Finanzgericht Niedersachsen
Urt. v. 05.12.2000, Az.: 6 K 423/99

Zulässige Hilfeleistung in Steuersachen durch einen "Belastung Adviseur" nur bei Tätigkeit mit grenzüberschreitendem Bezug

Bibliographie

Gericht
FG Niedersachsen
Datum
05.12.2000
Aktenzeichen
6 K 423/99
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2000, 35704
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:FGNI:2000:1205.6K423.99.0A

Fundstellen

  • EFG 2001, 869-870 (Volltext mit red. LS)
  • IWB 2001, 1083

Redaktioneller Leitsatz

  1. 1.

    Ein in den Niederlanden zugelassener "Belastung Adviseur", der keine Prüfung nach dem StBerG als Voraussetzung für die Zulassung zur Berufsausübung in Deutschland abgelegt hat, ist lediglich befugt, in Deutschland Hilfe in steuerlichen Angelegenheiten zu leisten, soweit es sich um eine grenzüberschreitende Betätigung i.S.d. Art. 49 Abs. 1, 50 Abs. 3 EGV handelt.

  2. 2.

    Eine weitergehende Befugnis lässt sich auch durch die Änderung des StBerG durch das 7. Gesetz zur Änderung des StBerG nicht begründen.

  3. 3.

    Wird keine steuerberatende Tätigkeit mit grenzüberschreitendem Bezug erbracht, ergibt sich aus der in Art. 49 Abs. 1, 50 Abs. 3 EGV geregelten Dienstleistungsfreiheit ebenfalls keine Befugnis zur Hilfeleistung auf dem Gebiet der nach deutschem Recht geregelten Steuern.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten über die Rechtmäßigkeit der Zurückweisung des Klägers wegen unbefugter Hilfeleistung in Steuersachen für den Steuerpflichtigen R K.

2

Der 1958 geborene Kläger absolvierte nach Erlangung der mittleren Reife vom 01.12.1976 bis 30.11.1978 eine Ausbildung in der Landesfinanzverwaltung Hessen zum Finanzbeamten des mittleren Dienstes. Nach bestandener Prüfung zum Steuerassistenten übte er diese Tätigkeit in der Finanzverwaltung bis zum 31.03.1980 aus. In der Folgezeit war er bei verschiedenen Steuerberatern als Steuerfachgehilfe tätig. Am 12.06.1981 bestand er die Gehilfenprüfung. Nach Absolvierung des Grundwehrdienstes war der Kläger seit dem 01.10.1982 bis zum 31.08.1987 erneut bei verschiedenen Steuerberatern als Steuerfachgehilfe mit der Aufgabe der Mandantenbuchhaltung und Lohnabrechnung betraut. Vom 01.09.1987 bis zum 14.03.1993 befaßte sich der Kläger als kaufmännischer Geschäftsführer der Firma P GmbH mit der Erstellung der Buchführung, der Lohnabrechnungen, Bilanzen und Steuererklärungen sowie kaufmännischen Zusatzarbeiten. Vom 15.03.1993 bis zum 31.05.1995 war er erneut als Steuerfachgehilfe bei verschiedenen Steuerberatern angestellt und betätigte sich danach im Rahmen eines Buchführungshelfer" und Büroserviceunternehmens mit Schwerpunkt im Bereich der Pflegebuchführung. Während seiner beruflichen Tätigkeiten ging der Kläger zusätzlich kontinuierlich beruflichen Weiterbildungsmassnahmen nach.

3

Am 24.12.1998 wurde der Kläger in das Handelsregister van de Kamer Koophandel in Fabrieken voor Groningen als Belastingadviseur eingetragen. Am 27. April 1999 bestand der Kläger an der Stichting Eerste Nederlands Duitse Akademie Voor Internationaal Belastingrecht en Economie den Diplom-Studiengang Belastingrecht.

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Bereits mit Schreiben vom 29.01.1999 zeigte der Kläger dem Beklagten an, dass er sein Belasting-Advies-Bureau am 01.01.1999 eröffnet habe. Als Anschrift gab er ... Belastingadvies-Bureau-Gemeenschaft in Provinz Groningen an. Zudem wird als Repräsentanz Deutschland die Anschrift ... aufgeführt sowie als alleinige Bankverbindung eine Kontonummer bei der Sparkasse G-W.

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Der Kläger ist in der Bundesrepublik Deutschland nicht als Steuerberater zugelassen. Nach einer Betriebsprüfung legte der Steuerpflichtige R K Einspruch gegen die Änderungsbescheide Einkommensteuer 1995, 1996 und Umsatzsteuer 1996 ein und stellte zugleich einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung. Gegen den ablehnenden Bescheid vom 07.12.1998 legte der Kläger für den Steuerpflichtigen mit Schreiben vom 04.01.1999 Einspruch ein und nahm zum Einspruchsverfahren Stellung. Der Steuerpflichtige R K übersandte dem Beklagten eine Vollmacht, wonach der Kläger berechtigt ist, ihn in allen steuerlichen Angelegenheiten zu vertreten.

6

Daraufhin wies der Beklagte den Kläger mit Bescheid vom 22.02.1999 als Bevollmächtigten des R K wegen unbefugter Hilfe in Steuersachen gemäß § 80 Abs. 5 AO zurück. Den Einspruch des Klägers gegen den Zurückweisungsbeschluss wies der Beklagte mit Einspruchsbescheid vom 28.04.1999 als unbegründet zurück.

7

Mit seiner hiergegen erhobenen Klage begehrt der Kläger die Aufhebung des Zurückweisungsbescheides. Zur Begründung führt er im wesentlichen an, dass die Zurückweisung gegen die Niederlassungsfreiheit des EU-Vertrages verstoße. Aufgrund der Qualifikation auf dem Gebiet des Deutschen Steuerrechtes sei es ihm als Belastingadviseur gestattet, Kunden in Deutschland zu betreuen. Gegen die Entscheidung des OLG Braunschweig vom 23.03.2000 (2 U 128/99) und die Entscheidung des BFH (V B 167 u. 168/99) habe er Verfassungsbeschwerde eingelegt. Wegen des weiteren Inhalts wird auf die Beschwerdeschriftsätze des Klägers Bl. 39 ff Bezug genommen.

8

Der Kläger beantragt,

  1. den Bescheid über die Zurückweisung wegen unbefugter Hilfe in Steuersachen vom 22.02.199 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 28.04.1999 aufzuheben.

9

Der Beklagte beantragt,

  1. die Klage abzuweisen.

10

Zur Begründung verweist er auf seine Ausführungen im Einspruchsbescheid. Ergänzend trägt er vor, dass der Kläger nicht befugt sei nach dem Steuerberatungsgesetz geschäftsmäßige Hilfe in Steuersachen zu leisten, da er nicht zu dem in §§ 3 und 4 Steuerberatungsgesetz genannten Personenkreis gehöre. Nach dem BMF-Schreiben vom 19.03.1998 (Bundessteuerblatt BStBl 1998, 361) seien nur diejenigen niederländischen Belastingadviseure mit dem Beruf eines Steuerberaters vergleichbar, die Mitglied von de Nederlandse Federatie van Belastingadviseur oder von de Nederlandse Ordre van Belastingadviseur seien. Der Kläger erfülle diese Voraussetzungen nicht.

Gründe

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I. Die Klage ist unbegründet.

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1. Der Beklagte hat den Kläger zu Recht als Bevollmächtigten gemäß § 80 Abs. 5 AO zurückgewiesen, weil der Kläger nicht zur geschäftsmäßigen Hilfeleistung in Steuersachen befugt war und auch unter Berücksichtigung des Rechts der EG jedenfalls deshalb zurückgewiesen werden durfte, weil er nicht vom Staat seiner Zulassung aus lediglich grenzüberschreitend tätig geworden ist.

13

a) Der Kläger wurde vom Beklagten zu Recht nach § 80 Abs. 5 AO 1977 als Bevollmächtigter des Steuerpflichtigen zurückgewiesen, weil er unbefugt geschäftsmäßig Hilfe in Steuersachen i.S. von § 1 Abs.1 StBerG geleistet hat. Er war hierzu nicht nach §§ 2, 3 Abs. 1 StBerG befugt. Der Kläger war in Deutschland weder als Steuerberater oder Steuerbevollmächtigter noch als ein sonst in § 3 StBerG genannter Berufsangehöriger zugelassen. Der Kläger ist lediglich ein in den Niederlanden zugelassener Belastung Adviseur, der keine Prüfung nach dem StBerG als Voraussetzung für die Zulassung zur Berufsausübung in Deutschland abgelegt hat. In den Niederlanden ist es grundsätzlich jedem erlaubt, sich auch ohne Nachweis besonderer Kenntnisse auf dem Gebiet der Steuerberatung zu betätigen und sich als Belasting Adviseur im Handelsregister eintragen zu lassen (vgl. OLG Dresden, IStR 2000, 189 [OLG Dresden 06.07.1999 - 14 U 2912/98]). Hieraus entsteht weder ein Anspruch auf Zulassung als Steuerberater noch die Befugnis zur unbeschränkten Hilfe in Steuersachen in Deutschland.

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b) Der Kläger kann sich auch nicht mit Erfolg auf § 3 Nr. 4 StBerG idF des 7. Steuerberateränderungsgesetzes berufen. Danach sind Personen oder Vereinigungen zur geschäftsmäßigen Hilfeleistung befugt, die in einem anderen Mitgliedsstaat der Europäischen Union als Deutschland beruflich niedergelassen sind und dort befugt geschäftsmäßig Hilfe in Steuersachen nach dem Recht des Niederlassungsstaates leisten, soweit sie mit der Hilfeleistung in Steuersachen eine Dienstleistung nach Art. 50 EG-Vertrag erbringen. Sie dürfen dabei nur unter der Berufsbezeichnung in den Amtssprachen des Niederlassungsstaates tätig werden, unter der sie ihre Dienste im Niederlassungsstaat anbieten. Wer danach berechtigt ist, die Berufsbezeichnung Steuerberater, Steuerbevollmächtigter oder Steuerberatungsgesellschaft zu führen, hat zusätzlich die Berufsorganisation, der er im Niederlassungsstaat angehört, sowie den Niederlassungsstaat anzugeben. Der Umfang der Befugnis zur Hilfeleistung in Steuersachen im Inland richtet sich nach dem Umfang dieser Befugnis im Niederlassungsstaat.

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§ 3 Nr. 4 StBerG enthält für nicht in Deutschland zugelassene Steuerberater keine uneingeschränkte Befugnis zur Hilfeleistung in Steuersachen, sondern lediglich die Berechtigung grenzüberschreitende Hilfe in Steuersachen zu erbringen. Die Auffassung des Senats kann sich sowohl auf den Wortlaut des Gesetzes stützen. Danach ist Steuerberatung nur zulässig, soweit sie eine Dienstleistung nach Art. 50 EG-Vertrag darstellt. Mit dieser Formulierung hat der Gesetzgeber die in den bisherigen Art. 59 und 60 EG-Vertrag a.F. geregelte Niederlassungsfreiheit in nationales Recht übertragen wollen.

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So heißt es in der Begründung der gesetzlichen Änderung (BT-Drucks. 14/2667, S. 27): Durch die Regelung in der Nr. 4 des § 3 wird ein spezieller Erlaubnistatbestand ins StBerG eingefügt. Dieser ist beschränkt auf die Erbringer von Dienstleistungen in Steuersachen im Anwendungsbereich des Art. 50 EG-Vertrag. Damit wird den Anforderungen des EG-Vertrages im Bereich der Dienstleistungsfreiheit bei grenzüberschreitender Hilfeleistung in Steuersachen Rechnung getragen.

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Der Anwendungsbereich des § 3 Nr. 4 StBerG ist demgemäß auf eine Befugnis zur vorübergehenden grenzüberschreitenden steuerberatenden Tätigkeit beschränkt, wie sie bisher unmittelbar aus Art. 59 und 60 EG-Vertrag a.F. hergeleitet wurde (vgl. hierzu BFH-Urteil vom 19.07.1994 VII R 107/93 , BFHE 175, 192 BStBl. II 1994, 875).

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c) Aus der in Art.49 Abs.1, 50 Abs.3 EGV geregelten Dienstleistungsfreiheit ergibt sich für den Kläger ebenfalls im Streitfall keine Befugnis zur Hilfeleistung auf dem Gebiet der nach deutschem Recht geregelten Steuern, weil der Kläger keine steuerberatende Tätigkeit mit grenzüberschreitendem Bezug erbracht hat.

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Art. 49 EGV , der die Dienstleistungsfreiheit innerhalb der EU gewährleistet, setzt voraus, dass der Leistungserbringer in einem anderen Staat ansässig ist als der Leistungsempfänger. Ansässig ist ein Leistungserbringer, wenn er eine berufliche Niederlassung unterhält und von dieser Niederlassung aus Dienstleistungen erbringt. Zudem bedarf es einer nur vorübergehenden grenzüberschreitenden Betätigung in einen anderen Empfängerstaat.

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d) Im Streitfall fehlt es jedenfalls an einer grenzüberschreitenden Betätigung. Zwar hat der Kläger gegenüber dem Beklagten angezeigt, dass er ein Belasting-Bureau in K (Niederlande) eröffnet und zugleich eine Niederlassung in Deutschland in W begründet hat. Eine nähere Darstellung der in den Niederlanden verrichteten Tätigkeit kann dem Vortrag des Klägers indes nicht entnommen werden. Hieraus ergeben sich bereits erhebliche Zweifel an der Ansässigkeit des Klägers im Zulassungsstaat. Ob der Kläger tatsächlich in den Niederlanden ansässig gewesen ist, kann jedoch dahingestellt bleiben. Denn die vom Kläger in Deutschland gegenüber dem Stpfl. erbrachte Dienstleistung bezog sich allein auf eine Tätigkeit im Inland ohne jeglichen Auslandsbezug. Bei dem Stpfl. handelt es sich um einen deutschen Staatsangehörigen mit Wohnsitz im Inland, der der deutschen Steuerpflicht unbeschränkt unterliegt. Ebensowenig weist die Einkünfteerzielung des Stpfl. einen Auslandsbezug auf, so dass sich der steuerlich relevante Sachverhalt allein im Inland verwirklichte.

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Demzufolge erwuchs dem Kläger aus § 3 Nr. 4 StBerG keine Befugnis für den Stpfl. steuerberatend tätig zu werden.

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2. Die Zurückweisung des Klägers ist auch nicht im Hinblick auf die durch das 7. Gesetz zur Änderung des StBerG eingefügte Änderung in § 80 Abs. 7 AO rechtsfehlerhaft. Die Zurückweisung des Klägers ist auch nach der Änderung zu Recht auf § 80 Abs. 5 AO gestützt worden.

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Durch die gesetzliche Änderung wurde in § 80 AO nach Abs. 6 ein geänderter Abs. 7 eingefügt. Danach können Bevollmächtigte und Beistände, deren Befugnis zur geschäftsmäßigen Hilfeleistung in Steuersachen sich aus § 3 Nr. 4 StBerG ergibt, zurückgewiesen werden, wenn sie zur geschäftsmäßigen Hilfeleistung in Steuersachen fachlich nicht geeignet sind.

24

Zwar könnte sich aus der Neuregelung in § 80 Abs. 7 AO ein Spezialitätsverhältnis zur Zurückweisungsverpflichtung nach § 80 Abs. 5 AO ergeben, mit der Folge, dass eine Zurückweisung der nach § 3 Nr. 4 StBerG befugterweise steuerberatend tätig werdenden Personen nur noch aus den in Abs. 7 genannten Gründen erfolgen darf. Diese Frage bedarf hier jedoch nicht der abschließenden Klärung, da eine Verdrängung des § 80 Abs. 5 AO durch eine speziellere Regelung voraussetzt, dass letztere den zu entscheidenden Sachverhalt tatbestandsmäßig erfasst. Dies ist indes im Streitfall nicht der Fall. Denn § 80 Abs. 7 AO regelt nach seinem eindeutigen Wortlaut lediglich die Zurückweisungsbefugnis derjenigen Bevollmächtigten und Beistände, die nach § 3 Nr. 4 StBerG zur Hilfeleistung befugt sind. Fehlt es bereits an einer Beratungsbefugnis nach dieser Vorschrift des StBerG , ist § 80 Abs. 7 AO nicht anwendbar. Mit anderen Worten bedeutet es, dass § 80 Abs. 7 AO nur auf den Personenkreis anwendbar ist, der seine Steuerberatungsbefugnis aus § 3 Nr. 4 StBerG herleitet. Dies ist wie bereits ausgeführt beim Kläger nicht der Fall.

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Der Beklagte hat die Zurückweisung des Klägers deshalb zu Recht auf § 80 Abs. 5 AO gestützt.

26

Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO .