Verwaltungsgericht Hannover
Beschl. v. 07.05.2024, Az.: 2 B 1302/24

Schleusen von Menschen; Widerruf Flüchtlingseigenschaft; Ziele und Grundsätze der Vereinten Nationen; Widerruf der Flüchtlingseigenschaft wegen Schleusen von Menschen

Bibliographie

Gericht
VG Hannover
Datum
07.05.2024
Aktenzeichen
2 B 1302/24
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2024, 14683
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:VGHANNO:2024:0507.2B1302.24.00

Tenor:

Die aufschiebende Wirkung der Klage 2 A 1297/24 gegen die Ziffer 1 des Bescheides des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 7. März 2024 (Gesch.-Z....) wird angeordnet.

Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Verfahrens. Gerichtskosten (Gebühren und Auslagen) werden nicht erhoben.

Gründe

I.

Der Antragsteller begehrt vorläufigen Rechtsschutz gegen den Widerruf der ihm zuerkannten Flüchtlingseigenschaft.

Der 1992 geborene Antragsteller ist syrischer Staatsangehöriger, zugehörig zur Volksgruppe der Kurden und geschieden. Mit Bescheid vom 22. Dezember 2015 erkannte das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (im Folgenden: Bundesamt) dem Antragsteller die Flüchtlingseigenschaft zu.

Am 8. Mai 2023 verurteilte das Amtsgericht Passau den Antragsteller wegen gewerbsmäßigen Einschleusens von Ausländern in fünf Fällen, davon in zwei Fällen mittels einer das Leben gefährdenden Behandlung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wurde. In dem Urteil stellte das Amtsgericht u.a. fest, dass der Antragsteller im Auftrag einer Schleuserorganisation mehrere Fahrten durchführte und Personen ohne Reisepass und Aufenthaltstitel mit einem Pkw über die Grenze von Österreich in die Bundesrepublik Deutschland beförderte. Teilweise befanden sich die Personen im Kofferraum des Pkw ohne Rückhaltesysteme zur Sicherung. Der Antragsteller erhielt für die Beförderung jeweils Geldbeträge.

Das Bundesamt leitete nach Kenntnis des Strafurteils ein Widerrufsverfahren ein und hörte den Antragsteller mit Schreiben vom 17. Januar 2024 dazu an. Daraufhin legitimierte sich der Prozessbevollmächtigte des Antragstellers und begehrte Akteneinsicht. Nach gewährter Akteneinsicht erfolgte keine Äußerung des Antragstellers bzw. des Prozessbevollmächtigen zum beabsichtigen Widerruf.

Mit Bescheid vom 7. März 2024 widerrief das Bundesamt die mit Bescheid vom 22. Dezember 2015 zuerkannte Flüchtlingseigenschaft (Ziffer 1 des Bescheides). Des Weiteren erkannte das Bundesamt unter Ziffer 2 des Bescheides den subsidiären Schutzstatus nicht zu, stellte unter Ziffer 3 des Bescheides aber fest, dass ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 Aufenthaltsgesetz (im Folgenden: AufenthG) hinsichtlich Syrien vorliegt. Zur Begründung wurde u. a. ausgeführt, dass die Voraussetzungen für einen Widerruf nach § 73 Abs. 5 Asylgesetz (im Folgenden: AsylG) vorlägen, da der Ausschlusstatbestand des § 3 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 AsylG erfüllt sei. Danach entfalle der Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft, wenn aus schwerwiegenden Gründen die Annahme gerechtfertigt sei, dass der Antragsteller den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen zuwidergehandelt habe. Von diesem Ausschlusstatbestand würden gemäß § 3 Abs. 2 Satz 2 AsylG auch Anstifter oder in sonstiger Weise Beteiligte an der Straftat erfasst. Die hier maßgeblichen Ziele und Grundsätze der Vereinten Nationen seien in der Präambel und den Art. 1 und 2 der Charta der Vereinten Nationen in allgemeiner Weise dargelegt und fänden ggf. eine weitere Konkretisierung in Resolutionen des UN-Sicherheitsrates und Entschließungen der Vereinten Nationen zu verschiedenen Kriminalitäts- und Themenbereichen (z.B. Terrorismus, Ehrenmorde, Piraterie, organisierte Kriminalität). So erfüllten Handlungen im Zusammenhang mit terroristischen Aktivitäten würden den Ausschlusstatbestand und stünden nach allgemeiner Ansicht der Gewährung internationalen Schutzes entgegen. In vergleichbarer Weise hätten sich die Vereinten Nationen auch zur Thematik der grenzüberschreitenden organisierten Kriminalität und dem damit in einem engen Zusammenhang stehenden Phänomen des organisierten und gewerbsmäßigen Menschenschmuggels geäußert, welcher sich ob seiner Dimensionen und der damit regelmäßig verbundenen schwerwiegenden Auswirkungen als globales Problem darstelle und mit erheblichen Risiken sowohl für die geschleusten Migranten als auch für die von solchen illegalen Ein- und Durchreisen betroffenen Länder verbunden sei. Dementsprechend werde eine solche grenzüberschreitend organisierte Schleusungskriminalität als schwere Kriminalität begriffen, gegen die die Mitgliedsstaaten, vergleichbar dem Phänomen des internationalen Terrorismus, geeignete Maßnahmen ergreifen sollten. Dies ergebe zum einen sich daraus, dass der Ausschuss des Sicherheitsrats der Vereinten Nationen am 7. Juni 2018 erstmals Individuen wegen Menschenhandels auf eine Sanktionsliste gesetzt habe. Ein Zuwiderhandeln gegen Ziele und Grundsätze der Vereinten Nationen durch Akte des organisierten grenzüberschreitenden Menschenschmuggels sei zum anderen den spezifischen Entschließungen und Verlautbarungen der Vereinten Nationen unzweifelhaft zu entnehmen. Das Bundesamt berief sich dafür auf die United Nations Convention against Transnational Organized Crime vom 15. 11.2000 und das damit zusammenhängende Protocol against the Smuggling of Migrants by Land, Sea and Air. Die durch Schleusungskriminalität betroffenen oder gefährdeten individuellen Rechtsgüter und allgemeinen Zielsetzungen ließen sich zwanglos den in der Charta der Vereinten Nationen umrissenen allgemeinen Zielen und Grundsätzen zuordnen, etwa unter den Gesichtspunkten der Wahrung der internationalen Sicherheit, der Achtung und Schutz der Menschenrechte, der Entwicklung und Einhaltung des Völkerrechts oder der Achtung der nationalen Souveränität von Staaten. Auch die Handlungen des Antragstellers stelle ein Zuwiderhandeln gegen die Grundsätze der Vereinten Nationen dar. Nach den Feststellungen im Urteil des Amtsgerichts Passau habe er sich der gewerbsmäßigen Einschleusung von Ausländern schuldig gemacht, in zwei Fällen mittels einer das Leben gefährdenden Behandlung, und dabei im Auftrag einer Schleuserorganisation gehandelt. Durch die Schleusung habe er die entsprechenden Einreisebestimmungen und -mechanismen umgangen und ausgehebelt. In dem im Strafurteil festgestellten Verhalten liege ein Zuwiderhandeln gegen die Ziele und Grundsätze der Vereinten Nationen. Dementsprechend sei nach § 4 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 AsylG auch die Zuerkennung des subsidiären Schutzes ausgeschlossen. Angesicht der sehr schlechten wirtschaftlichen Lage in Syrien und der mitunter stark eingeschränkten Grundversorgung und den Möglichkeiten zur Überlebenssicherung sei jedoch ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 AufenthG festzustellen.

Gegen diesen Bescheid, zugestellt am 15. März 2024, hat der Kläger am 25. März 2024 Klage erhoben und einen Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes gestellt.

Eine Klage- oder Antragsbegründung liegt nicht vor.

Der Antragsteller beantragt wörtlich,

die aufschiebende Wirkung der Klage anzuordnen.

Die Antragsgegnerin beantragt,

den Antrag abzulehnen.

Sie bezieht sich zur Begründung auf den angegriffenen Bescheid.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten im Übrigen wird auf die Gerichtsakte und den beigezogenen Verwaltungsvorgang Bezug genommen.

II.

Der Antrag auf die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes hat Erfolg.

Der Antrag ist zulässig. Die Einzelrichterin versteht den wörtlich gestellten Antrag, die aufschiebende Wirkung der Klage anzuordnen, bei verständiger Auslegung des Antragsbegehrens (§§ 88, 122 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung (im Folgenden: VwGO)) dahingehend, dass die Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage lediglich gegen den in Ziffer 1 des streitgegenständlichen Bescheides vom 7. März 2024 erfolgten Widerruf der Flüchtlingseigenschaft begehrt wird. Insoweit ist der Antrag nach § 80 Abs. 5 Satz 1 Alt. 1 i.V.m. Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO statthaft, weil das Bundesamt seine Widerrufsentscheidung auf § 73 Abs. 5 i.V.m. § 3 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 AsylG gestützt hat und die Klage daher gemäß § 75 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AsylG keine aufschiebende Wirkung hat. Der Antrag ist zudem fristgemäß gestellt. Schließlich ist auch das Rechtsschutzbedürfnis für den Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz gegeben. Soweit das Bundesamt im streitgegenständlichen Bescheid in Ziffer 3 zwar ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 AufenthG hinsichtlich Syrien festgestellt hat und der Antragsteller damit faktisch die Bundesrepublik Deutschland nicht verlassen muss, verschlechtert sich durch den Widerruf der Flüchtlingseigenschaft aber dennoch seine Rechtsposition. Denn mit dem Widerruf der Flüchtlingseigenschaft droht dem Antragsteller auch der Widerruf seiner Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 2 AufenthG. Soweit der Antragsteller zwar aufgrund des festgestellten Abschiebungsverbotes eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 3 AufenthG erlangen kann, ist diese Regelung lediglich als Soll-Vorschrift gefasst und enthält Ausschlussgründe, die u.a. auch ein Zuwiderlaufen gegen die Ziele und Grundsätze der Vereinten Nationen zum Gegenstand haben. Der Antragsteller ist insoweit zumindest rechtlich beschwert ist.

Der Antrag ist in der Sache auch begründet.

Ein Antrag nach § 80 Abs. 5 Satz 1 Alt. 1 VwGO auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage ist begründet, wenn im Rahmen einer Abwägung das Aussetzungsinteresse des Antragstellers das öffentliche Interesse an der Vollziehung des angegriffenen Verwaltungsaktes überwiegt. Dies beurteilt sich maßgeblich nach den Erfolgsaussichten des in der Hauptsache eingelegten Rechtsbehelfs. Ein überwiegendes Interesse des Antragstellers an der Aussetzung der sofortigen Vollziehung ist in der Regel gegeben, wenn sich im Rahmen einer summarischen Prüfung ergibt, dass der angegriffene Verwaltungsakt offensichtlich rechtswidrig ist.

Nach summarischer Prüfung zum maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung (§ 77 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 AsylG) erweist sich die vom Bundesamt in Ziffer 1 des Bescheides getroffene Widerrufsentscheidung als rechtswidrig.

Rechtsgrundlage für den Widerruf ist vorliegend § 73 Abs. 5 AsylG. Danach ist die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft zu widerrufen, wenn der Ausländer von der Erteilung nach § 3 Abs. 2 bis 4 oder nach § 4 Abs. 2 oder 3 AsylG hätte ausgeschlossen werden müssen oder ausgeschlossen ist.

Das Bundesamt stützt seine Widerrufsentscheidung auf § 3 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 AsylG. Gemäß § 3 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 AsylG ist ein Ausländer nicht Flüchtling im Sinne des Gesetzes, wenn aus schwerwiegenden Gründen die Annahme gerechtfertigt ist, dass er den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen zuwidergehandelt hat.

Diese Voraussetzungen liegen hier jedoch nicht vor.

Der Ausschlussgrund des § 3 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 AsylG setzt den gleichlautenden Art. 12 Abs. 2 lit. c der Richtlinie 2011/95/EU (vormals Richtlinie 2004/83/EG) - sog. QualifikationsRL - um. Art. 12 Abs. 2 lit. c QualifikationsRL entspricht wiederum im Wesentlichen Art. 1 F lit. c der Genfer Flüchtlingskonvention (im Folgenden: GFK) (siehe EuGH, Urteil vom 31. Januar 2017 - C-573/14 -, juris Rn. 43; Marx, AsylG, 11. Aufl., § 3 Rn. 35). Nach dem 31. Erwägungsgrund der QualifikationsRL (vormals 22. Erwägungsgrund) sind Handlungen im Widerspruch zu den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen in der Präambel und in den Artikeln 1 und 2 der Charta der Vereinten Nationen dargelegt. Im Erwägungsgrund wird zudem explizit auf die Resolutionen der Vereinten Nationen zu Antiterrormaßnahmen verwiesen, worin erklärt wird, dass die "Handlungen, Methoden und Praktiken des Terrorismus im Widerspruch zu den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen stehen" und dass die "wissentliche Finanzierung und Planung terroristischer Handlungen sowie die Anstiftung dazu ebenfalls im Widerspruch zu den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen stehen" (vgl. auch EuGH, Urteil vom 31. Januar 2017 - C-573/14 -, juris Rn. 45; BVerwG, Urteil vom 19. November 2013 - 10 C 26/12 -, juris Rn. 12). Erforderlich für eine unter den Ausschlussgrund fallende Handlung ist, dass diese in einem allgemein anerkannten internationalen Übereinkommen der Vereinten Nationen in Form einer Resolution, Erklärung oder eines Abkommens als den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nation zuwiderlaufend erklärt wird. Dazu zählen z.B. Verbrechen, die den internationalen Frieden, die internationale Sicherheit sowie die friedlichen Beziehungen zwischen den Staaten beeinträchtigen, sowie ernsthafte und andauernde Verletzungen der Menschenrechte. Allerdings ist die Ausschlussklausel kein Auffangtatbestand für Handlungen, die nicht unter Art. 1 F lit. a und lit. b GFK bzw. § 3 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 und Nr. 2 AsylG fallen. Soweit sich der Entstehungsgeschichte des Art. 1 F lit. c GFK entnehmen lässt, dass dieser ursprünglich auf Personen zielt, die einen Bezug zum Staat haben und eine gewisse Machtposition besitzen (z.B. Staatsoberhäupter, Minister oder hohe Beamte), kann dies auch als Hinweis für die Auslegung der Ausschlussklausel des § 3 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 AsylG herangezogen werden. Beweggrund für den Ausschlussgrund nach der Genfer Flüchtlingskonvention war es zu verhindern, dass ein Staat ein ehemaliges Staatoberhaupt aus einem anderem Staat aufnehmen muss, welches ursprünglich als Verfolger agiert und Verbrechen gegen die Menschlichkeit begangen hat und nunmehr bspw. wegen eines Regierungswechsels selbst zum Flüchtling wurde. Der Kreis der Verantwortlichen soll daher eng gezogen werden. Zwar kann der Täterkreis auch auf Einzelpersonen erstreckt werden, die in einer staatsähnlichen Organisation über eine staatliche Verantwortlichkeit vergleichbare Machtposition verfügen. Eine Anwendung auf den Drogenhandel oder den Menschhandel sieht der UNHCR aber als verfehlt an. Auch sieht z.B. die kanadische Rechtsprechung den Anwendungsbereich der Ausschlussklausel des Art. 1 F lit. c GFK im Bereich des Drogenhandels als nicht erfüllt an, da dieser zwar ein überaus ernsthaftes Problem darstellt und die Vereinten Nationen hiergegen auch außergewöhnliche Anstrengungen unternommen haben, es sich dabei aber nicht um eine ernsthafte und andauernde Verletzung von Menschenrechten handelt (zum Vorstehenden: Marx, AsylG, 11. Aufl., § 3 Rn. 36 ff. m. w. N.; vgl. auch Bergmann, in: Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, 14. Aufl., § 3 AsylG Rn. 9 zu anhaltende Menschenrechtsverletzungen und Handlungen, die von der internationalen Gemeinschaft eindeutig als Zuwiderhandlungen gegen die Ziele und Grundsätze der Vereinten Nationen identifiziert und akzeptiert wurden, unter Bezugnahme auf den UK Supreme Court).

Nach diesem Maßstab kann der Widerruf der Flüchtlingseigenschaft auf Grundlage der hier vorliegenden strafgerichtlich festgestellten gewerbsmäßigen Einschleusung von Ausländern nicht als den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen zuwiderlaufend eingestuft werden. Der Antragsteller hat weder eine staatliche oder staatsähnliche Machtposition ausgefüllt noch hat er Handlungen im Bereich des internationalen Terrors begangen. Das gewerbsmäßige Einschleusen von Ausländern läuft - entgegen den Ausführungen des Bundesamtes im Bescheid - nicht den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen zuwider.

Soweit sich das Bundesamt dafür zunächst auf die Resolutionen der Vereinten Nationen zu Antiterrormaßnahmen und die dazu ergangene Rechtsprechung beruft, trägt dieser Vergleich nicht. Zwar haben der Europäische Gerichtshof und das Bundesverwaltungsgericht im Hinblick auf die Zugehörigkeit zu einer internationalen Terrororganisation die Ausschlussklausel bejaht und dabei die Handlungen unabhängig von der Beteiligung eines Staates als den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen zuwiderlaufend eingestuft (siehe EuGH, Urteil vom 9. November 2010 - C-57/09 und C-101/09 -, juris Rn. 82 ff.; BVerwG, Urteil vom 7. Juli 2011 - 10 C 26.10 -, juris Rn. 28). Allerdings sind Grundlage dieser Rechtsprechung die Resolutionen zu 1373 (2001) und 1377 (2001) des Sicherheitsrats der Vereinten Nationen, denen zu entnehmen ist, dass dieser von dem Grundsatz ausgeht, dass Handlungen des internationalen Terrorismus in einer allgemeinen Weise und unabhängig von der Beteiligung eines Staates den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen zuwiderlaufen. So ist in der Resolution zu 1373 (2001) u.a. wörtlich festgehalten, "dass diese Handlungen [Anm.: die Terroranschläge vom 11. September 2001], wie jede Handlung des internationalen Terrorismus, eine Bedrohung des Weltfriedens und der internationalen Sicherheit darstellen". Damit haben die Vereinten Nationen wortwörtlich die Ziele aus Art. 1 Nr. 1 der Charta der Vereinten Nationen, namentlich Weltfrieden und internationale Sicherheit, benannt.

Eine gleichlautende und eindeutige Bezugnahme auf die Ziele der Vereinten Nationen für den Bereich der Schleusertätigkeit fehlt aber bislang. Zwar haben die Vereinten Nationen ein Übereinkommen gegen grenzüberschreitende organisierte Kriminalität mit einem Zusatzprotokoll gegen die Schleusung von Migranten auf dem Land-, See- und Luftweg erlassen (Protocol against the Smuggling of Migrants by Land, Sea and Air, supplementin the United Nations Convention against Transnational Organized Crime vom 15.11.2000). Darin findet sich aber keine eindeutige Aussage, dass die Schleusertätigkeit gegen die Ziele und Grundsätze in der Präambel oder in Art. 1 oder 2 der Charta der Vereinten Nationen verstößt; vielmehr zielt das Zusatzprotokoll auf den Schutz der eingeschleusten Migranten. Auch die vom Bundesamt angeführte Entscheidung eines Ausschusses des Sicherheitsrats aus dem Jahr 2018 betraf nur einen Einzelfall, ohne dass dabei ein generelles Zuwiderlaufen des Menschenschleusens gegen die Ziele und Grundsätze festgestellt wurde. Ebenso führt die Resolution Nr. 30-1 Strengthening international cooperation in addressing the smuggling of migrants aus dem Jahr 2021 von der Commission on Crime Prevention and Criminal Justice lediglich allgemein aus und enthält keine solche explizite Feststellung wie in den Resolutionen zu den Antiterrormaßnahmen. Zwar haben die Vereinten Nationen damit - ähnlich wie beim Drogenhandel -die Problematik des Menschenschleusens erkannt und wollen dem durch die jeweiligen Übereinkommen und Handlungen entgegenwirken. Es ist aber zumindest im entscheidungserheblichen Zeitpunkt kein Akt der Vereinten Nationen ersichtlich, der in vergleichbarer Weise wie die Resolutionen zu den Antiterrormaßnahmen das Menschenschleusen als Zuwiderlaufen gegen die Ziele und Grundsätze der Vereinten Nationen (z.B. als eine ernsthafte und andauernde Verletzung von Menschenrechten) erklärt (im Ergebnis so auch VG Hannover, Beschluss vom 18.04.2024 - 12 B 1127/24 -, n.v.). Der insoweit restriktiv auszulegende Anwendungsbereich des § 3 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 AsylG ist nicht erfüllt.

Da andere Widerrufsgründe nach summarischer Prüfung nicht ersichtlich sind, erweist sich die in Ziffer 1 des Bescheides getroffene Widerrufsentscheidung als rechtswidrig.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO i.V.m. § 83b AsylG.

Dieser Beschluss ist nicht anfechtbar (§ 80 AsylG).