Landgericht Verden
Beschl. v. 18.06.2008, Az.: 4 O 265/07
Bibliographie
- Gericht
- LG Verden
- Datum
- 18.06.2008
- Aktenzeichen
- 4 O 265/07
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2008, 44359
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:LGVERDN:2008:0618.4O265.07.0A
Tenor:
zu erstattenden Kosten festgesetzt auf 2 486,42 EUR nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz nach § 247 BGB seit dem 24.04.2008.
Gründe
Die Berechnung ist zur Stellungnahme bereits übersandt worden. Die Ausgleichung befindet sich auf der nachfolgenden Seite.
Eine Anrechnung der Geschäftsgebühr auf Klägerseite ist nicht durchgeführt worden.
Das Gericht hält die Anrechnung einer nicht im gerichtlichen Hauptsacheverfahren geltend gemachten Geschäftsgebühr für nicht praktikabel. Dies durchbricht nach Ansicht des Gerichts die Gesetzessystematik vollends.
Bereits die durch das RVG eingeführte Bestimmung, dass eine außergerichtlich entstandene (Geschäfts-)Gebühr in einem gerichtlichen Kostenfestsetzungsverfahren (durch Anrechnung auf die folgende Verfahrensgebühr) Berücksichtigung finden soll, ist höchst unglücklich. Sie bleibt aber praktikabel, solange sich diese Berücksichtigung auf eindeutige Fälle beschränkt, ohne dass ein aufwendiges Erkenntnis- bzw. Beweisverfahrens durchgeführt werden müsste.
So hat es sich bewährt und ist durch diverse Rechtsprechung im Lauf der vergangenen Jahre seit Einführung des RVG gestützt, die in Vorbemerkung 3 Abs. 4 RVG vorgeschriebene Anrechnung im Kostenfestsetzungsverfahren nur dann durchzuführen, wenn im Hauptsacheverfahren die außergerichtlich entstandene Geschäftsgebühr in vollem Umfang geltend gemacht und tituliert worden ist.
Dies hat unter anderem den Vorteil, dass über das Entstehen der Geschäftsgebühr im Hauptsacheverfahren mit entschieden werden kann. Das Hauptsacheverfahren ist dazu mit den dort zur Verfügung stehenden Mitteln gut geeignet.
Nicht hierzu geeignet hingegen ist (entgegen der Ansicht des BGH) das Kostenfestsetzungsverfahren:
die gesamte Gesetzessystematik ist darauf ausgelegt, das Kostenfestsetzungsverfahren zu einem beschleunigten und vereinfachtem Verfahren zu machen, mit dessen Hilfe die beteiligten Rechtsanwälte die im Verfahren entstandenen Kosten titulieren lassen können. Hierbei werden grundsätzlich und ausschließlich gebührenrechtliche Fragen erörtert. Alle anderen Einwände, z.B. betreffend die Richtigkeit der Kostengrundentscheidung oder andere Entscheidungen, über die im Hauptsacheverfahren entschieden worden ist, sollen im Kostenfestsetzungsverfahren nicht erörtert (siehe auch § 11 Abs. V RVG) und schon gar nicht nachträglich berichtigend entschieden werden (siehe Münchener Kommentar ZPO, 2. Auflage, Rdnr. 53 zu 103 ZPO).
Dies wird durch diverse Rechtsprechung des Senats ständig bestätigt.
Wenn der BGH in seiner Entscheidung vom 22.01.2008 (VIII ZB 57/07) nun auf Seite 9 des Beschlusses die Problematik der Anrechnung der Geschäftsgebühr lapidar mit der Problematik der Glaubhaftmachung der Auslagen der Rechtsanwälte gleichsetzt (siehe lfd. Nr. 12 des vorgenannten Beschlusses), so kann dies nur eine theoretische Begründung einer solchen Stelle sein, die die praktische Bearbeitung der Kostenfestsetzungsverfahren nicht kennt und sich mit der (praktisch geringen) Problematik der Festsetzung der rechtsanwaltlichen Auslagen von meist geringem Wert wenig bis gar nicht auseinander gesetzt hat.
Bei den Auslagen nach VV 7001 bzw. 7002 RVG wird in etwa 95 % aller Verfahren die in VV 7002 RVG festgelegt Pauschale in Höhe von (meistens) 20,- EUR gewählt. Nur in außergewöhnlichen Verfahren, betreffend den Aufwand bzw. den Umfang der Angelegenheit, werden die tatsächlichen (höheren) Auslagen geltend gemacht. Hierbei handelt es sich meist um Beträge von bis zu (zusätzlichen) 50,- EUR.
Da es sich also um geringe Beträge handelt, reicht auch bei der Geltendmachung der tatsächlichen Auslagen grundsätzlich die Versicherung des Rechtsanwaltes, dass diese Auslagen tatsächlich entstanden sind. Diese geringen Anforderungen entsprechen dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit.
Entsteht nun tatsächlich einmal in höchst seltenen Fällen Streit über die genaue Höhe der entstandenen Auslagen, so muss theoretisch der beantragende Anwalt den Anfall der behaupteten Auslagen nachweisen, wobei dieser Grundsatz in der Rechtsprechung abgemildert wird (siehe hierzu Gerold/Schmidt, Kommentar zum RVG, 17. Auflage, RdNr. 43-45 zu VV 7001, 7002 RVG).
Dies ist sach- und praxisgerecht und bereitet bei der tatsächlichen Bearbeitung der Kostenfestsetzungsverfahren keinerlei Schwierigkeiten, da es sich stets um geringe Werte handelt um deren Berücksichtigung kaum ernsthaft gestritten wird. Zudem ist der Nachweis mit Hilfe einer Liste der vermerkten Auslagen schnell geführt, eines weitergehenden Beweises hat es in der gerichtlichen Praxis des Unterzeichners bisher selbst in den Rechtsmittelinstanzen nicht bedurft.
Ganz anders ist die Problematik der Vorbemerkung 3 Abs. 4 RVG zu beurteilen: hier wird es sich häufig um Gebühren im Wert von mehreren hundert Euro handeln, also um Beträge, um deren Berücksichtigung erfahrungsgemäß durchaus gestritten wird.
Die Frage des Entstehens der Geschäftsgebühr ist darüber hinaus von vielen unterschiedlichen Faktoren abhängig: so kann die Höhe der entstandenen Gebühr streitig sein (kleiner oder größer als 1,3), der Streitwert könnte nicht der gleiche wie der der Hauptsache sein, wie soll mit von der Gegenseite behaupteten Zahlungen auf die Geschäftsgebühr umgegangen werden etc. Entsprechend wird sich die Beweisführung deutlich schwieriger und umfangreicher gestalten, als es beim Nachweis der entstandenen Auslagen der Fall ist.
Dieser Bereich ist somit ein weites Feld, das das Ausmaß des normalen Kostenfestsetzungsverfahrens bei weitem sprengt. Dies entspricht ganz einfach nicht der regelmäßigen Systematik der Gesetzgebers und der gängigen Rechtsprechung.
Das Gericht hält deshalb nach alledem die Anrechnung einer nicht im Hauptsacheverfahren geltend gemachten Geschäftsgebühr im sich der Hauptsache anschließenden Kostenfestsetzungsverfahren grundsätzlich für falsch.
In vorliegendem Fall wäre zudem selbst bei Befolgen des Beschlusses des BGH eine Anrechnung nicht durchzuführen: laut BGH ist die Partei, die die Anwendung der Vorbemerkung 3 Abs. 4 RVG verlangt, beweispflichtig. In diesem Verfahren obliegt es somit dem Beklagten zu beweisen, dass eine vorgerichtliche Geschäftsgebühr auf Seiten der Klägerin entstanden ist. Hierzu trägt der Beklagtenvertreter in seinem Schreiben vom 30.04.2008 lediglich vor, der Klägervertreter sei "vorgerichtlich bereits gegenüber der Haftpflichtversicherung der Beklagten tätig" gewesen. Als Beweis im Sinne des § 294 ZPO ist dieser Vortrag ohne weiteren Nachweis nicht ausreichend (siehe Zöller, 26. Auflage, RdNr. 1 zu § 294).
Deshalb ist auch aus diesem Grund die Anrechnung der Geschäftsgebühr auf Klägerseite unterblieben.
Gegen diesen Beschluss ist, wenn der Beschwerdewert 200 EUR übersteigt, das Rechtsmittel der sofortigen Beschwerde, im Übrigen sofortige Erinnerung zulässig. Die sofortige Beschwerde bzw. die sofortige Erinnerung muss innerhalb von zwei Wochen in deutscher Sprache bei dem oben genannten Gericht schriftlich oder zu Protokoll der Geschäftsstelle eingelegt werden. Die Frist beginnt mit der Zustellung dieser Entscheidung. Die sofortige Beschwerde ist auch rechtzeitig, wenn sie innerhalb der Beschwerdefrist bei dem Beschwerdegericht eingeht.
Die/Der Berechtigte kann aus diesem Beschluss die Zwangsvollstreckung betreiben, wenn der festgesetzte Betrag nicht binnen zwei Wochen seit der Zustellung gezahlt ist. Die Zahlung ist unmittelbar an die Berechtigte/den Berechtigten und nicht an das Gericht zu leisten.
[xxx]Anlage zu dem Kostenfestsetzungsbeschluss vom 18.06.2008
Geschäfts-Nr. : 4 O 265/07
Kostenausgleich
I. Gerichtskosten
Der Überschuss des Klägers in Höhe von 746,40 EUR ist mit den von dem Beklagten zu zahlenden Gerichtskosten verrechnet worden und dem Kläger zu erstatten.
II. Außergerichtliche Kosten
Erstattungsfähige Kosten (Begründung für evtl. Absetzungen siehe unten) sind erwachsen d.
III. Zusammenstellung