Verwaltungsgericht Hannover
Urt. v. 05.10.2021, Az.: 6 A 4126/20
Anwesenheitspflicht; Befangenheit; fachliche Eignung; fachliche Qualifikation; Maximale Anzahl von Prüflingen; mündliche Prüfung; mündliche Prüfung: Dauer; Notfallsanitäter
Bibliographie
- Gericht
- VG Hannover
- Datum
- 05.10.2021
- Aktenzeichen
- 6 A 4126/20
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2021, 71077
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Rechtsgrundlagen
- § 10 NotSan-APrV
- § 18 NotSan-APrV
- § 5 Abs 3 S 3 NotSan-APrV
Amtlicher Leitsatz
Leitsatz
Die Vorsitzende des Prüfungsausschusses kann ihrer Anwesenheitspflicht während der mündlichen Prüfung der staatlichen Ergänzungsprüfung für Notfallsanitäterinnen und Notfallsanitäter nur in Prüfungssituationen nachkommen, in denen sie dem gesamten Prüfungsgespräch aufmerksam folgen kann und insoweit in die Lage versetzt wird, die ihr durch die NotSan-APrV zugewiesenen Aufgaben sachgerecht auszuüben. Unzureichend ist insoweit allein ihr Zugegensein in einem Raum, in dem mehrere Prüfungsgespräche parallel stattfinden.
Tenor:
Der Bescheid der Beklagten vom 09.04.2020 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids der G. vom 16.07.2020 wird aufgehoben.
Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
Die Entscheidung ist wegen der Kosten gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand:
Die Klägerin wendet sich gegen das endgültige Nichtbestehen der staatlichen Ergänzungsprüfung für Notfallsanitäterinnen und Notfallsanitäter.
Die Klägerin ist Rettungsassistentin und war bei Klageerhebung seit mehr als fünf Jahren hauptberuflich im Rettungsdienst tätig. Aufgrund der Novellierung des Berufsbildes und der Einführung der Berufsbezeichnung „Notfallsanitäter“ unterzog sie sich der staatlichen Ergänzungsprüfung für Notfallsanitäterinnen und Notfallsanitäter. Die Prüfung umfasst einen praktischen und einen mündlichen Teil (folgend: mündliche Prüfung). Sie bestand die staatliche Ergänzungsprüfung im ersten Versuch aufgrund nicht ausreichender Leistungen in der mündlichen Prüfung nicht.
Die H. setzte gegenüber dem I. mit Schreiben vom 06.02.2020 den Termin der mündlichen Prüfung für die staatliche Ergänzungsprüfung auf den 06.03.2020 fest und teilte mit, dass Frau J. die C. sei. Mit weiterem Schreiben vom 06.02.2020 ebenfalls an das I. bestellte die H. die Mitglieder und Stellvertretungen des Prüfungsausschusses für die staatliche Ergänzungsprüfung für Notfallsanitärinnen und Notfallsanitäter am 06.03.2020. Die Mitglieder und Stellvertreter seien von ihrer Bestellung in den Prüfungsausschuss zu unterrichten. Unter dem 06.02.2020 bestimmte die Beklagte die Fachprüferinnen und Fachprüfer sowie ihre Stellvertretungen für die einzelnen Themenbereiche und Fallbeispiele für die staatliche Ergänzungsprüfung für Notfallsanitärinnen und Notfallsanitäter am 06.03.2020.
Auf ihren Antrag ließ die Beklagte die Klägerin mit Schreiben vom 06.02.2020 zur mündlichen Prüfung zu.
Am 06.03.2020 fand die mündliche Prüfung der Klägerin statt. Ihr wurde am Prüfungstag um 11:35 Uhr die Prüfungsaufgabe zur 30-minütigen Vorbereitung ausgehändigt. Der Beginn des Prüfungsgesprächs war für 12:05 Uhr angesetzt. Nach Ablauf der Vorbereitungszeit musste sie die Prüfungsaufgabe abgeben und durfte lediglich ihre handschriftlichen Notizen behalten. Sie wurde nach der Abgabe nicht unmittelbar in den Prüfungsraum gebeten. Auf ihre Nachfrage hin schrieb die Prüfungsaufsicht eine Nachricht mit dem Handy und teilte der Klägerin anschließend mit, dass die Fachprüfer noch eine Pause machten. Das erste Prüfungsgespräch im Themenbereich 6 („Handeln im Rettungsdienst an Qualitätskriterien ausrichten, die an rechtlichen, wirtschaftlichen und ökologischen Rahmenbedingungen orientiert sind“) begann um 12:34 Uhr und endete um 12:47 Uhr. Das zweite Prüfungsgespräch schloss sich unmittelbar an und fand im Themenbereich 3 („Kommunikation und Interaktion sowie Beratung von hilfesuchenden und hilfebedürftigen Menschen unter Berücksichtigung des jeweiligen Alters sowie soziologischer und psychologischer Aspekte“) von 12:47 Uhr bis 13:00 Uhr statt. Von 13:00 Uhr bis 13:13 Uhr wurde sie schließlich im Themenbereich 7 („Bei der medizinischen Diagnostik und Therapie mitwirken, lebenserhaltende Maßnahmen und Maßnahmen zur Abwendung schwerer gesundheitlicher Schäden bis zum Eintreffen der Notärztin oder des Notarztes oder dem Beginn einer weiteren ärztlichen Versorgung durchführen“) mündlich geprüft. Dabei befanden sich drei Prüflinge gleichzeitig in einem Raum, die reihum in den drei Themenbereichen geprüft wurden. Pro Themenbereich befanden sich jeweils zwei Fachprüfer an einem Tisch, während die Prüflinge von Tisch zu Tisch wechselten. Die Klägerin wurde von den Fachprüfern in allen drei Themenbereichen jeweils mit der Note 5 bewertet.
Mit Bescheid vom 09.04.2020 stellte die Beklagte gegenüber der Klägerin das endgültige Nichtbestehen der staatlichen Ergänzungsprüfung für Notfallsanitäterinnen und Notfallsanitäter fest. Die mündliche Prüfung sei bestanden, wenn jeder Themenbereich mit mindestens „ausreichend“ benotet werde. Alle Themenbereiche seien mit „mangelhaft“ bewertet worden. Die mündliche Prüfung könne einmal wiederholt werden, wenn sie nicht bestanden sei. Da sie die mündliche Prüfung bereits einmal nicht bestanden habe, sei eine weitere Wiederholung nicht möglich.
Gegen diesen Bescheid erhob die Klägerin im April 2020 Widerspruch. Zur Begründung führte sie aus, das Prüfungsverfahren leide an erheblichen Verfahrensfehlern. Die Prüfung habe länger angedauert, als gesetzlich vorgesehen. Statt der vorgeschriebenen 30 bis 40 Minuten, habe die Prüfung von der Aushändigung der Unterlagen zur Vorbereitung bis zum Abschluss des letzten Prüfungsgespräches zwei Stunden und 16 Minuten angedauert. Eine Rüge der überlangen Prüfungsdauer sei ihr in der mündlichen Prüfungssituation nicht zumutbar gewesen. Zudem entfalle die Obliegenheit zur unverzüglichen Rüge aufgrund des Umstandes, dass die überlange Prüfungsdauer im Verantwortungsbereich der Beklagten läge. Schließlich wäre auch eine Abhilfe durch die Beklagte nicht mehr möglich gewesen. Die Prüfung sei zudem entgegen der gesetzlichen Bestimmungen nicht mit maximal zwei, sondern mit drei Prüflingen durchgeführt worden. Die Prüfung sei als eine Art „Zirkeltraining“ abgehalten worden.
Überdies sei durch die Aufteilung der Prüfungskommission auf drei Prüfungstische die Anwesenheits- und Beteiligungspflicht aller, die als Mitglieder der Prüfungskommission zur Bewertung der Prüfungsleistung berufen seien, missachtet.
Zudem könne die Vorsitzende des Prüfungsausschusses nicht drei parallelen Prüfungen in einem Raum gleichzeitig folgen und ihrer Pflicht aus der Prüfungsordnung nachkommen. Überdies sei die Regelung in der Prüfungsordnung, welche bestimme, dass die mündliche Prüfung zu jedem Themenbereich von mindestens zwei Fachprüferinnen oder Fachprüfern abgenommen und bewertet werde, verfassungswidrig. Angesichts des mit der Bewertung einer den Zugang zu einem Beruf eröffnenden Prüfung verbundenen intensiven Eingriffs in die freie Wahl des Berufs sei den Anforderungen der Berufsfreiheit und des Grundsatzes der Chancengleichheit nur genügt, wenn die Zahl der zu bestellenden Fachprüfer rechtssatzmäßig bestimmt sei. Dies führe zur Rechtswidrigkeit der streitgegenständlichen Prüfung.
Darüber hinaus sei der Prüfungsausschuss nicht ordnungsgemäß besetzt gewesen. Es widerspreche den Regelungen der Prüfungsordnung und dem Grundsatz der Chancengleichheit, den Schulleiter gleichzeitig zum Fachprüfer zu bestellen. Der Norm der Prüfungsordnung, welche die Mitglieder des Prüfungsausschusses benenne, liege eine Mindestanzahl von sieben Mitgliedern des Prüfungsausschusses zugrunde, welche durch die Personalunion von Schulleiter und Fachprüfer unterlaufen würde. Dem Schulleiter und den Fachprüfern seien unterschiedliche Aufgaben zugewiesen.
Überdies sei die Ladungsfrist nicht eingehalten worden. Dies habe sie gerügt.
Schließlich sei der Fachprüfer Herr K., der sie im Themenbereich 3 mündlich geprüft habe, befangen gewesen. Er habe sie in einem Anschreiben (Bl. 2 des Verwaltungsvorgangs) an die H. als „Wiederholerin“ bezeichnet. Dadurch habe er seine Voreingenommenheit und Missachtung ihr gegenüber bekannt gegeben. Der Gleichheitsgrundsatz gebiete es, auch sie als gleichwertige Prüfungsteilnehmerin und nicht als „Wiederholerin“ anzusehen.
Nach Einholung einer Stellungnahme des Fachprüfers L. wies die H. den Widerspruch der Klägerin mit Widerspruchsbescheid vom 16.07.2020 zurück. Zur Begründung führte sie an, die Vorbereitungszeit zähle, wie auch etwaige Wartezeiten, nicht zur Prüfungszeit. Die Prüfung habe folglich erst mit dem Beginn des ersten Prüfungsgesprächs angefangen. Die Prüfungsgespräche hätten insgesamt 39 Minuten angedauert, so dass sich die Prüfungsdauer innerhalb des durch die Prüfungsordnung vorgeschriebenen Zeitfensters von 30 bis 40 Minuten bewege.
Zudem beziehe sich die Norm in der Prüfungsordnung, nach welcher die Prüfung mit maximal zwei Prüflingen durchgeführt werde, nicht auf das hier angewandte rotierende System. Innerhalb des rotierenden Systems, welches in Niedersachsen aufgrund Vorgaben des Kultusministeriums angewendet würde, würden die Prüflinge zwar parallel, jedoch einzeln geprüft. Es komme bei Anwendung des rotierenden Systems durch die Anordnung der Prüfungstische auch nicht zu Störungen anderer Prüflinge.
Überdies sei die Aufteilung des Prüfungsausschusses auf drei Prüfungstische nicht zu beanstanden. Nach der Prüfungsordnung werde die mündliche Prüfung in jedem Themenbereich von mindestens zwei Fachprüfern abgenommen und bewertet. Dies sei durch die Besetzung jedes Prüfungstisches mit zwei Fachprüfern gewährleistet.
Darüber hinaus könne der Schulleiter als Fachprüfer bestellt werden. Nach landesrechtlichen Vorschriften müsse der Schulleiter für die Wahrnehmung der Leitungsaufgaben beim Schulträger hauptberuflich beschäftigt sein. Er könne zusätzlich als Lehrkraft tätig sein. Aus dieser Regelung ergebe sich, dass die gleichzeitige Funktion des Schulleiters und des Fachprüfers im Prüfungsausschuss nicht ausgeschlossen sei.
Zudem sei die Zulassung der Klägerin zur Ergänzungsprüfung rechtzeitig erfolgt. Das entsprechende Schreiben sei am 06.02.2020 erstellt worden. Fristbeginn sei nach den Normen des Bürgerlichen Gesetzbuches der 07.02.2020 gewesen. Fristablauf sei am 06.03.2020 gewesen, so dass die Zulassung rechtzeitig zugegangen sei. Die Klägerin habe eine etwaig verspätete Zulassung jedenfalls nicht gerügt. Sie habe trotz Aufforderung die Empfangsbestätigung nicht zurückgesendet.
Schließlich sei der Fachprüfer Herr K. nicht befangen gewesen. Die verwendete Ausdrucksweise habe lediglich der verwaltungstechnischen Hervorhebung des besonderen Status‘ der Klägerin gedient. Bei Wiederholungsprüfungen bedürfe es eines besonderen Hinweises, um im Vorfeld aufzuzeigen, dass ein Verwaltungsmehraufwand geboten sei. Die Anführungszeichen seien erforderlich gewesen, um eine Unterscheidbarkeit des Vorgangs der Klägerin zu anderen Vorgängen herzustellen.
Die Klägerin hat am 30.07.2020 Klage erhoben, zu deren Begründung sie unter Wiederholung und Vertiefung ihrer im Widerspruchsverfahren erhobenen Rügen ergänzend vorträgt, die Prüfung beginne bereits mit der Aushändigung der Prüfungsaufgabe unter Prüfungsaufsicht und nicht erst mit dem ersten Prüfungsgespräch. Eine Vorbereitungszeit, die nicht zur Prüfungszeit gehöre, sei – anders als bspw. in juristischen Prüfungen – nicht in der Prüfungsordnung vorgesehen. Die Prüfungsordnung müsse bundeseinheitlich ausgelegt werden. Es könne nicht in einigen Ländern eine nicht zur Prüfungszeit gehörende Vorbereitungszeit „hineingelesen“ werden. Auch die Wartezeit vor dem Beginn der Prüfungsgespräche zähle bereits zur Prüfungszeit. Es sei ihr verwehrt gewesen, sich frei zu bewegen, zu spazieren oder ähnliches. Es stelle einen Verstoß gegen den Grundsatz der Chancengleichheit dar, wenn andere Prüflinge unmittelbar nach der Vorbereitungszeit die Prüfungsgespräche ablegen dürften und andere auf die Prüfungsgespräche warten müssten. Sie sei während der Wartezeit immer aufgeregter geworden.
Zudem könnten die Vorgaben des Kultusministeriums im Hinblick auf das rotierende System nicht Bundesrecht brechen. Das rotierende System führe zu einer Unruhe im Prüfungsraum. Darüber hinaus verkenne die Beklagte, dass die mündliche Prüfung vor einem Prüfungskollegium abgehalten werde. Es sei nicht möglich dieses auseinanderzudividieren, was sich daraus ergebe, dass die mündliche Prüfung nur insgesamt wiederholt werden könne.
Überdies sei die Vorsitzende des Prüfungsausschusses nicht bei allen Teilen der mündlichen Prüfung anwesend gewesen. In der Zeit von 12:34 Uhr bis 13:13 Uhr seien drei Prüflinge an verschiedenen Tischen im Raum geprüft worden. Sie sei flexibel von Tisch zu Tisch gewechselt. Ihre ununterbrochene Anwesenheit wäre jedoch entsprechend der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts erforderlich gewesen. Die Vorsitzende des Prüfungsausschusses könne den ihr nach der Prüfungsordnung obliegenden Aufgaben, die darin bestünden, bei einem Dissens über das Bestehen der Prüfung zu entscheiden und die Benotung und Bewertung zu überwachen, nur nachkommen, wenn sie jederzeit während der mündlichen Prüfung anwesend sei.
Darüber hinaus seien die Fachprüfer nach der Prüfungsordnung auf dem Kreis derer zu bestellen, die die Prüflinge unterrichtet hätten. Dies sei vorliegend nicht erfolgt.
Zudem stelle die Prüfungsordnung keine geeignete Schranke der Berufsfreiheit dar. Das Nichtbestehen der Prüfung komme einem Berufsverbot gleich.
Schließlich sei fraglich, ob die Beklagte fachlich geeignet sei, da sie die Qualifikation als Ärztin oder Notfallsanitäterin benötige, um sich mit Fachprüfern dieser Professionen abstimmen zu können.
Die Klägerin beantragt,
den Prüfungsbescheid der Beklagten vom 09.04.2020 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16.07.2020 aufzuheben und die Hinzuziehung des Bevollmächtigten im Vorverfahren für notwendig zu erklären.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie bezieht sich auf die Begründung des Widerspruchsbescheides und führt ergänzend aus, die Klägerin habe sich bei der Vorbereitung nicht in Gegenwart des Prüfungsausschusses befunden, sondern in einem Vorbereitungsraum. Dass die Vorbereitungszeit nicht als Prüfungszeit gelte, ergebe sich auch aus den Vorgaben des Niedersächsischen Kultusministeriums.
Zudem sei es durch das rotierende System nicht zu einer Unruhe gekommen. Jedenfalls habe keiner der Prüflinge eine Unruhe gerügt.
Überdies müsse die mündliche Prüfung nicht in Gegenwart des gesamten Prüfungsausschusses erfolgen.
Darüber hinaus sei die Vorsitzende des Prüfungsausschusses während der gesamten mündlichen Prüfung von 12:34 Uhr bis 13:13 Uhr anwesend gewesen. Diese habe sie von Tisch zu Tisch begleitet.
Schließlich vertritt die Beklagte unter Vorlage einer Bescheinigung des M. vom 05.10.2021 die Auffassung, sie sei fachlich geeignet. Eine Qualifikation als Ärztin oder Notfallsanitäterin benötige sie nicht.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und des beigezogenen Verwaltungsvorgangs (BA001) Bezug genommen, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Klage ist begründet. Der Bescheid der Beklagten vom 09.04.2020 in Gestalt des Widerspruchsbescheides der G. vom 16.07.2020 ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten, § 113 Abs. 1 S. 1 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).
Der Bescheid über die Feststellung des Nichtbestehens der staatlichen Ergänzungsprüfung für Notfallsanitäterinnen und Notfallsanitäter findet seine Grundlage in § 10 S. 3 der Ausbildungs- und Prüfungsverordnung für Notfallsanitäterinnen und Notfallsanitäter (NotSan-APrV). Danach erhält ein Prüfling von der bzw. dem Vorsitzenden des Prüfungsausschusses eine schriftliche Mitteilung, wenn er die staatliche Ergänzungsprüfung nicht bestanden hat. Nach § 10 S. 1 NotSan-APrV ist die staatliche Ergänzungsprüfung bestanden, wenn jeder der nach § 4 Abs. 3 NotSan-APrV vorgeschriebenen Prüfungsteile bestanden ist. Die Feststellung des Nichtbestehens ist demzufolge geboten, wenn der Prüfling einen Prüfungsteil nicht besteht (BVerwG, Urt. v. 28.10.2020 – 6 C 8/19 –, juris). Der mündliche Teil der staatlichen Ergänzungsprüfung ist als nach § 4 Abs. 3 NotSan-APrV vorgeschriebener Prüfungsteil erfolgreich abgeschlossen, wenn die Fachprüferinnen oder Fachprüfer jeden Themenbereich gemeinsam mit der bzw. dem Vorsitzenden des Prüfungsausschusses übereinstimmend mit „bestanden“ bewerten, § 18 Abs. 3 S. 3 NotSan-APrV. Nach § 10 S. 4 NotSan-APrV können die mündliche Prüfung und jedes Fallbeispiel der praktischen Prüfung einmal wiederholt werden, wenn die Leistung des Prüflings nicht mit „bestanden“ bewertet wurde.
Vorliegend wurde die Leistung der Klägerin in der mündlichen Prüfung in allen Themenbereichen mit der Note „mangelhaft“ bewertet und das endgültige Nichtbestehen der staatlichen Ergänzungsprüfung für Notfallsanitäterinnen und Notfallsanitäter festgestellt. Diese Prüfungsentscheidung ist rechtsfehlerhaft. Die Klägerin kann sich mit Erfolg auf Verfahrensfehler bei der Durchführung der mündlichen Prüfung berufen.
Die Einhaltung von Verfahrensvorschriften ist grundsätzlich voll gerichtlich überprüfbar. Dem Prüfungsverfahren kommt für den Grundrechtsschutz des Prüflings, insbesondere der Berufsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG)) und der Chancengleichheit (Art. 3 Abs. 1 GG) hohe Bedeutung zu, die den bei der eigentlichen Bewertung der Prüfungsleistung eingeschränkten Grundrechtseinfluss ausgleicht. Verfahrensvorschriften erlangen deshalb im Prüfungswesen einen besonderen Rang, der Verfahrensmängel als besonders gravierend erscheinen lässt (Niehues/Fischer/Jeremias, Prüfungsrecht, 6. Auflage, Rn. 128). Dabei ist jedoch zu berücksichtigen, dass Verfahrensfehler grundsätzlich unverzüglich vom Prüfling zu rügen sind. Mit der Obliegenheit des Prüflings zur „unverzüglichen“ Rüge von Verfahrensfehlern, die durch den das gesamte Prüfungsrecht prägenden Grundsatz der Chancengleichheit gerechtfertigt ist und als ungeschriebene Regel die Prüfungsverordnung ergänzt, wird verhindert, dass dem Prüfling unter Verstoß gegen den Grundsatz der Chancengleichheit ein weiterer, gegenüber anderen Prüflingen nicht gerechtfertigter Prüfungsversuch eröffnet wird. Der Prüfungsbehörde wird damit zugleich die Möglichkeit einer zeitnahen Überprüfung des gerügten Mangels mit dem Ziel einer noch rechtzeitigen Korrektur oder Kompensation eröffnet (BVerwG, Beschl. v. 18.08.2010 - 6 B 24.10 -, juris Rn. 3 mwN, Urt. v. 15.12.1993 - 6 C 28.92 -, juris Rn. 24, Urt. v. 07.10.1988 - 7 C 8.88 - juris, Rn. 11, jeweils zu den Anforderungen an die Geltendmachung einer nachträglichen Prüfungsunfähigkeit). Jedoch gilt diese Rügeobliegenheit nicht für alle Mängel des Prüfungsverfahrens. So ist bei einer der Prüfungsordnung widersprechenden Besetzung der Prüfungskommission anerkannt, dass dieser Mangel grundsätzlich nicht nach den dargelegten Grundsätzen unverzüglich zu rügen ist, weil dieser Mangel nicht in die Sphäre des Prüflings fällt, sondern nach den maßgeblichen Rechtsvorschriften von der Prüfungsbehörde selbständig zu beachten ist, während er vom Prüfling nur schwer abgeschätzt werden kann (vgl. OVG Nordrhein-Westfalen, Urt. v. 09.03.1989 - 22 A 688/88 -, juris). Nur unter dem Aspekt unzulässiger Rechtsausübung (Verwirkung) kann es dem Prüfling verwehrt sein, sich auf einen solchen Besetzungsmangel zu berufen, wenn er bereits vor Ablegung der Prüfung über die Regelungen der ordnungsgemäßen Besetzung der Prüfungskommission im Einzelnen hinreichend informiert war und es ihm deshalb zuzumuten gewesen wäre, die fehlerhafte Besetzung unverzüglich zu rügen (vgl. Niehues/Fischer/Jeremias, Prüfungsrecht, 7. Aufl. 2018, Rn. 373). Bei einem Verfahrensfehler kann der Prüfling die Aufhebung der Prüfungsentscheidung nur dann verlangen, wenn sich nicht ausschließen lässt, dass sich der Fehler auf das Prüfungsergebnis ausgewirkt hat, er also (wenigstens) möglicherweise von Einfluss auf das Prüfungsergebnis gewesen ist (vgl. BVerwG, Urt. v. 28.10.2020 - 6 C 8.19 -, juris Rn. 12, Beschl. v. 08.11.2005 - 6 B 45.05 -, juris Rn. 4).
Unter Zugrundelegung dieser Maßstäbe erweist sich das Prüfungsverfahren der Klägerin nicht als fehlerfrei, da es an erheblichen Verfahrensmängeln leidet (A.). Die Klägerin musste diese Mängel nicht rügen (B.). Die Verfahrensmängel sind geeignet, Einfluss auf das Prüfungsergebnis gehabt zu haben (C.).
A.
I. Ein Verfahrensfehler folgt zunächst nicht aus der Verfassungswidrigkeit der NotSan-APrV. Diese verstößt gegen verfassungsrechtliche Vorgaben, weil sie die konkrete Anzahl der Prüfer nicht rechtssatzmäßig festlegt, sondern in § 18 Abs. 3 S. 1 NotSan-APrV bestimmt, dass die Prüfung zu jedem Themenbereich von „mindestens“ zwei Fachprüferinnen oder Fachprüfern abgenommen und bewertet wird (BVerwG, Urt. v. 28.10.2020 – aaO –, juris). Das Bundesverwaltungsgericht hat insoweit ausgeführt:
Aufgrund des Gesetzesvorbehalts des Art. 12 Abs. 1 Satz 2 GG sind Regelungen über das Verfahren der Bewertung der Prüfungsleistungen, die Bestehensvoraussetzungen und die Notenvergabe rechtssatzmäßig festzulegen. Zudem müssen die Regelungen dem prüfungsrechtlichen Gebot der Chancengleichheit (Art. 3 Abs. 1 i.V.m. Art. 12 Abs. 1 GG) genügen. Der Normgeber hat dafür Sorge zu tragen, dass für alle Teilnehmer vergleichbarer Prüfungen so weit wie möglich gleiche Prüfungsbedingungen und Bewertungsmaßstäbe gelten. Für das Prüfungsverfahren, d.h. für Form und Verlauf der Prüfungen, müssen einheitliche Regeln gelten, die auch einheitlich angewandt werden. Bevorzugungen und Benachteiligungen einzelner Teilnehmer oder Teilnehmergruppen müssen vermieden werden, um gleiche Erfolgschancen zu gewährleisten (stRspr, vgl. BVerfG, Beschluss vom 17. April 1991 - 1 BvR 419/81 und 213/83 - BVerfGE 84, 34 <52>; BVerwG, Urteil vom 10. April 2019 - 6 C 19.18 - BVerwGE 165, 202 Rn. 11 f. jeweils m.w.N.). Wegen dieser verfassungsrechtlichen Vorgaben muss nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts die konkrete Zahl der Prüfer rechtssatzmäßig festgelegt werden. Sie ist wesentlich für das Prüfungsergebnis, weil bei einer Bewertung der Prüfungsleistung durch mehrere Prüfer sich die Bewertung nicht als Ergebnis einer einzelnen, sondern von auf den verschiedenen subjektiven Wertungen und Gewichtungen beruhenden Bewertungsentscheidungen der jeweiligen Prüfer darstellt. Durch die Einschaltung mehrerer Prüfer wird das Ergebnis objektiviert, was zugleich Bevorzugungen und Benachteiligungen einzelner Prüflinge minimiert. Hängt das Resultat der Prüfung aber maßgeblich von der gerichtlich nur beschränkt überprüfbaren Ausübung des Beurteilungsspielraums durch den jeweiligen Prüfer ab, ist die Zahl der Prüfer wesentlich für das Prüfungsergebnis und muss für alle Teilnehmer einer berufsbezogenen Abschlussprüfung vorab und vorhersehbar festgelegt sein; ihre Bestimmung darf nicht der Verwaltungspraxis überlassen bleiben (vgl. im Einzelnen: BVerwG, Urteil vom 10. April 2019 - 6 C 19.18 - BVerwGE 165, 202 Rn. 15 und 17).
(…)
Die fehlende zahlenmäßige Festlegung der Zahl von Fachprüfern in der NotSan-APrV darf nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung nicht dazu führen, dass die Möglichkeit der Durchführung von Ergänzungsprüfungen und damit die Ausübung der Berufswahlfreiheit in dem Beruf der Notfallsanitäter ausgesetzt ist. Vielmehr ist das Bundesverwaltungsgericht zur Vermeidung einer verfassungsferneren Regelungslücke und zur Wahrung der Berufsfreiheit gehalten, übergangsweise bis zur Herstellung verfassungsgemäßer Zustände durch den Verordnungsgeber eine unerlässliche Übergangsregelung zu treffen, damit den aus Art. 12 Abs. 1 GG resultierenden Gewährleistungen der Prüflinge Rechnung getragen wird. Dabei hat sich die Übergangsregelung sachgerechter Weise an der Praxis der Beklagten zu orientieren (vgl. BVerwG, Urteil vom 10. April 2019 – 6 C 19.18 - BVerwGE 165, 202 Rn. 20 m.w.N.; VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 5. Juni 2020 - 9 S 149/20 - juris Rn. 33).
Die in der mündlichen Verhandlung erläuterte Praxis der Beklagten, die Themenbereiche und Fallbeispiele von jeweils zwei Fachprüferinnen bzw. Fachprüfern prüfen zu lassen, ist übergangsweise bei der Anwendung von § 18 Abs. 3 S. 1 NotSan-APrV zugrunde zu legen. Dieser Praxis entspricht die streitbefangene mündliche Prüfung, bei der in jedem Themenbereich jeweils zwei Fachprüfer geprüft haben. Etwas anderes folgt nicht aus der Tatsache, dass die NotSan-APrV nach dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 10.04.2019 (Az. 6 C 19.18 -BVerwGE 165, 202), in dem es das Erfordernis der rechtssatzmäßigen Festlegung der Prüferzahl postuliert hat, im November 2020 geändert wurde. Diese zeitliche Abfolge ändert nichts daran, dass die fehlende zahlenmäßige Festlegung der Zahl von Fachprüfern in der NotSan-APrV nicht dazu führen darf, dass die Möglichkeit der Durchführung von Ergänzungsprüfungen und damit die Ausübung der Berufswahlfreiheit in dem Beruf der Notfallsanitäter ausgesetzt ist.
II. Die Klägerin rügt weiterhin nicht mit Erfolg eine Befangenheit von Herrn K.. Ein Verstoß gegen das Gebot der Unbefangenheit und Unvoreingenommenheit, konkretisiert in den § 21 Abs. 1, § 2 Abs. 3 Nr. 2 des Verwaltungsverfahrensgesetzes (VwVfG) i.V.m. § 1 des Niedersächsischen (Nds.) VwVfG, liegt nicht vor. Die objektive Besorgnis der Befangenheit ist nach der Rechtsprechung der Kammer (Urt. v. 11.12.2019 – 6 A 3964/17) anzunehmen, wenn ein Grund im Sinne des § 21 Abs. 1 VwVfG i.V.m. § 1 Nds. VwVfG besteht, d.h. ein Grund, der geeignet ist, Misstrauen gegen die unparteiische Amtsausübung zu rechtfertigen. Ein solcher liegt vor, wenn aufgrund objektiv feststellbarer Tatsachen für die Beteiligten bei vernünftiger Würdigung aller Umstände die Besorgnis nicht auszuschließen ist, ein bestimmter Amtsträger werde in der Sache nicht unparteiisch oder unvoreingenommen entscheiden (BVerwG, Urt. v. 13.01.2011 – 4 A 4001/10, NVwZ 2012, S. 432 [BVerwG 13.10.2011 - BVerwG 4 A 4001.10]). Dies ist vorliegend nicht der Fall. Eine Befangenheit des Fachprüfers Herrn K. folgt nicht daraus, dass er die Klägerin in einem Anschreiben (Bl. 2 des Verwaltungsvorgangs) an die H. als „Wiederholerin“ bezeichnet hat. Dieses Verhalten ist nicht geeignet, Misstrauen gegen eine unparteiische Amtsausübung zu rechtfertigen. Insbesondere ist keine Voreingenommenheit oder Missachtung der Klägerin gegenüber erkennbar. Die Bezeichnung der Klägerin als „Wiederholerin“ diente, wie auch der Vermerk dieses Status‘ auf dem Deckblatt des Verwaltungsvorgangs (Bl.1) allein verwaltungstechnischen Zwecken. Für Prüflinge, die einen Prüfungsteil nicht bestanden haben, besteht das Erfordernis der Nutzung eines spezifischen Formulars für den Antrag auf Zulassung zur (Wiederholungs-) Prüfung. Zudem bedarf es der Klarstellung, dass diese Prüflinge lediglich die Prüfungsteile zu wiederholen haben, die sie im Erstversuch nicht bestanden haben. Anders als die Klägerin versteht die Kammer den Begriff der „Wiederholerin“ vor diesem Hintergrund wertungsfrei auf das Verfahren bezogen, ohne dass sie eine Abwertung der Klägerin durch den Fachprüfer, mangelnde Distanz desselben oder Hinweise auf ein Fehlen sachlicher Neutralität erkennen kann.
III. Die Bestellung der Beklagten zur Vorsitzenden entspricht nicht den gesetzlichen Voraussetzungen und ist damit verfahrensfehlerhaft. Gemäß § 5 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 NotSan-APrV besteht der Prüfungsausschuss unter anderem aus einer fachlich geeigneten Vertreterin oder einem fachlich geeigneten Vertreter der zuständigen Behörde oder einer von der zuständigen Behörde mit der Wahrnehmung dieser Aufgabe betrauten fachlich geeigneten Person, die gemäß § 5 Abs. 3 S. 1 NotSan-APrV Vorsitzende oder Vorsitzender des Prüfungsausschusses ist. Die fachliche Eignung der Beklagten für die Mitwirkung im Prüfungsausschuss und die Übernahme des Vorsitzes ist für die Kammer nicht feststellbar. Sowohl das Wesen einer Prüfung als auch das prüfungsrechtliche Gebot der Chancengleichheit verlangen, dass die Beurteilung von Prüfungsleistungen nur Personen übertragen werden darf, die nach ihrer fachlichen Qualifikation in der Lage sind, den Wert der erbrachten Leistung eigenverantwortlich zu beurteilen und zu ermitteln (vgl. BVerwG, Beschl. v. 02.04.1979 - 7 B 61.79 -, BVerwG, Beschl. v. 18.06.1981 – 7 CB 22/81 –, juris). Zu ihrer fachlichen Qualifikation trägt die Beklagte zunächst in einem Zirkelschluss vor, sie wäre nicht in ihrem Aufgabenbereich eingesetzt worden, wenn sie nicht über eine ausreichende Qualifikation verfügen würde. Aus einer Bescheinigung des M. vom 05.10.2021 geht hervor, dass die Aufgaben des Dienstpostens einer Dezernentin im Bereich,,Andere als ärztliche Heilberufe" im Dezernat 4 "Berufliche Bildung", den Frau N. im O. innehat, im Wesentlichen die landesweite Aufsicht über alle Schulen mit den Berufen Physiotherapie, Notfallsanitäter, Technische Assistenz in der Medizin, Massage, Logopädie, Podologie, Diätassistenz und Orthoptik umfassten. Zu ihren Tätigkeiten zähle u.a. der Grundsatz für Prüfungen sowie die Gesamtorganisation der Prüfungen und die Übernahme des Prüfungsvorsitzes vor Ort. Die Auswahlentscheidung zur Besetzung des Dienstpostens sei auf Grundlage der Bewertung der Eignung, Befähigung und der fachlichen Leistung der Bewerberinnen und Bewerber getroffen worden. Frau J. habe das Anforderungsprofil des zu besetzenden Dienstpostens im besonderen Maße erfüllt und sei deshalb nach Würdigung aller zu berücksichtigenden Aspekte für den Dienstposten ausgewählt worden.
Aus diesen Ausführungen lässt sich für die fachliche Eignung der Beklagten für die Mitwirkung im Prüfungsausschuss nichts herleiten, da sie sich auf die Aufgaben von Frau J. – allerdings nicht in ihrer Funktion als Beklagte – innerhalb des M. beziehen. Zu diesen Aufgaben gehört zwar die Wahrnehmung des Prüfungsvorsitzes auch der staatlichen Ergänzungsprüfung für Notfallsanitäterinnen und Notfallsanitäter. Die fachliche Eignung für diese Aufgabe unterscheidet sich aber wesentlich von der Eignung für die Aufgaben als Dezernentin. Zu ihrer fachlichen Eignung für die Mitwirkung im Prüfungsausschuss und die Übernahme des Vorsitzes hat sich die Beklagte auch auf Nachfrage in der mündlichen Verhandlung nicht geäußert.
IV. Außerdem liegt ein beachtlicher Verstoß gegen Verfahrensvorschriften darin, dass die Klägerin und zwei weitere Prüflinge gleichzeitig die mündliche Prüfung ablegten. Gemäß § 18 Abs. 2 S. 1 NotSan-APrV werden die Prüflinge (in der mündlichen Prüfung) einzeln oder zu zweit geprüft. Die mündliche Prüfung erstreckt sich gemäß § 18 Abs. 1 NotSan-APrV auf drei Themenbereiche der Anlage 1 (1. Kommunikation und Interaktion mit sowie Beratung von hilfesuchenden und hilfebedürftigen Menschen unter Berücksichtigung des jeweiligen Alters sowie soziologischer und psychologischer Aspekte, 2. Handeln im Rettungsdienst an Qualitätskriterien ausrichten, die an rechtlichen, wirtschaftlichen und ökologischen Rahmenbedingungen orientiert sind, 3. bei der medizinischen Diagnostik und Therapie mitwirken, lebenserhaltende Maßnahmen und Maßnahmen zur Abwendung schwerer gesundheitlicher Schäden bis zum Eintreffen der Notärztin oder des Notarztes oder dem Beginn einer weiteren ärztlichen Versorgung durchführen). Vorliegend wurden jedoch unstreitig drei Prüflinge gleichzeitig geprüft. Jeder Themenbereich wurde an unterschiedlichen Tischen innerhalb eines großen Raumes abgenommen, wobei die Prüflinge nach jedem Themenbereich den Tisch und damit die Fachprüfer wechselten. Dabei ist nicht auf die beiden Fachprüfer, die jeweils einen Themenbereich prüften, abzustellen, sondern auf alle sechs an der mündlichen Prüfung beteiligten Fachprüfer nebst der Vorsitzenden, auch wenn diese nicht am gleichen Tisch geprüft haben. Dies ergibt sich aus Folgendem: Als Prüfungskommission sind vorliegend nicht nur die beiden Fachprüfer pro Themenbereich anzusehen. Das Bundesverwaltungsgericht hat eine Differenzierung zwischen dem Prüfungsausschuss und der konkret eingesetzten Prüfungskommission vorgenommen (BVerwG, Urt. v. 28.10. 2020 – aaO –, juris). Letztere setzt sich demnach nicht lediglich aus den beiden Fachprüfern pro Themenbereich zusammen, sondern aus der Vorsitzenden und den jeweiligen Fachprüfern eines Prüfungsteils, hier mithin aus den sechs Fachprüfern und der Vorsitzenden. Vor dieser Kommission wurden insgesamt drei Prüflinge gleichzeitig geprüft. Die Vorgabe des § 18 Abs. 2 S. 1 NotSan-APrV zur maximal zulässigen Zahl von Prüflingen bezieht sich außerdem nicht auf die Abnahme der einzelnen Themenbereiche durch zwei Fachprüferinnen bzw. Fachprüfer, sondern auf die mündliche Prüfung als Ganzes. Dies lässt sich aus der Systematik des § 18 NotSan-APrV ableiten. Die ersten beiden Absätze betreffen die gesamte mündliche Prüfung als Prüfungsteil: Absatz 1 beschreibt die Inhalte der Prüfung und weist sie den drei Themenbereichen zu, Absatz 2 klärt formale Fragen zur Anzahl der Prüflinge und Dauer der mündlichen Prüfung und verweist auf § 16 Abs. 1 NotSan-APrV, der die nachzuweisenden Kompetenzen bestimmt. Erst im folgenden dritten Absatz wird zwischen der mündlichen Prüfung (Satz 3) und den einzelnen Prüfungen in den drei Themenbereichen (Satz 1) differenziert. Soweit Regelungen zur Prüfung in einzelnen Themenbereichen getroffen werden, stellt der Wortlaut der Norm dies klar, etwa in Absatz 3 S. 2, der auf § 16 Abs. 4 S.1 NotSan-APrV und verweist. Eine solche Klarstellung enthält Absatz 2 erkennbar nicht, so dass einzig der Schluss möglich ist, dass die Regelung zur maximalen Anzahl von Prüflingen in Satz 1 auf die gesamte mündliche Prüfung bezogen ist. Eine andere Lesart würde einen unauflösbaren Widerspruch zur Regelung in Satz 2 des Absatzes 2 bedeuten, wonach die Prüfung für jeden Prüfling mindestens 30 und nicht länger als 40 Minuten dauern soll. Auch die Beklagte ist nicht der Auffassung, dass sich diese Vorgabe auf die einzelnen Themenbereiche bezieht, da die Prüfungsdauer in der Praxis der Beklagten pro Themenbereich 10 bis 13 Minuten beträgt, was einer Gesamtdauer der mündlichen Prüfung von 30 bis 39 Minuten entspricht. Es lässt sich jedoch aus dem Wortlaut und der Systematik des § 18 Abs. 2 NotSan-APrV nichts dafür herleiten, dass Satz 2 eine Regelung hinsichtlich der gesamten mündlichen Prüfung enthält, während Satz 1 sich auf die einzelnen Themenbereiche bezieht.
V. Die Klägerin beruft sich zwar nicht mit Erfolg auf eine Überschreitung der zulässigen Prüfungszeit. Die mündliche Prüfung bewegte sich mit einer Dauer von 39 Minuten innerhalb des von § 18 Abs. 2 S. 2 NotSan-APrV gesetzten Rahmens. Danach soll die Prüfung für jeden Prüfling mindestens 30 und nicht länger als 40 Minuten dauern. Die Klägerin wurde zwischen 12:34 Uhr und 12:47 Uhr im Themenbereich 6, zwischen 12:47 Uhr und 13:00 Uhr im Themenbereich 3 sowie zwischen 13:00 Uhr und 13:13 Uhr im Themenbereich 7 und damit exakt 39 Minuten geprüft.
Ein beachtlicher Verstoß gegen wesentliche Verfahrensvorschriften ist aber darin zu sehen, dass der mündlichen Prüfung eine dreißigminütige Vorbereitungszeit vorgeschaltet war, die in der NotSan-APrV nicht vorgesehen ist, was wegen der Wesentlichkeit dieser Frage für das Prüfungsverfahren jedoch erforderlich gewesen wäre. Während der Vorbereitungszeit unterstand die Klägerin einer Prüfungsaufsicht und hätte sich nach Angaben der Beklagten nur nach den Regeln zum prüfungsrechtlichen Rücktritt aus dem Vorbereitungsraum entfernen dürfen. Andere als die zugelassenen Hilfsmittel waren der Klägerin in dieser Phase nicht erlaubt. Anders läge der Fall, wenn die Vorbereitungszeit wie etwa im Falle der zweiten juristischen Staatsprüfung in der Prüfungsordnung vorgesehen wäre (vgl. § 39 Abs. 3 S. 3 der Verordnung zum Niedersächsischen Gesetz zur Ausbildung der Juristinnen und Juristen). Die Hinweise in den Materialien für die dreijährige Ausbildung zur Notfallsanitäterin und zum Notfallsanitäter des Niedersächsischen Kultusministeriums (Stand: September 2016, S. 31), nach denen die Fallbeschreibung dem Prüfling am Prüfungstag vor Beginn der Prüfung bekannt gegeben werden kann und das Aushändigen und Lesen der Fallbeschreibung als Vorbereitungs-, nicht als Prüfungszeit gilt, stellen lediglich interne Verwaltungsvorschriften dar, die die mangende Regelung der Vorbereitungszeit in der NotSan-APrV nicht zu ersetzen vermögen.
VI. Die Klägerin beruft sich schließlich mit Erfolg auf einen Verfahrensfehler in Gestalt der nicht feststellbaren Anwesenheit der Beklagten bei allen Prüfungsteilen der mündlichen Prüfung.
Das Bundesverwaltungsgericht hat in seinem Urteil vom 28.10.2020 (aaO) zur staatlichen Ergänzungsprüfung für Notfallsanitäterinnen und Notfallsanitäter eine Anwesenheitspflicht der Vorsitzenden des Prüfungsausschusses während der mündlichen und praktischen Prüfung hergeleitet. Die Regelung des § 5 Abs. 3 S. 3 NotSan-APrV, wonach die oder der Vorsitzende des Prüfungsausschusses verpflichtet ist, an den jeweiligen Teilen der Prüfung in dem Umfang teilzunehmen, der zur Erfüllung der in dieser Verordnung geregelten Aufgaben erforderlich ist, wobei eine Verpflichtung zur Anwesenheit während der gesamten Dauer der Prüfung nicht besteht, ist dahingehend verfassungskonform auszulegen, dass der oder die Vorsitzende des Prüfungsausschusses zur Anwesenheit während der mündlichen und praktischen Prüfung verpflichtet ist (BVerwG aaO.). Dies folgt aus den Aufgaben des oder der Vorsitzenden des Prüfungsausschusses im Prüfungsverfahren, namentlich der gemeinsamen Bewertung mit den Fachprüfern und dem Stichentscheidungsrecht (§ 18 Abs. 3 NotSan-APrV).
Anwesenheit bedeutet in diesem Zusammenhang nicht allein das Zugegensein in einem Raum, in welchem mehrere Prüfungsgespräche parallel stattfinden. Erforderlich ist vielmehr eine durchgängige Präsenz während der einzelnen Prüfungsgespräche in dergestalt, dass die oder der Vorsitzende des Prüfungsausschusses dem gesamten Prüfungsgespräch aufmerksam folgen kann und insoweit in die Lage versetzt wird, die ihr oder ihm durch die NotSan-APrV zugewiesenen Aufgaben sachgerecht auszuüben. Im vorliegenden Fall hätte dies erfordert, dass die Beklagte gemeinsam mit der Klägerin nach dem Abschluss des jeweiligen Prüfungsgesprächs den Prüfungstisch gewechselt und dem folgenden Prüfungsgespräch am neuen Prüfungstisch beigewohnt hätte.
Es steht nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme nicht zur Überzeugung der Kammer fest, dass sich die Beklagte während der mündlichen Prüfung durchgehend am jeweiligen Prüfungstisch der Klägerin befunden hat. Der Zeuge P. hat bekundet, er „meine“, die Beklagte habe während eines Prüfungsgespräches an seinem Prüfungstisch gesessen. Seine Erinnerung sei jedoch „wirklich nur noch ganz grob“. Er sei sich „sehr unsicher“, wer neben einem ihm bekannten Prüfer, dem Schulleiter, gesessen habe. Die Prüfung sei schließlich bereits eineinhalb Jahre her und er habe sich auf die Personen, die er gekannt habe konzentriert. Die Aussage des Zeugen P. ist aufgrund der bekundeten erheblichen Zweifel und Erinnerungslücken unergiebig. Der Zeuge Q. hat bekundet, er wisse nicht, ob die Beklagte die Klägerin von Tisch zu Tisch begleitet habe. Auch die Aussage des Zeugen Q. ist unergiebig.
Es geht zulasten der Beklagten, dass sich nicht feststellen lässt, dass sie bei der mündlichen Prüfung der Klägerin anwesend gewesen ist. Die Beweislast hierfür trägt die Beklagte. Grundsätzlich geht die Unerweislichkeit einer Tatsache zulasten des Beteiligten, der aus ihr für ihn günstige Rechtsfolgen herleitet. Das Prüfungsverhältnis wird inhaltlich durch den allgemeinen Prüfungsanspruch geprägt, der auf Zulassung zur Prüfung und ordnungsgemäße Durchführung des Prüfungsverfahrens gerichtet ist. Wer die Erfüllung dieses Anspruchs verlangt, ist beweispflichtig für das Vorhandensein der Anspruchsvoraussetzungen. Können die dazu maßgeblichen Tatsachen trotz hinreichender Aufklärungsbemühungen des Gerichts nicht festgestellt werden, geht dies grundsätzlich zulasten des Prüflings. Eine Beweislastumkehr ergibt sich jedoch ausnahmsweise, wenn und soweit notwendige Protokollierungen unterblieben sind. Die Behörde trägt in diesem Fall die Beweislast dafür, dass die Prüfung verfahrensfehlerfrei durchgeführt wurde (Niehues/Fischer/Jeremias, Prüfungsrecht, 6. Auflage, Rn. 896). Dies ist vorliegend der Fall. Aus der Prüfungsniederschrift über die Ergänzungsprüfung (Bl. 22 des Verwaltungsvorgangs) ergibt sich zwar, dass Frau J. als Vorsitzende des Prüfungsausschusses bei der Ergänzungsprüfung eingeteilt worden ist. Das Unterschriftenfeld mit der Überschrift „Hiermit bestätige ich die Durchführung der nachfolgend aufgeführten Prüfungen“ ist jedoch, anders als bei den Fachprüfern, die die Durchführung mit ihrer Unterschrift bestätigt haben, grau hinterlegt und maschinell durchgestrichen.
VII. Auf die übrigen von der Klägerin erhobenen Rügen kommt es vor diesem Hintergrund nicht an.
B. Die Klägerin musste die dargestellten Verfahrensmängel nicht vor der Prüfung rügen. Der Mangel bei der Bestellung der Vorsitzenden des Prüfungsausschusses liegt innerhalb der Sphäre der Beklagten. Kenntnis von diesem Vorgang kann von der Klägerin nicht erwartet werden. Hinsichtlich der weiteren Mängel – der Überschreitung der maximal zulässigen Zahl an Prüflingen, der Vorschaltung einer nicht vorgesehenen Vorbereitungszeit sowie der nicht feststellbaren Anwesenheit der Vorsitzenden in der gesamten mündlichen Prüfung – war der Klägerin eine Rüge nicht zumutbar. Bei organisatorischen Mängeln und Zuständigkeitsfragen kann regelmäßig nicht vorausgesetzt werden, dass der Prüfling den Mangel und seine Bedeutung für die anstehende Prüfung erkannt hat (Niehues/Fischer/Jeremias, Prüfungsrecht, 6. Auflage, Rn. 217). Bei den Fragen, wie viele Prüflinge gleichzeitig geprüft werden dürfen, ob eine Vorbereitungszeit vorzuschalten ist und ob die Vorsitzende des Prüfungsausschusses bei der gesamten Prüfung zugegen sein muss, handelt es sich um organisatorische Fragen, deren Kenntnis und Erfassung in ihrer Bedeutung von der Klägerin nicht verlangt werden konnte.
C. Die festgestellten Verfahrensmängel sind sämtlich geeignet, einen Einfluss auf das Prüfungsergebnis gehabt zu haben, da sie mit der Anzahl der Prüflinge, dem konkreten Ablauf der Prüfung und der Anwesenheit der Vorsitzenden den Kernbereich der Leistungserbringung und deren Bewertung betreffen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO in Verbindung mit § 708 Nr. 11 und § 711 S. 1 und 2 der Zivilprozessordnung.