Finanzgericht Niedersachsen
Urt. v. 04.06.2002, Az.: 6 K 840/01
Mitwirkungspflicht des Steuerpflichtigen; Außenprüfungsbeginn trotz Einleitung eines steuerstrafrechtlichen Ermittlungsverfahrens gegen den Geschäftsführer der Kapitalgesellschaft
Bibliographie
- Gericht
- FG Niedersachsen
- Datum
- 04.06.2002
- Aktenzeichen
- 6 K 840/01
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2002, 14039
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:FGNI:2002:0604.6K840.01.0A
Tatbestand
Die Klägerin wendet sich gegen die Anordnung einer Außenprüfung.
Gegenstand der im Jahre 1998 gegründeten Klägerin ist XYZ. Das Stammkapital beträgt 50.000 DM. Alleingesellschafterin ist Frau A. Geschäftsführer sind Herr A und Herr B. Die Steuerbescheide für 1998 und 1999 beruhen auf den Angaben in den Steuererklärungen.
Unter dem 21. Februar 2001 erstatte die Klägerin Selbstanzeige nach § 371 Abgabenordnung (AO) und trug vor, ihr zustehende Erlöse i.H.v. 142.646 DM seien versehentlich dem Darlehenskonto des Geschäftsführers A gutgeschrieben worden; der Verlustvortrag vermindere sich entsprechend. Sie legte zugleich einen berichtigten Jahresabschluss für 1999 sowie erstmals eine Umsatzsteuererklärung vor.
Das Finanzamt (FA) meldete die Klägerin unter dem 8. März 2001 als prüfungswürdiger Betrieb. Am 25. April 2001 erging eine Prüfungsanordnung verschiedene Steuerarten und die Jahre 1998 und 1999 betreffend. Als Prüfungsbeginn war - wie zuvor mit dem Prozessbevollmächtigten vereinbart - der 14. Mai 2001 genannt. Die Klägerin legte Einspruch ein mit der Begründung, gegen beide Geschäftsführer sei inzwischen ein strafrechtliches Ermittlungsverfahren eingeleitet worden. Mit der Außenprüfung verfolge das FA offenbar den Zweck, diese Personen weiter zu belasten. Sie seien im Ermittlungsverfahren nicht verpflichtet Angaben zu machen und Auskünfte zu erteilen, was jedoch im Rahmen der Außenprüfung der Fall sei. Mit der Prüfung dürfe erst begonnen werden, wenn das Strafverfahren abgeschlossen sei. Das FA wies den Einspruch mit Bescheid vom 20. November 2001 zurück. Gründe für eine Verschiebung des Prüfungsbeginns lägen nicht vor. Gerade im Hinblick auf das Strafverfahren sei es zweckmäßig, die Selbstanzeige auf ihre Vollständigkeit hin zu überprüfen.
Die Klägerin hat Klage erhoben und wiederholt ihr bisheriges Vorbringen.
Die Klägerin beantragt,
die Prüfungsanordnung vom 25. April 2001 i.d.F. der Einspruchsentscheidung vom 20. November 2001 insoweit zu ändern, als der Prüfungsbeginn nicht vor dem Abschluss des gegen die Geschäftsführer der Klägerin eingeleiteten Strafverfahrens festgesetzt wird.
Das FA beantragt,
die Klage abzuweisen.
Es hält an seiner Auffassung fest.
Gründe
Das Gericht durfte ohne mündliche Verhandlung entscheiden, weil die Beteiligten auf mündliche Verhandlung verzichtet haben (§ 90 Abs. 2 Finanzgerichtsordnung - FGO -).
Die zulässige Klage ist unbegründet. Die Prüfungsanordnung vom 25. April 2001 ist rechtmäßig. Die Festlegung des Beginns der Außenprüfung auf Mitte Mai 2001 ist nicht zu beanstanden. Die Einleitung des steuerstrafrechtlichen Ermittlungsverfahrens gegen die Geschäftsführer steht dem Beginn der Außenprüfung nicht entgegen.
Die Außenprüfung bei der Klägerin ist gem. § 193 Abs. 1 AO zulässig, weil sie einen gewerblichen Betrieb unterhält. Ob und wann eine Außenprüfung durchgeführt wird, steht im pflichtgemäßen Ermessen des FA. Da aufgrund der Selbstanzeige der Klägerin feststeht, dass die Steuererklärung für 1999 unzutreffende Angaben enthielt, hatte es einen konkreten Anlass, eine Außenprüfung anzuordnen. Den Zeitpunkt der Anordnung bzw. den Beginn der Prüfung bei der Klägerin kann das FA nach Ermessen anordnen. Einschränkungen ergeben sich nicht aus der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift für die Betriebsprüfung - Betriebsprüfungsordnung (BpO), die zum Zwecke der Gleichbehandlung aller Steuerpflichtigen das Ermessen der Finanzbehörde bindet. § 5 Abs. 3 und 4 BpO bestimmt lediglich, dass dem Steuerpflichtigen angemessene Zeit vor Beginn der Prüfung der Prüfungsbeginn mitzuteilen ist. Das ist hier geschehen; die Klägerin rügt nicht, dass die Zeit nicht angemessen war, um sich auf die Prüfung vorzubereiten. Nach § 5 Abs. 5 BPO können wichtige Gründe die Verlegung des Prüfungsbeginns auf Antrag des Steuerpflichtigen rechtfertigen.
Die Einleitung eines steuerstrafrechtlichen Ermittlungsverfahrens gegen den Steuerpflichtigen bzw. hier gegen die Geschäftsführer der Klägerin stellt keinen wichtigen Grund für die Verlegung des Prüfungsbeginns dar. Es ist unbeachtlich, dass der Steuerpflichtige im Steuerstrafverfahren keine Mitwirkungspflicht zu erfüllen hat, denn die Außenprüfung wird im Rahmen des Besteuerungsverfahrens durchgeführt.
Es ist höchstrichterlich geklärt, dass der (beschuldigte) Steuerpflichtige im Besteuerungsverfahren die von der AO vorgeschriebenen Mitwirkungspflichten zu erfüllen hat und jede andere Auffassung zu einer dem Gleichheitssatz unvereinbaren Privilegierung des in ein Strafverfahren verwickelten Steuerpflichtigen führen würde. Das Fortbestehen der Mitwirkungspflichten im Besteuerungsverfahren während eines Steuerstrafverfahrens ist verfassungsrechtlich unbedenklich. Der Grundsatz, dass niemand gehalten ist, sich selbst zu beschuldigen, ist in erster Linie ein strafprozessuales Prinzip. Er sichert den aus Artikel 2 des Grundgesetzes abzuleitenden Schutz vor Bestrafung. Er befreit aber nicht von den gesetzlichen normierten Mitwirkungspflichten im Übrigen. Das gilt insbesondere für die Mitwirkungspflichten im Besteuerungsverfahren, deren Erfüllung nach § 393 Abs. 1 Satz 2 AO allerdings nicht erzwungen werden kann, wenn damit eine Selbstbezichtigung verbunden ist. Bleibt danach der Steuerpflichtige im Besteuerungsverfahren rechtlich zur Mitwirkung verpflichtet, so folgt daraus auch die Zulässigkeit einer Schätzung der Besteuerungsgrundlagen gem. § 162 AO (BFH-Beschl. v. 19. September 2001 IX B 6/01, BStBl II 2002, 4 m.w.N.). Das FA darf also während des Laufes eines strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens eine Außenprüfung anordnen und mit der Durchführung der Prüfung beginnen. Die Mitwirkung des Steuerpflichtigen kann zwar wie bereits ausgeführt nicht erzwungen werden. Die Rechtsfolgen einer evtl. Mitwirkungsverweigerung sind in diesem Klageverfahren nicht zu erörtern.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 FGO.