Finanzgericht Niedersachsen
Urt. v. 27.06.2002, Az.: 5 K 278/00
Geltendmachung von Vorsteuerbeträgen aus der Errichtung des Objektes; Aufteilungsmaßstab für die Vorsteuern bei einem gemischt genutzten Gebäude; Verhältnisses der umsatzsteuerpflichtigen Vermietungsumsätze zu den Gesamtumsätzen
Bibliographie
- Gericht
- FG Niedersachsen
- Datum
- 27.06.2002
- Aktenzeichen
- 5 K 278/00
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2002, 20517
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:FGNI:2002:0627.5K278.00.0A
Verfahrensgang
- nachfolgend
- BFH - 29.07.2003 - AZ: V B 170/02
Rechtsgrundlage
- § 15 Abs. 4 UStG
Fundstellen
- DStR 2003, X Heft 39 (Kurzinformation)
- DStRE 2003, 1118-1119 (Volltext mit amtl. LS)
Tatbestand:
Streitig ist der Aufteilungsmaßstab für die Vorsteuern bei einem gemischt genutzten Gebäude.
Die Klägerin errichtete in den Jahren 1997 und 1998 ein Wohn- und Geschäftshaus. Nach Fertigstellung wurde das Gebäude von der Klägerin sowohl umsatzsteuerpflichtig vermietet als auch umsatzsteuerfrei genutzt. Mit ihren Umsatzsteuererklärungen für die Streitjahre 1997 und 1998 und den Umsatzsteuervoranmeldungen für die Monate Januar bis März 1999 macht sie Vorsteuerbeträge aus der Errichtung des Objektes geltend, deren abzugsfähigen Teil sie auf der Grundlage des Verhältnisses der umsatzsteuerpflichtigen Vermietungsumsätze zu den Gesamtumsätzen schätzte. Der Beklagte folgte dem im Anschluss an eine Umsatzsteuersonderprüfung nicht und teilte die nicht unmittelbar zuordnungsfähigen Vorsteuern nach den Nutzflächen der einzelnen Gebäudeteile auf. Dabei ließ er nur die insoweit anteilig auf die umsatzsteuerpflichtig vermieteten Gewerbeflächen zum Abzug zu.
Hiergegen richtet sich nach im Wesentlichen erfolglosen Vorverfahren die Klage. Zur Begründung trägt die Klägerin vor, bei der Aufteilung der Vorsteuern nach dem Verhältnis der mit dem errichteten Objekt erzielten Umsätze handle es sich um einen umsatzsteuerlich zulässigen Aufteilungsmaßstab, dem der Beklagte die Anerkennung nicht versagen dürfe.
Die Klägerin beantragt,
die Umsatzsteuer 1997 auf ./. ... DM,
die Umsatzsteuer 1998 auf ./. ... DM,
die Umsatzsteuervorauszahlung für Januar 1999 auf ... DM,
die Umsatzsteuervorauszahlung für Februar 1999 auf ./. ... DM,
die Umsatzsteuervorauszahlung für März 1999 auf ... DM
herabzusetzen.
Der Beklagte beantragt
die Klage abzuweisen.
Er trägt vor, bei der Herstellung von Gebäuden stelle das Aufteilungsverfahren nach Ertragswerten grundsätzlich keine geeignete, an die Eingangsstufe eines Unternehmens ansetzende Aufteilungsmethode dar; der auf die einzelnen Räume entfallende Bauaufwand hänge hier nicht von deren Rentabilität ab, sondern verteile sich regelmäßig auf das gesamte Gebäude. Die Aufteilung der Vorsteuern anhand eines Umsatzschlüssels könne allenfalls beim Erwerb einer Immobilie in Betracht kommen; im Falle der Errichtung eines Gebäudes scheide dieser Aufteilungsmaßstab aus.
Im Hinblick auf das Vorbringen der Beteiligten im Übrigen wird auf die Steuerakten zu Steuer-Nr. ... sowie die Gerichtsakten Bezug genommen.
Die Beteiligten haben übereinstimmend auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist begründet.
Bezieht ein Unternehmer Leistungen für ein Gebäude mit Wohn- und Gewerbeflächen, ist die Aufteilung der Vorsteuerbeträge durch den Unternehmer nach dem Verhältnis der Ausgangsumsätze als sachgerechte Schätzung i.S. von § 15 Abs. 4 UStG anzuerkennen.
Da die Klägerin das erworbene Gebäude teilweise zur Ausführung steuerpflichtiger Vermietungsumsätze und teilweise zur Ausführung steuerfreier Vermietungsumsätze (Wohnungen) verwendet, ist gemäß § 15 Abs. 4 UStG der Teil der Vorsteuerbeträge auf die Gebäudeherstellung nicht abziehbar, der den zum Ausschluss vom Vorsteuerabzug führenden Wohnungsvermietungsumsätzen wirtschaftlich zuzurechnen ist. Nach Satz 2 der Vorschrift kann der Unternehmer die nicht abziehbaren Teilbeträge im Wege einer sachgerechten Schätzung ermitteln.
Aus § 15 Abs. 4 Satz 2 UStG 1993 folgt somit, dass"der Unternehmer" eine sachgerechte Schätzung der nicht abziehbaren Vorsteuer-Teilbeträge vorzunehmen hat. Es ist also Sache des Unternehmers, welche Schätzungsmethode er wählt. Das FA kann nachprüfen, ob die Schätzung sachgerecht ist (BFH-Urteile vom 12. März 1998 V R 50/97, BStBl II 1998, 525; vom 17. August 2001 V R 1/01, DStR 20.01.1977 = UR 2001, 552)
Kriterien für eine "sachgerechte Schätzung" im Sinne der Vorschrift umschreibt das Umsatzsteuergesetz nicht ausdrücklich. § 15 Abs. 4 Satz 1 UStG 1993 stellt lediglich das Erfordernis einer"wirtschaftlichen Zurechnung" von Vorsteuerbeträgen zu den mit der bezogenen Leistung ausgeführten Umsätzen auf.
Diese Methode "wirtschaftlicher Zurechnung"ist seit 1990 die im Umsatzsteuergesetz allein vorgesehene Zurechnungsmethode. Aufteilungsmethoden nach einem Umsatzschlüssel (allgemeine Aufteilungsmethode nach § 15 Abs. 3 UStG 19.07.1973, eingeschränkt gemäß § 15 Abs. 5 und 6 UStG 1980) wurden aufgehoben (letztere mit der Begründung, eine sachgerechte Zuordnung der - nicht schon ausschließlich zurechenbaren Umsätze - lasse sich zutreffender und einfacher im Weg der nach Absatz 4 allgemein zugelassenen Schätzung erzielen, vgl. BT-Drucks 11/2157, 191, Zu Nr. 6, § 15 UStG). Aus der Entwicklung der Regelungen zur Vorsteueraufteilung in § 15 UStG lässt sich entnehmen, dass der Gesetzgeber die Aufteilung nach dem Umsatzschlüssel nicht allgemein als sachgerechte Methode der "wirtschaftlichen Zurechnung" ansah.
Demgegenüber schreibt Art. 17 Abs. 5 i.V.m. Art. 19 der 6. EG-Richtlinie für die Aufteilung von Vorsteuerbeträgen in Fällen gemischter Verwendung (d.h. zum Vorsteuerabzug berechtigender und nicht berechtigender) ausdrücklich als Regel-Aufteilungsmaßstab den Umsatzschlüssel (Pro-rata-Regel) vor. Bei richtlinienkonformer Auslegung ist als "sachgerecht" i.S. des § 15 Abs. 4 UStG deshalb ein den Vorgaben des Art. 17 Abs. 5 der 6. EG-Richtlinie entsprechendes Aufteilungsverfahren anzuerkennen, das - objektiv nachprüfbar - nach einheitlicher Methode die beiden "Nutzungsteile" eines gemischt verwendeten Gegenstandes bzw. einer sonstigen Leistung den damit ausgeführten steuerfreien und steuerpflichtigen Umsätzen zurechnet (BFH-Urteil vom 17. August 2001 V R 1/01, DStR 20.01.1977 = UR 2001, 552). Der von der Klägerin angewandte Umsatzschlüssel ist gemeinschaftsrechtlich zulässig und damit sachgerecht i.S.d. § 15 Abs. 4 Satz 2 UStG.
Dass die allgemeine Pro-rata-Regel Ungleichmäßigkeiten hervorbringt und Abzüge ermöglicht, die niedriger oder höher liegen als sie aufgrund der tatsächlichen Zuordnung zulässig wären, war bekannt, als Art. 17 Abs. 5 der 6. EG-Richtlinie geschaffen wurde (vgl. Bulletin der Europäischen Gemeinschaften Beilage 11/1973, S. 20 - zu Art. 17 Abs. 5 Unterabs. 3 Buchst. c der 6. EG-Richtlinie). Vor diesem Hintergrund vermag der Einwand des Beklagten, der Umsatzschlüssel führe zu Ergebnissen, die zum Teil erheblich von denen des Flächenschlüssels abweichen, nicht zu überzeugen.
Die Regelung des Art. 17 Abs. 5 Unterabs. 3 Buchst. c der 6. EG-Richtlinie berechtigt die Mitgliedstaaten zwar zum Ausschluss des EG-rechtlich vorgesehenen Regel-Aufteilungs-maßstabs. Ein solch ausdrücklicher Ausschluss des Umsatzschlüssels ist der gesetzlichen Regelung in § 15 Abs. 4 UStG jedoch nicht zu entnehmen.
Der Wortlaut des § 15 Abs. 4 UStG schließt die Anwendung des Umsatzschlüssels nicht eindeutig aus. Das in Satz 1 genannte Kriterium der "wirtschaftliche Zurechnung" stellt darauf ab, inwieweit die betreffenden Vorbezüge in die steuerpflichtige Ausgangsumsätze gegenständlich oder wertmäßig eingeflossen sind. Die Ermittlung der nichtabziehbaren Teilbeträge kann dabei nach § 15 Abs. 4 Satz 2 UStG im Wege einer sachgerechten Schätzung erfolgen. Damit eröffnet Satz 2 dem Unternehmer einen gewissen Spielraum; Satz 2 relativiert den Grundsatz der in Satz 1 vorgesehenen "wirtschaftlichen Zurechnung" insofern als der Aufteilungsmaßstab nicht ausschließlich anhand geeigneter Abrechnungsunterlagen wie z.B. Betriebsauswertungsbögen oder Kostenträgerrechnungen zu führen ist, sondern auch mittels einer "vergröbernden" bzw. pauschalierenden Schätzung geführt werden darf (vgl. Heidner, UR 2002, 193, 195).
Der Umsatzschlüssel ist demnach eine - vom Wortlaut des Gesetzes gedeckte - Schätzungsmethode. Die Finanzverwaltung erkennt im Übrigen den Umsatzschlüssel bei der Aufteilung sonstiger gemischter Ausgangsumsätze durchaus an (z.B. Zahnarzt mit eigenem Labor). Der Ausschluss dieser Schätzungsmethode bei der Vermietung gemischt genutzter Gebäudeteile (Abschn. 208 Abs. 2 Satz 8 und 11 UStR) ist in § 15 Abs. 4 UStG nicht zwingend angelegt.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.