Finanzgericht Niedersachsen
Urt. v. 14.12.2000, Az.: 5 K 558/99

Umsatzsteuerliche Pauschalbesteuerung einer Verpachtung eines Maststalles wegen Einordnung als typische landwirtschaftliche Hilfstätigkeit

Bibliographie

Gericht
FG Niedersachsen
Datum
14.12.2000
Aktenzeichen
5 K 558/99
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2000, 14409
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:FGNI:2000:1214.5K558.99.0A

Verfahrensgang

nachfolgend
BFH - 22.01.2004 - AZ: V R 60/01

Fundstelle

  • DStRE 2002, 239-240 (Volltext mit amtl. LS)

Tatbestand

1

Streitig ist, ob die Umsätze aus der Vermietung eines Hähnchenmaststalles der Durchschnittsbesteuerung gemäß § 24 UStG eines bestehenden land- und forstwirtschaftlichen Betriebes zuzurechnen sind oder auf sie die Regelbesteuerung anzuwenden ist.

2

Der Kläger ist Landwirt und betreibt auf einer Fläche von ca. 58 ha einen Ackerbaubetrieb mit Schweinemast. Die Umsätze aus der landwirtschaftlichen Betätigung unterliegen der Durchschnittsbesteuerung nach § 24 UStG.

3

Im Dezember 1996 überführte der Kläger aus seinem Betriebsvermögen eine Fläche ins Privatvermögen und baute darauf einen Hähnchenstall. Diesen Stall verpachtete er mit Vertrag vom 01.07.1997 an seine Ehefrau. Diese betreibt ebenfalls einen land- und forstwirtschaftlichen Betrieb. 20 ha dieses Betriebes hat sie vom Kläger gepachtet.

4

Der Kläger verzichtete auf die Steuerbefreiung des § 4 Nr. 12 Buchst. a UStG der Verpachtungsumsätze gemäß § 9 UStG und machte Vorsteuern aus den Bauaufwendungen für den Hähnchenmaststall in Höhe von 46.902,30 DM geltend.

5

Der Beklagte folgte dem nicht. Er setzte die Umsatzsteuer 1997 auf Null DM fest mit der Begründung, daß die Verpachtungsumsätze der Durchschnittsbesteuerung unterlägen und ein Vorsteuerabzug daher nicht in Betracht komme.

6

Hiergegen wendet sich der Kläger nach erfolglosem Einspruchsverfahren mit der Klage. Er trägt vor, daß die Errichtung und anschließende Verpachtung des Hähnchenmaststalles nicht im Rahmen des landwirtschaftlichen Betriebes i.S.d. § 24 UStG ausgeführt worden sei. Dies sei auch gar nicht möglich gewesen, da die Eigennutzung dazu geführt hätte, daß die landwirtschaftlichen Tierhaltungsgrenzen überschritten worden wären.

7

Die Vermietung sei eine Dauerleistung, die nicht in die Durchschnittsbesteuerung einbezogen werden könne. Im Gegensatz zur Auffassung des Beklagten komme es nämlich nicht darauf an, ob ein Wirtschaftsgut im Rahmen eines land- und forstwirtschaftlichen Betriebes genutzt werden könne, sondern ob dies konkret im tatsächlich vorhandenen Betrieb möglich sei. Weil die Tierhaltung nicht uneingeschränkt der Landwirtschaft zugerechnet werde, sondern nur in bestimmten flächenabhängigem Umfang, könnten Tierbestände und die dazugehörigen Produktionsmittel Wirtschaftsgüter sein, die nicht zum normalen Bestand eines Betriebes gehörten.

8

Diese Beurteilung werde - so der Kläger weiter - im Streitfall durch die ertragsteuerliche Behandlung des Hähnchenmaststalles bestätigt. Zwar sei grundsätzlich die ertragsteuerliche Zuordnung eines Wirtschaftsgutes zum gewillkürten Betriebsvermögen oder zum Privatvermögen umsatzsteuerrechtlich nicht ausschlaggebend. Vorliegend sei jedoch zu beachten, daß er (der Kläger) den Hähnchenstall nicht im Rahmen seines land- und forstwirtschaftlichen Betriebes habe nutzen könne; insoweit sei es ertragsteuerlich folgerichtig gewesen, daß er den Hähnchenstall seinem Privatvermögen und nicht dem gewillkürten Betriebsvermögen der Land- und Forstwirtschaft zugeordnet hätte. Dies sei auch umsatzsteuerlich zu berücksichtigen.

9

Daß ein Landwirt bei Vermietungsumsätzen zur Steuerpflicht optieren könne, habe der Bundesfinanzhof mit Urteil vom 03.12.1998 (V R 48/98 -, BStBl II 1999, 150) ausdrücklich bestätigt.

10

Der Kläger beantragt,

entsprechend der Umsatzsteuererklärung 1997 einen Vorsteuerüberschuß in Höhe von 46.902,30 DM festzusetzen.

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Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

12

Er trägt vor, daß die Verpachtung landwirtschaftlicher Gebäude eine typische landwirtschaftliche Hilfstätigkeit sei. Diese unterfalle der Durchschnittsbesteuerung mit der Folge, daß eine Option zur Regelbesteuerung und mithin ein Vorsteueranspruch nicht in Betracht komme.

13

Wegen der Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte sowie auf die Steuerakten zu Steuernummer XXX Bezug genommen

Gründe

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Die Klage ist unbegründet.

15

Der vom Kläger begehrte Vorsteuerabzug nach § 15 Abs. 1 Nr. 1 UStG kommt wegen § 24 Abs. 1 Satz 2 UStG nicht in Betracht. Danach ist für die Verpachtungsumsätze ein Verzicht nach § 9 UStG auf die Befreiung des § 4 Nr. 12 Buchst. a UStG nicht möglich. Denn die Verpachtung des Hähnchenmaststalles stellt eine typische landwirtschaftliche Hilfstätigkeit dar. Diese unterliegt - wie die übrigen land- und forstwirtschaftlichen Umsätze des Klägers - der Pauschalbesteuerung des § 24 UStG.

16

Die Verpachtung landwirtschaftlicher Gebäude ist eine typische landwirtschaftliche Hilfstätigkeit, die bei Landwirten üblicherweise vorkommt. Die Verpachtung einzelner landwirtschaftlicher Flächen durch einen Landwirt unterliegt der Durchschnittsbesteuerung (BFH-Urteil vom 11. Mai 1995 V R 4/92, BStBl II 1995, 610). Die Überlassung einzelner landwirtschaftlicher Grundstücke auf Zeit ist als landwirtschaftliche Tätigkeit anzusehen, da der Boden weiterhin der Erzeugung pflanzlicher oder tierischer Produkte dient.

17

Das gilt auch dann, wenn der Boden mit einer baulichen Anlage versehen wird, die ebenfalls vollständig dazu bestimmt ist, landwirtschaftliche Produkte zu erzeugen. Auch in diesem - hier vorliegenden Fall - liegt eine typische landwirtschaftliche Tätigkeit vor.

18

In diesem Zusammenhang ist auch zu berücksichtigen, daß der Kläger selbst einen Mastbetrieb unterhält und das Gebäude nach Beendigung der Verpachtung ohne bauliche Veränderungen selbst nutzen könnte.

19

Die Abgrenzung des Senats stimmt mit der "Pauschalregelung für landwirtschaftliche Erzeuger" in Art. 25 der Sechsten Richtlinie des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern 77/388/EWG (Richtlinie 77/388/EWG) überein. Die darin vorgesehene Pauschalregelung (Art. 25 Abs. 1, 3 der Richtlinie 77/388/EWG) ist u.a. auf den Preis der in Art. 25 Abs. 5 Buchst. c der Richtlinie 77/388/EWG bezeichneten "landwirtschaftlichen Dienstleistungen" anzuwenden. Als landwirtschaftliche Dienstleistungen gelten (Art. 25 Abs. 2 fünfter Gedankenstrich der Richtlinie 77/388/EWG) die in Anhang B bezeichneten Dienstleistungen, "die von einem landwirtschaftlichen Erzeuger mit Hilfe seiner Arbeitskräfte und/oder der normalen Ausrüstung seines landwirtschaftlichen, forstwirtschaftlichen oder Fischereibetriebs vorgenommen werden". Das sind nach Anhang B solche Dienstleistungen, "die normalerweise zur landwirtschaftlichen Produktion beitragen, insbesondere" die "Vermietung normalerweise in land-, forst- und fischwirtschaftlichen Betrieben verwendeter Mittel zu landwirtschaftlichen Zwecken". Da die Verpachtung des Maststalles zu landwirtschaftlichen Zwecken erfolgte, ist von einer landwirtschaftlichen Dienstleistung im Sinne der gemeinschaftsrechtlichen "Pauschalregelung für landwirtschaftliche Erzeugnisse" auszugehen.

20

Das vom Kläger zitierte Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 3. Dezember 1998 (V R 48/98, BStBl II 1999, 150) führt zu keiner anderen Beurteilung. In dem vom BFH entschiedenen Fall war der Vorsteuerabzug für Bauleistungen zur Errichtung einer Lagerhalle für (nichtlandwirtschaftliche) Maschinen streitig. Die Lagerhalle war an einen außerlandwirtschaftlichen Unternehmer vermietet worden. Aufgrund des geschilderten Sachverhalts hat der BFH zu Recht einen Zusammenhang der Lagerhallenvermietung zu dem landwirtschaftlichen Betrieb verneint und den Vorsteuerabzug zugelassen.

21

Im Gegensatz zu dem Urteilsfall des BFH wird der verpachtete Hähnchenmaststall im Streitfall weiterhin zu landwirtschaftlichen Zwecken genutzt, so daß der vom BFH geforderte Zusammenhang der Verpachtungsleistung zum landwirtschaftlichen Betrieb vorliegend gewahrt ist.

22

Umsatzsteuerlich kann es dahinstehen, ob der Kläger das mit dem Hähnchenmaststall bebaute Grundstück ertragsteuerlich entnommen hat.

23

Die Anwendung der Pauschalbesteuerung ist auf Umsätze anzuwenden, die im Rahmen eines land- und forstwirtschaftlichen Betriebs ausgeführt werden. Insofern ist die für die Umsatzsteuer vorgreifliche Frage, ob ein land- und forstwirtschaftlicher Betrieb vorliegt, nach den Grundsätzen zu beurteilen, die bei der Abgrenzung für die Zwecke der Einkommen- und Gewerbesteuer maßgebend sind (Abschn. 264 Abs. 1 UStR). Dabei beschränkt sich jedoch die Heranziehung ertragssteuerlicher Grundsätze auf die Klärung der Frage, ob die jeweilige Tätigkeit ihrem Wesen nach eine landwirtschaftliche Tätigkeit ist. Die bilanzielle Behandlung des Wirtschaftsguts ist umsatzsteuerlich ohne Bedeutung (Lange in: Schüle/Teske/Wendt, § 24 UStG, Tz. 25). Die Umsatzsteuer knüpft nämlich nicht an die Zuordnung von Gegenständen oder an die Unterscheidung nach Vermögensarten an, sondern an die unternehmerische Tätigkeit. Insofern ist die vom Kläger vorgetragene ertragssteuerliche Entnahme umsatzsteuerlich unbeachtlich.

24

Der Vortrag des Klägers, die Eigennutzung des Hähnchenmaststalles hätte dazu geführt, daß die landwirtschaftlichen Tierhaltungsgrenzen überschritten worden wären mit der Folge, daß § 24 UStG nicht mehr zur Anwendung gekommen wäre, ist zwar zutreffend. Nicht zutreffend sind jedoch die Folgerungen, die der Kläger aus diesem - fiktiven - Umstand für den Streitfall zieht. Denn vorliegend hat der Kläger ja gerade verpachtet, um hinsichtlich seiner landwirtschaftlichen Umsätze im Anwendungsbereich des § 24 UStG verbleiben zu können. Dann kann er sich aber nicht mit Erfolg darauf berufen, was umsatzsteuerlich gelten würde, wenn er selbst den Hähnchenmaststall betrieben hätte.

25

Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 Finanzgerichtsordnung (FGO).