Verwaltungsgericht Göttingen
Beschl. v. 09.12.2013, Az.: 2 B 869/13

Abschiebungsanordnung; Dublin-Verfahren; Familieneinheit; Heilung des Zustellungsmangels; inlandsbezogenes Vollstreckungshindernis; persönliche Bekanntgabe; Reiseunfähigkeit; Verfahrensbevollmächtigter; Vollstreckungshindernis; Wahrung der Familieneinheit; Zustellung; Zustellungsmangel

Bibliographie

Gericht
VG Göttingen
Datum
09.12.2013
Aktenzeichen
2 B 869/13
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2013, 64418
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

1. Ein Bescheid über die Ablehnung eines Asylantrags nach § 27a AsylVfG ist auch nach Inkrafttreten des Gesetzes zur Umsetzung der Richtlinie 2011/95/EU an den betroffenen Asylbewerber gem. § 31 Abs. 1 Satz 4 AsylVfG selbst zuzustellen.

2. Berechtigte Zweifel an der Reisefähigkeit eines Asylbewerbers rechtfertigen die Anordnung der aufschiebenden Wirkung einer Klage gegen die Abschiebungsanordnung des Bundesamtes.

3. Zur Wahrung der Familieneinheit ist die aufschiebende Wirkung der Klage auch zugunsten des Ehepartners und der minderjährigen Kinder des betroffenen Asylbewerbers anzuordnen.

Tenor:

Die aufschiebende Wirkung der unter dem Aktenzeichen 2 A 882/13 bei der erkennenden Kammer seit dem 17. Oktober 2013 anhängigen Klage der Antragsteller gegen die Abschiebungsanordnung des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge in dem Bescheid vom 2. Oktober 2013 wird angeordnet.

Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Verfahrens. Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Gründe

Gemäß § 34a Abs. 1 AsylVfG in der hier anzuwendenden Fassung des Art. 1 Nr. 27 des Gesetzes zur Umsetzung der Richtlinie 2011/95/EU (sog. Qualifikationsrichtlinie) vom 28. August 2013 (BGBl. I Nr. 54 vom 5. September 2013, S. 3474), die nach Art. 7 Satz 2 dieses Gesetzes am Tag nach der Verkündung - somit dem 6. September 2013 - in Kraft getreten ist, ordnet das Bundesamt, sofern ein Ausländer in einen sicheren Drittstaat (§ 26a AsylVfG) oder in einen für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staat (§ 27a AsylVfG) abgeschoben werden soll, die Abschiebung in diesen Staat an, sobald feststeht, dass sie durchgeführt werden kann. Dies gilt auch, wenn der Ausländer den Asylantrag in einem anderen auf Grund von Rechtsvorschriften der Europäischen Union oder eines völkerrechtlichen Vertrages für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staat gestellt oder vor der Entscheidung des Bundesamtes zurückgenommen hat. Einer vorherigen Androhung und Fristsetzung bedarf es nicht. Nach Absatz 2 der geänderten Fassung des § 34a AsylVfG sind Anträge nach § 80 Absatz 5 der Verwaltungsgerichtsordnung gegen die Abschiebungsanordnung innerhalb einer Woche nach Bekanntgabe zu stellen. Die Abschiebung ist bei rechtzeitiger Antragstellung vor der gerichtlichen Entscheidung nicht zulässig.

Das Bundesamt hat vorliegend mit Bescheid vom 2. Oktober 2013 entschieden, dass die von den Antragstellern in Deutschland am 14. Mai 2013 gestellten (weiteren) Asylanträge unzulässig sind (Ziffer 1.); zugleich hat es die Abschiebung der Antragsteller nach Polen angeordnet (Ziffer 2.). Diesen Bescheid hat das Bundesamt unter Verletzung der zwingenden Zustellungsvorschrift des § 31 Abs. 1 Satz 4 AsylVfG nicht den Antragstellern persönlich, sondern ihrem Prozessbevollmächtigten mittels eingeschriebenen Briefes am 9. Oktober 2013 zugestellt. Zur Begründung seiner von § 31 Abs. 1 Satz  4  und  6  AsylVfG  abweichenden  Herangehensweise  hat  das  Bundesamt  im Schriftsatz vom 18. Oktober 2013 Folgendes ausgeführt:

„Wird der Antragsteller/Flüchtling durch einen Verfahrensbevollmächtigten vertreten, so ist der Bescheid dem Verfahrensbevollmächtigten per Einwurf-Einschreiben zuzustellen.

Trotz § 31 Abs. 1 Satz 4 AsylVfG, wonach Ablehnungen nach § 26a oder § 27a AsylVfG dem Ausländer selbst zuzustellen sind, ist auch eine Zustellung an den Bevollmächtigten zulässig. Die Regelung wurde 1993 zur Verfahrensbeschleunigung in das AsylVfG aufgenommen (vgl. BT-Drs.12/4450, S. 23). Mit der Abweichung von der allgemeinen Zustellungsregelung sollte eine kurzfristige Rückführung in den Drittstaat ermöglicht werden. Sie stellt daher keine Schutznorm für den Antragsteller dar. Durch die Zustellung an den Bevollmächtigten ist der Antragsteller nicht in seinen Rechten verletzt, vielmehr wird dadurch die fristgerechte Wahrnehmung des Rechtsschutzes durch den Bevollmächtigten verbessert. Mit der Änderung des § 34a, der jetzt ausdrücklich die Möglichkeit des Eilrechtschutzes vorsieht, kann eine Zustellung an den Ausländer den Regelungszweck einer Verfahrensbeschleunigung nicht mehr bewirken. Gegen die Zustellung an den Antragsteller werden in der Kommentierung verfassungsrechtliche Bedenken geäußert, da dadurch die Einlegung von Rechtsmitteln - die nach dem bisherigen § 34a Abs. 2 nicht vorgesehen war - unzumutbar erschwert werde (s. Marx, AsylVfG, § 31 Rdnr. 10). Eine Zustellung an den Bevollmächtigten trägt diesen Bedenken Rechnung und verbessert die Möglichkeit der effektiven Wahrnehmung des Rechtsschutzes, weshalb sich der Antragsteller nicht mit Erfolg auf eine unwirksame Zustellung berufen kann.“

Danach missachtet das Bundesamt seit Inkrafttreten der Änderung des § 34a Abs. 2 AsylVfG n.F. aufgrund der vorstehend wiedergegebenen behördeninternen Handlungsanweisung  bewusst und systematisch die zwingenden gesetzlichen Vorgaben über die Zustellung gem. § 31 Abs. 1 Sätze 4 und 6 AsylVfG; die Gefahr fehlender Wirksamkeit seiner Bescheide mangels ordnungsgemäßer Bekanntgabe gegenüber dem Betroffenen nimmt es damit billigend in Kauf.

Die Rechtsauffassung des Bundesamtes, von der Anwendung des § 31 Abs. 1 Sätze 4 und 6 AsylVfG könne seit dem 6. September 2013 abgewichen werden, vermag die erkennende Kammer nicht zu überzeugen. Die These des Bundesamtes, § 31 Abs. 1 Satz 4 AsylVfG stelle keine Schutznorm für den betroffenen Asylbewerber dar, impliziert die Annahme, es handele sich hierbei um eine bloße Ordnungsvorschrift. Diese Auffassung lässt sich auf die vom Bundesamt zitierten Gesetzesmaterialien (BT-Drs. 12/4450, S. 23) nicht stützen und ist, soweit Entscheidungen des Bundesamtes nach § 27a AsylVfG zugestellt werden sollen, mit unionsrechtlichen Vorgaben kaum zu vereinbaren. Bereits aus Art. 3 Abs. 4, 19 Abs. 1 und 20 Abs. 1 e) der vorliegend noch anzuwendenden Verordnung (EG) 343/2003 des Rates vom 18. Februar 2003 zur Festlegung der Kriterien und des Verfahrens zur Bestimmung des Mitgliedstaates, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen in einem Mitgliedsstaat gestellten Asylantrags zuständig ist (ABl. EU L 50 vom 25. Februar 2003, S. 1) - sog. Dublin- II-Verordnung -, geändert durch VO (EG) 1103/2008 vom 22. Oktober 2008 (ABl. EU L 304 vom 14. November 2008, S. 80), ergibt sich ein strikter Informationsanspruch des betroffenen Drittstaatsangehörigen über Maßnahmen, die in Anwendung der Dublin-II- Verordnung getroffen werden. Diesem Informationsanspruch, der in dem unionsrechtlich anerkannten Gedanken des fair trial wurzelt (vgl. Filzwieser/Sprung, Dublin II- Verordnung, 3. Aufl., § K 24 zu Art. 3), kann nach Auffassung der Kammer nur dadurch hinreichend Rechnung getragen werden, indem der Betroffene schnellstmöglich und direkt, d.h. ohne Umwege über dritte Personen, über anstehende Maßnahmen des ersuchenden Mitgliedsstaates informiert wird, was eine persönliche Bekanntgabe der getroffenen Entscheidung zur Überstellung an den zuständigen Mitgliedsstaat regelmäßig voraussetzt. Nur dann ist der Betroffene überhaupt in der Lage, sich in noch ausreichend bemessener Zeit (vgl. die Wochenfrist des § 34a Abs. 2 Satz 1 AsylVfG n.F.) zu entscheiden, ob er um wirksamen Rechtsschutz gegen die Überstellungsentscheidung - ggf. durch Mandatierung seines bisherigen Verfahrensbevollmächtigten - nachsucht oder er diese akzeptiert und die verbleibende Zeit nutzt, sich auf die regelmäßig unmittelbar bevorstehende Überstellung vorzubereiten, ggf. sogar die Möglichkeit einer freiwilligen Rückkehr in den zuständigen Mitgliedsstaat oder aber in seinen Herkunftsstaat ergreift (vgl. zu einem solchen Fall Beschluss der Kammer vom 21. Oktober 2013 - 2 B 828/13 -, zit. nach juris Rn. 8). Mit der Annahme, die Möglichkeit der fristgerechten Wahrnehmung des Rechtsschutzes gegen die Abschiebungsanordnung durch einen Verfahrensbevollmächtigten des betroffenen Antragsstellers werde durch die vom Gesetz abweichende Verfahrenspraxis verbessert, wird das Bundesamt jedenfalls dem unionsrechtlich verbürgten Informationsanspruch des Betroffenen nicht umfassend gerecht.

Die persönliche Zustellung der Überstellungsentscheidung an den betroffenen Drittstaatsangehörigen ist zudem der Regelfall, den Art. 26 Abs. 1 der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlamentes und des Rates vom 26. Juni 2013 zur Festlegung der Kriterien und des Verfahrens zur Bestimmung des Mitgliedstaates, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen in einem Mitgliedstaat gestellten Antrags auf internationalen Schutz zuständig ist (Neufassung; ABl. EU L 180 vom 29. Juni 2013, S. 31) - sog. Dublin-III-Verordnung -, ausdrücklich vorsieht; nur abweichend hiervon können sich die Mitgliedsstaaten für eine Zustellung an einen Rechtsbeistand oder anderen Berater des Antragstellers entscheiden. Eine solche Entscheidung des deutschen Gesetzgebers, die nur im Wege der Änderung des § 31 Abs. 1 Sätze 4 und 6 AsylVfG getroffen werden kann, steht derzeit aus. Wenngleich die Dublin-III-Verordnung gemäß ihres Art. 49 Satz 2 auf den vorliegenden Asylantrag der Antragsteller nicht anwendbar ist, so muss ihrem Inkrafttreten zum 19. Juli 2013 nach Satz 1 dieses Artikels im Wege einer unionsrechtsfreundlichen Auslegung des § 31 Abs. 1 Sätze 4 und 6 AsylVfG jedoch bereits jetzt Rechnung getragen werden.

Danach liegt der subjektiv-rechtliche Schutzcharakter der in § 31 Abs. 1 AsylVfG geregelten Modalitäten der Abfassung und Bekanntgabe von Entscheidungen des Bundesamtes auf der Hand; die Schutznormfunktion ist im Übrigen für die allgemeinen gesetzlichen Vorgaben der Zustellung von Entscheidungen des Bundesamtes im Asylverfahren, wie sie in § 10 AsylVfG geregelt sind, in der verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung bereits anerkannt (vgl. zu § 10 Abs. 7 AsylVfG: VG Wiesbaden, Beschluss vom 2. Dezember 1994 - 8/3 G 30903/94 -, InfAuslR 1995, S. 87 (88) [VG Kassel 10.05.1994 - 4 E 4572/93.A(4)] m.w.N.).

Nicht zuletzt darf außer Acht gelassen werden, dass die derzeitige Verfahrensweise des Bundesamtes dem Rechtsstaatsprinzip widerspricht. Das Bundesamt hat bei Erlass der vorstehend wörtlich wiedergegebenen Handlungsanweisung offenbar seine Bindung an Recht und Gesetz gem. Art. 20 Abs. 3 GG nicht zureichend in den Blick genommen. Die Vorgaben des Gesetzgebers in § 31 Abs. 1 Sätze 4 und 6 AsylVfG sind nach dem Wortlaut der Norm eindeutig; ein Auswahlermessen ist dem Bundesamt nicht eingeräumt. In der Kommentierung wird deshalb zutreffend darauf hingewiesen, dass (derzeit) kein realistischer Fall vorstellbar sei, in dem ausnahmsweise von der Regelverpflichtung des § 31 Abs. 1 Sätze 4 und 6 AsylVfG abgewichen werden dürfe (vgl. Funke-Kaiser in: Gemeinschaftskommentar zum AsylVfG, Stand: 97. Erg.lfg. Februar 2013, § 31 Rn. 10). Der Gesetzgeber hat sich im Zuge der Einfügung des § 27a AsylVfG in die Vorschrift des § 31 Abs. 1 Satz 4 AsylVfG durch das 1. Richtlinienumsetzungsgesetz vom 19. August 2007 (BGBl. I, S. 1970) bewusst für das Verfahren der persönlichen Zustellung von Entscheidungen des Bundesamtes gem. § 27a AsylVfG an den Betroffenen entschieden und hielt dies - offenbar zur Beschleunigung der Überstellungen an den zuständigen Mitgliedsstaat - explizit für erforderlich (vgl. BT-Drs. 16/5065 S. 424); diese im Jahre 2007 getroffene Entscheidung hat er durch das 2. Richtlinienumsetzungsgesetz vom 28. August 2013 nicht revidiert. Deshalb hat das Bundesamt in den Fällen des § 27a AsylVfG bis auf weiteres sein Verfahren an § 31 Abs. 1 Sätze 4 und 6 in der derzeit geltenden Fassung auszurichten, solange diese Vorschriften unverändert Fortgeltung beanspruchen (so im Ergebnis auch VG Hamburg, Urteil vom 21. Juni 2013 - 10 A 430/12 -, zit. nach juris Rn. 16; VG Oldenburg, Beschlüsse vom 6. November 2013 - 3 B 6437/13 -, zit. nach juris Rn. 3; und vom 14. November 2013 - 3 B 6286/13 -, zit. nach juris Rn. 4).

Aus den vorstehenden Ausführungen folgt, dass der angefochtene Bescheid des Bundesamtes vom 2. Oktober 2013 nicht durch Zugang beim Prozessbevollmächtigten der Antragsteller am 9. Oktober 2013 wirksam zugestellt und damit bekannt gegeben wurde. Gemäß § 43 Abs. 1 Satz 1 VwVfG wird ein Verwaltungsakt gegenüber demjenigen, für den er bestimmt ist oder der von ihm betroffen wird, in dem Zeitpunkt wirksam, in dem er ihm bekannt gegeben wird; nach § 41 Abs. 1 Satz 1 VwVfG ist ein Verwaltungsakt demjenigen Beteiligten bekannt zu geben, für den er bestimmt ist oder der von ihm betroffen wird, wobei Vorschriften über die Bekanntgabe eines Verwaltungsaktes mittels Zustellung gemäß § 41 Abs. 5 VwVfG unberührt bleiben. Der Prozessbevollmächtigte der Antragsteller ist wegen der Vorschrift des § 31 Abs. 1 Satz 4 AsylVfG nicht Empfangsberechtigter (dazu vgl. BVerwG, Urteil vom 18. April 1997 - 8 C 43/95 -, BVerwGE 104, 301, zit. nach juris Rn. 27 ff.) im Sinne von § 8 VwZG, sondern es sind die Antragsteller höchstpersönlich (ebenso VG Oldenburg, Beschlüsse vom 6. und 14. November, a.a.O., Rn. 4 bzw. 5).

Der Zustellungsmangel ist vorliegend indes geheilt worden. Gemäß § 8 VwZG gilt ein Dokument, dessen formgerechte Zustellung sich nicht nachweisen lässt oder das unter Verletzung zwingender Zustellungsvorschriften zugegangen ist, als in dem Zeitpunkt zugestellt, in dem es dem Empfangsberechtigten - hier den Antragstellern - tatsächlich zugegangen ist. Dabei bezweckt die durch das Gesetz zur Novellierung des Verwaltungszustellungsrechts vom 12. August 2005 (BGBl I., S. 2358) mit Wirkung zum 1. Februar 2006 in § 8 VwZG verwendete Formulierung „tatsächlich zugegangen“ im Unterschied zur Wortgruppe „nachweislich erhalten“, die bis dato in der Vorgängervorschrift des § 9 Abs. 1 VwZG enthalten war, keine Änderung der bisherigen Rechtslage; beide Begriffspaare sind identisch auszulegen und anzuwenden (vgl. Engelhardt/App, Kommentar zum VwVG und VwZG, 9. Aufl., § 8 VwZG Rn. 4). Dementsprechend kann auf die zu § 9 Abs. 1 VwZG ergangene höchstrichterliche Rechtsprechung weiter zurückgegriffen werden. Das Bundesverwaltungsgericht hat in seinem Urteil 18. April 1997 (a.a.O.) dazu ausgeführt, ein Empfangsberechtigter habe ein Schriftstück im Sinne von § 9 Abs. 1 VwZG erhalten, "wenn es ihm vorgelegen hat und er die Möglichkeit hatte, von seinem Inhalt Kenntnis zu nehmen; dass er es auch in Besitz genommen hat, ist nicht zu fordern“ (Rn. 27 m.w.N.). Das Bundesverwaltungsgericht hat ferner bereits entschieden, dass eine Zustellung als bewirkt gilt, wenn der Empfangsberechtigte - hier die Antragsteller - den zuzustellenden Originalbescheid etwa im Rahmen einer Besprechung mit ihrem Prozessbevollmächtigten zur Kenntnis genommen hat; dass der Betroffene dieses Original in den Besitz genommen hat, ist nicht erforderlich (vgl. BVerwG, Beschluss vom 9. Juli 1986 - 2 CB 5/85 -, Buchholz 340 § 9 VwZG Nr. 10, zit. nach juris Rn. 10).

So liegen die Dinge hier. Es ist offensichtlich, dass die Antragsteller anlässlich der Erteilung der mit der Antragsschrift vorgelegten Prozessvollmacht vom 9. Oktober 2013 den Bescheid des Bundesamtes vom 2. Oktober 2013 im Rahmen eines Beratungsgesprächs mit ihrem Prozessbevollmächtigten inhaltlich zur Kenntnis genommen haben müssen; ob ihr Prozessbevollmächtigte ihnen dabei das Original oder eine Kopie des angefochtenen Bescheides ausgehändigt hat, kann somit dahinstehen. Eine Kenntnisnahme des angefochtenen Bescheides durch den Antragsteller zu 1.) in der Kanzlei des Prozessbevollmächtigten am 9. Oktober 2013 und durch die Antragstellerin zu 2.) im Rahmen eines weiteren Besprechungstermins am 10. Oktober 2013 haben die Antragsteller in ihrem Schriftsatz vom 22. Oktober 2013 eingeräumt. Im Ergebnis ist die oben beschriebene Heilung des Zustellungsmangels jedenfalls eingetreten; der Bescheid des Bundesamtes vom 2. Oktober 2013 gilt den Antragstellern als am 9. Oktober 2013 bekanntgegeben (vgl. zu einem ähnlich gelagerten Fall VG Oldenburg, Beschluss vom 14. November 2013, a.a.O., Rn. 7; eine lediglich fernmündliche Mitteilung des Inhalts des angefochtenen Bescheides durch den Prozessbevollmächtigten bewirkt nach VG Oldenburg, Beschluss vom 6. November 2013, a.a.O., Rn. 6, dagegen keine Heilung).

Hiergegen können die Antragsteller nicht mit Erfolg einwenden, der Verstoß gegen § 31 Abs. 1 Satz 4 AsylVfG sei generell einer Heilung nicht zugänglich; § 8 VwZG finde keine Anwendung, weil die §§ 10, 31 AsylVfG Spezialvorschriften darstellten, die die allgemeinen Vorschriften des VwZG verdrängten bzw. modernisierten. Zutreffend ist, dass § 10 und § 31 Abs. 1 AsylVfG Spezialvorschriften sind, die die allgemeinen Bestimmungen über die Zustellung nach den entsprechenden Verwaltungszustellungsgesetzen des Bundes und der Länder sowie der ZPO punktuell verdrängen bzw. modifizieren; daneben bleiben das VwZG - hier des Bundes - und die ZPO jedoch weiter anwendbar (vgl. Funke-Kaiser, a.a.O., § 10 AsylVfG Rn. 11). Insbesondere zu § 8 VwZG ist wiederholt entschieden worden, dass der Anwendbarkeit des § 8 VwZG in Asylverfahren besondere asylrechtliche Zustellungsvorschriften nicht entgegenstehen (OVG Mecklenburg-Vorpommern, Beschluss vom 26. März 2013 - 2 M 104/13 -, AuAS 2013, S. 102, zit. nach juris Rn. 6). Auch das von den Antragstellern zitierte Urteil des VG Hamburg vom 21. Juni 2013 (a.a.O., Rn. 18) sowie die erwähnten Beschlüsse des VG Oldenburg vom 6. und 14. November 2013 (a.a.O., Rn. 4 bzw. 5) unterstellen die Anwendbarkeit des § 8 VwZG. Die von den Antragstellern zitierte Kommentierung (Bergmann in: Renner/Bergmann/Dienelt, Kommentar zum Ausländerrecht, 10. Auflage, § 31 AsylVfG Rn. 9) spricht ebenfalls nur von einer Modifizierung der allgemeinen Zustellungsvorschriften, nicht aber von einer vollständigen Verdrängung derselben.

Nach alledem wenden sich die Antragsteller mit ihrer in der Hauptsache - 2 A 882/13 - seit dem 17. Oktober 2013 bei der erkennenden Kammer anhängigen Anfechtungsklage in zulässiger Weise gegen den angefochtenen Bescheid des Bundesamtes und begehren dessen Aufhebung. Die Klage ist jedenfalls innerhalb der 2-wöchigen Frist des § 74 Abs. 1 Halbs. 1 AsylVfG erhoben worden; ob eine Verkürzung der Klagefrist auf eine Woche gem. § 74 Abs. 1 Halbs. 2 AsylVfG seit Inkrafttreten der Änderung des § 34a Abs. 2 AsylVfG mit Wirkung vom 6. September 2013 erfolgt ist, kann die erkennende Kammer im vorliegenden Verfahren offen lassen. Das Bundesamt gibt seinen Außenstellen für die Rechtsbehelfsbelehrung ersichtlich eine zweiwöchige Klagefrist vor (vgl. Rundschreiben des Bundesamtes an alle Innenministerien der Bundesländer vom 17. Juli 2013 - 430-93604-01/13-05 - zur Änderung der Verfahrenspraxis des Bundesamtes im Rahmen des Dublinverfahrens im Hinblick auf § 34a AsylVfG n.F.); die Rechtsbehelfsbelehrung des angefochtenen Bescheides verhält sich dementsprechend. Wäre dagegen eine einwöchige Klagefrist zugrunde zu legen, was nach dem Wortlaut des § 74 Abs. 1 Halbs. 2 AsylVfG jedenfalls nicht von vorn herein auszuschließen ist, käme den Antragstellern jedenfalls die Unrichtigkeit der vom Bundesamt erteilten Rechtsbehelfsbelehrung gem.  § 58 Abs. 2 VwGO hier zugute.

Der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage ist bereits am 15. Oktober 2013, und damit innerhalb der Wochenfrist des § 34a Abs. 2 Satz 1 AsylVfG gestellt worden.

Das erkennende Gericht folgt der bislang zu § 34a Abs. 2 AsylVfG n.F. ergangenen verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung, dass die Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage nicht erst bei ernstlichen Zweifeln an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides des Bundesamtes erfolgen darf, wie dies in den Fällen der Ablehnung eines Asylantrages als unbeachtlich oder offensichtlich unbegründet gemäß § 36 Abs. 4 Satz 1 AsylVfG vom Gesetzgeber vorgegeben ist. Das VG Trier hat hierzu in seinem Beschluss vom 18. September 2013 - 5 L 1234/13.TR -, zit. nach juris, eingehend dargelegt, dass eine derartige Einschränkung der gerichtlichen Entscheidungsbefugnis in Anlehnung an § 36 Abs. 4 Satz 1 AsylVfG gerade nicht dem Willen des Gesetzgebers entsprach; eine entsprechende Initiative zur Ergänzung des § 34a Abs. 2 AsylVfG n.F. fand im Bundesrat keine Mehrheit (a.a.O., Rn. 7 ff.). Dementsprechend ist vorliegend eine reine Abwägung des öffentlichen Vollzugsinteresses der Antragsgegnerin mit dem privaten Aussetzungsinteresse der Antragsteller vorzunehmen, die sich maßgeblich - aber nicht ausschließlich - an den Erfolgsaussichten in der Hauptsache orientiert, soweit diese sich bei summarischer Prüfung im vorliegenden Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes abschätzen lassen. Diese Interessenabwägung fällt vorliegend zugunsten der Antragsteller aus, denn die Abschiebungsanordnung des Bundesamtes begegnet rechtlichen Bedenken, weil bei dieser Entscheidung der problematische Gesundheitszustand der Antragstellerin zu 2.) nicht in den Blick genommen wurde.

Die Rechtmäßigkeit einer Abschiebungsanordnung gem. § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylVfG hängt unter anderem davon ab, ob die Überstellung in den zuständigen Mitgliedsstaat aus subjektiven, in der Person des Ausländers liegenden Gründen rechtlich oder tatsächlich möglich ist. Eine Abschiebungsanordnung darf erst ergehen, sobald feststeht, dass die Abschiebung bzw. Überstellung durchgeführt werden kann. Das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht - 13. Senat - hat hierzu in seinem Beschluss vom 2. Mai 2012 - 13 MC 22/12 -, InfAuslR 2012 S. 298 ff., zit. nach juris Rn. 27, Folgendes ausgeführt:

„Bei Fällen, in denen der Asylbewerber in einen sicheren Drittstaat (§ 26a AsylVfG) oder in einen für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staat (§ 27a AsylVfG) abgeschoben werden soll, hat das Bundesamt vor Erlass einer Abschiebungsanordnung nach § 34a AsylVfG auch zu prüfen, ob Abschiebungshindernisse bzw. -verbote oder Duldungsgründe vorliegen. Anders als bei der Entscheidung über Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 2, 3, 5 und 7 AufenthG im Zusammenhang mit dem Erlass einer Abschiebungsandrohung (vgl. dazu BVerwG, Urteile vom 25. November 1997 - 9 C 58.96 - BVerwGE 105, 383, und vom 11. November 1997 - 9 C 13.96 - BVerwGE 105, 322) ist es nicht auf die Prüfung von sogenannten "zielstaatsbezogenen Abschiebungshindernissen" beschränkt. § 34a AsylVfG bestimmt ausdrücklich, dass das Bundesamt die Abschiebung anordnet „sobald feststeht, dass sie durchgeführt werden kann“. Die Abschiebungsanordnung darf als Festsetzung eines Zwangsmittels erst dann ergehen, wenn alle Zulässigkeitsvoraussetzungen einer Abschiebung nach § 26a oder § 27a AsylVfG i.V.m. § 34a AsylVfG erfüllt sind. Das bedeutet, dass das Bundesamt vor Erlass der Abschiebungsanordnung gegebenenfalls sowohl "zielstaatsbezogene Abschiebungshindernisse" als auch der Abschiebung entgegenstehende "inlandsbezogene Vollstreckungshindernisse" zu berücksichtigen hat. Es ist in diesem Zusammenhang unter anderem verpflichtet zu prüfen, ob die Abschiebung in den Dritt- bzw. Mitgliedstaat aus subjektiven, in der Person des Ausländers liegenden und damit vom System der normativen Vergewisserung nicht erfassten Gründen - wenn auch nur vorübergehend - rechtlich oder tatsächlich unmöglich ist (vgl. OVG NRW, Beschl. v. 30. August 2011 - 18 B 1060/11-, Juris; VGH BW, Beschl. v. 31. Mai 2011 - A 11 S 1523/11 -, InfAuslR 2011, 310; Hamb. OVG, Beschl. v. 3. Dezember 2010 - 4 Bs 223/10 -, Juris; OVG MV, Beschl. v. 29. November 2004 - 2 M 299/04 -; Funke-Kaiser in GK-AsylVfG, a.a.O., § 34a, Rdnr. 15; Hailbronner, AuslR, § 34a AsylVfG, Rdnrn. 15 f., 43 ff., Loseblatt, Stand August 2006; jew. m.w.N.).“

Dieser Rechtsprechung hat sich die erkennende Kammer angeschlossen (vgl. Beschlüsse vom 6. November 2013 - 2 B 848/13 -, zit. nach juris Rn. 6; und vom 7. November 2013 - 2 B 783/13 -, zit. nach juris Rn. 8).

Ausweislich der von den Antragstellern vorgelegten Arztbriefe der Universitätsmedizin I. (J.), Klinik und Poliklinik für Psychiatrie und Psychotherapie, vom 22. Oktober, 25. November und 2. Dezember 2013 sind bei der Antragstellerin zu 2.) eine schwere Depression mit psychotischem Erleben (F 32.3), eine Anpassungsstörung (F 43.1), eine posttraumatische Belastungsstörung (F 43.2) und eine virale Gastritis diagnostiziert worden. Sie befand sich deswegen vom 21. Oktober bis 2. Dezember 2013 in stationärer Behandlung und bedarf nach Entlassung einer weiteren ambulanten Behandlung u.a. mit psychiatrischer Medikation. Nach dortiger fachärztlicher Einschätzung ist die Antragstellerin zu 2.) auch nach ihrer Entlassung gegenwärtig nicht reisefähig; ein Gutachten über deren Gefährdung im Falle einer Abschiebung bzw. Überstellung müsse eingeholt werden.

Bei dieser Sachlage ist die Auffassung der Antragsteller, die Antragstellerin zu 2.) sei gegenwärtig nicht reisefähig, jedenfalls bedürfe es in dieser Hinsicht weiterer Aufklärung des Sachverhalts in der anhängigen Hauptsache, nicht von der Hand zu weisen. Hierzu wird das Bundesamt über die zuständige Ausländerbehörde - Stadt I. - zeitnah eine amtsärztliche Untersuchung der Antragstellerin zu 2.) zur Beantwortung der Fragen nach der Reisefähigkeit und der weiteren Behandlungsbedürftigkeit der geltend gemachten Erkrankungen bei deren Rückkehr nach Polen herbeizuführen haben. Sollten sich hierbei Einschränkungen der Reisefähigkeit (z.B. medizinisch begleitete Rückführung) oder eine fortdauernde Behandlungsbedürftigkeit der Antragstellerin zu 2.) ergeben, hat das Bundesamt hieran anknüpfend darzulegen, dass die zuständigen polnischen   Stellen   ggf.   eine  medizinisch   begleitete   Überstellung  gewährleisten und/oder eine ggf. notwendige medizinische Weiterbehandlung der Antragstellerin zu 2.) bei ihrer Rückkehr zukommen lassen werden. Dies gilt insbesondere in Ansehung des Umstandes, dass das Office for Foreigners of the Republic Poland, Department for Refugee Procedures, gegenüber dem Bundesamt mit Schreiben vom 27. September 2013 seine Zuständigkeit für die Antragsteller gem. Art. 16 Abs. 1 d) der Dublin-II- Verordnung erklärt hat, es demzufolge davon ausgeht, dass die Antragsteller ihren in Polen gestellten (ersten) Asylantrag zurückgenommen haben bzw. insoweit eine Rücknahmefiktion zu deren Lasten greift. Das Bundesamt kann sich diesbezüglich nicht auf allgemeine Auskünfte seiner Liaisonbeamtin in Warschau zur medizinischen Versorgung von Asylbewerbern beschränken und darauf verweisen, die polnischen Stellen würden ggf. eigene medizinischen Feststellungen zum weiteren Behandlungsbedarf der Antragsteller treffen, sodass eine dahingehende Zusage nicht erlangt werden könne.

Da der Antragsteller zu 1.) die Ehemann und die Antragsteller zu 3.) und 4.) die minderjährigen Kinder der erkrankten Antragstellerin zu 2.) sind, nehmen auch diese Antragsteller unter Berücksichtigung des Schutzes der Familieneinheit durch Art. 6 GG und Art. 8 EMRK - der Grundsatz der Familieneinheit ist zudem ein tragendes Prinzip der Zuständigkeitsbestimmung nach der Dublin-II-Verordnung, vgl. Art. 6 bis 8, 14 und 15 Abs. 1 und 2 EGV 343/2003, der ggf. eine Selbsteintrittspflicht der Antragsgegnerin zur Folge haben kann (vgl. Nds. OVG, Urteil vom 4. Juli 2012 - 2 LB 163/10 -, InfAuslR 2012 S. 383 ff., zit. nach juris Rn. 42) - an der Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage teil. Die Trennung der ggf. nicht reisefähigen Antragstellerin zu 2.) von ihrer Familie ist unzumutbar; die Überstellung der übrigen Antragsteller nach Polen somit rechtlich unmöglich i.S.d. § 60a Abs. 2 Satz 1 AufenthG (vgl. VG München, Beschluss vom 26. März 2013 - M 1 S 13.30170 -, zit. nach juris Rn. 17; VG Aachen, Beschluss vom 15. April 2013 - 2 L 145/13.A -, zit. nach juris Rn. 17).

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Gerichtskosten werden gem. § 83b AsylVfG nicht erhoben.