Finanzgericht Niedersachsen
Urt. v. 12.12.2000, Az.: 8 K 498/00

Abzug nachträglicher Werbungskosten bei Wegfall bei Nutzungswertbesteuerung

Bibliographie

Gericht
FG Niedersachsen
Datum
12.12.2000
Aktenzeichen
8 K 498/00
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2000, 20644
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:FGNI:2000:1212.8K498.00.0A

Verfahrensgang

nachfolgend
BFH - 14.10.2003 - AZ: IX R 18/01

Fundstellen

  • DStRE 2003, 1154-1155 (Volltext mit amtl. LS)
  • EFG 2002, 328-329

Tatbestand

1

Streitig ist, ob nach dem Verzicht auf die Nutzungswertbesteuerung gezahlte Erhaltungsaufwendungen als nachträgliche Werbungskosten abgezogen werden können.

2

Die Kläger bewohnen eine Wohnung im eigenen Zweifamilienhaus. Die andere Wohnung ist vermietet. Im Jahr 1996 ließen die Kläger Reparaturmaßnahmen am Balkon der eigengenutzten Wohnung durchführen. Die dafür angefallenen Kosten laut Rechnung der Firma X vom Dezember 1996 in Höhe von 25.000 DM überwiesen sie im Januar 1997 (Wert laut Kontoauszug Januar 1997).

3

Bis einschließlich 1996 ermittelten die Kläger Einkünfte aus ihrer selbstgenutzten Wohnung als Überschuss des Mietwerts über die Werbungskosten. In ihrer Einkommensteuererklärung für 1997 beantragten sie zum 1. Januar 1997 den Wegfall der Nutzungswertbesteuerung. Die Reparaturkosten für den Balkon machten sie in ihrer Einkommensteuererklärung für 1996 als Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung geltend. Dem folgte das Finanzamt (FA) zunächst in dem unter Vorbehalt der Nachprüfung stehenden Einkommensteuerbescheid für 1996. Auch der Einkommensteuerbescheid für 1997 erging unter dem Vorbehalt der Nachprüfung.

4

Auf Grund einer Betriebsprüfung änderte das FA den Einkommensteuerbescheid für 1996 und minderte dabei u.a. die Werbungskosten aus Vermietung und Verpachtung um die erst 1997 gezahlten 25.000,00 DM. Es berücksichtigte die Aufwendungen auch nicht in dem gemäß § 164 Abs. 2 Abgabenordnung (AO) geänderten Einkommensteuerbescheid für 1997. Die in 1997 gezahlte Rechnung könne nach dem Antrag auf Wegfall der Nutzungswertbesteuerung nicht mehr als Werbungskosten aus der selbstgenutzten Wohnung in 1997 berücksichtigt werden. In Anlehnung an das Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen (BMF) vom 10. November 1998 (IV C 3 - S 2253 - 2/98, BStBl I 1998 S. 1418) zum Wegfall der Nutzungswertbesteuerung reiche die Entstehung der Erhaltungsaufwendungen ohne tatsächliche Bezahlung vor dem 01.01.1997 zur Begründung des Werbungskostenabzugs nicht aus (vgl. Tz. ... des Betriebsprüfungsberichtes).

5

Mit ihrem Vorbringen im Rahmen der Betriebsprüfung und ihrem Einspruch gegen den geänderten Einkommensteuerbescheid für 1997 machten die Kläger geltend, die 25.000,00 DM seien als im Jahr der Einkunftsbesteuerung entstandene, aber erst im Folgejahr bezahlte nachträgliche Werbungskosten abzuziehen, auch wenn die Einkunftsquelle im Folgejahr nicht mehr anzusetzen sei.

6

Die Reparaturen seien unstreitig 1996 (bereits im Sommer) ausgeführt und die Rechnung sei erteilt worden. Damit seien die die eigene Wohnung betreffenden Werbungskosten dem Grunde und der Höhe nach in 1996 entstanden. Lediglich die Überweisung und damit der Abfluss des Geldes seien wegen der erst kurz vor Jahreswechsel erteilten Rechnung erst Anfang Januar 1997 erfolgt.

7

Gemäß § 21 Abs. 2 Einkommensteuergesetz (EStG) gehöre die Nutzungswertbesteuerung zu den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung. Deshalb sei die steuerliche Behandlung von Werbungskosten bei Eigennutzung mit Nutzungswertbesteuerung ebenso zu beurteilen wie bei einer Fremdvermietung. Die Verwaltungsmeinung stehe nicht im Einklang mit dem Gesetz und der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH).

8

Das FA wies den Einspruch zurück. Zwar könnten auch Ausgaben, die erst nach Aufgabe der auf Einnahmeerzielung gerichteten Tätigkeit anfielen, (nachträgliche) Werbungskosten sein, wenn sie noch in wirtschaftlichem Zusammenhang mit der früheren Einnahmeerzielung stünden.

9

Im Streitfall liege allerdings die Besonderheit vor, dass die Kläger zum 1. Januar 1997 den Wegfall der Nutzungswertbesteuerung für die selbstgenutzte Wohnung beantragt hätten. Nach dem analog anzuwendenden BMF Schreiben vom 10. November 1998, das zum letztmaligen Abzug von Erhaltungsaufwendungen als Werbungskosten nach Wegfall der Nutzungswertbesteuerung ab Veranlagungszeitraum 1999 ergangen sei, komme der Werbungskostenabzug nur für solche Erhaltungsaufwendungen in Betracht, die vor dem 1. Januar entstanden und tatsächlich bezahlt worden seien. Der Beginn und Abschluss von Erhaltungsmaßnahmen im Vorjahr begründe dagegen keinen Werbungskostenabzug.

10

Die allgemeinen Grundsätze für nachträgliche Betriebsausgaben bzw. Werbungskosten nach Aufgabe der Einkunftserzielung seien für den Sonderfall der eigengenutzten Wohnung bei Wegfall der Nutzungswertbesteuerung nicht anzuwenden.

11

Hiergegen richtet sich die Klage. Die Kläger führen ihr bisheriges Vorbringen weiter aus und verweisen auf Rechtsprechung des BFH. Aus § 21 Abs. 2 Satz 1 Alternative 1 EStG ergebe sich, dass Werbungskosten bei der Nutzungswertbesteuerung und der (Fremd-)Vermietung und Verpachtung gleichzustellen seien. Nachträgliche Werbungskosten seien Erwerbsaufwendungen, die in einem Zeitpunkt anfielen, in dem der Steuerpflichtige keine Einnahmen mehr aus einem steuerrelevanten Leistungsverhältnis erziele. Es sei zwischen nachträglich entstandenen und nachträglich verausgabten (nachgezahlten) Werbungskosten zu differenzieren.

12

Die steuersystematische Zulässigkeit des nachträglichen Werbungskostenabzugs ergebe sich daraus, dass die Berücksichtigung von Erwerbsaufwendungen entsprechend dem Veranlassungsprinzip (Grundsatz der Leistungsfähigkeit) tatbestandsmäßig unabhängig von zeitlichen Kriterien bzw. einer zeitlichen Nähe zum Einnahmezufluss sei. Die nachgezahlten Werbungskosten seien Aufwendungen, die noch während der Erwerbsphase dazu dienten, Einnahmen zu erzielen oder einen den Einnahmen gleichgestellten Nutzungswert zu versteuern. Die nachgezahlten Erwerbsaufwendungen unterschieden sich im Vergleich zu den gegenwärtigen Erwerbsaufwendungen nur in ihrem Zahlungszeitpunkt, aber nicht in ihrer Zweckrichtung.

13

Die Auffassung des BMF widerspreche der Rechtsprechung des BFH. So seien nachgezahlte Schuldzinsen rechtlich nicht anders zu beurteilen als Zinszahlungen während der Vermietung und Verpachtung, da sie noch final darauf gerichtet seien, Einnahmen zu erzielen und der wirtschaftliche Zusammenhang i.S. des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 EStG bestehe. Das gleiche gelte für nachgezahlte Grundsteuer und nach der Kommentierung zu § 9 EStG auch für die Zahlung rückständiger Reparaturrechnungen.

14

Die Kläger beantragen,

unter Änderung des Einkommensteuerbescheids für 1997 vom ... die Einkommensteuer mit ... DM festzusetzen.

15

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

16

Er hält an seiner Auffassung fest.

17

Die Beteiligten haben auf mündliche Verhandlung verzichtet.

18

Wegen des weiteren Sachverhalts und Vorbringens wird auf den Inhalt der Steuerakten und der gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.

Gründe

19

Die Klage ist unbegründet.

20

Gemäß § 21 Abs. 2 EStG a.F. gehört zu den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung auch der Nutzungswert der Wohnung im eigenen Haus. Diese Vorschrift ist gemäß § 52 Abs. 21 Satz 2 EStG bis einschließlich 1998 weiter anzuwenden, wenn bei einer Wohnung im eigenen Haus bei dem Steuerpflichtigen im Veranlagungszeitraum 1986 die Voraussetzungen für die Ermittlung des Nutzungswerts als Überschuss des Mietwerts über die Werbungskosten vorgelegen haben. Gemäß § 52 Abs. 21 Satz 3 EStG kann der Steuerpflichtige für einen Veranlagungszeitraum nach dem Veranlagungszeitraum 1986 unwiderruflich beantragen, dass § 52 Abs. 21 Satz 2 EStG ab diesem Veranlagungszeitraum nicht mehr angewendet wird.

21

Die Beteiligten sind sich darüber einig, dass bei den Klägern im Veranlagungszeitraum 1986 die Voraussetzungen für die Ermittlung des Nutzungswerts als Überschuss des Mietwerts über die Werbungskosten vorgelegen haben und die Kläger demgemäß bis einschließlich 1998 Einkünfte aus der eigengenutzten Wohnung als Überschuss des Mietwerts über die Werbungskosten ermitteln durften. Dies haben die Kläger bis einschließlich 1996 getan. Die von ihnen 1997 gezahlten Erhaltungsaufwendungen hat das FA zutreffend für 1996 nicht als Werbungskosten gemäß § 9 Abs. 1 Satz 1 EStG berücksichtigt, weil Ausgaben gemäß § 11 Abs. 2 Satz 1 EStG für das Kalenderjahr abzusetzen sind, in dem sie geleistet worden sind.

22

Für das Jahr 1997 können die Aufwendungen nicht als (nachträgliche) Werbungskosten abgezogen werden, weil die Kläger in ihrer Einkommensteuererklärung für 1997 den Wegfall der Nutzungswertbesteuerung ab 1. Januar 1997 unwiderruflich beantragt haben. Ausgaben, die erst nach Aufgabe der auf Einnahmeerzielung gerichteten Tätigkeit anfallen, können nach einhelliger Meinung als Werbungskosten abzugsfähig sein, wenn sie noch in wirtschaftlichem Zusammenhang mit der früheren Einnahmeerzielung stehen (vgl. Schmidt/Drenseck, Kommentar zum EStG, 19. Auflage 2000 Rdz. 40 zu § 9 EStG).

23

Im Streitfall haben die Kläger weder die auf Einnahmeerzielung gerichtete Tätigkeit aufgegeben, noch hängen die Aufwendungen nur mit der früheren Einnahmeerzielung zusammen. Der tatsächliche Sachverhalt hat sich nicht geändert, weil die Kläger sowohl 1996 als auch 1997 eine Wohnung im eigenen Haus bewohnt haben. Geändert hat sich auf Grund des Verzichts der Kläger lediglich die rechtliche Würdigung dieses Sachverhalts. Ab 1987 rechnet der Gesetzgeber das Wohnen im eigenen Haus grundsätzlich der privaten Lebensführung zu. Im Jahr 1996 haben die Kläger (noch) Einkünfte gemäß § 21 Abs. 2 Satz 1 EStG auf Grund der Übergangsregelung des § 52 Abs. 21 Satz 2 EStG erzielt. Bei diesen Einkünften handelt es sich um eine Fiktion, weil die Kläger keine (Vermietungs-) Leistungen an Dritte erbracht und dafür Gegenleistungen (Miete) erhalten haben. Diese Fiktion ist ohne Änderung der tatsächlichen Verhältnisse mit dem Verzicht der Kläger auf die Nutzungswertbesteuerung mit Wirkung ab 1997 weggefallen. Die Kläger können deshalb ab 1997 keine Werbungskosten ohne den entsprechenden Ansatz eines Mietwerts mehr abziehen. Das Gericht folgt der Auffassung des FA, dass der Verzicht auf die Nutzungswertbesteuerung ein Sonderfall ist, bei dem es keine nachträglichen Werbungskosten geben kann.

24

Anderenfalls würden die Kläger günstiger gestellt, als wenn sie nicht auf die Nutzungswertbesteuerung verzichtet hätten, weil sie ohne Verzicht zwar die Aufwendungen als Werbungskosten hätten abziehen können, jedoch den Mietwert als Einnahme hätten versteuern müssen. An der Ausübung ihres Wahlrechts gemäß § 52 Abs. 21 Satz 3 EStG müssen sie sich festhalten lassen, weil dieses unwiderruflich ist.

25

Sie können sich auch nicht darauf berufen, dass die Arbeiten bereits 1996 durchgeführt wurden, mithin die Aufwendungen bereits 1996 entstanden seien und nur in wirtschaftlichem Zusammenhang mit der früheren Einnahmeerzielung stünden. Die Aufwendungen für die Reparatur des Balkons hängen nämlich nicht nur mit der früheren, sondern auch mit der ab 1997 weiterhin bestehenden Eigennutzung der Wohnung zusammen.

26

Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 Finanzgerichtsordnung (FGO).