Finanzgericht Niedersachsen
Urt. v. 13.12.2000, Az.: 9 K 130/94

Allgemeine Voraussetzungen sowie Beginn und Ende des gewerblichen Grundstückshandels bei einem in der Baubranche tätigen Kaufmann; Anwendung der Drei-Objekt-Grenze; Vorliegen bedingter Verkaufsabsicht; Wirtschaftliche Zurechnung einer Grundstückshälfte zu Tochter als Eigentümerin der anderen Hälfte; Berücksichtigung des hälftigen Miteigentumsanteils an viertem Grundstück; Bedeutung des Tages der Gewinnrealisierung; Anspruch auf Zerlegung eines einheitlichen Messbetrags; Nichteintritt der Festsetzungsverjährung wegen Ablaufhemmung; Zeitpunkt einer Außenprüfung; Verwirkung des Steueranspruchs

Bibliographie

Gericht
FG Niedersachsen
Datum
13.12.2000
Aktenzeichen
9 K 130/94
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2000, 14407
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:FGNI:2000:1213.9K130.94.0A

Verfahrensgang

nachfolgend
BFH - 20.07.2005 - AZ: X R 74/01

Fundstellen

  • EFG 2001, 1389-1392 (Volltext mit red. LS)
  • ZKF 2003, 188

Redaktioneller Leitsatz

  1. 1.

    Bei einem gewerblichen Grundstückshandel beginnt der Gewerbebetrieb i.d.R. zu dem Zeitpunkt, in dem der Steuerpflichtige Tätigkeiten aufnimmt, die objektiv erkennbar auf die Vorbereitung der Grundstücksgeschäfte gerichtet sind.

  2. 2.

    Eine überlange Verfahrensdauer führt grundsätzlich nicht zur Verfassungs- und Rechtswidrigkeit von Steuerbescheiden mit der Folge, dass der Steueranspruch des Fiskus entfällt Dies gilt umso mehr, wenn die Verzögerungen auf die schwierigen Ermittlungen und die damit im Zusammenhang stehenden Rechtsbehelfe des Steuerpflichtigen zurückzuführen sind.

Tatbestand

1

Streitig ist, ob der Kläger neben seiner Tätigkeit als Baustoffhändler einen gewerblichen Grundstückshandel betrieben hat und die daraus in den Jahren 1980 und 1982 erzielten Gewinne der Gewerbesteuer unterliegen.

2

Der Beklagte (das Finanzamt - FA -) ordnete mit Verfügung vom 30.07.1984 die Durchführung einer Außenprüfung (Ap.) bei dem Kläger und seiner mit ihm zusammen zur Einkommensteuer veranlagten (einen -betrieb und ebenfalls Grundstücksgeschäfte betreibenden) Ehefrau an, die sich u.a. auch auf die Gewerbesteuer 1980 bis 1982 erstrecken sollte. Der Prüfer begann mit den Ermittlungen im Betrieb/in der Wohnung des Klägers am 15.10.1984. Am 23.10.1984 fand, was der Prozessbevollmächtigte in der mündlichen Verhandlung nicht bestritten hat, zunächst eine Vorbesprechung zwischen dem Prüfer, dem Kläger und seinem steuerlichen Berater (dem Prozessbevollmächtigten) statt, die den Baustoffhandel und einen eventuellen Grundstückshandel zum Inhalt hatte. Der Prüfer unterbrach die Ap. sodann am 25.10.1984 (nach den Ausführungen des FA. wegen eines Rechtsbehelfsverfahrens; nach der Behauptung des Klägers wegen Urlaubs und Teilnahme an einer Fortbildungsveranstaltung). Nachdem das FA am 21.11.1988 noch jeweils eine "geänderte" Prüfungsanordnung gegenüber dem Kläger und seiner Ehefrau erlassen hatte, wurden die Prüfungshandlungen/Ermittlungen in der Zeit vom 17. bis 24.04.1991 fortgesetzt. Eine Schlussbesprechung hat am 22.08.1991 stattgefunden (der Kläger bestreitet im Schriftsatz vom 05.12.2000 nunmehr, dass diese auch den Grundstückshandel mit umfasst hat).

3

Nach den Feststellungen des Prüfers hat der Kläger ab 1978 die folgenden Grundstücksgeschäfte getätigt:

4

1

Kauf Grund und Boden lt. Vertrag vom27.10.1978
Bebauung1979
Vermietungkeine
Verkauf mit Vertrag vom21.06.1979
5

2

Kauf Grund und Boden lt. Vertrag vom24.11.1978
Bebauung1980/81
Vermietungab 15.05.1982
Verkauf mit Vertrag vom15.06.1984
Übergang01.10.1984
6

3

Kauf Grund und Boden lt. Vertrag vom24.11.1978
Bebauung1979/80
Vermietungkeine
Verkauf mit Vertrag vom25.03.1980
7

4 (Anteil Kläger und Ehefrau je 50 v.H.)

Kauf Grund und Boden lt. Vertrag vom 30.11.1978
Bebauung1979
Vermietungab 01.01.1980
Verkauf mit Vertrag vom12.10.1982
8

Da der Kläger nach der Auffassung des Prüfers innerhalb eines Zeitraumes von fünf Jahren mehr als drei Objekte erworben, bebaut und wieder veräußert hatte, ging er von einem neben dem Baustoffhandel betriebenen gewerblichen Grundstückshandel aus und ermittelte für die Streitjahre die Gewinne/Gewerbeerträge daraus, in dem er im Prinzip den Veräußerungserlösen die Anschaffungskosten (AK) der Grundstücke zuzüglich der Herstellungskosten (HK) für die Gebäude gegenüberstellte. Mangels vollständiger bzw. den Objekten nicht eindeutig zuzuordnender Unterlagen beruhen die von dem Prüfer festgestellten HK zum Teil auf geschätzten Beträgen. Für 1980 ergab sich danach aus der Veräußerung des Objektes 3 ein Gewinn von 103.810,00 DM, für 1982 ein solcher von 45.224,00 DM (Miteigentumsanteil am Grundstück 4). Das FA machte sich die Feststellungen des Prüfers zu eigen und gab am 15.05.1992 dementsprechende Gewerbesteuer-Messbetragsbescheide heraus.

9

Die Einsprüche, mit denen der Kläger u.a. bestritt, einen gewerblichen Grundstückshandel betrieben zu haben, den Ansatz zu niedriger HK rügte und sich auf Feststellungsverjährung berief, hatte nur insoweit Erfolg, als das FA für 1980 weitere HK von 33.229,00 DM und für 1982 von 1.837,00 DM annahm und die Gewinne dementsprechend auf 70.581,00 DM bzw. 43.387 herabsetzte.

10

Mit der Klage macht der Kläger geltend:

11

1.

Die materiellen Voraussetzungen eines gewerblichen Grundstückshandels seien nicht gegeben, denn er habe in dem entscheidenden Fünfjahreszeitraum weniger als vier Objekte veräußert.

12

Der maßgebende Zeitraum habe mit dem Kauf des Grundstücks 1 am 27.10.1978 begonnen und folglich mit Ablauf des 27.10.1983 geendet. Das Grundstück 2 sei erst danach veräußert worden; abzustellen sei insoweit auf den Tag des Gefahrübergangs (01.10.1984), nicht auf denjenigen des Verkaufs (15.06.1984).

13

Sein hälftiger Anteil an dem Grundstück 4 könne zudem nicht einbezogen werden, weil diese Beteiligung ausweislich der Buchführung zum Betriebsvermögen des Baustoffhandels gehört habe. Da sich das Grundstück im Eigentum einer aus ihm und seiner Ehefrau bestehenden Gesellschaft/Gemeinschaft befunden habe, hätten daraus resultierende Vorgänge zudem nicht ohne ein - hier unterbliebenes - förmliches Feststellungsverfahren ausgewertet werden dürfen (dabei sei dann ggf. auch der teilweise Ausfall der Kaufpreisforderung im Jahre 1984 von 35.000,00 DM von Bedeutung). Im übrigen werde nunmehr bestritten, dass er, der Kläger, überhaupt an der Gesellschaft/Gemeinschaft beteiligt war; d.h. es sei aber auch nicht auszuschließen, dass ihm dieses Objekt deshalb allein zuzurechnen war, weil er sämtliche Baukosten bezahlt habe. Bauherrin und damit wirtschaftliche Eigentümerin sei allerdings allein seine Tochter gewesen, wie sich aus den dem Gericht vorgelegten Rechnungen und Baugenehmigungsunterlagen ergebe. Seine Ehefrau und er hätten der Tochter das unbebaute Grundstück allein aus persönlichen Gründen überlassen. Der Tochter habe von Gesetzes wegen selbst dann ein Ausgleichsanspruch (§§ 950, 951, 812 BGB) zugestanden, wenn sie nicht wirtschaftliche Eigentümerin des aufstehenden Gebäudes war. Ihm selbst habe zudem auch deshalb jede Gewinnerzielungsabsicht gefehlt, weil er an dem Veräußerungserlös nicht beteiligt worden sei. Im übrigen sei der "Gewinnverteilungsschlüssel" unzutreffend; seine Ehefrau vertrete dazu die Auffassung, ihr könnten nur 4,35 v.H. zugerechnet werden (das mache auch ihre Beiladung erforderlich).

14

Das Objekt 4 dürfe darüber hinaus auch deshalb nicht dem Grundstückshandel zugerechnet werden, weil es bis zum Verkauf über 2 ae Jahre vermietet gewesen sei. Die aus ihm, seiner Ehefrau und seiner Tochter bestehende Gemeinschaft hätte insoweit Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung erzielt. Das FA habe allerdings auf die im Juni 1999 eingereichte Feststellungserklärung für 1982 lediglich mit einem auf Festsetzungsverjährung gestützten negativen Feststellungsbescheid reagiert.

15

Der Kläger hatte anfangs noch vorgetragen, die vom Prüfer/FA angesetzten HK für die Gebäude müssten wegen nicht berücksichtigter Handwerkerlöhne usw. von 117.636,00 DM auf 140.853,00 DM (Nr. 4) bzw. von 193.267,00 DM auf 219.485,00 DM (Nr. 3) erhöht werden. Im Verlauf des Klageverfahrens haben sich die Beteiligten im Wege der tatsächlichen Verständigung dahingehend geeinigt, dass der Kläger HK von 124.007,00 DM sowie 199.481,00 DM nachgewiesen hat.

16

Mit Schriftsatz vom 12.12.2000 begehrt der Kläger nunmehr noch in 1979 auf dem Konto "0432" des Baustoffhandels gebuchte Bauzeitzinsen von insgesamt 6.971,00 DM nach Abschnitt 33 Abs. 7 der Einkommensteuerrichtlinien (EStR) als zusätzliche HK zu aktivieren.

17

2.

Der Gewerbeertrag sei jedenfalls nach Maßgabe des § 9 Nr. 1 Sätze 2 bis 4 sowie § 9 Nr. 2 Gewerbesteuergesetz (GewStG) zu kürzen.

18

3.

Da sich alle verkauften Objekte ausschließlich im Gebiet der Gemeinde G. befanden, für die das Finanzamt X-Stadt zuständig sei, werde hilfsweise begehrt, das FA zu verpflichten, die Zerlegung der Gewerbesteuer-Messbeträge nach § 188 AO, §§ 28, 33 GewStG durchzuführen.

19

4.

Sofern das Vorliegen eines gewerblichen Grundstückshandels bejaht werden sollte, stehe dem Erlass der angegriffenen Bescheide Festsetzungsverjährung entgegen. Für Ermittlungen gegenüber einem neben dem Baustoffhandel angenommenen weiteren Unternehmen könne sich das FA nicht auf die Prüfungsanordnung vom 30.07.1984 stützen, denn diese habe nur den Baustoffhandel und den -betrieb der Ehefrau umfasst. Die Prüfung eines gewerblichen Grundstückshandels sei erstmals "ergänzend" am 21.11.1988 angeordnet worden. Zu diesem Zeitpunkt habe bereits Festsetzungsverjährung vorgelegen. Im übrigen sei selbst hinsichtlich der von der Prüfungsanordnung vom 30.07.1984 umfassten Steuerarten bereits mit Ablauf des 31.12.1990 Festsetzungsverjährung eingetreten. Denn der Prüfer habe seine in 1984 begonnenen Ermittlungen schon nach wenigen Tagen ohne besondere Begründung und ohne seine - des Klägers - Zustimmung wegen Urlaubs bzw. Fortbildung, nicht etwa wegen eines Rechtsbehelfsverfahrens abgebrochen. Rechtsbehelfe, die auch zu Klagen beim Niedersächsischen Finanzgericht geführt hätten, seien entweder von anderen Beteiligten bzw. im Hinblick auf andere Prüfungsanordnungen geführt worden (das FA habe insoweit das Steuergeheimnis zu beachten). Im Zeitpunkt der Neuaufnahme der Prüfungshandlungen im Jahre 1991 sei deshalb bereits Verjährung eingetreten gewesen.

20

5.

Aus dem Verhalten des FA bzw. des Prüfers lasse sich zudem entnehmen, dass weder in 1984 noch in den Folgejahren die Absicht bestanden habe, einen gewerblichen Grundstückshandel anzunehmen/zu prüfen. Andernfalls wäre der Prüfungszeitraum auf das Jahr der ersten Veräußerung (1979) erweitert worden; ferner hätte man im Hinblick auf die Verkäufe in 1983 und 1984 für die Einkommensteuerbescheide dieser Jahre keine Festsetzungsverjährung eintreten lassen. Dies werde nur verständlich, wenn man die (erst durch die neue Verfügung vom 04.09.1986 aufgehobene und bis dahin das FA bindende) Verfügung der OFD Hannover vom 21.08.1978 heranziehe, wonach damals ein Gewerbebetrieb erst bei Veräußerung von mehr als sechs Objekten angenommen werden sollte. Da er, der Kläger, diese Veräußerungsgrenze eindeutig unterschritten habe, sei man ohne Aufgriffsabsicht von (steuerunschädlicher) Vermögensverwaltung ausgegangen. Damit habe das FA das Recht, seine Meinung später zu seinen, des Klägers, Lasten zu ändern, verwirkt. Vorliegend führe darüber hinaus auch die dem FA zuzurechnende überlange Verfahrensdauer zur Verwirkung der geltend gemachten Steueransprüche.

21

Das FA hat die angefochtenen Bescheide mehrfach, zuletzt im Hinblick auf die tatsächliche Verständigung am 23. November 2000 geändert. Der Kläger hat die Änderungsbescheide jeweils gemäß § 68 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zum Gegenstand des Verfahrens gemacht.

22

Der Kläger beantragt,

die Bescheide über den einheitlichen Gewerbesteuer-Messbetrag 1980 und 1982 (ersatzlos) aufzuheben;

hilfsweise: die einheitlichen Gewerbesteuer-Messbeträge jeweils auf 0,00 DM herabzusetzen;

hilfsweise: das FA zu verpflichten, die Gewerbesteuer-Messbeträge zu zerlegen.

23

Das FA beantragt,

die Klage abzuweisen.

24

1.

Die materiellen Voraussetzungen eines gewerblichen Grundstückshandels seien gegeben. Der Kläger, ein branchenkundiger Baustoffhändler, habe innerhalb des maßgeblichen Fünfjahreszeitraums mehr als drei Grundstücke fast zeitgleich (24.10.1978 bis 30.11.1978) gekauft, hintereinander (1979 bis1981) bebaut und unter Ausschöpfung der geschaffenen substantiellen Vermögenswerte wieder veräußert.

25

Der hälftige Anteil an dem Grundstück 4 und dementsprechend der daraus resultierende Veräußerungserlös seien im Rahmen des Grundstückshandels und nicht etwa bei dem Baustoffhandel zu erfassen gewesen. Da das (anteilige) Grundstück mit - zumindest bedingter - Verkaufsabsicht angeschafft worden sei, habe es als Teil des (mit den AK/HK anzusetzenden) Umlaufvermögens zum notwendigen Betriebsvermögen des Grundstückshandels gehört. Dem stehe nicht entgegen, dass dieses Objekt betreffende Geschäftsvorfälle während der Bauphase zunächst auf betrieblichen Konten des Baustoffhandels gebucht worden seien; denn im Rahmen der Abschlussarbeiten seien damit im Ergebnis (als Entnahmen) jeweils die Privatkonten des Klägers und seiner Ehefrau belastet worden.

26

Das Grundstück 4 sei auch den bürgerlich-rechtlichen Eigentümern, also dem Kläger und seiner Ehefrau, zuzurechnen. Das erstmals im Klageverfahren behauptete wirtschaftliche Eigentum der Tochter sei nicht nachgewiesen worden. Dass die vorgelegten Rechnungen auf den Namen der Tochter lauteten sei darauf zurückzuführen, dass der Planverfasser seinerzeit die nebeneinander liegenden und gleichzeitig bebauten Grundstücke 4 und 5 verwechselt habe. Die Tochter habe damals das ihr von den Eltern schenkweise übereignete Grundstück 5 ebenso wie diese mit einem Einfamilienhaus bebauen lassen.

27

Für die gewerbesteuerliche Erfassung des anteiligen Gewinns aus der Veräußerung des Objektes 4 habe es im Hinblick auf § 7 GewStG keines Feststellungsverfahrens bedurft.

28

2.

Eine Kürzung des Gewerbeertrags komme nicht in Betracht, da der Kläger weder ein Grundstücksverwaltungsunternehmen betrieben habe noch im Gewerbeertrag ein Gewinn aus der Veräußerung eines Anteils an einer Personengesellschaft enthalten sei.

29

3.

Eine Zerlegung komme nicht in Betracht. Dafür sei im übrigen ein besonderes Verfahren erforderlich.

30

4.

Der Kläger könne sich nicht mit Erfolg auf Festsetzungsverjährung berufen, da der Ablauf der Frist wegen der im Jahre 1984 begonnenen Ap. nach § 171 Abs. 4 der Abgabenordnung (AO) hinausgeschoben worden sei (Ablaufhemmung). Die Prüfungsanordnung vom 30.07.1984 habe sich auf Gewerbesteuer 1980 bis 1982 und damit auch auf einen möglichen gewerblichen Grundstückshandel erstreckt. Aus der Angabe der Steuernummer als einem verwaltungsinternen Ordnungsmerkmal könne nicht auf eine Begrenzung auf den Baustoffhandel geschlossen werden. Maßgebender Zeitpunkt für die Beschränkung der Ablaufhemmung sei nach § 171 Abs. 4 Satz 3 AO das Datum der Schlussbesprechung (22.08.1991), die im übrigen auch den Grundstückshandel mit umfasst habe. Bei Erlass der angefochtenen Bescheide sei die in § 169 Abs. 2 AO genannte Frist von vier Jahren deshalb noch nicht verstrichen gewesen.

31

5.

Dem Erlass der angefochtenen Bescheide stehe auch nicht das Institut der Verwirkung entgegen. Es, das FA, sei nämlich nicht erst im Einspruchsverfahren, sondern bereits seit Beginn der Ap. vom Vorliegen eines gewerblichen Grundstückshandels ausgegangen bzw. habe einen solchen ernsthaft geprüft. Die lange Verfahrensdauer sei vorliegend nicht zuletzt auch auf die (im Schriftsatz vom 10.10.2000 im einzelnen aufgeführten) Anträge und Rechtsbehelfe des Klägers, seiner Ehefrau und der Tochter gegen die in diesem Zusammenhang erlassenen weiteren Prüfungsanordnungen und im Rahmen der Ap. sowie auf seine mangelnde Mitwirkung bei der Sachverhaltsaufklärung zurückzuführen.

32

Der Senat hat die Bauakten betr. die Grundstücke 4 und 5 beigezogen.

33

Auf Antrag des Klägers hat der Senat dessen Tochter als Zeugin geladen. Sie sollte zu der Frage gehört werden, wer Bauherr des Grundstücks 4 gewesen ist, wer die Baukosten getragen hat und ob sie hinsichtlich dieses Grundstücks eventuell Ansprüche gegen ihre Eltern geltend machen kann bzw. geltend gemacht hat. Die Zeugin hat von ihrem Aussageverweigerungsrecht Gebrauch gemacht.

Gründe

34

Die Klage ist unbegründet. Das FA ist zutreffend davon ausgegangen, dass der Kläger in den Streitjahren neben dem Baustoffgeschäft einen gewerblichen Grundstückshandel betrieben hat. Es hat die Gewerbeerträge in den nach Maßgabe der tatsächlichen Verständigung geänderten Bescheiden auch in der zutreffenden Höhe festgesetzt. Verfahrensrechtliche Hindernisse standen den Festsetzungen nicht entgegen.

35

1.

Nach § 2 Abs. 1 Satz 1 GewStG unterliegt der Gewerbesteuer jeder stehende Gewerbebetrieb, sofern er im Inland betrieben wird. Gemäß § 1 Abs.1 der Gewerbesteuer-Durchführungsverordnung in der für die Streitjahre geltenden Fassung (GewStDV) ist ein Gewerbebetrieb eine selbständige, nachhaltige Betätigung, die mit Gewinnabsicht unternommen wird und sich als Beteiligung am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr darstellt. Die Betätigung darf weder als Ausübung von Land- und Forstwirtschaft noch als Ausübung eines freien Berufs, noch als eine andere selbständige Arbeit anzusehen sein. Sie darf sich auch nicht als bloße Vermögensverwaltung darstellen (ständige Rechtsprechung, vgl. u.a. Urteile des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 23.10.1987 III R 275/83 in Bundessteuerblatt - BStBl - II 1988, 293; vom 18.01.1989 X R 108/88, BStBl II 1990, 1051, und vom 11.04.1989 VIII R 266/84, BStBl II 1989, 621).

36

Für die Abgrenzung einer gewerblichen Tätigkeit (Grundstückshandel) vom Bereich der privaten Vermögensverwaltung kommt es darauf an, ob nach dem Gesamtbild der Betätigung und unter Berücksichtigung der Verkehrsauffassung die Ausnutzung substantieller Vermögenswerte durch Umschichtung gegenüber der Nutzung von Grundbesitz im Sinne einer Fruchtziehung aus zu erhaltenden Substanzwerten entscheidend in den Vordergrund tritt. Dabei kommt der Anzahl der veräußerten Objekte und dem zeitlichen Abstand zwischen Grundstückserwerb und Veräußerung eine besondere Bedeutung zu (BFH-Urteil vom 16.04.1991 VIII R 74/87, BStBl II 1991, 844, m.w.N.). Nach der neueren Rechtsprechung des BFH wird der Bereich der privaten Vermögensverwaltung grundsätzlich erst dann verlassen, wenn mehr als drei einzelne Objekte veräußert werden (Urteile vom 09.12.1986 VIII R 317/82, BStBl II 1988, 244; vom 03.06.1987 III R 209/83, BStBl II 1988, 277; BStBl II 1988, 293 [BFH 23.10.1987 - III R 275/83]; BStBl II 1990, 1051 [BFH 18.01.1989 - X R 108/88]; vom 01.12.1989 III R 56/85, BStBl II 1990, 1054; vom 25.04.1991 IV R 111/90, BStBl II 1992, 283, und Beschlüsse vom 20.11.1990 VIII B 102/89, Sammlung amtlich nicht veröffentlichter Entscheidungen des Bundesfinanzhofs - BFH/NV - 1991, 304, und des Großen Senats vom 03.07.1995 GrS 1/93, BStBl II 1995, 617). Außerdem muss ein enger zeitlicher Zusammenhang zwischen der Anschaffung und der Veräußerung bestehen. Beträgt diese Zeitspanne nicht mehr als (etwa) fünf Jahre, so ist darauf zu schließen, dass eine zumindest bedingte Verkaufsabsicht vorlag (BFH-Urteile vom 22.03.1990 IV R 23/88, BStBl II 1990, 637; BStBl II 1991, 844; vom 12.07.1991 III R 47/88, BStBl II 1992, 143, und vom 18.09.1991 XI R 23/90, BStBl II 1992, 135, jeweils m.w.N.).

37

a)

Der Kläger, ein in der Baubranche tätiger Kaufmann, hat mehr als drei Grundstücke erworben, bebaut und wieder veräußert. Hinsichtlich der Parzellen 1, 2 und 3 ist dies zwischen den Beteiligten auch unstreitig. Das FA hat in diesem Rahmen zutreffend auch den hälftigen Anteil an dem Grundstück 4 erfasst.

38

Der Kläger und seine Ehefrau erwarben aufgrund notariellen Vertrags vom 30.11.1978 je zur ideellen Hälfte das Eigentum an dem Grundstück 4 und ließen es anschließend mit einem Einfamilienhaus bebauen (am gleichen Tage kaufte die Tochter den daneben liegenden Bauplatz 5, auf dem sie ebenfalls ein entsprechendes Gebäude errichten ließ). Nach zwischenzeitlicher Vermietung (ab 01.01.1980) veräußerten die bürgerlich rechtlichen Eigentümer das Grundstück 4 mit notariellem Vertrag vom 12.10.1982. Der Kaufpreis wurde mit 168.000,00 DM zur Lastenfreistellung verwendet. Die restliche Forderung, die am 14.10.1984 direkt an die Verkäufer ausgezahlt werden sollte, konnten der Kläger und seine Ehefrau nicht mehr realisieren.

39

Die - erstmals im Klageverfahren erhobene - Behauptung des Klägers, seine Grundstückshälfte sei der Tochter als wirtschaftlicher Eigentümerin zuzurechnen, hat sich nicht beweisen lassen. Der Kläger hat dazu zwar drei auf den Namen der Tochter lautende Baurechnungen über insgesamt ca. 11.000,00 DM betr. "Ihr Haus Nr. 4" vorgelegt. Da es aber seinerzeit, wie der Maurermeister X. in einem an die Tochter gerichteten Schreiben vom 26.01.1984 ausgeführt hat, bei der Planverfassung zu einer Verwechslung in der Zuordnung gekommen ist, "weil die Bauten Nr. 5 (damals Kläger) und Nr. 4 (damals Tochter) gleichzeitig geplant und beantragt wurden", was durch die Beschriftung und den Inhalt der beigezogenen Bauakten bestätigt wird, bieten die vorgelegten Rechnungen keinen Beweis für die Behauptung, die Baukosten für das Grundstück 4 seien ganz oder zum Teil von der Tochter getragen worden, wodurch diese das wirtschaftliche Eigentum daran oder zumindest eine entsprechende Ausgleichsforderung erworben habe. Der Senat geht vielmehr unter diesen Umständen davon aus, dass die jeweiligen bürgerlich-rechtlichen Eigentümer der Grundstücke auch die mit der Bebauung zusammenhängenden Kosten getragen haben.

40

Der Senat vermag auch dem weiteren Vortrag des Klägers, der Anteil an dem Grundstück 4 habe bereits zum Betriebsvermögen des Baustoffhandels gehört und könne aus diesem Grunde nicht zur Annahme eines davon getrennten Grundstückshandels herangezogen werden, nicht zu folgen. Es ist zwar richtig, dass die Bauaufwendungen zunächst auf betrieblichen Konten (insbesondere "0432") dieses Unternehmens gebucht wurden. Da der Kläger diese Vorgänge beim Jahresabschluss jedoch als Privatentnahmen insgesamt wieder neutralisierte, kommt eine Zurechnung zum Baustoffhandel nicht in Betracht. Der hälftige Miteigentums-Anteil des Klägers am Grundstück 4 zählt auch als ein selbständiges (viertes) Objekt bei der Beurteilung der Frage, ob der Kläger einen gewerblichen Grundstückshandel betrieben hat (vgl. BFH-Urteil vom 07.03.1996 IV R 2/92, BStBl II 1996, 369, 373).

41

Die Veräußerung dieses Objekts ist dem Kläger gewerbesteuerlich auch unmittelbar, also ohne Feststellungsverfahren (§§ 179 ff. AO) zuzurechnen, denn insoweit fehlt es an der gemeinschaftlichen Einkünfteerzielung der mehreren Eigentümer. Auch die Tatsache, dass die Objekte 2 und 4 zwischen Fertigstellung der Gebäude und ihrer Veräußerung für die Dauer von ca. zwei bzw. zweieinhalb Jahren vermietet waren, schließt ihre Zurechnung zum (Umlauf-)Vermögen des Grundstückshandels nicht aus. Denn eine derartig kurze Zwischenvermietung vermag die Vermutung, der Steuerpflichtige habe unter den gegebenen Umständen insgesamt mit Verkaufsabsicht gehandelt, nicht auszuschließen (vgl. BFH-Urteil vom 11.04.1989 VIII R 266/84, BStBl II 1989, 621). Das gleiche gilt hinsichtlich der vom Kläger im Vorverfahren vorgetragenen Behauptung, er habe deshalb nicht in Substanzverwertungsabsicht gehandelt, weil er u.a. das Grundstück 2 wegen seiner damaligen angespannten finanziellen Situation auf Empfehlung seines Kreditinstituts veräußert habe (vgl. Bescheinigung der -bank). Denn insoweit ist regelmäßig auf die objektiven Umstände und nicht auf besondere Beweggründe abzustellen, da diese nichts dafür hergeben, ob der Steuerpflichtige nicht auch aus anderen Gründen zur Veräußerung bereit gewesen wäre und deshalb nicht bereits von Anfang an eine zumindest bedingte Kaufabsicht vorgelegen hat (vgl. BFH vom 29.10.1998 XI R 58/97, BFH/NV 1999, 766).

42

b) Der Kläger hat die Grundstücksgeschäfte auch innerhalb des von der Rechtsprechung geforderten engen zeitlichen Rahmens (Fünfjahreszeitraum) getätigt.

43

Bei einem gewerblichen Grundstückshandel beginnt der Gewerbebetrieb i.d.R. zu dem Zeitpunkt, in dem der Steuerpflichtige Tätigkeiten aufnimmt, die objektiv erkennbar auf die Vorbereitung der Grundstücksgeschäfte gerichtet sind (BFH-Urteil vom 09.02.1983 I R 29/79, BStBl II 1983, 451). Im Streitfall hat der Kläger sämtliche Grundstücke im Jahre 1978 erworben, zwei davon ( 1 und 4 ) in 1979 bebauen lassen und das erste der insgesamt vier Objekte (Nr. 1) mit notariellem Vertrag vom 21.06.1979 wieder verkauft. An diesem Tage hat er objektiv und unzweifelhaft dokumentiert, dass seine die Grundstücke betreffenden Aktivitäten nicht auf Substanzerwerb und Fruchtziehung, sondern auf die Ausnutzung substantieller Vermögenswerte durch Umschichtung ausgerichtet und die weiteren Veräußerungen die logische Fortsetzung dieser Absichten waren. Der Senat stimmt somit der von dem FA vertretenen Auffassung zu, dass der Grundstückshandel vorliegend am 21.06.1979 begonnen und der maßgebende Fünfjahreszeitraum, der kein absoluter ist, damit (ungefähr) Ende Juni 1974 geendet hat.

44

Da der Kläger das vierte Objekt ( Nr. 2 ) mit notariellem Vertrag vom 15.06.1984 verkauft und aufgelassen hat, sind sämtliche Veräußerungen innerhalb des von der Rechtsprechung abgesteckten Zeitrahmens erfolgt und damit alle Voraussetzungen für die Annahme eines gewerblichen Grundstückshandel gegeben. Der Senat vermag der Auffassung des Klägers, abzustellen sei nicht auf das obligatorische Rechtsgeschäft, sondern auf den Tag des Gefahrenübergangs, nicht zu folgen. Mit Abschluss des notariellen Kaufvertrags nebst Auflassung hat ein Eigentümer alles wesentliche getan, um den Eigentumsübergang auf den Erwerber zu bewerkstelligen. Damit stimmt es auch überein, dass bei der hier vorzunehmenden Gewinnermittlung durch Bestandsvergleich (§§ 5, 4 des Einkommensteuergesetzes - EStG -) mit diesem Tage Gewinnrealisierung anzunehmen ist.

45

Da der Kläger nach alledem schon nach Maßgabe der bislang als herrschend geltenden Rechtsauffassung einen gewerblichen Grundstückshandel betrieben hat, kann es dahingestellt bleiben, ob ein Gewerbebetrieb auch bereits deshalb zu bejahen gewesen wäre (wozu der Senat allerdings neigt) weil der Kläger nach den von ihm entfalteten Tätigkeiten "dem Bild eines Bauunternehmers/Bauträgers" entsprochen hat und es deshalb auf die Anzahl der von ihm erworbenen und nach Bebauung wieder veräußerten Grundstücke gar nicht angekommen wäre (vgl. dazu den Vorlagebeschluss des X. Senats des BFH vom 29.10.1997 X R 183/96, BStBl. II 1998, 332).

46

c)

Das FA hat den Gewinn aus den in den Streitjahren getätigten Grundstücksgeschäften auch zutreffend ermittelt. Die Höhe der von dem Kläger getätigten HK ist nach Maßgabe der insoweit im Laufe des Klageverfahrens erfolgten tatsächlichen Verständigung unstreitig geworden. Eine Erhöhung seiner anteiligen HK um Bauzeitzinsen bei dem Objekt 4 kommt schon deshalb nicht in Betracht, weil die Ausübung dieses Wahlrechts nach Abschn. 33 Abs. 7 Satz 4 EStR dazu voraussetzt, "dass in der Handelsbilanz entsprechend verfahren wird"; eine Bilanz ist aber für den Grundstückshandel gerade nicht erstellt worden. Die im Jahre 1984 ausgefallene Kaufpreisforderung aus dem Verkauf des hälftigen Anteils an dem Grundstück 4 in Höhe von insgesamt 35.000 DM, ist nach der durch Bestandsvergleich vorzunehmenden Gewinnermittlung nicht im Jahre des Verkaufs (1982), sondern erst im Jahre des Ausfalls zu berücksichtigen. Wenn der Kläger an dem aus der Veräußerung des Grundstücks 4 erzielten Erlös von seinen Familienangehörigen nicht beteiligt wurde, obwohl er die HK zu ca. 95 v. H. getragen haben will, wie er erstmals ohne ausreichenden Nachweis dazu im Klageverfahren vorgetragen hat, so liegt dies im Anwendungsbereich des § 12 EStG und vermag nichts daran zu ändern, dass er auch insoweit in Gewinnerzielungsabsicht gehandelt hat und ihm der auch der hälftige Erlös mit steuerlicher Wirkung zuzurechnen ist.

47

2.

Das FA hat es auch zu Recht abgelehnt, den Gewerbeertrag nach der Vorschrift des § 9 GewStG zu kürzen.

48

a)

§ 9 Nr. 1 Sätze 2 bis 4 GewStG gewährt die Kürzung auf Antrag solchen "Unternehmen, die ausschließlich eigenen Grundbesitz ... verwalten und nutzen" Zu derartigen Unternehmen gehört der Grundstückshändler, der den Grundbesitz nicht verwaltet und nutzt, sondern zum Zwecke der Ausnutzung substantieller Vermögenswerte umschichtet, gerade nicht.

49

b)

§ 9 Nr. 2 GewStG kommt vorliegend ebenfalls nicht zur Anwendung. Denn im Gewerbeertrag des "Grundstückshandel" sind keine "Anteile am Gewinn" aus einer Mitunternehmerschaft enthalten. Der anteilige Gewinn aus der Veräußerung des Grundstücks 4 ist kein solcher aus mitunternehmerischer Tätigkeit, sondern ein solcher aus der Veräußerung von Miteigentum.

50

3.

Im vorliegenden Anfechtungs-Verfahren, das die Rechtmäßigkeit des Gewerbesteuer-Messbescheids zum Inhalt hat, kann der Kläger keinen Verpflichtungsausspruch zur Zerlegung des einheitlichen Messbetrags erreichen. Denn für eine Zerlegung, für die der Messbescheid (§ 184 AO) Grundlagenbescheid i.S. von § 171 Abs. 10 AO ist, sehen die §§ 28 ff. GewStG ein besonderes mit einem Zerlegungsbescheid endendes Verfahren vor. Dieses hätte zunächst bei dem FA beantragt/durchgeführt werden müssen. Es kann deshalb dahingestellt bleiben, ob die materiellen Voraussetzungen für eine Zerlegung (insbesondere Betriebsstätten in mehreren Gemeinden - § 28 Abs. 1 GewStG - oder, wie der Kläger auch vorgetragen hat, Unbilligkeit i.S. von § 33 GewStG) gegeben sind.

51

4.

Das FA war auch nicht wegen Eintritts der Festsetzungsverjährung an dem Erlass der angefochtenen Bescheide gehindert.

52

a)

Nach § 169 Abs. 1 Satz 1 AO ist eine Steuerfestsetzung nicht mehr zulässig, wenn die Festsetzungsfrist abgelaufen ist. Die Frist beträgt u.a. auch für die Gewerbesteuer vier Jahre. Ist - wie vorliegend - eine an sich einzureichende Steuererklärung (§ 25 Abs. 1 Nr. 1 der Gewerbesteuer-Durchführungsverordnung - GewStDV -) tatsächlich nicht abgegeben worden, so beginnt die Frist spätestens mit Ablauf des dritten Kalenderjahrs, das auf das Kalenderjahr folgt, in dem die Steuer entstanden ist (§ 170 Abs. 2 Nr. 1 AO). Die Gewerbesteuer entsteht mit Ablauf des jeweiligen Erhebungszeitraums, grundsätzlich also des Kalenderjahres (§§ 18, 14 Abs. 2 Satz 2 GewStG). Danach hat die Festsetzungsfrist für das Jahr 1980 mit Ablauf des Jahres 1983 und diejenige für 1982 mit Ablauf des Jahres 1985 begonnen und wäre mit Beginn des Jahres 1988 bzw. 1990 abgelaufen gewesen, sofern nicht - was der Senat bejaht - Ablaufhemmung nach Maßgabe des § 171 Abs. 4 AO eingetreten ist.

53

b)

Wird vor Ablauf der Festsetzungsfrist mit einer Ap. begonnen, so läuft nach dieser Vorschrift die Festsetzungsfrist für diejenigen Steuern, auf die sich die Prüfung erstreckt, nicht ab, bevor die auf Grund der Ap. zu erlassenden Steuerbescheide unanfechtbar geworden sind. Dies gilt allerdings dann nicht, wenn die Ap. unmittelbar nach ihrem Beginn für die Dauer von mehr als sechs Monaten aus Gründen unterbrochen wird, die die Finanzbehörde zu vertreten hat.

54

Der Prüfer hat unstreitig aufgrund der Anordnung vom 30.07.1984 am 25.10.1984, also zu einem Zeitpunkt, an noch keine Festsetzungsverjährung eingetreten war, mit einer Ap. bei dem Kläger (und seiner Ehefrau) begonnen. Die Ap. sollte sich u.a. auch auf "Gewerbesteuer 1980 - 1982" erstrecken. Dass darin eine Beschränkung auf den dem FA gemeldeten Baustoffhandel sowie den -betrieb (der Ehefrau) liegen sollte, vermag der Senat auch im Hinblick darauf, dass die Anordnung unter der dem Kläger zugeteilten Steuernummer erging, nicht nachzuvollziehen. Die (nicht mit Rechtsmitteln angefochtene) Anordnung umfasste nach ihrem Wortlaut vielmehr sämtliche gewerblichen Aktivitäten des Klägers (und seiner Ehefrau). Sie erlaubte damit auch die Prüfung hinsichtlich eines eventuellen gewerblichen Grundstückshandels (Vorbesprechung vom 23.10.1984), die sich insbesondere deshalb besonders schwierig gestaltete, weil sich dabei herausstellte, dass sowohl der Kläger als auch seine Ehefrau und auch die Tochter sowie andere Angehörige Grundstücke erworben, bebaut und wieder veräußert hatten, also auch Untersuchungen darüber anzustellen waren, in welcher Organisationsform (Einzelunternehmen oder Gemeinschaft) der Grundstückshandel jeweils betrieben worden war. Die Prüfung eines eventuellen gewerblichen Grundstückshandels ist danach nicht erstmals mit der "geänderten" Verfügung vom 21. November 1988 angeordnet worden. Dieser ist mangels eines abweichenden Regelungsinhalts lediglich ein erläuternder/klärender Charakter beizumessen.

55

c)

Es ist auch nichts dafür ersichtlich, dass der Prüfer im Oktober 1984 nicht ernsthaft mit den Prüfungshandlungen begonnen haben sollte. Für seinen Willen, umfassende Ermittlungen hinsichtlich des gesamten Steuerfall einschließlich eines eventuellen Grundstückshandels anzustellen, sprechen einmal die Erörterungen mit dem Kläger und dessen steuerlichem Berater/dem Prozessbevollmächtigten am 23.10.1984. In seiner Beschwerde vom 02.12.1988 hat der Kläger dazu ferner selbst vorgetragen, der Prüfer habe damals angedeutet, mit seinen Ermittlungen "im Prinzip fertig" zu sein. Dass es dann zu einer mehrjährigen Unterbrechung gekommen ist, lag nach der Überzeugung des Senats nicht daran, dass der Prüfer in der Zeit vom 25.10. bis zum 09.11.1984 Urlaub gemacht und an einer Fortbildungsmaßnahme teilgenommen hat, sondern in der Tat an den von dem FA im Schriftsatz vom 10.11.2000 im einzelnen aufgeführten zahlreichen Rechtsbehelfen und Gerichtsverfahren, die von dem Kläger und den genannten Angehörigen gegen Prüfungshandlungen bezüglich eines von ihnen allein bzw. in Gemeinschaft betriebenen gewerblichen Grundstückshandels erhoben worden waren. Nachdem diese Verfahren Ende 1990 im wesentlichen abgeschlossen waren, setzte der Prüfer seine Ermittlungen bei dem Kläger am 17.04.1991 fort. Da die in der Tat langdauernde Unterbrechung der Ap. demnach nicht aus Gründen geschah, die (allein) das FA zu vertreten hatte, hat die am 15.10.1984 auch hinsichtlich eines eventuellen gewerblichen Grundstückshandels bei dem Kläger begonnene Ap. folglich die in § 171 Abs. 4 Satz 1 AO beschriebene Ablaufhemmung mit der Folge ausgelöst, dass die Festsetzungsfrist beim Erlass der streitigen Bescheide noch nicht abgelaufen war.

56

Nach dem vom Prüfer gefertigten Vermerk/Protokoll (Betriebsprüfung Bd. I) hat die am 22.08.1991 durchgeführte Schlussbesprechung (§ 201 AO) neben dem Baustoffhandel, dem -betrieb der Ehefrau u.a. auch den gewerblichen Grundstückshandel umfasst. Darüber ist unter der St.-Nr. X und der AB-Nr. Y auch ein Bericht (§ 202 AO) gefertigt worden, der unter der Tz. 48 u.a. den Kläger und dessen steuerlichen Berater/den Prozessbevollmächtigten ausweist. Nach einer Verfügung vom 23.12.1991 ist sowohl dem Kläger als auch seinem steuerlichen Berater eine Ausfertigung dieses Bericht übersandt worden. Danach vermag der Senat die Behauptung des Klägers, hinsichtlich des Grundstückshandels habe eine Schlussbesprechung nicht stattgefunden, nicht nachzuvollziehen. Selbst wenn eine Schlussbesprechung demgegenüber nicht stattgefunden haben sollte, hätte dies nach § 171 Abs. 4 Satz 3 AO nicht bewirken können, dass vorliegend dem Erlass der angegriffenen Bescheide Festsetzungsverjährung entgegenstünde.

57

5.

Der Kläger kann sich auch nicht Erfolg darauf berufen, dass das FA nach den auch im Steuerrecht geltenden Grundsätzen von Treu und Glauben wegen Verwirkung der Steueransprüche am Erlass der angefochtenen Gewerbesteuer-Messbescheide gehindert gewesen sei.

58

a)

Die Grundsätze von Treu und Glauben gebieten es innerhalb eines bestehenden Steuerrechtsverhältnisses für Steuergläubiger wie Steuerpflichtigen gleichermaßen, dass jeder auf die Belange des anderen Teils Rücksicht nimmt und sich insbesondere nicht mit seinem eigenen früheren Verhalten in Widerspruch setzt (BFH-Urteil vom 09.08.1989 I R 181/85, BStBl II 1989, 990). Zu den (nicht generell und abstrakt festgelegten) Rechtsfolgen, die einen Beteiligten am Steuerrechtsverhältnis aus treuwidrigem Verhalten treffen können, kann es auch gehören, dass er die Befugnis verliert, Ansprüche geltend zu machen, wenn ihre Durchsetzung ansonsten unter den konkreten Umständen zu einem schlechthin untragbaren Ergebnis führen würde (BFH-Urteil vom 17.06.1992 X R 47/88, BStBl II 1993, 174 m.w.N.). In derartigen Fällen kann der Ausübung eines Rechts insbesondere der Gesichtspunkt der Verwirkung entgegenstehen. Zum bloßen Zeitablauf (sog. Zeitmoment) müssen allerdings weitere Umstände (insbesondere ein bestimmtes Verhalten des Anspruchsberechtigten) hinzutreten, aus denen sich nach der Erfahrung des Rechtslebens entnehmen lässt, dass der Berechtigte seinen Anspruch nicht mehr verfolgen will (sog. Vertrauenstatbestand; vgl. BFH-Urteile vom 14.09.1978 IV R 89/74, BStBl II 1979, 121, (124 unter 3); vom 04.11.1992 X R 13/91, BFH/NV 193, 454). Darüber hinaus muss der Anspruchsberechtigte im Vertrauen darauf, dass der Verpflichtete den betreffenden Anspruch nicht mehr geltend macht, Maßnahmen ergriffen oder unterlassen haben, so dass angesichts dessen die spätere Geltendmachung des Anspruchs als illoyale Rechtsausübung erscheint (sog. Vertrauensfolge, vgl BFH-Urteile vom 14.09.1978 IV R 89/74, BStBl II 1979, 121 und vom 04.11.1992, BFH/NV 1993, 454 [BFH 04.11.1992 - X R 13/91]). Dass sich der Verpflichtete eventuell auf eine Nichtgeltendmachung des Anspruchs gedanklich eingestellt hat, reicht hierfür nicht aus.

59

Im Streitfall hat das FA danach den Steueranspruch nicht allein deshalb verwirkt, weil der Kläger aus dem Verhalten des Prüfers bzw. des FA in Verbindung mit der bis 1986 geltenden Verfügung der OFD Hannover geschlossen haben will, es habe weder in 1984 noch in den Folgejahren die Absicht bestanden, einen gewerblichen Grundstückshandel anzunehmen/zu prüfen. Da für den Prüfer/das FA zunächst nicht klar war, welche der oben genannten Personen (einzeln oder in Gemeinschaft) tatsächlich welche Grundstücke erworben, bebaut und wieder veräußert hatten, bedurfte es der bereits geschilderten langwierigen von Rechtsbehelfen begleiteten Ermittlungen, um zu den später gefundenen Ergebnissen zu kommen. Es mangelt vorliegend also bereits an dem erforderlichen Vertrauenstatbestand; das Vorliegen der darüber hinaus notwendigen Vertrauensfolge hat der Kläger zudem nicht geltend gemacht.

60

b)

Die Steueransprüche sind auch nicht wegen eventuell anzunehmender überlanger Verfahrensdauer verwirkt.

61

Abgesehen davon, dass nach ständiger Rechtsprechung des BFH, der der erkennende Senat folgt, eine überlange Verfahrensdauer grundsätzlich nicht zur Verfassungs- und Rechtswidrigkeit der angefochtenen Steuerbescheide mit der Folge führt, dass der Steueranspruch des Fiskus entfällt (BFH vom 13.09.1991 IV B 105/90, BStBl II 1992, 148; vom 21.03.1996 XI R 82/94, BStBl II 1996, 518; vom 26.02.1998 III B 214/96, nicht amtlich veröffentlicht), vermag der Senat vorliegend auch keine überlange Verfahrensdauer im Sinne einer Verfahrensverschleppung durch das FA zu erkennen. Denn die Verzögerungen waren, wie bereits aufgeführt, insbesondere auf die schwierigen Ermittlungen und die damit im Zusammenhang stehenden Rechtsbehelfe zurückzuführen.

62

Die Klage konnte nach alledem auch hinsichtlich der Hilfsanträge keinen Erfolg haben.

63

6.

Der Senat hat dem Antrag des Klägers, seine Ehefrau wegen des von dieser bei dem Gericht angestrengten Klageverfahrens wegen eigenen Grundstückshandels beizuladen, nicht entsprochen. Da der Ausgang des vorliegenden Rechtsstreits wegen Gewerbesteuer des Klägers keinen unmittelbaren Einfluss auf den Ausgang des Klageverfahrens der Ehefrau (auch was das Objekt 4 anbelangt) haben kann, kommt weder eine notwendige Beiladung (§ 60 Abs. 3 FGO) in Betracht, noch hält der Senat die einfache Beiladung nach § 60 Abs. 1 FGO für geboten.

64

7.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 136 Abs. 1 FGO.

65

Die weiteren Nebenentscheidungen beruhen auf § 151 Abs. 3 FGO in Verbindung mit §§ 708 Nr. 10, 711 der Zivilprozessordnung sowie auf § 139 Abs. 3 Satz 3 FGO.