Finanzgericht Niedersachsen
Urt. v. 12.12.2000, Az.: 1 K 889/97

Ermittlung des Gesamtvermögens; Wirtschaftliche Belastung durch Schulden eines vermögenslosen Ehegatten

Bibliographie

Gericht
FG Niedersachsen
Datum
12.12.2000
Aktenzeichen
1 K 889/97
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2000, 14406
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:FGNI:2000:1212.1K889.97.0A

Verfahrensgang

nachfolgend
BFH - 26.02.2003 - AZ: II R 19/01

Fundstelle

  • EFG 2002, 1003-1004

Tatbestand

1

Umstritten ist, ob Schulden der Klägerin (Kl.'in) die Bemessungsgrundlage der Vermögensteuer (VSt) mindern.

2

Die in den Jahren...und...geborenen Kläger (Kl.) sind miteinander verheiratet. An den Stichtagen besaß der Kl. erhebliches Vermögen.

3

Die Kl'in war früher zu 50 v.H. persönliche haftende Gesellschafterin der "... OHG" gewesen, die im Jahre...in Konkurs fiel. Die OHG war zu diesem Zeitpunkt mit nahezu 15 Mio DM überschuldet. Das Konkursverfahren wurde am...mangels Masse eingestellt.

4

Die Kl'in geht davon aus, dass die Hälfte der Schulden der ehemaligen OHG in Höhe von...(ca. 7,5 Mio) DM auf sie als haftende Gesellschafterin entfiel, wobei sie einen - in seiner Durchsetzbarkeit fraglichen - Innen-Ausgleichsanspruch gegen ihren ehemaligen Mitgesellschafter .... berücksichtigte. Im übrigen ist die Kl'in vermögenslos. Soweit sie früher pfändbare und verwertbare Vermögensgegenstände besaß, wurden diese von dem Konkursverwalter verwertet.

5

In der Zeit nach dem Konkurs wurde die Kl.'in von einer Vielzahl von Gläubigern nachdrücklich zur Zahlung ihrer Schulden aufgefordert. Teilweise befriedigte der Kl. die Gläubiger aus seinem eigenen Vermögen. Wegen der Höhe der geltend gemachten und der tatsächlich erfolgten Zahlungen wird auf die Aufstellung Bl....Bezug genommen.

6

In den angefochtenen VSt-Bescheiden setzte das FA das Vermögen des Kl. wie erklärt an. Dagegen verweigerte es den Abzug der auf dem Konkurs beruhenden Schulden der Kl'in.

7

Das Vorverfahren blieb erfolglos. Im Klageverfahren erklärte sich das FA zunächst bereit, auf die Stichtage 01.01.1991 und 01.01.1992 jeweils...(ca. 700.000) DM, auf den 01.01.1994 einen Betrag von... (ca. 65.000) DM und auf den 01.01.1995 einen Betrag von...(ca. 60.000) DM zum Abzug zuzulassen sowie wegen möglicher weiterer Forderungen von Gläubigern die angefochtenen Bescheide mit einem Vorläufigkeitsvermerk zu versehen. In der mündlichen Verhandlung zog das FA sein Angebot jedoch zurück.

8

Die Kl. tragen vor:

9

Auch wenn der Kl. zivilrechtlich nicht verpflichtet gewesen sei, Schulden seiner Ehefrau zu bezahlen, habe er sich dieser Notwendigkeit praktisch nicht immer entziehen können. Andernfalls wäre das Leben der Eheleute in einer kleineren Stadt wie...unerträglich geworden. Das habe der Kl. sich und seiner Ehefrau nicht antun können. Überdies sei an den Stichtagen damit zu rechnen gewesen, dass von verschiedenen Gläubigern noch weitere Forderungen in Höhe von mindestens 300.000 DM - möglicherweise mit Erfolg - geltend gemacht werden würden. Das sei auch heute noch durchaus möglich.

10

Die Kl. beantragen,

weitere Schulden bei der VSt-Veranlagung in folgender Höhe zu berücksichtigen:

01.01.1991 ca. 1.000.000,00 DM
01.01.1992 ca. 1.000.000,00 DM
01.01.1994 ca. 900.000,00 DM

und die VSt auf den 01.01.1995 auf 0,00 DM festzusetzen.

11

Das FA beantragt,

die Klage abzuweisen.

12

Es meint, bereits aus Rechtsgründen könnten die Verbindlichkeiten der Kl'in die VSt der Eheleute nicht mindern. Für die vermögenslose Kl'in würden ihre Schulden keine wirtschaftliche Belastung darstellen, denn es sei praktisch ausgeschlossen, dass sie jemals etwas würde bezahlen können. An diesem Ergebnis ändere sich auch nichts, soweit der Ehemann Beträge tatsächlich selbst gezahlt habe oder mit Zahlungen rechnen musste. Denn da er zivilrechtlich nicht verpflichtet sei, könne er frei entscheiden, ob er zahlen wolle oder nicht; somit lägen freiwillige Zahlungen des Kl. vor.

13

Im übrigen wird auf die eingereichten Schriftsätze nebst Anlagen und die vorgelegten Steuerakten Bezug genommen.

Gründe

14

Die Klage ist begründet.

15

Die geltend gemachten Schulden sind bei der Ermittlung des vermögensteuerpflichtigen Vermögens der Kl. aus folgenden Gründen abzuziehen:

16

Gemäß § 4 Abs. 1 Nr. 1 Vermögensteuergesetz (VStG) unterliegt der Vermögensteuer (VSt) das Gesamtvermögen. Das Vermögen von Ehegatten wird für die Ermittlung des Gesamtvermögens zusammengerechnet, wenn sie nach§ 14 Abs. 1 Nr. 1 VStG zusammen zur VSt zu veranlagen sind, § 119 Abs. 1 Bewertungsgesetz (BewG). Beschränkt steuerpflichtige Ehegatten werden nach § 14 Abs. 1 Nr. 1 VStG zusammen veranlagt, wenn sie nicht dauernd getrennt leben. Bei der Zusammenveranlagung wird das Vermögen der Ehegatten auch dann zusammengerechnet, wenn der eine Ehegatte überschuldet ist, also kein steuerpflichtiges, sondern ein negatives Vermögen besitzt. In diesem Fall ist das negative Vermögen des einen mit dem positiven Vermögen des anderen Ehegatten zu saldieren. Die Abzugsfähigkeit der Schulden des einen Ehegatten ist dabei nicht davon abhängig, dass der andere Ehegatte mit seinem Vermögen für diese Schulden haftet oder bereit ist, an ihrer Tilgung mitzuwirken (vgl. Rössler/Troll, Bewertungsgesetz und Vermögensteuergesetz, 17. Auflage, § 119 Rdnr. 3; ebenso Gürsching/Stenger, Kommentar zum Bewertungsgesetz und Vermögensteuergesetz, § 119 Abs. 1 ). Allerdings ist zu berücksichtigen, dass für die Abzugsfähigkeit einer tatsächlich bestehenden Schuld oder Last nicht (allein) der rechtliche Bestand entscheidend ist, es muss auch eine tatsächliche und wirtschaftliche Belastung des Leistungsverpflichteten vorliegen. Wirtschaftlich bedeutungslose Verpflichtungen sind - unabhängig von ihrer zivilrechtlichen Existenz - steuerrechtlich grundsätzlich unerheblich.

17

Im Streitfall ist unstreitig, dass die Kl. zusammen zu veranlagen sind. Der Senat geht auch davon aus, dass an den Stichtagen jedenfalls in Höhe der Schulden, die im Klagantrag genannt sind, eine tatsächliche und wirtschaftliche Belastung der Kl. vorlag. Denn in Höhe dieser Beträge waren sie entweder bereits in Anspruch genommen worden oder mussten zumindest damit rechnen, in Anspruch genommen zu werden. Der in der mündlichen Verhandlung vorgetragenen Auffassung des FA, es habe sich um freiwillige Zahlungen des Kl. gehandelt, folgt der Senat nicht. Damit ist das positive Vermögen des Kl. mit dem negativen Vermögen der Kl.'in zu saldieren. Die VSt ermäßigt sich wie folgt:

18

Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 Finanzgerichtsordnung (FGO).

19

Die übrigen Nebenentscheidungen folgen aus den§§ 151 Abs. 3 und 155 FGO i.V.m. §§ 708 Nr. 10, 711 Zivilprozessordnung.