Finanzgericht Niedersachsen
Urt. v. 25.06.2002, Az.: 13 K 509/97

Vorliegen einer steuerfreie Abfindung; Vorliegen einer tarifbegünstigte Entschädigung

Bibliographie

Gericht
FG Niedersachsen
Datum
25.06.2002
Aktenzeichen
13 K 509/97
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2002, 14087
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:FGNI:2002:0625.13K509.97.0A

Fundstelle

  • DStRE 2003, 129-130

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten über die Frage, ob eine Zahlung von 25.000,00 DM an den Kläger i.H.v. 24.000,00 DM als Abfindung gem. § 3 Nr.9 EStG steuerfrei ist und im Übrigen als Entschädigung i.S.d. § 24 Abs.1 EStG nach § 34 EStG dem ermäßigten Steuersatz zu unterwerfen ist.

2

Der Kläger ist Diplom-Finanzwirt. Im Streitjahr bereitete er sich auf die Steuerberaterprüfung vor. Bis zum 28.08.1995 und wieder vom 13.11. bis 31.12.1995 war er angestellt bei der Steuerberater-Sozietät X in H. Im Frühjahr 1996 hat der Kläger seine Steuerberaterprüfung bestanden.

3

Im Laufe des Jahres 1995 vereinbarte er mit der Steuerberaterin D. mündlich ein Arbeitsverhältnis. Ob die Aufnahme der Tätigkeit am 01.10. oder am 01.11.1995 erfolgen sollte, ist zwischen den Beteiligten streitig. Am 31.08.1995 kamen die Vertragsparteien überein, dass der Kläger eine "Abfindung" von 25.000,00 DM, zahlbar bis zum 10.09.1995 erhalten sollte. Wörtlich heißt es in dieser Vereinbarung:

"... Herr S (erg.:der Kläger) erhält wg. des nicht zustandegekommenen Arbeitsvertrages und der Aussicht auf eine Partnerschaft eine Abfindung von 25.000,00 DM ..."

4

Daneben reichte der Kläger einen von den Vertragsparteien nicht unterschriebenen und nicht datierten "Aufhebungsvertrag" zu den Akten. Hierin heißt es, dass das Arbeitsverhältnis "bereits vor Aufnahme der Tätigkeit auf Veranlassung von Frau D." beendet wurde. Im Einspruchsverfahren hat Frau D. auf Anfrage des FA hin mit Schreiben vom 21.05.1997 erklärt, es habe mit dem Kläger ein mündlicher Arbeitsvertrag bestanden. Das Arbeitsverhältnis sei von ihr vor Aufnahme der Tätigkeit des Klägers beendet worden. Eine Arbeitsleistung habe der Kläger nicht erbracht. Die Abfindung von 25.000,00 DM habe sich aus der Zahlung von 3 Monatsgehältern à 7.500,00 DM und Erstattung von Auslagenersatz über 2.500,00 DM errechnet. Die Zahlung sei durch Überweisung an den Kläger am 13.09.1995 erfolgt.

5

Im Rahmen seiner Einkommensteuererklärung für das Streitjahr beantragte der Kläger, einen Betrag von 24.000,00 DM nach § 3 Nr. 9 EStG steuerfrei zu belassen und den Restbetrag dem ermäßigten Steuersatz zu unterwerfen. Der Beklagte (das Finanzamt - FA -) wandte ursprünglich lediglich den Ermäßigungsbetrag nach §§ 24 Abs.1, 34 EStG an. Hiergegen erhob der Kläger Einspruch. Im Einspruchsverfahren verböserte das FA seine ursprüngliche Entscheidung und wandte nunmehr auf den Gesamtbetrag von 25.000 DM den vollen Steuersatz an.

6

Hiergegen richtet sich die Klage. Der Kläger ist weiterhin der Auffassung, dass es sich bei der Zahlung der Frau D. an ihn i.H.v. 24.000,00 DM um eine steuerfreie Abfindung nach § 3 Nr. 9 EStG handele und im Übrigen der verbleibende Betrag von 1.000,00 DM dem ermäßigten Steuersatz unterliege. Aufgrund der Vereinbarung mit Frau D. habe ein Anspruch auf Beschäftigungsantritt am 01.11.1995 bestanden. § 3 Nr. 9 EStG verlange nicht eine Abfindung aufgrund eines "bestehenden" Arbeitsverhältnisses.

7

Der Kläger beantragt,

unter Aufhebung der Einspruchsentscheidung vom 22.09.1997 und Änderung des Einkommensteuerbescheides 1995 in der Fassung der Einspruchsentscheidung die Einkommensteuer auf 0,00 DM herabzusetzen.

8

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

9

Das FA verweist zur Begründung auf seinen Einspruchsbescheid.

Gründe

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Die Klage ist nicht begründet.

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Zutreffend hat der Beklagte auf den am 10.09.1995 gezahlten Betrag von 25.000,00 DM weder den Freibetrag nach § 3 Nr. 9 EStG noch gem. §§ 24 Abs. 1, 34 EStG den ermäßigten Steuersatz angewandt.

12

1. Freibetrag nach § 3 Nr. 9 EStG i.H.v. 24.000,00 DM

13

Nach § 3 Nr. 9 i.d.F. des EStG 1995 sind Abfindungen wegen einer vom Arbeitgeber veranlassten oder gerichtlich ausgesprochenen Auflösung des Dienstverhältnisses bis zu einem Betrag von 24.000,00 DM steuerfrei.

14

Voraussetzung für die Gewährung dieses Freibetrages ist grundsätzlich ein wirksam zustande gekommenes Arbeitsverhältnis - hier zwischen dem Kläger und Frau D. Nur dann, wenn ein Dienstverhältnis überhaupt bestanden hat, kann es aufgelöst werden-, d.h. nur dann kommt ein Freibetrag nach § 3 Nr. 9 EStG in Betracht. Unter steuerlichen Gesichtspunkten beurteilt sich der Begriff des Arbeits- bzw. Dienstverhältnisses nach § 1 Abs. 2 LStDV: Voraussetzung ist danach, dass in nichtselbständiger Stellung Arbeitskraft geschuldet wird (so auch Bergkemper, in Hermann/Heuer/Raupach, Kommentar zum EStG, § 3 Nr. 9 Rz. 12). Dass im Streitfall ein wirksames Arbeitsverhältnis zwischen dem Kläger und Frau D. zustande gekommen ist, hat der Kläger nicht mit der erforderlichen Sicherheit nachweisen können. Im Gegenteil ergibt sich aus der vom Kläger im Veranlagungsverfahren vorgelegten "Vereinbarung" mit Frau D. vom 30.08.1995, dass ein Arbeitsvertrag nicht wirksam zustande gekommen ist. Im Übrigen lässt die Vereinbarung vom 31.08.1995 auch den Schluss zu, dass mit Frau D. - zumindest nach Ablegung der Steuerberaterprüfung durch den Kläger - eine Partnerschaft (Sozietät) geplant war. In diesem Fall wäre § 3 Nr. 9 EStG von vornherein nicht anwendbar. Letztlich kann der erkennende Senat die Frage des Zustandekommens des Arbeitsverhältnisses bzw. einer geplanten Partnerschaft hier dahinstehen lassen, denn jedenfalls ist der Begriff der Abfindung i.S.d. § 3 Nr. 9 EStG nicht erfüllt.

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Zu dem Begriff Abfindung vertritt der BFH in ständiger Rechtsprechung die nach Meinung des Senats zutreffende Auffassung, dass hierunter grundsätzlich solche Zahlungen fallen, die ein Arbeitnehmer anlässlich der Auflösung des Dienstverhältnisses erhält, insbesondere zum Ausgleich von Nachteilen wegen Verlustes des Arbeitsplatzes. Der BFH ist in diesem Zusammenhang der Meinung, dass keine nach § 3 Nr. 9 EStG begünstigten Abfindungen, sondern nichtbegünstigte Gehaltszahlungen anzunehmen sind, wenn ein Stpfl. den Betrag erhält, der seinem laufenden Gehalt und seinen sonstigen Ansprüchen aus dem Dienstverhältnis bis zur Beendigung desselben entspricht, auch wenn dieser Betrag als Abfindung bezeichnet wird (siehe dazu im Einzelnen BFH-Urteil v. 13.10.1978 - VI R 91/77, BStBl. II 1979, 155 mit weiteren Nachweisen auf die ständige Rechtsprechung des BFH). Der erkennende Senat ist im Streitfall zu der Überzeugung gelangt, dass eine Abfindung in dem definierten Sinne im vorliegenden Fall nicht gegeben ist. Selbst wenn man entsprechend der im Arbeitsrecht vorherrschenden "Vertragstheorie" zu dem Ergebnis gelangt, ein wirksamer Arbeitsvertrag sei zustande gekommen, so muss bei der Gewährung des Freibetrages nach § 3 Nr. 9 EStG aber berücksichtigt werden, dass der Kläger seine Arbeitskraft zu keiner Zeit zur Verfügung gestellt hat. Vieles deutet somit darauf hin, dass man sich auf die Zahlung von 3 Monatsgehältern zur Abgeltung aller gegenseitigen Ansprüche einigte. In diesem Sinne hat die Steuerberaterin D: dies auch in ihrem Schriftsatz an das FA vom 21.05.1997 bestätigt. Der verbleibende Betrag von 2.500,00 DM mag dann - wie von Frau D. dargestellt - Auslagenersatz gewesen sein. Wenn aber der Kläger seine Arbeitskraft nicht in den Dienst der Arbeitgeberin gestellt hat, so bleibt für eine begünstigte Abfindung nach § 3 Nr. 9 EStG kein Raum. Die soziale Komponente der Befreiungsregelung in § 3 Nr. 9 EStG geht nämlich ins Leere, wenn eine Zahlung erfolgt, die der Höhe nach einer Gehaltszahlung (hier für drei Monate zzgl. Auslagenersatz) entspricht. Für eine Steuerbegünstigung wie sie § 3 Nr. 9 EStG für Abfindungszahlungen neben laufenden Gehaltszahlungen vorsieht, ist dann kein Raum.

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2. Tarifbegünstigte Entschädigung nach § 24 Nr.1 Buchst. a) EStG i.V.m. § 34 EStG

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Der geleistete Betrag von 25.000,00 DM stellt dem Grunde nach eine Entschädigungszahlung dar, die als Ersatz für entgangene oder entgehende Einnahmen (§ 24 Nr.1 Buchst. a) EStG) gezahlt wurde. Diese Entschädigungsleistung ist jedoch nicht nach § 34 Abs.1 und Abs. 2 Nr. 2 EStG als außerordentliche Einkünfte tarifbegünstigt.

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Außerordentliche Einkünfte i.S. des § 34 Abs. 1 und Abs. 2 EStG sind nur gegeben, wenn die zu begünstigenden Einkünfte in einem Veranlagungszeitraum zu erfassen sind und durch die Zusammenballung von Einkünften erhöhte steuerliche Belastungen entstehen. Die ermäßigte Besteuerung nach § 34 Abs. 1 und Abs. 2 EStG bezweckt, die Härten auszugleichen, die sich aus der progressiven Besteuerung der Entschädigung ergeben (vgl. BFH-Urteile vom 21.06.1990 - X R 45/86, BFH/NV 1991, 88, und in BFH/NV 1993, 23, jeweils m.w.N.). Dementsprechend begründet eine Entschädigung i.S. des § 24 Nr. 1 Buchst. a) EStG grundsätzlich nur dann außerordentliche Einkünfte, wenn sie für entgangene oder entgehende Einnahmen, die sich bei normalem Ablauf, nämlich bei Fortsetzung des Dienstverhältnisses, auf mehrere Jahre verteilt hätten, vollständig in einem Veranlagungszeitraum gezahlt wird (vgl. BFH-Urteil in BFH/NV 1992, 102) oder nur Einnahmen eines Jahres ersetzt, sofern sie im Jahr der Zahlung mit weiteren Einkünften zusammenfällt (ständige Rechtsprechung des BFH, vgl. z.B. BFH-Urteil v. 06.09.1995 - XI R 71/94, BFH/NV 1996, 204, m.w.N.).

19

Bei Zugrundelegung dieser Rechtsgrundsätze sind im Streitfall die Voraussetzungen für die Anwendung des § 34 Abs. 1 und Abs. 2 Nr. 2 EStG nicht gegeben. Die Entschädigungszahlung hat nicht zu einer Zusammenballung von Einnahmen geführt. Die Entschädigung ersetzt - wie Frau D. schriftlich bestätigt hat - weder Einnahmen, die sich regulär auf mehrere Jahre verteilt hätten, noch fällt sie mit weiteren Einnahmen aus einem Arbeitsverhältnis mit Frau D. zusammen, die der Kläger bei Fortsetzung des beendeten Dienstverhältnisses nicht erhalten hätte. Der Zweck der Steuerermäßigung des § 34 EStG - Zusammenballung von Einkünften bzw. Vermeidung von Härten aus der progressiver Besteuerung - ist somit im Streitfall nicht erfüllt.

20

Die Klage musste daher abgewiesen werden.

21

Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs.1 FGO.