Landgericht Verden
Beschl. v. 07.04.2008, Az.: 6 T 42/08

Bibliographie

Gericht
LG Verden
Datum
07.04.2008
Aktenzeichen
6 T 42/08
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2008, 44354
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:LGVERDN:2008:0407.6T42.08.0A

Verfahrensgang

vorgehend
AG Rotenburg/Wümme - 25.02.2008 - AZ: 2 a M 5284/07
AG Rotenburg/Wümme - 09.03.2007

Fundstelle

  • Rpfleger 2008, 514-515 (Volltext mit red. LS)

In der Beschwerdesache

...

hat die 6. Zivilkammer des Landgerichts Verden am 07.04.2008 durch die Richterin Rasche als Einzelrichterin beschlossen:

Tenor:

  1. Der Beschluss des Amtsgerichts Rotenburg (Wümme) vom 25.02.2008 wird auf die sofortige Beschwerde der Beschwerdeführerin vom 06.03.2008 aufgehoben.

  2. Auf die Erinnerung der Beschwerdeführerin vom 25.01.2008 wird die Anlage des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses des Amtsgerichts Rotenburg (Wümme) vom 09.03.2007 wie folgt abgeändert:

  3. Die Absätze 2 und 3 werden aufgehoben.

  4. Die Kosten des Erinnerungs- und Beschwerdeverfahrens trägt die Beschwerdegegnerin.

  5. Der Beschwerdewert wird auf bis zu  300 € festgesetzt.

Gründe

1

I.

Die Beschwerdeführerin betreibt die Zwangsvollstreckung gegen die Beschwerdegegnerin aus dem vollstreckbaren Titel des Arbeitsgerichts Koblenz vom 26.10.1987 (Az.: 4 Ba 311/87). Auf Antrag der Beschwerdeführerin erließ das Amtsgericht Rotenburg (Wümme) am 09.03.2007 einen Pfändungs- und Überweisungsbeschluss, dem eine Anlage zur Kontopfändung von Privatkonten natürlicher Personen beigefügt war. In Abs. 2 dieser Anlage heißt es:

2

Nach Ablauf der 7-Tagesfrist kann der Schuldner bis zum nächsten Zahlungstermin (bezogen auf die Summe aller gutgeschriebenen oben bezeichneten laufenden Sozialleistungen) wöchentlich über maximal 227,49 € (= Mindestfreibetrag gemäß § 850c ZPO) verfügen.

3

Es folgt Abs. 3 der Anlage:

4

Kindergeld und Kindergeldzuschlag ist wie folgt nicht der Pfändung unterworfen

  • anteilsmäßig für die Tage von der Zustellung des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses bis zum nächsten Zahlungstermin

    und

  • danach in voller Höhe zwischen den Zahlungsterminen.

5

Am 28.01.2008 ging beim Amtsgericht Rotenburg (Wümme) die Vollstreckungserinnerung der Beschwerdeführerin ein, in der sie beantragte, die Absätze 2 und 3 der Anlage zum Pfändungs- und Überweisungsbeschluss aufzuheben. Sie begründete den Antrag damit, dass ein Antrag der Schuldnerin erforderlich sei, wenn Sozialleistungen oder Kindergeld nach Ablauf der 7-Tagesfrist pfandfrei verbleiben sollten. Außerdem dürfe beim Erlass eines Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses ein Pfändungsschutz nicht ohne gesonderte gerichtliche Entscheidung angeordnet werden. Die Gläubigerin bezog sich hier auf den Beschluss des BGH (Az.: Ixa ZB 44/04) vom 16.07.2004.

6

Das Amtsgericht Rotenburg (Wümme) wies die Erinnerung mit Beschluss vom 25.02.2008 zurück. Die BGH-Entscheidung sei im vorliegenden Fall nicht anwendbar.

7

Daraufhin legte die Beschwerdeführerin am 06.03.2008 sofortige Beschwerde ein.

8

Das Amtsgericht half dem Rechtsmittel nicht ab.

9

II.

Das Rechtsmittel des Beschwerdeführerin ist als sofortige Beschwerde gemäß § 793 ZPO zulässig, insbesondere form- und fristgemäß eingelegt worden.

10

Die sofortige Beschwerde hat auch in der Sache Erfolg und führt auf die zulässige Erinnerung gemäß § 766 ZPO hin zur Abänderung der Anlage des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses.

11

Wie die Beschwerdeführerin richtig vorträgt, ist ein Antrag der Beschwerdegegnerin erforderlich, wenn die Sozialleistungen oder das Kindergeld nach Ablauf der 7-Tagesfrist des § 55 Abs. 1 SGB I pfandfrei verbleiben sollen.

12

Denn der Schutz nach § 55 Abs. 4 SGB I greift nicht automatisch ein. Die Pfändung des Kontoguthabens erfasst dieses vielmehr nach Ablauf der 7-Tage Frist voll. Der Pfändungsschutz muss vom Schuldner mit der Erinnerung nach § 766 ZPO geltend gemacht werden (Stöber, Forderungspfändung, 14. Auflage, 2005, Rn. :1439i; LG Koblenz in FamRZ 1998, 692; LG Marburg in Rpfleger 2002, 471 mit weiteren Nachweisen). Der in § 55 Abs. 4 SGB I genannte Betrag kann dem Schuldner erst dann pfandfrei überlassen werden, wenn dieser im Wege der Vollstreckungserinnerung eine Abänderung des Pfändungsbeschlusses erwirkt.

13

Ein Vorabschutz in entsprechender Anwendung des § 850k Abs. 2 ZPO kann hingegen nicht gewährt werden. Nach dem Wortlaut des § 850k Abs. 1 und Abs. 2 ZPO wird Pfändungsschutz für Kontoguthaben aus Arbeitseinkommen nur auf Antrag des Schuldners bereits bei Erlass des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses durch das Vollstreckungsgericht gewährt. Hingegen kann das Vollstreckungsgericht nicht ohne entsprechenden Antrag des Schuldners bereits bei Erlass des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses den Pfändungsschutz einräumen (LG Koblenz a.a.O.), da die Voraussetzungen dieses besonderen Schutzes bei der Entscheidung über das Vollstreckungsgesuch dem Vollstreckungsgericht nicht bekannt sein können (Stöber a.a.O.).

14

Der Gesetzgeber ging hierbei davon aus, dass ein Schuldner, der keine Veranlassung sieht, die überwiesenen Beträge innerhalb der 7-Tagesfrist vollständig abzuheben, diese Leistungen nicht sofort benötigt, sodass diese zumindest teilweise zur Begleichung titulierter Schulden verwendet werden können. Durch das Erfordernis des Pfändungsschutzantrages wird der mit der Vorschrift des § 850k ZPO bezweckte Schutz des Schuldners nicht unterlaufen. Um den Pfändungsschutz nach dieser Vorschrift zu erreichen hat der Schuldner ausreichend Zeit. Nach § 835 Abs. 3 Satz 2 ZPO darf erst zwei Wochen nach Zustellung des Überweisungsbeschlusses durch den Drittschuldner an den Gläubiger geleistet werden. Dieser Zeitraum reicht aus, um die Voraussetzungen des Pfändungsschutzes nachzuweisen. Damit wird der dem Empfänger von Sozialleistungen zustehende Pfändungsschutz nicht unzumutbar erschwert.

15

Gleiches gilt für das Kindergeld. Auch hier unterliegt der der Pfändung nicht unterworfene Betrag dem Schutz des § 55 Abs. 4 SGB I, wobei die Pfändung nachträglich in Höhe des anteilig festgestellten unpfändbaren Betrages auf Antrag aufzuheben ist (Stöber, Rn. : 1439k). Kinderzuschlag ist insoweit wie Kindergeld zu behandeln (Stöber, Rn. : 1439 m).

16

Der in der Anlage zum Pfändungs- und Überweisungsbeschluss ohne Antrag der Beschwerdegegnerin gewährte Pfändungsschutz war damit unzulässig und die entsprechenden Absätze waren aufzuheben.

17

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO.

Streitwertbeschluss:

Die Festsetzung des Beschwerdewertes entspricht nach § 3 ZPO dem interessenorientierten billigen Ermessen, also der Beschwer. Bei Vollstreckung in unpfändbare Sozialleistungen des Schuldners ist dabei die niedrigste Gebührenstufe anzusetzen (vgl. Zöller/Herget, ZPO, 26. Aufl. 2007, § 3, Rn. 16 "Pfändungs- und Überweisungsbeschluss").

Rasche