Finanzgericht Niedersachsen
Urt. v. 09.11.2005, Az.: 16 K 517/04
Vermietung von Kfz-Einstellplätzen als eigenständige, umsatzsteuerliche Leistung gegenüber Vermietung von Büroflächen; Feststellung der wirtschaftlichen Einheit zwischen zwei umsatzsteuerrechtlich relevanten Leistungen; Voraussetzungen einer einheitlichen Leistung im Sinne des Umsatzsteuerrechts
Bibliographie
- Gericht
- FG Niedersachsen
- Datum
- 09.11.2005
- Aktenzeichen
- 16 K 517/04
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2005, 32943
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:FGNI:2005:1109.16K517.04.0A
Verfahrensgang
- nachfolgend
- BFH - 28.06.2006 - AZ: V B 12/06
- BFH - 28.06.2007 - AZ: V B 12/06
Rechtsgrundlage
- § 15 Abs. 2 UStG
Fundstellen
- DStR 2006, X Heft 24 (Kurzinformation)
- DStRE 2006, 1018 (Volltext mit amtl. LS)
- INF 2006, 533
- KÖSDI 2006, 15232 (Kurzinformation)
- NWB direkt 2006, 9
- UBB 2006, 4
- WISO-SteuerBrief 2006, 4
- ZKF 2007, 85
Redaktioneller Leitsatz
- 1.
Die Frage, ob zwei Vermietungen einen einheitlichen wirtschaftlichen Vorgang darstellen, ist nach den Grundsätzen der Einheitlichkeit der Leistung bzw. dem Begriff der so genannten Nebenleistung zu entscheiden.
- 2.
Einheitliche wirtschaftliche Vorgänge dürfen umsatzsteuerrechtlich grundsätzlich nicht in mehrere Leistungen zerlegt werden, wenn sie wirtschaftlich zusammengehören und ein unteilbares Ganzes bilden.
- 3.
Für die Vermietung von Büros und für die Vermietung von Kfz-Stellflächen gibt es jeweils einen eigenständigen Markt. Die Anmietung ist daher nicht zwingend als einheitlicher wirtschaftlicher Vorgang anzusehen.
- 4.
Gibt es weder rechtliche noch faktische Zwänge, die Vermietung der Parkplätze an die Mieter des Bürohauses vorzunehmen und ist bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise ein zwingender Zusammenhang zwischen beiden Vermietungsarten zu verneinen, so kann die Vermietung der Parkflächen eine eigenständige umsatzsteuerliche Leistung darstellen.
Tatbestand
Die Klägerin wurde im Dezember 2001 gegründet. Sie erwarb noch im selben Monat die in H. belegenen Grundstücke Osterstraße 39 a, 39 b und 40. Der Erwerb des Grundstücks Osterstr. 39 a erfolgte umsatzsteuerpflichtig. Auf diesem Grundstück befand sich ein Gebäude im Rohbauzustand, das anschließend von der Klägerin fertig gestellt und vermietet wurde. Die genannten Grundstücke sind Nachbargrundstücke. Für das noch fertig zu stellende Gebäude waren bereits teilweise Mieter vorhanden. Tatsächlich erfolgte die Vermietung dieser Gebäudeflächen ab März 2002. Mieter waren unter anderem die Arbeiterwohlfahrt, Kreisverband H., sowie Gewerkschaften. Insoweit erfolgt die Vermietung durch die Klägerin umsatzsteuerfrei gem. § 4 Nr. 12 a UStG. Andere Büroflächen des Gebäudes wurden zulässigerweise durch die Klägerin umsatzsteuerpflichtig an andere Unternehmer vermietet.
Neben dem Bürogebäude errichtete die Klägerin ein Parkdeck, auf dem sich insgesamt 30 Einstellplätze befinden. Die Parkplätze vermietete die Klägerin mit gesonderten Mietverträgen an die Mieter des neu errichteten Bürogebäudes sowie an eine Mietpartei aus dem bereits bestehenden Gebäude Osterstr. 40. Nach den geschlossenen Verträgen gab es zwischen den Mietverträgen für die Parkplätze und den Mietverträgen bezüglich der Büro-/Geschäftsflächen keine rechtlichen Verbindungen. Die Anzahl der von den jeweiligen Mietern gemieteten Parkplätze steht auch in keiner feststehenden Relation zu der Größe der jeweils angemieteten Büroflächen.
Die Klägerin behandelte die Parkplatzvermietung als umsatzsteuerpflichtige Vermietung und setzte für das Streitjahr die anteilig auf das Parkdeck entfallenden Vorsteuern als abziehbare Vorsteuerbeträge an. Dem folgte der Beklagte nach einer Umsatzsteuersonderprüfung nicht. Entsprechend dem Ergebnis der Umsatzsteuersonderprüfung setzte der Beklagte mit Steuerbescheid vom 23. Januar 2003 die Steuer für das Streitjahr geändert fest. Im sich anschließenden Einspruchsverfahren wurden andere Streitpunkte zwischen den Beteiligten einvernehmlich gelöst. Dementsprechendänderte der Beklagte die Steuerfestsetzung mit Bescheid vom 25. Oktober 2004. Der Beklagte hielt jedoch daran fest, dass die Parkplatzvermietung unselbständige Nebenleistung zur Vermietung der Gebäudeflächen sei und deshalb ein Vorsteuerabzug nur insoweit in Betracht komme, als die Vermietung der Büroflächen umsatzsteuerpflichtig erfolgt sei. Diese Rechtsauffassung legte er dem Einspruchsbescheid vom 28. Oktober 2004 zugrunde.
Hiergegen richtet sich die Klage. Die Klägerin ist der Auffassung, dass sie die Parkplätze umsatzsteuerpflichtig vermiete. Dabei sei zunächst festzuhalten, dass nicht vollständig eine Identität zwischen den Mietern der Büroflächen und den Mietern der Parkplätze vorliege. So seien Teile der Gebäudeflächen an eine GbR vermietet, die aus mehreren Einzelgewerkschaften gebildet sei. Hingegen habe sie die Parkplätze an die jeweilige Einzelgewerkschaft vermietet. Soweit überhaupt Identität zwischen Mieter der Büroflächen und dem jeweiligen Mieter von Parkplätzen bestehe, liege in der Parkplatzvermietung keine Nebenleistung zur Vermietung der Büroflächen vor. Wirtschaftlich betrachtet sei die zur Verfügungsstellung von Parkflächen mindestens ebenso wichtig wie diejenige von Gebäudeflächen, zumindest im Innenbereich von H., in dem es am nötigen Parkraum mangele. Deshalb stünden sich die beiden Vermietungsleistungen annähernd gleichgewichtig gegenüber. Die Schaffung der Parkplätze sei Verpflichtung und Teil der Baugenehmigung gewesen. Die Klägerin habe die Parkplätze keinen Dritten, die nicht Mieter der genannten Grundstücke sind, angeboten, weil aus dem Kreis der Mieter eine ausreichende Nachfrage nach Parkraum bestanden habe.
Die Klägerin beantragt,
die Umsatzsteuer auf...festzusetzen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er hält unter Bezugnahme auf seine Einspruchsentscheidung daran fest, dass die Parkplatzvermietung unselbständige Nebenleistung zur Vermietung der jeweiligen Büros gewesen sei. Nach der Rechtsprechung des EuGH im Urteil vom 13. Juli 1989 sei die Fahrzeugstellplatzvermietung als Nebenleistung zu einer steuerfreien Grundstücksvermietung anzusehen, wenn beide Vermietungen einen einheitlichen wirtschaftlichen Vorgang darstellten. Das sei dann der Fall, wenn der Platz für das Abstellen von Fahrzeugen und das für einen anderen Gebrauch bestimmte Grundstück Teil ein und desselben Gebäudekomplexes sind und diese beiden Gegenstände von ein und demselben Vermieter an ein und denselben Mieter vermietet würden. Für die Annahme einer Nebenleistung sei es unschädlich, wenn die steuerfreie Grundstücksvermietung und die Stellplatzvermietung zivilrechtlich in getrennten Verträgen vereinbart würden. Entgegen der Auffassung der Klägerin liege auch Mieteridentität vor. Bezüglich der Anmietung von Büroflächen durch die Gewerkschaften liege in zivilrechtlicher Hinsicht eine Mehrheit von Mietern vor. Aus den Mietverträgen sei nicht ersichtlich, dass diese Mieter sich in gesellschaftsrechtlicher Verbundenheit um die Anmietung der Büroflächen bemüht hätten.
Dem Gericht haben die für die Klägerin beim Beklagten geführten Steuerakten vorgelegen. Wegen des Inhalts der abgeschlossenen Verträge wird Bezug genommen auf diese Akten sowie auf die Gerichtsakte.
Gründe
Die Klage ist begründet.
Der Klägerin steht der begehrte Vorsteuerabzug zu, weil insoweit kein Ausschluss des Vorsteuerabzugs nach § 15 Abs. 2 UStG gerechtfertigt ist. Denn die Klägerin erbringt mit der Vermietung der Einstellplätze für Kraftfahrzeuge auf dem Parkdeck (ab dem Folgejahr) umsatzsteuerbare Leistungen, für die die Umsatzsteuerbefreiung nach § 4 Nr. 12 Satz 2 UStG ausdrücklich ausgeschlossen ist.
Die Vermietung der Parkplätze ist entgegen der Auffassung des Beklagten nicht als unselbständige Nebenleistung zu der von der Klägerin vorgenommenen Vermietung von Büroflächen anzusehen.
Aus dem Urteil des EuGH vom 13. Juli 1989 - Rs 173/88 - ist nicht herleitbar, dass stets die Vermietung von Parkflächen Nebenleistung zu einer Vermietung anderer Grundstücksflächen wäre. Vielmehr hat der EuGH in den Urteilsgründen ausgeführt, es sei klarzustellen, dass der Begriff der Vermietung von Grundstücken neben den Gegenständen, die einen Hauptgegenstand dieser Vermietung bilden, notwendigerweise auch deren Zubehör umfasse. Daher könne die Vermietung von Plätzen für das Abstellen von Fahrzeugen von diesem Befreiungstatbestand nicht ausgenommen werden, wenn sie mit der steuerfreien Vermietung von für einen anderen Gebrauch bestimmten Grundstücken eng verbunden sei, sodass beide Vermietungen einen einheitlichen wirtschaftlichen Vorgang darstellten. Das sei dann der Fall, wenn der Platz für das Abstellen von Fahrzeugen und das für einen anderen Gebrauch bestimmte Grundstück Teil ein und desselben Gebäudekomplexes seien und diese beiden Gegenstände von ein und demselben Vermieter an ein und denselben Mieter vermietet würden.
Die Frage ob beide Vermietungen einen einheitlichen wirtschaftlichen Vorgang darstellen wird in ständiger Rechtsprechung zum nationalen Umsatzsteuerrecht nach den Grundsätzen der Einheitlichkeit der Leistung bzw. dem Begriff der so genannten Nebenleistung entschieden. Danach dürfen einheitliche wirtschaftliche Vorgänge umsatzsteuerrechtlich grundsätzlich nicht in mehrere selbständige Leistungen zerlegt werden, wenn sie wirtschaftlich zusammen gehören und ein unteilbares Ganzes bilden. Eine umsatzsteuerrechtlich einheitliche Leistung liegt dann vor, wenn mehrere Leistungen so aufeinander abgestimmt sind, dass sie aus der Sicht eines durchschnittlichen Leistungsempfängers ihre Selbständigkeit verlieren und wirtschaftlich als etwas eigenständiges angesehen werden. Für den Streitfall ist bedeutsam, dass aus der Sicht eines Leistungsempfängers die Überlassung von Büroflächen unabhängig davon erfolgt, ob für den Nutzer dieser Flächen ein ausreichender Platz zum Abstellen von Kraftfahrzeugen in unmittelbarer Nähe zum Büro vorhanden ist. Andererseits sind bekanntermaßen Parkflächen im Innenstadtbereich einer Stadt in der Größe von H. knapp bemessen und deshalb bezüglich einer Anmietung für einen durchschnittlichen Leistungsempfänger auch dann interessant, wenn damit nicht die Anmietung eines Büros verbunden wäre. Der Senat ist deshalb der Auffassung, dass es für die Vermietung von Büros und für die Vermietung von Stellflächen jeweils einen eigenständigen Markt gibt und deshalb deren Anmietung nicht als einheitlicher wirtschaftlicher Vorgang angesehen werden kann. Es ist zusätzlich zu bedenken, dass es der Klägerin durchaus möglich gewesen wäre die in Rede stehenden Parkplätze an fremde Dritte zu vermieten. Es gab weder rechtliche noch faktische Zwänge die Vermietung der Parkplätze an die Mieter des Bürohauses vorzunehmen, zumal überwiegend die Büroflächen bereits vermietet waren, bevor es zur Vermietung der Parkflächen kam. ImÜbrigen ist aus den Verträgen insgesamt ersichtlich, dass die Mieter der Büros nicht im selben Umfang Parkplätze anmieteten, wie sie im Verhältnis der Nutzflächen Büroraum anmieteten. Auch dies zeigt, dass es keinen zwingenden wirtschaftlichen Zusammenhang zwischen den beiden Vermietungsarten gab.
Im Ergebnis war die Vermietung der Parkflächen als eigenständige und damit zwingend umsatzsteuerpflichtige Leistung zu behandeln, mit der Folge, dass der Klägerin der hierfür im Zusammenhang stehende Vorsteuerabzug zu gewähren war, über deren Höhe zwischen den Beteiligten kein Streit besteht. Demzufolge war antragsgemäß die Umsatzsteuer herabzusetzen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO. Die Anordnung der vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 151, 155 FGO i.V.m. §§ 708 Nr. 10, 711 Zivilprozessordnung (ZPO).