Verwaltungsgericht Hannover
Beschl. v. 08.05.2024, Az.: 5 B 371/24

Bekanntgabe; Eignungszweifel; Fahrerlaubnis; Rücknahme; Verwaltungsakt; Wiedererteilung; Fahrerlaubnis; abgelehnt; Neuerteilung der Fahrerlaubnis; Rechtswidrigkeit der Neuerteilung; Rücknahme des Neuerteilungsaktes nach landesrechtlichen Vorschriften

Bibliographie

Gericht
VG Hannover
Datum
08.05.2024
Aktenzeichen
5 B 371/24
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2024, 20160
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:VGHANNO:2024:0508.5B371.24.00

Amtlicher Leitsatz

Die landesrechtlichen Vorschriften über die Rücknahme rechtswidriger Verwaltungsakte (§ 48 Abs. 1 VwVfG) werden nicht in jedem Fall durch die bundesrechtlichen Vorschriften über die Entziehung der Fahrerlaubnis verdrängt (vgl. auch VG Oldenburg, Urt. v. 1.2.2024 - 7 A 2441/20, juris).

Tenor:

Der Antrag wird abgelehnt.

Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.

Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 3.750,00 EUR festgesetzt.

Gründe

I.

Der Antragsteller begehrt die Herausgabe eines Führerscheins für die Klasse D.

Der Antragsteller ist als Disponent und Prokurist bei einem u.a. im Linien- und Schulbusbetrieb tätigen Unternehmen angestellt. Im Jahr 2018 wurde ihm die Fahrerlaubnis für die Klassen AM, A1, A, B, BE, C1, C1E, C, CE, D1, D1E, D, DE und L entzogen, weil sein Punktestand nach diversen Eintragungen im Fahrerlaubnisregister acht Punkte überschritten hatte.

Der Antragsteller ist in der Folge im selben Jahr in mehreren Fällen wegen Fahrens ohne Fahrerlaubnis strafrechtlich in Erscheinung getreten und wurde im Jahr 2019 vom Amtsgericht D. zu einer Geldstrafe verurteilt. Vom Gericht wurde eine Fahrerlaubnissperre von sechs Monaten festgesetzt. Ebenfalls wurde er wegen Fahrens ohne Fahrerlaubnis vom Amtsgericht E. verurteilt.

Noch im Jahr 2018 stellte der Antragsteller einen Antrag auf Neuerteilung der Fahrerlaubnis bei der Antragsgegnerin, die die Vorlage eines medizinisch-psychologischen Gutachtens anforderte. Der Antragsteller nahm den Antrag daraufhin zurück und stellte einen neuen Antrag. Die Antragsgegnerin forderte, nachdem sie den Antragsteller darauf hingewiesen hatte, dass sie den Ausgang gegen ihn geführter Ermittlungsverfahren abwarte und dieser erneut einen Antrag auf Neuerteilung der Fahrerlaubnis gestellt hatte, im Jahr 2022 wiederholt die Vorlage eines medizinisch-psychologischen Gutachtens an. Der Antragsteller nahm den Antrag abermals zurück.

Im Jahr 2022 ist der Antragsteller erneut wegen Fahrens ohne Fahrerlaubnis strafrechtlich in Erscheinung getreten.

Unter dem 5. Januar 2023 stellte der Antragsteller erneut einen Antrag auf Neuerteilung der Fahrerlaubnis. Die Antragsgegnerin forderte den Antragsteller mit Schreiben vom 4. April 2023 zur Vorlage eines medizinisch-psychologischen Gutachtens bis zum 4. August 2023 auf. Sie nahm Bezug auf die Verurteilungen des Antragstellers. Die Straftaten stünden in direktem Zusammenhang mit dem Straßenverkehr. Insbesondere sei von Bedeutung, dass der Antragsteller wiederholt Kraftfahrzeuge, zum Teil mit Fahrgästen besetzte Kraftomnibusse, im öffentlichen Straßenverkehr geführt habe, obwohl ihm bewusst gewesen sei, dass ihm die Fahrerlaubnis entzogen worden sei. Er habe durch dieses Verhalten eine rechtsfeindliche Einstellung, mindestens zu den Straßenverkehrsvorschriften, zum Ausdruck gebracht. Die Begutachtungsfragen lauteten:

1. Ist zu erwarten, dass der Untersuchte auch zukünftig gegen verkehrsrechtliche Bestimmungen verstoßen wird?

2. Ist aufgrund der Straftaten zu erwarten, dass der Untersuchte künftig Straftaten im Zusammenhang mit dem Straßenverkehr oder im Zusammenhang mit der Fahreignung begehen wird?

3. Kann der Untersuchte die besondere Verantwortung bei der Beförderung von Fahrgästen gewährleisten?

Am 31. Mai 2023 führte der Antragsteller erneut ein Kraftfahrzeug im öffentlichen Straßenverkehr, ohne über die erforderliche Fahrerlaubnis zu verfügen. Gegen ihn wurde infolge dessen ein Ermittlungsverfahren eingeleitet.

Der Antragsteller ließ sich am 17. Juli 2023 medizinisch-psychologisch begutachten und legte das Gutachten der F. GmbH vom 1. August 2023 der Antragsgegnerin vor. Die Gutachter kamen zu folgendem Ergebnis:

Es ist nicht zu erwarten, dass Herr G. auch zukünftig erheblich gegen verkehrsrechtliche Bestimmungen verstoßen wird.

Es ist trotz der Straftaten nicht zu erwarten, dass Herr G. künftig Straftaten im Zusammenhang mit dem Straßenverkehr oder im Zusammenhang mit der Fahreignung begehen wird.

Herr G. kann die besondere Verantwortung bei der Beförderung von Fahrgästen gewährleisten.

Als Grundlage der Untersuchung wurden folgende Daten aus der Führerscheinakte im Gutachten als bedeutsam angegeben:

12. Februar 2015: Überschreiten der zulässigen Höchstgeschwindigkeit innerhalb geschlossener Ortschaften von 50 km/h um 38 km/h

9. Oktober 2015: Überschreiten der zulässigen Höchstgeschwindigkeit innerhalb geschossener Ortschaften von 50 km/h um 22 km/h

13. August 2015: Reifenmängel (Omnibus)

1. Oktober 2016: Überschreiten der zulässigen Höchstgeschwindigkeit innerhalb geschlossener Ortschaften von 50 km/h um 22 km/h

16. Oktober 2016: Überschreiten der zulässigen Höchstgeschwindigkeit außerhalb geschlossener Ortschaften von 60 km/h um 49 km/h

28. November 2016: Überschreiten der zulässigen Höchstgeschwindigkeit außerhalb geschlossener Ortschaften von 70 km/h um 40 km/h

16. Mai 2017: Überschreiten der zulässigen Höchstgeschwindigkeit innerhalb geschlossener Ortschaften von 50 km/h um 12 km/h

9. April 2018: Entzug der Fahrerlaubnis (9 Punkte)

16. April 2018: Vorsätzliches Fahren ohne Fahrerlaubnis

18. April 2018: Vorsätzliches Fahren ohne Fahrerlaubnis

20. April 2018: Vorsätzliches Fahren ohne Fahrerlaubnis

11. Juli 2018: Vorsätzliches Fahren ohne Fahrerlaubnis

12. Juli 2018: Vorsätzliches Fahren ohne Fahrerlaubnis

17. Juli 2018: Vorsätzliches Fahren ohne Fahrerlaubnis

10. September 2018: Vorsätzliches Fahren ohne Fahrerlaubnis

28. März 2022: Vorsätzliches Fahren ohne Fahrerlaubnis, Ermittlungsverfahren gegen Geldauflage eingestellt

12. Januar 2023: Führungszeugnis: 10. September 2018: Vorsätzliches Fahren ohne Fahrerlaubnis in 5 Fällen

Der Antragsteller gab während der Begutachtung u.a. an (wörtliche Zitate aus dem medizinisch-psychologischen Gutachten):

"Er sei regelmäßig ohne Führerschein mit dem Pkw und dem Bus gefahren. Er habe aus Personalrot. Linienbusfahrten gemacht. Er sei aus Bequemlichkeit mit dem Pkw zur Arbeit oder nach Hause gefahren. Er habe keine Spaßfahrten gemacht."

Zum Anstoß für seine Veränderungen gab er an:

"Durch die MPU 2022 habe er erkannt, dass er nicht herablassend behandelt worden sei und trotzdem nicht bestanden habe. Die Gespräche mit Herrn H. hätten ihm die Augen geöffnet. Er hätte jemanden umbringen können Er tue sich selbst gut, dass er das angenommen und eine neue Sichtweise bekommen habe. Er sei genügsam mit dem, was er habe. Er lebe von den Errungenschaften der letzten zwanzig Jahre."

Der Antragsteller legte bei der Begutachtung weder offen, dass er im Mai 2023 ohne Fahrerlaubnis ein Fahrzeug geführt hatte, noch, dass gegen ihn aus diesem Grund ein Ermittlungsverfahren eingeleitet wurde.

Unter dem 7. August 2023 teilte die Antragsgegnerin dem Antragsteller mit, dass ihm die Fahrerlaubnis der Klassen AM, A1 (eingeschränkt durch Schlüsselzahlen 79.03, 79.04), A (eingeschränkt durch Schlüsselzahlen 79.03, 79.04), B, BE, C1, C1E, L und T ab sofort erteilt werden könne, wofür er sich während der Öffnungszeiten ohne Termin bei der Fahrerlaubnisbehörde einfinden könne. Für die Neuerteilung der Fahrerlaubnis für die Klassen C, CE, D1E, D1, D und DE sei zusätzlich erforderlich, dass er die theoretische und praktische Befähigungsprüfung ablege.

Dem Antragsteller wurde die Fahrerlaubnis für die Klassen AM, A1, A, B, BE und L neu erteilt und ein Prüfauftrag für die Klassen C, CE, D1E, D1, D und DE an den TÜV Nord übermittelt.

Im Verwaltungsvorgang ist ein vom 30. November 2023 datiertes und an den Antragsteller adressiertes Schreiben der Antragsgegnerin mit folgendem Inhalt enthalten:

"Sehr geehrter Herr G.,

Sie haben die Erteilung einer Fahrerlaubnis beantragt. Die Staatsanwaltschaft D. hat uns mitgeteilt, dass gegen Sie ein Strafverfahren wegen Fahrens ohne Fahrerlaubnis (Straftat vom 31.05.2023) eingeleitet wurde. Deshalb haben wir zurzeit Bedenken an Ihrer Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen. Wir haben den Prüfauftrag daher zunächst vom TÜV Nord zurückgezogen, so dass Sie derzeit keine Prüfungen ablegen können. Wir werden Ihren Antrag daher erst weiterbearbeiten, wenn das Strafverfahren abgeschlossen ist. Bitte reichen Sie uns dafür zu gegebener Zeit die rechtskräftige Entscheidung des Gerichtes bzw. der Staatsanwaltschaft bzw. die Einstellungsmitteilung ein. Anschließend prüfen wir, ob wir weitere Maßnahmen einleiten werden."

Im Verwaltungsvorgang ist ebenfalls ein vom 1. Dezember 2023 datiertes und an den Antragsteller adressiertes Schreiben der Antragsgegnerin mit im wesentlichen gleichem Inhalt enthalten. Dort wird Bezug auf den Antrag für die Neuerteilung der Fahrerlaubnis für die Klassen DE und D genommen.

Am 1. Dezember 2023 wurde der Antragsteller bei der Fahrerlaubnisbehörde der Antragsgegnerin vorstellig. Zwischen den Beteiligten ist der Ablauf des Besuchs im Detail streitig. Einigkeit besteht darüber, dass der Antragsteller einer Mitarbeiterin der Fahrerlaubnisbehörde seinen Führerschein aushändigte und diese ihn zunächst auf ihren Schreibtisch legte. Sie überreichte dem Antragsteller einen vorläufigen Nachweis der Fahrerlaubnis. Dieser zahlte eine Gebühr i.H.v. 10,00 EUR. Einigkeit besteht weiterhin darüber, dass ein anderer Mitarbeiter dem Antragsteller den vorläufigen Nachweis der Fahrerlaubnis am selben Tage wieder abnahm und ihm mitteilte, dass zunächst die rechtskräftige Entscheidung des Gerichts aufgrund des gegen ihn eingeleiteten Ermittlungsverfahrens wegen Fahrens ohne Fahrerlaubnis abgewartet werden müsse. Dies wurde dem Antragsteller schriftlich bestätigt. Dem Antragsteller wurde die entrichtete Gebühr zurückerstattet.

Der Antragsteller forderte die Antragsgegnerin unter dem 11. Dezember 2023 schriftlich zur Aushändigung der "Fahrerlaubnis" auf. Dies lehnte die Antragsgegnerin unter Hinweis auf das laufende Ermittlungsverfahren ab.

Daraufhin hat der Antragsteller unter dem 25. Januar 2024 um gerichtlichen Eilrechtsschutz nachgesucht.

Am 15. Februar 2024 wurde der Antragsteller vom Amtsgericht D. wegen der Straftat vom 31. Mai 2023 zu einer zweimonatigen Freiheitsstrafe verurteilt, die zur Bewährung ausgesetzt wurde. In dem Urteil heißt es: "Von Führerscheinmaßnahmen wurde Rücksicht darauf, dass der Angeklagte aufgrund eines positiven Medizinisch-Psychologischen Gutachtens seine Fahrerlaubnis inzwischen wiedererlangt und sich in der Hauptverhandlung einsichtig gezeigt hat, ausnahmsweise noch einmal abgesehen."

Zur Begründung des Eilantrags trägt der Antragsteller im Wesentlichen vor:

Er sei am 1. Dezember 2023 bereits auf dem Weg zu seinem Kraftfahrzeug gewesen, als ihm aufgefallen sei, dass auf dem vorläufigen Nachweis der Fahrerlaubnis die für die Personenbeförderung erforderliche Schlüsselzahl 95 gefehlt habe. Er sei daraufhin zurückgegangen und habe darauf hingewiesen. Die Mitarbeiterin der Fahrerlaubnisbehörde habe einen Kollegen konsultiert. Dieser Kollege habe dem Antragsteller sodann eröffnet, dass "der Ausgabestelle ein Fehler unterlaufen sei" und der vorläufigen Nachweis der Fahrerlaubnis dem Antragsteller nicht hätte ausgehändigt werden dürfen. Er habe den vorläufigen Nachweis der Fahrerlaubnis zurückverlangt und ihm den zunächst entgegengenommenen Führerschein wieder ausgehändigt. Zudem habe er zugesichert, ihm die Gebühr zurück zu erstatten.

In rechtlicher Hinsicht ist der Antragsteller der Auffassung, ihm sei die Fahrerlaubnis neu erteilt worden. Der beschriebene Vorgang stelle - insbesondere aus der Sicht des Empfängers - den wirksamen Erlass eines Verwaltungsakts dar. Ein Bescheid, durch welchen dieser (wieder) aufgehoben worden sei, liege nicht vor. Zudem habe er seine Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen durch die Vorlage der positiven medizinisch-psychologischen Untersuchung nachgewiesen. Auch sei die Antragsgegnerin bzgl. der Frage der Eignung des Antragstellers zum Führen von Kraftfahrzeugen an die Ausführungen im Urteil des Amtsgerichts D. gebunden, was aus § 3 Abs. 4 StVG folge. Das Gericht habe ihn gerade nicht als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen angesehen.

In einem (verwaltungs-)gerichtlichen Erörterungstermin am 16. April 2024 trug der Antragsteller ergänzend vor, er sei nicht verpflichtet gewesen, den Umstand der Einleitung eines erneuten Ermittlungsverfahrens gegen ihn bei der medizinisch-psychologischen Untersuchung offenzulegen. Er sei "Profi", wenn es um medizinisch-psychologische Untersuchungen gehe. Er habe nicht gelogen, da er bei der Untersuchung zugegeben habe, "regelmäßig" ohne Fahrerlaubnis gefahren zu sein und diese Aussage zeitlich nicht eingeschränkt habe. Dem Gutachter habe deswegen "klar sein müssen", dass er - der Antragsteller - nicht nur in den Situationen, in denen er "erwischt" worden sei, ohne Fahrerlaubnis gefahren sei, sondern dass es weitere Vorfälle dieser Art gegeben habe.

Der Antragsteller beantragt sinngemäß,

die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, ihm den Führerschein mit der eingetragenen Klasse D herauszugeben.

hilfsweise, die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, ihm die Fahrerlaubnis der Klasse D neu zu erteilen.

Die Antragsgegnerin beantragt,

den Antrag abzulehnen.

Zur Begründung trägt sie im Wesentlichen vor: Dem Antragsteller sei der vorläufige Nachweis der Fahrerlaubnis nicht "im Rechtssinne ausgehändigt worden". In Fällen, in denen der Aushändigung eines Führerscheins "nichts im Wege" stehe, werde an der Information der alte Führerschein in Empfang genommen, durch Lochen entwertet und der vorläufige Nachweis der Fahrerlaubnis ausgehändigt. In Fällen, in denen inhaltliche Fragen offen seien, werde der Betreffende mit seinem alten Führerschein zu dem zuständigen Mitarbeiter geschickt. Der vorläufige Nachweis der Fahrerlaubnis werde dabei als eine Art "Laufzettel" mitgegeben.

Zum Ablauf der Geschehnisse am 1. Dezember 2023 gab die an der Information tätige Mitarbeiterin der Fahrerlaubnisbehörde Frau I. wörtlich an:

"Herr G. sprach am 01.12.2023 bei mir an der Information zur Neuerteilung der Klasse D vor.

Ich bat ihn um seinen Ausweis, den bisherigen Führerschein und die Prüfbescheinigung.

Als ich alle Dokumente hatte, habe ich ihn mir im Programm aufgerufen. Ich habe einen Hinweis im System gelesen, dass der Prüfauftrag am 30.11.23 wegen eines laufenden Strafverfahrens vom TÜV zurückgezogen wurde. In dem Moment war mir nicht bewusst, dass dieser Hinweis einen Tag zuvor geschrieben wurde. Ich bin also davon ausgegangen, dass wenn mir die Prüfbescheinigung vom TÜV vorliegt, der TÜV auch berechtigterweise geprüft hat. Leider habe ich auch nicht auf das Datum auf der Prüfbescheinigung geachtet. Daraufhin habe ich dann Herrn G. die Klasse D neu erteilt. Den Erhalt der vorläufigen Fahrberechtigung unterschrieb er auch und ich händigte ihm die vorläufige Fahrberechtigung für Klasse D aus. Seinen bisherigen Führerschein habe ich erstmal nicht entwertet und bei mir am Platz liegen lassen.

Mir kam alles etwas seltsam vor und ich habe mich bei der Ausstellung etwas unsicher gefühlt, daher habe ich Herrn G. nochmals eine Wartenummer gegeben und ihm gesagt, dass wir den Sachverhalt nochmal klären müssen, da ich mir unsicher war.

Er wurde dann von Frau J. aufgerufen. Diese holte sich Herrn K. zur Hilfe, da Frau L. nicht im Hause war. Was im Büro bei Frau J. besprochen wurde, habe ich nicht mitbekommen, da ich weiterhin an der Information war. Im Laufe der Bearbeitung kam Herr K. zu mir und fragte, ob ich den alten Führerschein von Herrn G. noch hätte. Ich gab ihm diesen mit, damit er ihn Herrn G. wieder aushändigen konnte."

Frau J. gab wörtlich an:

"Am 01.12.2023 war ich in der Bedienung eingeteilt und habe Herrn G. als spontanen Kunden, welcher von der Information eingebucht wurde, aufgerufen.

Frau I. hatte Herrn G. als spontanen Kunden noch einmal eingebucht, da er noch Fragen bezüglich des Fahrerqualifizierungsnachweis hatte.

Als ich mir den Sachverhalt im System aufgerufen habe, war ich unsicher über die Erteilung der Klasse D und einem damit verbundenen Fahrerqualifizierungsnachweis, da im System der Vermerk hinterlegt war, dass Fahren ohne Fahrerlaubnis vorliegt und dass der Prüfauftrag für die Klassen D und DE vom TÜV zurückgefordert wurde.

Um die Angelegenheit zu klären, habe ich Herrn K. aufgesucht, da Frau L. an dem Tag nicht anwesend war. Herr K. ist daraufhin mit mir zu Herrn G., um ihm die vorläufige Fahrberechtigung für die Klasse D wieder zu entziehen und ihm den bisherigen Kartenführerschein für die Kassen B und BE wieder auszuhändigen, den er von Frau I. bekommen hat.

Herr K. händigte Herrn G. ebenfalls das Schreiben bezüglich der Rücknahme des Prüfauftrages aus und teilte ihm mit, dass wir zunächst die rechtskräftige Entscheidung des Gerichts abwarten müssen."

Die Antragsgegnerin trägt weiter vor, selbst wenn dem Antragsteller die Fahrerlaubnis im Rechtssinne erteilt worden sei, stelle die Rückgabe des vorläufigen Nachweises der Fahrerlaubnis durch den Antragsteller sowie die Rückerstattung der Gebühr jedenfalls die Aufhebung des entsprechenden Verwaltungsakts dar. Ungeachtet dessen lägen die Voraussetzungen für die Neuerteilung der Fahrerlaubnis derzeit nicht vor: Die Straftat am 31. Mai 2023 entwerte das Ergebnis des medizinisch-psychologischen Gutachtens. Wäre der Vorfall bei Erstellung des Gutachtens bekannt gewesen, wäre es nicht zu der positiven Prognose gekommen. Dies müsse auch im Hinblick auf die Feststellungen im Urteil des Amtsgerichts D. Berücksichtigung finden.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und des beigezogenen Verwaltungsvorgangs Bezug genommen.

II.

Die Entscheidung ergeht durch die Einzelrichterin, der die Kammer den Rechtsstreit mit Beschluss vom 3. Mai 2024 zur Entscheidung übertragen hat (§ 6 Abs. 1 VwGO).

Der zulässige Antrag ist unbegründet.

Nach § 123 Abs. 1 Satz 1 VwGO kann das Gericht auf Antrag eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte, oder auch zur Regelung eines vorläufigen Zustandes, vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen, wenn dies nötig erscheint, um wesentliche Nachteile für den Antragsteller abzuwenden. Nach § 123 Abs. 3 VwGO i. V. m. § 920 Abs. 2, § 294 Abs. 1 ZPO sind dabei sowohl ein Anordnungsanspruch, d. h. der materielle Grund, für den der Antragsteller vorläufig Rechtsschutz sucht, als auch ein Anordnungsgrund, der insbesondere durch die Eilbedürftigkeit der Regelung begründet wird, glaubhaft zu machen.

Der Antragssteller hat bereits keinen Anordnungsanspruch.

Der mit dem Hauptantrag geltend gemachte Herausgabeanspruch setzt voraus, dass die Fahrerlaubnis neu erteilt (1.) und der entsprechende Verwaltungsakt nicht zurückgenommen wurde (2.). Diese Voraussetzungen liegen nicht vor. Zwar hat die Antragsgegnerin die Fahrerlaubnis für die Klasse D neu erteilt, die Neuerteilung jedoch zurückgenommen.

(1.) Die Antragsgegnerin hat dem Antragsteller die Fahrerlaubnis für die Klasse D nach § 2 Abs. 2 Satz 1 StVG i.V.m. § 20 Abs. 1 Satz 1 FeV neu erteilt.

Grundsätzlich wird die Fahrerlaubnis gem. § 22 Abs. 4 Satz 6 Alt. 1 durch die Aushändigung des Führerscheins erteilt. In Fällen, in denen der Führerschein nicht vorliegt, wird die Fahrerlaubnis durch die Aushändigung einer nur im Inland als Nachweis der Fahrerlaubnis geltenden befristeten Prüfungsbescheinigung nach Anlage 8a der FEV (vorläufiger Nachweis der Fahrerlaubnis) erteilt. Durch die Aushändigung wird der Inhalt der Fahrerlaubnis dem Empfänger bekannt gemacht und mit diesem Inhalt nach außen wirksam (vgl. Trésoret in: Freymann/Wellner, jurisPK-Straßenverkehrsrecht, 2. Aufl., Rn. 142 zu § 22 FeV), vgl. auch zur Bekanntgabe von Verwaltungsakten im Übrigen § 41 i.V.m. § 1 NVwVfG (auf diesen Zusatz wird folgend verzichtet). Für die Bekanntgabe von Verwaltungsakten gelten ergänzend zu den Bestimmungen des § 41 VwVfG die zivilrechtlichen Grundsätze über das Wirksamwerden von Willenserklärungen (Baer in: Schoch/Schneider, 4. EL November 2023, Rn. 21 zu § 41 VwVfG). Insbesondere setzt der Erlass eines Verwaltungsakts einen Bekanntgabewillen der Behörde voraus. Der Akt des Erlasses muss von dem Willen der Behörde geleitet sein, gerade diesen Verwaltungsakt gerade diesem Betroffenen gegenüber bekannt zu machen, um dadurch seine Wirksamkeit gegenüber dieser Person zu begründen (Tiedemann in: BeckOK VwVfG, 63. Ed. 1.4.2024, Rn. 4 zu VwVfG).

Diese Voraussetzungen sind vorliegend erfüllt. Die Mitarbeiterin I. der Fahrerlaubnisbehörde der Antragsgegnerin überreichte dem Antragsteller den vorläufigeren Nachweis der Fahrerlaubnis. Diese Handlung war zum Zeitpunkt ihrer Bewirkung auch von einem Bekanntgabewillen getragen. Ausweislich ihrer eignen Angaben wurde der Mitarbeiterin erst nachträglich bewusst, dass der Neuerteilung der Fahrerlaubnis Hindernisse entgegenstanden. So gab sie in ihrer Stellungnahme wörtlich an: "Ich habe einen Hinweis im System gelesen, dass der Prüfauftrag am 30.11.23 wegen eines laufenden Strafverfahren vom TÜV zurückgezogen wurde. In dem Moment war mir nicht bewusst, dass dieser Hinweis einen Tag zuvor geschrieben wurde. Ich bin also davon ausgegangen, dass wenn mir die Prüfbescheinigung vom TÜV vorliegt, der TÜV auch berechtigterweise geprüft hat. Leider habe ich auch nicht auf das Datum auf der Prüfbescheinigung geachtet. Daraufhin habe ich dann Herrn G. die Klasse D neu erteilt. Den Erhalt der vorläufigen Fahrberechtigung unterschrieb er auch und ich händigte ihm die vorläufige Fahrberechtigung für Klasse D aus."

(2.) Der Verwaltungsakt der Neuerteilung wurde jedoch gem. § 48 Abs. 1 Satz 1 VwVfG (konkludent) zurückgenommen.

Dabei ist zunächst zu berücksichtigen, dass die landesrechtlichen Vorschriften über die Rücknahme rechtswidriger Verwaltungsakte (§ 48 Abs. 1 VwVfG) nicht durch die bundesrechtlichen Vorschriften über die Entziehung der Fahrerlaubnis verdrängt werden, so dass eine Rücknahme der Neuerteilung der Fahrerlaubnis hier nach § 48 Abs. 1 Satz 1 VwVfG erfolgen konnte.

Zur Konkurrenz der Normen führt das Verwaltungsgericht Oldenburg mit Urteil vom 1. Februar 2024 (Az. 7 A 2441/20 - juris -) aus:

"Nach § 48 Abs. 1 Satz 1 VwVfG kann ein rechtswidriger Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft oder für die Vergangenheit zurückgenommen werden. Die Entziehung bzw. Rücknahme der Fahrerlaubnis knüpft somit an die ursprünglich rechtswidrig erteilte Fahrerlaubnis an. Nach § 3 Abs. 1 StVG, § 46 FeV hat die Fahrerlaubnisbehörde die Fahrerlaubnis zu entziehen, wenn sich jemand als ungeeignet oder nicht befähigt zum Führen von Kraftfahrzeugen erweist. Diese Vorschriften ermöglichen somit eine Entziehung der Fahrerlaubnis unabhängig von der Rechtmäßigkeit der ursprünglichen Fahrerlaubniserteilung im Falle der festgestellten Nichteignung. Eine Exklusivität dieser Rechtsgrundlagen mit der Folge des Vorrangs der § 3 Abs. 1 StVG, § 46 FeV besteht nach Auffassung des Berichterstatters nicht.

a) Nach (wohl) herrschender obergerichtlicher Auffassung sind indes die Vorschriften der § 3 Abs. 1 StVG, § 46 FeV - jedenfalls sofern die Frage der Eignung zu beurteilen ist - vorrangig vor den landesrechtlichen Vorschriften der § 1 NVwVfG i.V.m. § 48 Abs. 1 VwVfG anzuwenden. Nach dieser Rechtsprechung würden die Vorschriften der § 3 Abs. 1 StVG, § 46 FeV die Entziehung der Fahrerlaubnis nicht nur für den Fall nachträglich eingetretener Umstände, die der Eignung zum Führen eines Kraftfahrzeugs entgegenstehen, ermöglichen, sondern die Entziehung erweise sich auch dann als möglich, wenn die zur Nichteignung führenden Umstände bereits im Zeitpunkt ihrer Erteilung vorlagen (Nds. OVG, Beschluss vom 27. September 1991 - 12 M 7440/91 -, Rn. 2, juris; OVG Hamburg, Beschluss vom 30. Januar 2002 - 3 Bs 4/02 -, Rn. 24, juris; VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 17. Dezember 1991 - 10 S 2855/91 -, Rn. 3, juris; Hess. VGH, Urteil vom 4. Juni 1985 - 2 OE 65/83, NJW 1985, 2900, 2900). Damit knüpft die Entziehung nach § 3 Abs. 1 StVG, § 46 FeV an die gleichen Umstände an, die auch im Rahmen der Prüfung der Rechtmäßigkeit der ursprünglichen Fahrerlaubniserteilung und damit im Rahmen des § 48 Abs. 1 VwVfG zu berücksichtigten wären. Dies hat zur Folge, dass die Vorschriften der § 3 Abs. 1 StVG, § 46 FeV in Konkurrenz zu den landesrechtlichen Vorschriften der § 1 NVwVfG i.V.m. § 48 Abs. 1 VwVfG treten, die nach Art. 31 GG jedenfalls dann zurückzutreten haben, soweit das Bundesrecht abschließende Regelungen trifft. Hieraus schlussfolgert die genannte (wohl) überwiegende Rechtsprechung, dass die Rechtsgrundlagen der § 3 Abs. 1 StVG, § 46 FeV vorrangig vor § 1 NVwVfG i.V.m. § 48 Abs. 1 VwVfG anzuwenden seien, da es sich um eine abschließende Regelung handele. Dies begründet die genannte Rechtsprechung damit, dass bei einer festgestellten Nicht-Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen die Gefahren für die Sicherheit des Straßenverkehrs so schwerwiegend seien, dass die Fahrerlaubnis im Rahmen der § 3 Abs. 1 StVG, § 46 FeV, wonach kein Ermessen eingeräumt ist, zwingend zu entziehen sei und eine - in §§ 48 ff. VwVfG angelegte - Ermessens- und Vertrauensschutzprüfung diesem bundesgesetzgeberischen Schutzinteresse widerspräche (Nds. OVG, Beschluss vom 27. September 1991 - 12 M 7440/91 -, Rn. 2, juris; OVG Hamburg, Beschluss vom 30. Januar 2002 - 3 Bs 4/02 -, Rn. 24, juris; VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 17. Dezember 1991 - 10 S 2855/91 -, Rn. 3, juris; Hess. VGH, Urteil vom 4. Juni 1985 - 2 OE 65/83, NJW 1985, 2900, 2900 [BGH 11.07.1985 - IX ZR 178/84]).

b) Die Vorschriften § 1 NVwVfG i.V.m. §§ 48 ff. VwVfG dürften indes nach der genannten Rechtsprechung dann anwendbar bleiben, wenn die Rücknahme der Fahrerlaubnis nicht an die fehlende Eignung (§ 2 Abs. 2 Nr. 3 StVG) anknüpft, sondern an das Fehlen anderer in § 2 Abs. 2 StVG genannter für die Erteilung einer Fahrerlaubnis erforderlichen Umstände. Hierfür spricht auch die Formulierung des Verordnungsgebers zur StVO in Nr. 206 Anlage (zu § 1) Gebührenordnung für Maßnahmen im Straßenverkehr (GebOSt). Nach dieser Vorschrift werden für die "Entziehung, Widerruf oder Rücknahme einer Fahrerlaubnis" Gebühren erhoben. Damit geht offensichtlich auch das Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung davon aus, dass die Fahrerlaubnis nicht nur gemäß § 3 Abs. 1 StVG, § 46 FeV entzogen, sondern auch gemäß §§ 48 ff. VwVfG widerrufen und zurückgenommen werden kann.

Nach Auffassung des Berichterstatters bleiben die landesrechtlichen Vorschriften der § 1 NVwVfG i.V.m. §§ 48 ff. VwVfG zudem auch dann anwendbar, wenn die Behörde die Rücknahme/Entziehung der Fahrerlaubnis auf eine ursprünglich nicht bestehende Fahreignung stützten möchte. Hierfür spricht, dass die Vorschriften der § 1 NVwVfG i.V.m. §§ 48 ff. VwVfG einerseits und § 3 Abs. 1 StVG, § 46 FeV andererseits nach der bundesverwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung andere zeitliche Anknüpfungspunkte aufweisen (dazu aa]) und insbesondere, dass in diesen Vorschriften eine jeweils andere materielle Beweislastverteilung angelegt ist (dazu bb]). Schließlich ist auch eine Umgehung des gesetzgeberischen Willens nicht ersichtlich (dazu cc]).

aa) Maßgeblicher Zeitpunkt der Beurteilung der Rechtmäßigkeit der angegriffenen Fahrerlaubnisentziehung ist nach ständiger Rechtsprechung des BVerwG die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung (BVerwG, Urteil vom 28. April 2010 - 3 C 2/10 -, BVerwGE 137, 10-20, Rn. 11; Urteil vom 23. Oktober 2014 - 3 C 3/13 -, Rn. 13, juris; Urteil vom 11. April 2019 - 3 C 8/18 -, Rn. 12, juris). Während zwar im streitgegenständlichen Fall auf Grund der zeitlichen Nähe der Entdeckung der Fälschung (24. Juni 2020) zur Einreichung der Fälschung (3. April 2020) unter Umständen auch im Rahmen einer Entziehung nach § 3 Abs. 1 StVG, § 46 FeV noch aus dem - sodann im Juni vorliegenden - negativen Original-Gutachten auf eine fehlende aktuelle Eignung des Klägers hätte geschlossen werden können, dürfte ein solcher Schluss jedenfalls dann nicht mehr möglich sein, wenn nach (Wieder)erteilung der Fahrerlaubnis einige Zeit, unter Umständen Jahre, vergangen ist mit der Folge, dass zum Nachweis der Nichteignung unter Umständen ein erneutes medizinisch-psychologisches Gutachten anzuordnen wäre. Dagegen stellt es sich auf tatbestandlicher Ebene des § 1 NVwVfG i.V.m. § 48 Abs. 1 VwVfG als stets ausreichend dar, dass zum Zeitpunkt der rechtswidrigen (Wieder)Erteilung der Fahrerlaubnis die Eignung nicht festgestellt werden konnte, ein (erneutes) medizinisch-psychologisches Gutachten wäre gerade nicht anzuordnen.

bb) Selbst, wenn man mit der genannten Rechtsprechung annähme, dass ausnahmsweise auch im Rahmen der § 3 Abs. 1 StVG, § 46 FeV auf den Zeitpunkt der Erteilung der Fahrerlaubnis abgestellt werden darf und nicht auf den Zeitpunkt der Entziehung abzustellen ist, begründet dies nach Auffassung des Berichterstatters keinen Vorrang dieser Regelungen.

Zwar würde scheinbar kein Unterschied - jedenfalls sofern nur die Frage der Eignung im Raum steht - zu den im Rahmen des § 48 Abs. 1 VwVfG zu prüfenden Voraussetzungen bestehen, da stets die fehlende Eignung zum Zeitpunkt der (Wieder)Erteilung zu prüfen wäre. Ein nicht unerheblicher Unterschied bleibt indes hinsichtlich der Verteilung der materiellen Beweislast bestehen. Verträte man die Auffassung einer Exklusivität/Vorrangigkeit der § 3 Abs. 1 StVG, § 46 FeV führte dies nämlich dazu, dass im Falle der Entziehung der Fahrerlaubnis nach rechtswidriger (Wieder)Erteilung nach den § 3 Abs. 1 StVG, § 46 FeV dem Bürger die materielle Beweislast dafür abgenommen wäre, dass er bei einer Erst- oder Wiedererteilung der Fahrerlaubnis seine Fahrtauglichkeit nachweisen muss. Ein solches Verständnis wäre mit den im StVG angelegten materiellen Beweislastregeln nicht zu vereinbaren. Zwar liegt die materielle Beweislast auch bei präventiven Verboten mit Erlaubnisvorbehalt regelmäßig beim Staat. Dies gilt jedoch nur insoweit die Grundrechtsausübung zwar für erlaubnisbedürftig erklärt wird und sodann lediglich Umstände angeführt werden, unter denen die Erlaubnis versagt wird. Gestaltet sich das präventive Verbot mit Erlaubnisvorbehalt jedoch - wie im Rahmen der Fahrerlaubniserteilung gemäß § 2 StVG - so, dass die Erlangung der Erlaubnis von der Erfüllung bestimmter Voraussetzungen abhängig gemacht wird, liegt die Beweislast beim Erlaubnisbewerber (Schoch/Schneider/Dawin, 44. EL März 2023, VwGO § 108 Rn. 106; Rebler, NZV 2021, 184, 184). Auch im - hier streitgegenständlichen - Wiedererteilungsverfahren liegt die materielle Beweislast daher beim Wiedererlaubnisbewerber (Rebler, NZV 2021, 184, 185). Dagegen findet sich eine dahingehende materielle Beweislast, die weitere Eignung fortlaufend nachzuweisen, in den Vorschriften für die Entziehung der Fahrerlaubnis gemäß § 3 Abs. 1 StVG, § 46 FeV indes gerade nicht wieder (Rebler, NZV 2021, 184, 185). Die Behörde hat damit die fehlende Eignung nachzuweisen.

cc) Auch die nachvollziehbaren Bedenken, dass der Wille des Bundesgesetzgebers, nämlich die im Interesse der Verkehrssicherheit stehende unbedingte Verpflichtung zur Entziehung der Fahrerlaubnis, bei einer Anwendung der § 1 NVwVfG i.V.m. § 48 Abs. 1 VwVfG keine Berücksichtigung finden würde, führen im Ergebnis zu keiner anderen Bewertung. Die zwingende Verpflichtung, die Fahrerlaubnis gemäß § 3 Abs. 1 StVG, § 46 FeV zu entziehen, wenn dessen Voraussetzungen erfüllt sind, wird nämlich dann nicht unterlaufen, wenn die Bestimmungen der § 1 NVwVfG i.V.m. § 48 Abs. 1 VwVfG und § 3 Abs. 1 StVG, § 46 FeV nicht in einem Exklusivitäts-, sondern einem Alternativ- bzw. Ergänzungsverhältnis stehend verstanden werden. Nach einem solchen Verständnis wäre - sofern die Voraussetzungen der § 3 Abs. 1 StVG, § 46 FeV zum genannten entscheidungserheblichen Zeitpunkt der letzten behördlichen Entscheidung vorliegen - die Fahrerlaubnis zwingend zu entziehen. Es wäre aber auch möglich - sofern (nur/auch) die Voraussetzungen der § 1 NVwVfG i.V.m. § 48 Abs. 1 VwVfG vorliegen - die Fahrerlaubnis zurückzunehmen (in diese Richtung auch Hess. VGH, Urteil vom 4. Juni 1985 - 2 OE 65/83, NJW 1985, 2900, 2900 [BGH 11.07.1985 - IX ZR 178/84]: "Insoweit wird § 48 I HessVwVfG von den entgegenstehenden bundesrechtlichen Bestimmungen über die Entziehung der Fahrerlaubnis verdrängt" [Herv. d. d. Verf.]; auf eine Verdrängung "insoweit" abstellend auch VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 17. Dezember 1991 - 10 S 2855/91 -, Rn. 3, juris).

Damit bestehen nach Auffassung des Berichterstatters solche Anwendungsfälle, in denen die tatbestandlichen Voraussetzungen der § 1 NVwVfG i.V.m. § 48 Abs. 1 VwVfG im Ergebnis weniger voraussetzungsvoll sind als diejenigen des § 3 Abs. 1 StVG, § 46 FeV. Dass § 3 Abs. 1 StVG, § 46 FeV auch solche weniger voraussetzungsvollen Fälle abschließend sperren wollte, ist angesichts des gewichtigen Ziels der Sicherstellung der Verkehrssicherheit nicht ersichtlich. Insbesondere ist nicht ersichtlich, dass derjenige, der sich seine (Wiedererteilung der) Fahrerlaubnis auf unlauteren Wege erschlichen hat, im Rahmen der materiellen Beweislast bessergestellt sein sollte, als derjenige, der sich noch im (Wieder)Erteilungsverfahren befindet. Vor diesem Hintergrund begegnet es nach Auffassung des Berichterstatters auch keinen grundsätzlichen Bedenken, über § 48 Abs. 1 VwVfG - anders als bei § 3 Abs. 1 StVG, § 46 FeV - die Rücknahme von Anfang an (ex tunc) zu ermöglichen. Etwaigen unbilligen bei einer solchen Rücknahme entstehenden Härten können im Rahmen der Vertrauensschutzvorschriften und des Ermessens begegnet werden."

Diese Ausführungen schließt sich die Einzelrichterin vollumfänglich an.

Die Rücknahme ist formlos möglich und nach dem Eilverfahren gebotenen Maßstab summarischer Prüfung rechtmäßig erfolgt. Die Voraussetzungen des § 48 Abs. 1 S. 1 VwVfG liegen vor. Danach kann ein rechtswidriger Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft oder für die Vergangenheit zurückgenommen werden.

Die Neuerteilung war rechtswidrig. Ein Anspruch auf Neuerteilung besteht nach § 2 Abs. 2 Satz 1 des Straßenverkehrsgesetzes (StVG) i. V. m. § 20 Abs. 1 Satz 1 Fall 1 der Verordnung über die Zulassung von Personen zum Straßenverkehr (FeV), wenn die dort geforderten Voraussetzungen erfüllt sind. Nach § 2 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 StVG muss der Bewerber insbesondere zum Führen von Kraftfahrzeugen geeignet sein. Die Eignung besitzt nach § 2 Abs. 4 Satz 1 StVG, § 11 Abs. 1 Satz 1 und 3 FeV, wer die notwendigen körperlichen und geistigen Anforderungen erfüllt und nicht erheblich oder wiederholt gegen verkehrsrechtliche Vorschriften oder gegen Strafgesetze verstoßen hat. Für die Fahrerlaubnisklassen D und D1 und der Fahrerlaubnis zur Fahrgastbeförderung gemäß § 48 muss der Bewerber darüber hinaus die Gewähr dafür bieten, dass er der besonderen Verantwortung bei der Beförderung von Fahrgästen gerecht wird. Gemäß § 11 Abs. 2 FeV kann die Fahrerlaubnisbehörde zur Vorbereitung von Entscheidungen über die Erteilung der Fahrerlaubnis die Beibringung eines ärztlichen Gutachtens durch den Bewerber anordnen, wenn Tatsachen bekannt werden, die Bedenken gegen die körperliche oder geistige Eignung des Fahrerlaubnisbewerbers begründen. Maßstab für die (Wieder-) Erteilung ist folglich das Vorliegen von Zweifeln über die Eignung des Bewerbers. Hier bestanden bei der Antragsgegnerin bereits im Jahr 2022 aufgrund der bis dahin begangenen Verkehrsstraftaten Zweifel an der Eignung des Antragstellers. Das beigebrachte medizinisch-psychologische Gutachten ist - anders als der Antragsteller meint - nicht dazu geeignet, die Eignungszweifel auszuräumen, so dass diese einer rechtmäßigen Neuerteilung (weiterhin) entgegenstehen.

Dies folgt daraus, dass erhebliche Zweifel an der Richtigkeit des Ergebnisses des Gutachtens bestehen, weil der Antragsteller die Gutachter bewusst in Unkenntnis darüber gelassen hat, dass er nicht einmal zwei Monate vor der Begutachtung erneut straffällig geworden ist. Vielmehr spiegelte der Antragsteller den Gutachtern vor, dass er sich verändert habe und dass der Anstoß für seine Veränderungen in den Gesprächen mit Herrn M. gelegen hätten. Er äußerte wörtlich, dass diese ihm "die Augen geöffnet" hätten. Sein Einwand, er habe bei der Begutachtung nicht gelogen, da er bei der Untersuchung zugegeben habe, "regelmäßig" ohne Fahrerlaubnis gefahren zu sein und diese Aussage zeitlich nicht eingeschränkt habe, weswegen dem Gutachter "klar" gewesen sein müsse, dass er - nicht nur in den Situationen, in denen er "erwischt" worden sei, ohne Fahrerlaubnis gefahren sei, sondern dass es weitere Vorfälle dieser Art gegeben habe, zeigt deutlich, dass dem Antragsteller die Bedeutung dieses Umstands für das Ergebnis des Gutachtens bewusst gewesen ist. Die Äußerung, er sei "Profi", wenn es um medizinisch-psychologische Untersuchungen gehe, zeugt vor von einem planvoll täuschenden Verhalten gegenüber den Gutachtern.

Eine Bindungswirkung an die Feststellungen des Amtsgerichts D. besteht entgegen dem Vorbringen des Antragstellers nicht. Insbesondere folgt eine solche nicht aus § 3 Abs. 4 StVG, da die Norm das Entziehungs- nicht aber das Wiedererteilungsverfahren betrifft.

Die Frist für die Rücknahme nach § 48 Abs. 4 VwVfG ist ungeachtet dessen, ob der Antragsteller zunächst zu seinem Kraftfahrzeug gelaufen und danach zurückgekehrt ist, oder die Angaben der Antragsgegnerin zutreffen, unproblematisch gewahrt.

Anhaltspunkte dafür, dass die Antragsgegnerin das ihr durch § 48 VwVfG eingeräumte Ermessen fehlerhaft ausgeübt haben könnte, sind nicht ersichtlich.

Auch der Hilfsantrag ist unbegründet. Der Antragsteller hat aus den oben genannten Gründen keinen Anspruch auf Neuerteilung der Fahrerlaubnis für die Klasse D. Die Antragsgegnerin wird vielmehr die bestehenden Eignungszweifel, die sich ggf. auch auf weitere Fahrzeugklassen erstrecken, durch die Anordnung der Beibringung eines neuen medizinisch-psychologischen Gutachtens aufzuklären haben.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.

Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 63 Abs. 2 Satz 1 GKG. Die Höhe des Streitwertes folgt aus § 53 Abs. 2, § 52 Abs. 1 GKG und orientiert sich an Nrn. 1.5, 46.6 des Streitwertkataloges für die Verwaltungsgerichtsbarkeit (vgl. NordÖR 2014, 11).