragstellerinnen ein. Allerdings sei bereits seit dem 1.12.2005 die Auszahlung an Kreditkartenkunden der Antragstellerinnen nicht möglich. Nicht einmal eigene Kunden hätten mit VISA-Kreditkarten von Automaten der Antragsgegnerin abheben können. Technisch sei die Sperrung für VISA-Kreditkarten-Kunden spezieller Banken, hier der Antragstellerinnen, erst seit dem 15.8.2008 möglich und entsprechend durchgeführt worden. Allerdings sei die Anweisung getroffen, dass eine Barabhebung im Schalterraum der Hauptstelle und der Geschäftsstellen in ... und ... möglich sei. Die Richtigkeit dieser Behauptungen versichert die Antragsgegnerin durch die eidesstattliche Versicherung ihres Vorstandes ... in der mündlichen Verhandlung vor der Kammer.

9

Im übrigen sei die Abhebung ohnehin nur mit VISA-Karten mit Hochprägung möglich, ob die Test-Kunden der Antragstellerinnen über eine solche Karte verfügten, sei nicht bekannt.

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Die selektive Sperrung von Karten von Mitbewerbern sei zulässig und auch in den Statuten der VISA-Organisation vorgesehen. Eine Behinderung eines Mitbewerbers sei darin nicht zu sehen, zumal eine Abhebung am Automaten mit EC-Karten der Antragstellerinnen möglich sei. Für die Sperrung gebe es auch rechtlich nachvollziehbare und wettbewerbsrechtlich zu akzeptierende Gründe. Die Antragstellerinnen verfügten, wenn überhaupt, nur über eine geringe Geldautomaten- und Filialdichte. Sie wickelten ihre Geschäfte wesentlich über das Internet ab und benutzten gewissermaßen als Trittbrettfahrer das Automatensystem ihrer Mitbewerber, unter anderem der Antragsgegnerin. Dieses sei zusammen mit den Filialen und Automaten des ... und der daran angeschlossenen Institute das dichteste im Bundesgebiet. Diese für die Antragstellerinnen und deren Kunden vorzuhalten sei die Antragsgegnerin nicht verpflichtet. Es bestände schließlich die Freiheit, sich die Kunden selbst auszusuchen. Ein Zwang, mit Kunden der Antragstellerinnen oder mit diesen direkt vertraglich in Verbindung zu treten, bestände nicht.

11

Die Antragsgegnerin beantragt daher, den Beschluss der Kammer vom 24.9.2008 aufzuheben und den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zurückzuweisen.

12

Die Antragstellerinnen beantragen, die einstweilige Verfügung aufrecht zu erhalten.

13

Sie wiederholen ihr Vorbringen. Darüber hinaus machen sie durch eidesstattliche Versicherung ihres Mitarbeiters ... vor der Kammer glaubhaft, dass dieser eine Karte mit Hochprägung verwandt hat (die Kammer hat sich durch Augenscheinseinnahme davon überzeugt) und dass der Mitarbeiter der Antragsgegnerin in der Hauptstelle vor der Verweigerung der Barauszahlung sich offensichtlich bei seinem Vorgesetzten rückversichert hat.

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Zum weiteren Sachvortrag wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst deren Anlagen verwiesen.

Gründe

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Entscheidungsgründe

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Die einstweilige Verfügung der Kammer ist begründet und daher aufrecht zu erhalten. Mit der Sperrung der Geldautomaten für VISA-Kreditkarten-Kunden der Antragstellerinnen und der Weigerung, an diese auf deren Kreditkarten bar auszuzahlen, behindert die Antragsgegnerin gezielt die Antragstellerinnen als Mitbewerber und handelt wettbewerbswidrig im Sinne von §§ 3 und 4 Ziffer 10 UWG. Nach § 8 UWG hat sie dies zu unterlassen und kann nach § 12 UWG durch einstweilige Verfügung dazu angehalten werden.

  1. 1.

    Die begehrte Unterlassung ist eilbedürftig und daher im Wege einstweiliger Verfügung zu erlassen. Denn die Antragstellerinnen, bzw. deren Kunden, werden auch nach der glaubhaft gemachten Erklärung des Vorstandes der Antragsgegnerin gezielt erst seit dem 15.8.2008 behindert. Zwar mag sein, dass VISA-Kreditkartenkunden der Antragstellerinnen seit 2005 an Automaten der Antragsgegnerin kein Bargeld mit der Kreditkarte abheben konnten. Dies war aber generell auch für Kunden der Antragsgegnerin nicht möglich, erst durch die seit dem 15.8.2008 technisch mögliche Ausschließung bestimmter Bank-Identifikationssnummern ist seither die gezielte Ausschließung bestimmter Banken möglich. Von der beabsichtigten gezielten Sperrung ist die Antragstellerin zu 2. mit Schreiben von VISA-Europe vom 6.8.2008 informiert worden (Anlage Ast1, Bl. 21 der Akten), die Antragstellerinnen zu 1., 2., und 4. haben die Sperrung durch gescheiterte Testabhebungen am 29.8.2008, 4.9.2008 und 18.9.2008 bestätigt gefunden. Mit Schreiben vom 5.9.2008 haben die Antragstellerinnen die Antragsgegnerin auf die Rechtswidrigkeit ihres Handelns hingewiesen ((Anlage Ast4, Bl. 29 ff. der Akten), mit Schreiben vom 12.9.2008 hat die Antragsgegnerin sich geweigert, die Sperrung aufzuheben (Anl. Ast. 5, Bl. 32 f.). Damit ist die Beantragung der einstweiligen Verfügung mit Schriftsatz vom 23.9.2008 nicht verspätet, die Sache eilbedürftig und einer einstweiligen Regelung zugänglich.

  2. 2.

    Die einstweilige Verfügung ist begründet. Die Antragsgegnerin behindert durch die Sperrung ihrer Geldautomaten für VISA-Kreditkunden der Antragstellerinnen gezielt die Antragstellerinnen und handelt damit im Sinne von §§ 3, 4 Ziffer 10 UWG wettbewerbswidrig.

  3. 3.

    Grundsätzlich haben sich die Parteien gegenüber der VISA-Organisation verpflichtet, VISA-Kreditkarten anderer Emittenten zu akzeptieren, soweit dies nicht gesetzlich verboten ist (vgl. VISA Global ATM Member Guide vom 1.9.2007, Anlage Ast 8, Bl. 46f der Akten). Geldautomatenbetreiber wie die Antragsgegnerin können jedoch den Zugang zu ihren Automaten selectiv verweigern, wenn die Karte an Bewohner des Landes ausgegeben ist, in dem sich der Geldautomat befindet und die Abrechnung in der Landeswährung erfolgt (s. Member Guide, wie oben). Damit ist jedoch die Antragsgegnerin nicht berechtigt, ohne jede Einschränkung bestimmte Emittenten und deren Kunden von der Nutzung ihrer Automaten auszuschließen. Sie hat jedenfalls das Wettbewerbs recht zu beachten. Auch hat sie sich an die vertraglichen Vereinbarungen mit der VISA-Organisation zu halten. Denn diese Vereinbarungen werden mit allen Emittenten abgeschlossen und haben daher im Verhältnis der Emittenten untereinander eine aus dem Grundsatz der Gleichbehandlung sich ergebende bindende Wirkung anderen Emittenten gegenüber. Bei Verstößen gegen Verpflichtungen, die die Antragsgegnerin VISA gebenüber eingegangen ist, können wettbewerbswidrige Beeinträchtigungen von Mitbewerbern eintreten, wie dies hier der Fall ist.

  4. 4.

    Grundsätzlich ist die Antragsgegnerin verpflichtet, Emittenten, deren Karten nicht akzeptiert werden, an ihren Automaten kenntlich zu machen. Dies hat sie zumindest bei den ersten Testabhebungen am 29.8. und 4.9.2008 nicht getan, wie sich aus den glaubhaften Erklärungen der Mitarbeiter ... und ... ergibt. Erst am 18.9.2008, als der Mitarbeiter ... einen Versuch startete, waren entsprechende Hinweise angebracht. Damit hat die Antragsgegnerin schon gegen die Vereinbarungen mit VISA verstoßen, der selektive Ausschluß war daher nicht zulässig. Auch darin, dass die Antragsgegnerin sich weigerte, Kreditkartenkunden der Antragstellerinnen Barabhebungen zu gestatten, hat sie gegen rechtliche Verpflichtungen verstoßen, die sie gegen VISA eingegangen ist, wie es sich aus dem schon zitierten Member-Guide ergibt. Dass entsprechende, anders lautende Anweisungen bestehen, mag sein, aus den eidesstattlichen Versicherungen der Mitarbeiter der Antragstellerinnen ergibt sich jedoch, dass sie nicht umgesetzt werden.

  5. 5.

    Damit verstößt die Antragsgegnerin nicht nur gegen ihre VISA gegenüber bestehenden Pflichten, sie behindert die Antragstellerinnen auch ganz gezielt. Denn ihnen gegenüber ist sie durch die Verpflichtungen VISA gegenüber zur selben Behandlung verpflichtet, wie sie diese offenbar gegenüber Kunden der Deutschen Bank, der Commerzbank, der Dresdner Bank und der Postbank akzeptiert. Sie kann sich aus dieser Verpflichtung mit dem Hinweis auf ihrer Vertragsfreiheit und das von ihr und den vorgenannten Banken unterhaltene dichte Automaten- und Filialsystem nicht herausnehmen. Denn für die Zurverfügungstellung ihrer Automaten erhält die Antragsgegnerin ein Entgelt von 1,74 €, das sie auch anderen Emittenten gegenüber als ausreichend und kostendeckend ansieht.

  6. 6.

    Mit ihrer Handlungsweise nimmt die Antragsgegnerin auch nicht eigene Wettbewerbsinteressen war. Denn mit der Aussperrung von VISA-Kunden der Antragstellerinnen will sie bewusst die Antragstellerinnen treffen und deren Kunden dazu bewegen, sich Bankunternehmen mit dichterem Filialsystem zu suchen. Eigenen Wettbewerb fördert sie nicht, denn es erscheint der Kammer als ausgeschlossen, dass Kunden, die solchermaßen von der Antragsgegnerin behindert werden, zur Antragsgegnerin als Bankinstitut gehen. Damit behindert die Antragsgegnerin gezielt die Antragstellerinnen als Mitbewerber.

  7. 7.

    Die Wettbewerbswidrigkeit entfällt auch nicht dadurch, dass die Antragsgegnerin die Abhebung mit EC-Karten der Antragstellerinnen gestattet. Denn für solche Abhebungen kann die Antragsgegnerin viel höhere Gebühren verlangen als beim Einsatz von VISA-Kreditkarten.

  1. 8.

    Nach allem ist die einstweilige Verfügung mit der Kostenfolge des § 91 ZPO aufrecht zu erhalten. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckung folgt aus § 708 ZPO.