Amtsgericht Peine
Urt. v. 12.04.2006, Az.: 18 C 370/04

Voraussetzungen des Vorliegens eines Ersatzanspruchs für Aufwendungen zur Prüfung einer Mängelrüge; Anforderungen an die Substanziierung einer Verletzung nachvertraglicher Nebenpflichten eines Kauf- und Liefervertrages bzgl. einer Lichtrufanlage für ein Altenheim

Bibliographie

Gericht
AG Peine
Datum
12.04.2006
Aktenzeichen
18 C 370/04
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2006, 37686
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:AGPEINE:2006:0412.18C370.04.0A

Verfahrensgang

nachfolgend
LG Hildesheim - 11.08.2006 - AZ: 7 S 136/06
BGH - 23.01.2008 - AZ: VIII ZR 246/06

...
hat das Amtsgericht Peine
im schriftlichen Verfahren gem. §128 ZPO
mit einer Erklärungsfrist bis zum 31.03.2006
durch
den Richter am Amtsgericht ...
fürRecht erkannt:

Tenor:

  1. 1.)

    Die Beklagte wird unter Klagabweisung im Übrigen verurteilt, an die Klägerin 773,95 ? nebst Zinsen in Höhe von acht Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 27. Mai 2004 zu zahlen.

  2. 2.)

    Von den Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte 70 % und die Klägerin 30 %.

  3. 3.)

    Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte darf die Vollstreckung der Klägerin abwenden durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 120 % des insgesamt aus diesem Urteil vollstreckbaren Betrages, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet. Die Klägerin darf die Vollstreckung der Beklagten durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 120 % des insgesamt aus dem Urteil vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120 % des jeweils aus dem Urteil zu vollstreckenden Betrages leistet.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über einen Ersatzanspruch für Aufwendungen zur Prüfung einer Mängelrüge.

2

Die Klägerin ist ein Unternehmen, welches Sicherheitssysteme entwickelt und liefert. Die Beklagte ist ein Elektroinstallationsbetrieb. Im Februar 2003 belieferte die Klägerin die Beklagte mit einer sogenannten Lichtrufanlage, mit der von Krankenbetten aus Rufsignale an Pflegepersonal mittels Leuchtzeichen an der Zimmertür sowie akustischen Zeichen mittels Sender an einzelne Pflegekräfteübertragen werden können. Diese Anlage baute die Beklagte in der Folgezeit in einen Neubautrakt eines Altenheimes in Osterode ein, wobei auch eine Verbindung zu einer bereits bestehenden Rufanlage hergestellt werden sollte. Auf eine Störungsmeldung des Altenheimes hin überprüfte die Beklagte die Installation der Anlage durch ihren Mitarbeiter .... Dieser konnte die Störung nicht beheben. Daraufhin forderte die Beklagte am 19.08.2003 die Klägerin auf, den Mangel an der gelieferten Lichtrufanlage zu beheben. Am 25.08.2003 suchte sodann der Servicetechniker der Klägerin, ... vom Sitz der Klägerin aus das Altenheim in Osterode auf. Er machte als maßgeblichen Fehler eine fehlende Verbindung zwischen der alten und der neuen Rufanlage aus, den er behob und sodann die Anlage vollständigüberprüfte. Dazu wendete er sechs Arbeitsstunden auf und legte 424 km mit einem PKW zurück. Der Stundensatz für den Serviceelektroniker beläuft sich auf 90,00 ? netto.

3

Die Klägerin behauptet, der Mangel der Lichtrufanlage beruhe auf fehlerhafter Installation bzw. Wartung durch die Beklagte. Pro gefahrenen Kilometer gebühre ihr ein Ersatz von 0,80 ? netto. Sie berechnet die geltendgemachte Forderung aus Fahrtkosten und Stundenlohn und stellte ursprünglich eine Forderung von 1.106,18 ? in Rechnung und mahnte sodann unter Fristsetzung bis zum 26. Mai 2004.

4

Sie beantragt nach Klagrücknahem über einen Betrag von 86,31 ? nunmehr,

die Beklagte zu verurteilen, an sie ? 1.019,87 nebst Zinsen in Höhe von acht Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 27. Mai 2004 zu zahlen.

5

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

6

Sie bestreitet einen Auftrag zur Mangelbeseitigung hinsichtlich von ihr durchgeführter Installationsarbeiten und vertritt die Rechtsauffassung, ein Ersatzanspruch bestünde nur dann, wenn die Aufforderung zu Mangelbeseitigung willkürlich gewesen wäre. Ein offensichtlicher Montagefehler habe aber nicht vorgelegen.

7

Das Gericht hat Beweis erhoben entsprechend den Beschlüssen vom 08.12.2004 und 12.10.2005. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahmen wird auf die Protokolle der mündlichen Verhandlung vom 14.09.2005 und 07.12.2005 Bezüge genommen. Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze in der Gerichtsakte verwiesen.

Entscheidungsgründe

8

Die zulässige Klage ist teilweise begründet.

9

Die Klägerin hat Anspruch gegen die Beklagte auf Schadenersatz in Höhe von 773,95 ? aufgrund der Verletzung nachvertraglicher Nebenpflichten gemäß §280 Abs. 1 BGB (culpa post contrahendum).

10

Die Parteien sind durch einen Kauf- und Liefervertrag verbunden. Nach Durchführung des Vertrages kam es zu der Fehlfunktion der gelieferten Lichtrufanlage im Altenheim in Osterode. Vor diesem Hintergrund wurde die Klägerin durch die Beklagte zur Mangelprüfung nach Osterode beordert.

11

Die Aufwendungen, die die Klägerin zu Mangelbehebung gemacht hat waren unnötig. Die Beklagte hat es schuldhaft unterlassen, den Fehler in der Installation, für die sie verantwortlich zeichnete, durch ihren Mitarbeiter ... beheben zu lassen. Dies ergibt die vom Gericht durchgeführte Beweisaufnahme.

12

Der Zeuge ... hat bekundet, er die alte und die neue Rufanlage hätten jeweils ordnungsgemäß funktioniert. Er habe daraufhin die Steckverbindungen überprüft. Dies seien 10 bis 15 Kabelverbindungen gewesen. Er konnte sich nicht vorstellen, ein Kabel übersehen zu haben, musste jedoch einräumen, die geprüften Kabel zu Unterscheidung von den ungeprüften Kabeln nicht markiert zu haben.

13

Hinsichtlich des Schadensbildes, dass nämlich lediglich die Verbindung zwischen der alten und der neuen Rufanlage unterbrochen war, deckt sich die Aussage des Zeugen ... mit der des Zeugen .... Dieser bekundeteüberzeugend, er habe den Fehler sogleich nach Öffnen des Schaltkastens gefunden. Der Verbindungsdraht zwischen alter und neuer Rufanlage sei abgeklemmt gewesen. Aus den überzeugenden Darlegungen des Zeugen ging hervor, dass dieses dem Zeugen ... nicht entgangen sein dürfte.

14

Beide Zeugen haben auf das Gericht einen glaubwürdigen Eindruck gemacht. Der Zeuge ... war bemüht, wahrheitsgemäß auszusagen, und tat dies nach Ansicht des Gerichtes auch, obwohl ihm bereits vorab bekannt geworden zu sein schien, dass die Klägerin in seiner Arbeit den Anlass für die objektiv nicht erforderliche Mangelprüfung war. Insbesondere hat der Zeuge auch glaubhaft auf Nachfragen bekundet, dass er sich einen Fehler seinerseits nicht vorstellen könne, er andererseits aber dies nicht ausschließen konnte, weil er geprüfte Kabel nicht markiert hat. Dagegen erklärte der Zeuge ... in bestimmter und sachkundiger Weise, welches Bild sich ihm bot, als er nach dem Fehler suchte und konnte auch Details einer vorangegangenen telefonischen Beratung des Zeugen ... darlegen.

15

Vor diesem Hintergrund hat das Gericht keinen Zweifel, dass der von der Beklagten gegenüber der Klägerin gerügte Mangel durch unzureichende Wartungsarbeiten an der Verbindung zwischen alter und neuer Lichtrufanlage von Seiten des Zeugen ... hervorgerufen worden ist, wobei von einem Versehen des genannten Mitarbeiters der Beklagten auszugehen ist.

16

Entsprechend gelingt der Beklagten nicht die Exculpation gemäß §280 Abs. 1 S. 2 BGB. Denn gemäß §276 BGB haftet die Beklagte für Vorsatz und Fahrlässigkeit. Vorliegend hat der Zeuge ... die im Verkehr erforderliche Sorgfalt außer acht gelassen, sei es, dass er anlässlich seines eigenen Wartungsversuches nicht bemerkt hat, dass die Verbindung zwischen alter und neuer Lichtrufanlage unterbrochen war, sei es dass er bei seinen Wartungsarbeiten die Verbindung gelöst und später nicht wieder zusammengeführt hat, so dass zwar etwaig andere aufgetretene Fehler behoben, der gegenüber der Klägerin gerügte Mangel jedoch neu hinzugefügt worden ist. In jedem Falle wären die Pflichten eines Elektrikers verletzt, weil der Fehler in der Installation und nicht in der Elektronik lag.

17

Gemäß §278 BGB hat sich die Beklagte das Verschulden ihres Mitarbeiters ... als Erfüllungsgehilfen zuzurechnen lassen.

18

Soweit die Beklagte auf die Rechtsauffassung des OLG Düsseldorf BauR 1999, Seite 919 abstellt, vermag das Gericht keine Stütze im Gesetz dafür zu finden, im vorliegenden Falle entgegen dem Wortlaut des §276 BGB als schärferen Haftungsmaßstab auf eine willkürliches Mangelbeseitigungsaufforderung abzustellen.

19

Folgende der Klägerin entstandene Kosten sind als Schaden ersatzfähig:

20

Für unstreitig 424 gefahrene Kilometer schätzt das Gericht den Schaden betreffend die Kilometerpauschale auf 0,30 ? gemäß §287 ZPO. Die Schätzung beruht auf der gesetzlichen Grundlage des §5 Abs. 2 Nr. 2 JVEG bzw. Nr. 7003 VV in Anlage zu RVG. Die Klägerin hat keine Umstände dargelegt, die einen höheren Betrag rechtfertigen.

21

Die Parteien haben ferner zur Vermeidung eines Sachverständigenbeweises einen anzunehmenden Stundensatz für den Zeugen ... von 90,00 ? netto unstreitig gestellt.

22

Aus dem Stundenzettel sowie der ergänzenden Befragung des genannten Zeugen steht fest, dass der Zeuge für seine Tätigkeit vier Stunden Fahrt und zwei Arbeitsstunden aufgewandt hat. Bei diesem Zeitabschnitt handelt es sich entgegen der Auffassung der Beklagten nicht um sogenannte "Sowieso-Kosten". Es ist zwar richtig, dass die Arbeitszeit dem Zeugen ... von der Klägerin in jedem Falle zu vergüten gewesen wäre, jedoch entspricht es der allgemeinen Lebenserfahrung, dass die Klägerin den Zeugen in der von ihm aufgewandten Zeit mit anderen Aufgaben betraut hätte, die durch die Erledigung dieses Auftrages nunmehr zurückstehen mussten. Auch erscheint im Hinblick auf die unbestimmte Mangelanzeige der Beklagten vom 19.08.2003 die aufgewandte Arbeitszeit von zwei Stunden angemessen, denn die Mangelanzeige der beschränkte sich nicht auf dieÜberprüfung der Verbindung zwischen den Rufanlagen. Daher war der Zeuge ... gehalten, die volle Funktionsfähigkeit der Anlage zuüberprüfen.

23

Entsprechend berechnet sich der Schaden folgendermaßen:

424 km × 0,30 ?/km =127,20 ?
6 h × 90,00 ?/h =+540,00 ?
Zwischensumme=667,20 ?
16 % Umsatzsteuer+106,75 ?
Gesamtschaden=773,95 ?
24

Im Übrigen war die Klage hingegen abzuweisen.

25

Auf die zugesprochene Hauptforderung kann die Klägerin Verzugszinsen gemäß §§280 Abs. 2, 286 Abs. 1, 288 Abs. 2 BGB beanspruchen.

26

Die Kostenentscheidung folgt aus §92 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf§§708 Nr. 11, 711 ZPO.