Finanzgericht Niedersachsen
Urt. v. 19.06.2002, Az.: 2 K 457/99

Betriebsgewöhnliche Nutzungsdauer eines betrieblich genutzten Pkw; Zurechnung des Leasinggegenstandes zum Betriebsvermögens eines Leasingnehmers

Bibliographie

Gericht
FG Niedersachsen
Datum
19.06.2002
Aktenzeichen
2 K 457/99
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2002, 14067
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:FGNI:2002:0619.2K457.99.0A

Fundstellen

  • DStRE 2003, 458-459
  • EFG 2003, 146-148
  • INF 2003, 43
  • StuB 2003, 318

Tatbestand

1

Zwischen den Parteien ist die steuerliche Zurechnung eines Leasinggegenstandes streitig, insbesondere ob sich der Kläger nach Ende der Leasingzeit einen entstandenen Veräußerungsgewinn zurechnen lassen muss.

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Der Kläger betreibt einen Gewerbebetrieb.

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Am 01.08.1991 schloss er einen Leasingvertrag über ein Fahrzeug der Marke A mit einer Laufzeit von 42 Monaten. Der Wert des Pkw im Zeitpunkt des Abschlusses des Leasingvertrages betrug netto 35.421,05 DM. Vereinbart waren monatliche Leasingraten in Höhe von 1.048,46 DM netto. In Ziffer 14 des Leasingvertrages wurde folgende weitere Vereinbarung getroffen:

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Dem Leasingnehmer steht nach Vertragsablauf kein Anspruch auf Übereignung des Leasinggegenstandes zu, dieser ist vom Leasingnehmer an den Leasinggeber oder einen von diesem benannten Dritten zurückzugeben. Bei Vertragsbeendigung wird der Leasingnehmer auf seine Kosten und Gefahr den Leasinggegenstand unverzüglich an eine vom Leasinggeber zu bestimmende Anschrift innerhalb der Bundesrepublik Deutschland in einem betriebs- und verkehrssicheren Zustand zurückführen, sofern nicht der Leasinggeber den Leasinggegenstand an den vom Leasingnehmer vorgeschlagenen Käufer veräußert.

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Kurz vor Ende der Leasingzeit fragte die Leasinggesellschaft mit Schreiben vom 06.12.1994 bei dem Kläger an: "Wie geht es nun weiter?"

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Der Kläger teilte der Leasinggesellschaft daraufhin mit Schreiben vom 09.02.1995 mit, dass die Rechnung für das Fahrzeug zu übersenden sei an Frau B, der Lebensgefährtin des Klägers. Die Leasinggesellschaft veräußerte das Fahrzeug sodann an Frau B zu einem Bruttopreis von 2.036,71 DM. Der tatsächliche Wert des Fahrzeuges betrug zum Zeitpunkt des Endes des Leasingvertrages laut Schwacke-Liste 19.750,00 DM brutto.

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Das Finanzamt rechnete daraufhin den Leasinggegenstand dem Kläger als Leasingnehmer zu und wertete die Veräußerung als Entnahme und erhöhte daraufhin den Gewinn für das Jahr 1995 um 14.243,29 DM (unstreitig). Wegen der Berechnung des Gewinnes wird auf den Einspruchsbescheid Bezug genommen.

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Hiergegen richtet sich nach erfolglosem Vorverfahren die Klage.

9

Der Kläger ist der Rechtsansicht, der Leasinggegenstand sei nicht ihm, sondern der Leasinggesellschaft zuzurechnen. Unstreitig sei zwischen den Parteien, dass es sich um einen so genannten Vollamortisations-Leasingvertrag handele, auf den das BMF Schreiben vom 19.04.1971 Anwendung finde. Unstreitig sei ferner, dass die Grundmietzeit mehr als 40 v.H. der betriebsgewöhnlichen Nutzungsdauer des Leasinggegenstandes und weniger als 90 v.H. betragen habe. Der Leasinggegenstand könne dem Kläger daher nur bei gleichzeitig vereinbarter Kaufoption zum Ende der Leasingzeit zugerechnet werden. Diese Kaufoption habe im Streitfall allerdings für den Kläger gerade nicht bestanden. Dass die Leasingfirma nach Ablauf des Leasingvertrages den Pkw an einen fremden Dritten veräußert habe, stelle für den Kläger einen steuerlich unbeachtlichen Vorgang dar. Dass dem Kläger von der Leasingfirma vertraglich die Möglichkeit eingeräumt worden sei, einen Käufer für den Pkw zu benennen, begründe keine Kaufoption in der Person des Klägers. Die Leasingfirma sei in ihrer Rechtsposition als Eigentümerin in keinerlei Hinsicht an diesen Vorschlag gebunden, sondern habe einen Käufer frei wählen können. Ebenso sei sie in ihrer Entscheidung völlig frei gewesen, zu welchem Preis der anschließende Verkauf des Pkws erfolgte. Die Erhöhung des Gewinns aus Gewerbebetrieb durch den Beklagten entbehre daher eine entsprechenden Rechtsgrundlage.

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Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

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Im Leasingvertrag sei zwar keine ausdrückliche Kaufoption für den Kläger selbst vereinbart worden, es habe jedoch nach dem Vertrag die Möglichkeit bestanden, dass Fahrzeug nach Beendigung der Leasingzeit durch die Benennung eines Käufers in seine private Sphäre gelangen zu lassen. Dabei deute bereits das krasse Missverhältnis zwischen dem tatsächlichen Wert und dem vereinbarten Bruttokaufpreis von 2.036,71 DM darauf hin, dass diese Konditionen einem fremden Käufer nicht eingeräumt worden wären. Der Kläger habe als Leasingnehmer zudem durch die Leasingraten bereits erheblich mehr (44.034 DM netto) als den Neupreis des Fahrzeuges (35.421 DM netto) gezahlt. Er habe daher selbst unter Berücksichtigung einer Verzinsung recht ungünstige Konditionen akzeptiert. Bei dieser Vertragskonstellation sei daher der Grund für den überaus günstigen Veräußerungspreis nach Ende der Leasingzeit im Leasingvertrag selbst zu suchen. Einen derartigen Leasingvertrag hätte der Kläger nicht abgeschlossen, wenn nicht bereits bei Vertragsabschluss davon auszugehen gewesen sei, dass ihm nach Ende des Vertrages der Restwert des Fahrzeuges zufließen werde.

Gründe

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Die Klage ist nicht begründet.

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1.

Das Fahrzeug ist dem Kläger als Leasingnehmer steuerlich zuzurechnen, so dass er den entstandenen Veräußerungsgewinn nach Ende der Leasingzeit zu versteuern hat.

14

Die betriebsgewöhnliche Nutzungsdauer eines betrieblich genutzten Pkw beträgt in der Regel nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs 8 Jahre.

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Im Regelfall ist dabei derjenige, der lediglich als Mieter eines Wirtschaftsgutes zur Nutzung berechtigt ist, nicht wirtschaftlicher Eigentümer. Übt allerdings ein anderer als der bürgerlich rechtliche Eigentümer die tatsächliche Herrschaft über ein Wirtschaftsgut in der Weise aus, dass er den Eigentümer im Regelfall, d.h. nach dem typischen Verlauf, für die gewöhnliche Nutzungsdauer von der Einwirkung auf das Wirtschaftsgut wirtschaftlich ausschließen kann, so ist ihm das Wirtschaftsgut zuzurechnen (§ 39 Abs. 2 Nr. 1 Satz 1 Abgabenordnung). Ein wirtschaftlicher Ausschluss des zivilrechtlichen Eigentümers in diesem Sinne wird dabei unter anderem angenommen, wenn dem Herausgabeanspruch des Eigentümers keine wirtschaftliche Bedeutung mehr zukommt. Ob diese Voraussetzungen vorliegen, ist nach dem Gesamtbild der Verhältnisse im jeweiligen Einzelfall zu beurteilen. Allgemein wird der Übergang des wirtschaftlichen Eigentums davon abhängig gemacht, dass Besitz, Gefahr, Nutzen und Lasten auf den Erwerber übergehen. Da es für die Zuordnung eines Wirtschaftsgutes jedoch auf das Gesamtbild der Verhältnisse ankommt, kann der Übergang wirtschaftlichen Eigentums z.B. auch dann anzunehmen sein, wenn diese Voraussetzungen nicht in vollem Umfang gegeben sind (BFH-Urteil vom 8. August 1990, X R 149/88, BStBl II 1991, 70). Für die Besteuerung ist dabei nicht die äußere Rechtsform, sondern es sind die tatsächlichen Verhältnisse maßgebend. Nicht das formal Erklärte oder formal rechtlich Vereinbarte, sondern das wirtschaftlich Gewollte und das tatsächlich Bewirkte ist im Steuerrecht ausschlaggebend (BFH-Urteil 15. Februar 2001, III R 130/95, NV; BFH-Urteil vom 14. November 1974, IV R 3/70, BStBl II 1975, 281).

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Eine Zurechnung von Wirtschaftsgütern zum Betriebsvermögens eines Leasingnehmers kommt allerdings nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung vor allem dann in Betracht, wenn sich bei einem Leasingverhältnis betriebsgewöhnliche Nutzungsdauer des Leasinggegenstandes und die Grundmietzeit annährend decken oder zwar die betriebsgewöhnliche Nutzungsdauer erheblich länger als die Grundmietzeit ist (so im Streitfall), jedoch dem Leasingnehmer ein Recht auf Mietverlängerung oder Kauf zusteht und bei Ausübung dieser Option nur noch ein geringer Mietzins oder ein einer Anerkennungsgebühr gleichkommender Kaufpreis zu entrichten ist (BFH-Urteil vom 9. Dezember 1999, III R 74/97, BFH/NV 2000, 568). Sofern innerhalb der fest vereinbarten Grundmietzeit die zu entrichtenden Leasingraten die Anschaffungskosten des Leasinggebers bereits voll ausgeglichen haben, kommt es dabei für die Frage, ob im Zeitpunkt des Abschlusses des Leasingvertrages mit der Ausübung einer Verlängerungs- oder Kaufoption durch den Leasingnehmer zu rechnen ist, insbesondere auch auf die konkrete Ausgestaltung der Optionsrechte an. Hätte nämlich der Leasingnehmer bei Ausübung des Optionsrechtes nur noch einen deutlich geringeren Betrag zu entrichten, als sich bei Berechnung des in diesem Zeitpunkt an sich üblichen Mietzinses oder Kaufpreises ergeben würde, so wäre bereits im Zeitpunkt des Abschlusses des Leasingvertrages mit großer Wahrscheinlichkeit mit der Ausnutzung der Option zu rechnen mit der Folge, dass der Leasinggegenstand dem Leasingnehmer als wirtschaftlichen Eigentümer zuzurechnen wäre (BFH-Urteil vom 9. Dezember 1999, III R 74/97, BStBl II 2001, 311).

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Kaufoption auch bei vom Leasingerlass nicht erfasster Fallkonstellation möglich

18

2.

Im Streitfall ist nach diesen Rechtsgrundsätzen das geleaste Fahrzeug dem Betriebsvermögen des Klägers als Leasingnehmer zuzurechnen.

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Es handelt sich im Streitfall um einen Vollamortisationsvertrag, da der Kläger bei einem Neupreis des Fahrzeuges von 35.421 DM in 42 Monaten insgesamt Leasingraten in Höhe von 44.034 DM geleistet hat. Damit sind neben den Anschaffungskosten alle Nebenkosten einschließlich Finanzierungskosten des Leasinggutes nebst einem Gewinnzuschlag gedeckt.

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Zwar beträgt die Grundmietzeit mehr als 40 v.H., so dass nach dem Leasingerlass (BMF-Schreiben vom 1971, BStBl I 1971, 264) der Leasinggegenstand dem Leasingnehmer nur dann zuzurechnen ist, sofern im Vertrag eine Kaufoption vereinbart ist.

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Bei Verträgen mit einer Vollamortisation innerhalb einer Grundmietzeit von weniger als 40 v.H. wäre dem Leasingnehmer der Leasinggegenstand zuzurechnen. Bei einer Vollamortisation innerhalb weniger als 40 v.H. der betriebsgewöhnlichen Nutzungsdauer würde nämlich dann bereits die Vertragsgestaltung für eine spätere Überlassung des Leasinggutes sprechen.

22

Im Streitfall beträgt die Grundmietzeit mehr als 40 v.H., nämlich 42 Monate bei einer betriebsgewöhnlichen Nutzungsdauer von 96 Monaten.

23

Nach dem Gesamtbild der Vertragsgestaltung allerdings ist im Streitfall der Kläger bereits bei Vertragsschluss davon ausgegangen, dass er nach Ende der Leasingzeit bestimmen kann, an wen der Leasinggeber das Fahrzeug zu einem geringen Kaufpreis zu übergeben hat. In Ziffer 14 des Leasingvertrages ist vereinbart worden, dass der Leasingnehmer das Fahrzeug an eine vom Leasinggeber zu benennende Anschrift zurückzugeben habe, sofern nicht der Leasinggeber den Leasinggegenstand an den vom Leasingnehmer vorgeschlagenen Käufer veräußert. Nach den Gesamtumständen des Einzelfalles geht der Senat davon aus, dass hierin bereits zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses für den Leasinggeber eine unwiderrufliche rechtsverbindliche Verpflichtung eingegangen worden ist. Zu berücksichtigen ist dabei insbesondere, dass der Kläger innerhalb der 42-monatigen Grundmietzeit den Wert des Fahrzeuges sowie Nebenkosten und Gewinn der Leasinggesellschaft in voller Höhe gezahlt hat. Das Verhalten des Klägers ist sonst aus betriebswirtschaftlichen Gründen heraus nicht nachvollziehbar. Es ist kaum vorstellbar, dass ein gewissenhafter Kaufmann innerhalb von so kurzer Zeit derart hohe Leasingraten akzeptiert. Dieses wird nur geschehen, wenn er von Anfang an, d.h. bereits bei Vertragsschluss, damit rechnen durfte, dass das Fahrzeug in seinem Vermögen verbleibt. Diese Überzeugung des Senates wird gestützt durch den Schriftverkehr mit der Leasinggesellschaft. So hat die Leasinggesellschaft im Dezember 1994 bei dem Kläger angefragt, wie es denn nun mit dem Fahrzeug bei Ablauf des Leasingvertrages weitergehen solle. Der Kläger hat daraufhin seine Lebensgefährtin als Erwerberin benannt und mitgeteilt, dass an diese die Rechnung zu übersenden sei. An diese Benennung hat sich das Leasingunternehmen ohne weitere Nachfragen gehalten.

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Leasingnehmer konnte Leasinggeber von Anfang an von Nutzung des Wirtschaftsgutes ausschließen

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Dieses Verhalten seitens der Leasinggesellschaft macht nur dann Sinn, wenn von vornherein bei Vertragsschluss bereits sowohl für den Leasingnehmer als auch für den Leasinggeber rechtsverbindlich festgestanden hat, dass die Leasinggesellschaft auf das Benennungsverlangen des Leasingnehmers eingeht. Die Leasinggeberin hätte ansonsten das Fahrzeug nicht zu dem außergewöhnlich niedrigen Kaufpreis von nur 2.036 DM an die Lebensgefährtin des Klägers veräußert. Die Leasinggesellschaft hätte sonst versucht, durch eine Veräußerung des Fahrzeuges an einen Dritten einen Preis zu erzielen, der im Bereich des tatsächlichen Zeitwertes (unstreitig 19.750 DM) liegt. Da hier ein krasses Missverhältnis zwischen tatsächlichem Zeitwert und verlangtem Kaufpreis gegenüber der Lebensgefährtin des Klägers besteht, stützt dies weiter die Annahme, dass bereits im Zeitpunkt des Abschlusses des Leasingvertrages feststand, dass die Leasinggeberin sich an das Benennungsverlangen des Klägers gebunden fühlt.

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Nach Überzeugung des Senates steht deshalb fest, dass der Kläger als Leasingnehmer die Leasinggeberin für die betriebsgewöhnliche Nutzungsdauer von der Nutzung des Fahrzeuges ausschließen konnte. Die Leasinggeberin war verpflichtet gewesen, das Fahrzeug an einen vom Kläger zu benennenden Dritten zu veräußern. Der im Vertrag vereinbarte Herausgabeanspruch der Leasinggeberin war danach wertlos. Wirtschaftlicher Eigentümer des Fahrzeuges war daher der Kläger als Leasingnehmer, das Fahrzeug gehörte zu seinem Betriebsvermögen, der Entnahmegewinn ist zu versteuern.

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Die Klage war daher mit der Kostenfolge des § 135 FGO abzuweisen.