Finanzgericht Niedersachsen
Urt. v. 28.08.2002, Az.: 3 K 533/96
Hausratverlust durch Wohnungsbrand als außergewöhnliche Belastung
Bibliographie
- Gericht
- FG Niedersachsen
- Datum
- 28.08.2002
- Aktenzeichen
- 3 K 533/96
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2002, 36238
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:FGNI:2002:0828.3K533.96.0A
Rechtsgrundlagen
- EStG § 33
Fundstellen
- DStRE 2003, 93-94
- EFG 2003, 160-161
- STFA 2003, 31
- ZAP EN-Nr. 0/2003
Redaktioneller Leitsatz
- 1.
Aufwendungen für die Wiederbeschaffung von Hausrat etc., die durch die Zerstörung entsprechender Vermögensgegenstände durch einen Wohnungsbrand veranlasst waren, sind mangels Zwangsläufigkeit nicht als außergewöhnliche Belastungen im Sinne von § 33 EStG zu berücksichtigen, wenn der Steuerpflichtige es unterlassen hat, eine allgemein zugängliche und übliche Versicherungsmöglichkeit zur Abdeckung dieser Vermögensschäden - hier: durch Abschluss einer Hausratversicherung - wahrzunehmen.
- 2.
Verzichtet ein Steuerpflichtiger bewusst auf eine derartige Versicherung, nimmt er damit in Kauf, dass er im Schadensfall den Schaden aus seinem eigenen Vermögen beseitigen muss. Die Abwälzung eines Schadens in der Vermögenssphäre eines Steuerpflichtigen auf die Allgemeinheit ist daher in den Fällen nicht gerechtfertigt, in denen der Steuerpflichtige eine Versicherungsmöglichkeit nicht wahrgenommen hat.
Tatbestand
Gegenstand der Klage ist der Einkommensteuerbescheid 1995 ...
Strittig ist, ob die Aufwendungen der Klägerin (Kl.) für die Ersatzbeschaffung von durch einen Wohnungsbrand zerstörten Hausrat, Möbeln und Kleidung usw. als außergewöhnliche Belastung nach § 33 Einkommensteuergesetz (EStG) berücksichtigt werden können.
Die Kl., ..., bewohnte im Streitjahr 1995 gemeinsam mit Ihrem Sohn"eine angemietete Wohnung in .... In der Nacht vom 2./3. September 1995 kam es in ihrer Wohnung zu einem Brand, durch den Küche und Arbeitszimmer völlig zerstört und das Kinderzimmer ebenfalls stark in Mitleidenschaft gezogen wurde. Von dem Brand waren die Kleiderschränke, ein Großteil der Kleidung in den Kleiderschränken sowie in der Garderobe sowie Bilder, Gardinen, und Grünpflanzen betroffen. Die Wohnung war derart in Mitleidenschaft gezogen, dass sie erst nach ca. 4 Monaten wieder bezogen werden konnte. Da die Kl. keine Hausratsversicherung abgeschlossen hatte, musste sie den Schaden, finanziert durch einen Kredit von der Bausparkasse, selbst tragen.
Mit der Einkommensteuererklärung für das Jahr 1995 machte sie Aufwendungen für die Ersatzbeschaffung der zerstörten Gegenstände in Höhe von"DM als außergewöhnliche Belastung gemäß § 33 EStG geltend. Dies lehnte der Beklagte (Bekl.) mit dem angefochtenen Einkommensteuerbescheid 1995 vom"mit der Begründung ab, dass die Kl. es versäumt habe, eine entsprechende Hausratsversicherung abzuschließen. Nach der Rechtssprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) scheide in derartigen Fällen eine Berücksichtigung der Aufwendungen für Ersatzbeschaffung dann aus, wenn der Steuerpflichtige eine allgemein zugängliche und übliche Versicherungsmöglichkeit nicht wahrgenommen habe.
Hiergegen wendet sich die Kl. nach erfolglos durchgeführten Einspruchsverfahren mit der Klage.
Sie trägt vor:
Sie habe zur Zeit des Brandes von ihrem Ehemann getrennt gelebt und viele andere Dinge zu bedenken gehabt, so dass der Abschluss einer Hausratsversicherung nicht an erster Stelle gestanden habe. Eine Hausratsversicherung sei auch keine Pflichtversicherung, sondern eine freiwillige Angelegenheit. Nach den ihr vorliegenden steuerlichen Hinweisen seien auch die Kosten der Wiederherstellung von Hausrat und Kleidung, die durch ein unabwendbares Ereignis wie z.B. Brand, Hochwasser usw. verloren gegangen sei, als außergewöhnliche Belastung abzugsfähig. Der Brand stelle auch ein aus tatsächlichen Gründen zwangsläufiges Ereignis dar, dem sie sich habe nicht entziehen können. Der Brand sei außergewöhnlich, da nur eine kleine Minderheit von einem derartigen Ereignis betroffen werde. Sie habe auch - wie die Kriminalpolizei bestätigen könne den Brand nicht vorsätzlich oder leichtfertig verursacht. Soweit lediglich bestimmte Pauschalen, etwa 21. 000 DM für sie und 5. 800 DM für ihren Sohn, als angemessene Aufwendungen berücksichtigt werden könnten, sei sie hiermit einverstanden. Bei ihr gehe es auch anders als bei dem vom Bekl. herangezogenen BFH-Urteil - nicht um Schäden an einem selbstgenutzten Einfamilienhaus, sondern um die Wiederbeschaffung von Hausrat und Kleidung nach einem Brand.
....
Der Bekl. ist der Auffassung, dass die Kosten zur Beseitigung von Schäden an Vermögensgegenständen dann nicht als außergewöhnliche Belastung nach § 33 EStG berücksichtigt werden könnten, wenn der Steuerpflichtige eine allgemein übliche und zugängliche Versicherungsmöglichkeit nicht wahrgenommen habe, da in diesen Fällen die Abwälzung des Schadens auf die Allgemeinheit nicht gerechtfertigt sei. Zwangsläufig im Sinne von § 33 EStG müsse nicht nur das zugrunde liegende Ereignis sondern auch die Aufwendungen selbst sein. Die Zwangsläufigkeit sei zu verneinen, wenn der Steuerpflichtige die Möglichkeit gehabt habe, den Aufwendungen auszuweichen. Unterlasse es ein Steuerpflichtiger, sich gegen die Folgen eines Vermögensverlustes, etwa durch Brand, durch Abschluss einer entsprechender Sachversicherung abzusichern, so nehme er das entsprechende Risiko freiwillig in Kauf. Dann sei es aber nicht gerechtfertigt, im Schadensfall die Kosten für die Wiederbeschaffung des Hausrates über die Vorschrift des § 33 EStG der Allgemeinheit (teilweise) aufzubürden, während andere Steuerpflichtige, die eine Sachversicherung abgeschlossen hätten, diese Versicherungskosten nicht einmal steuerlich geltend machen könnten.
Wegen des Sachverhaltes sowie des Vorbringens der Beteiligten im Einzelnen wird auf die Gerichts- und Steuerakte"Bezug genommen.
Gründe
Die Klage ist unbegründet.
Der Bekl. hat es zu Recht abgelehnt, die Aufwendungen der Klin. für die Wiederbeschaffung von Hausrat, Bekleidung etc., die durch die Zerstörung entsprechender Vermögensgegenstände durch den Brand in der Wohnung der Klin veranlasst waren, als außergewöhnliche Belastung gemäß § 33 Einkommensteuergesetz (EStG) zu berücksichtigen. Denn die Aufwendungen sind der Klin. deshalb nicht zwangsläufig im Sinne von § 33 Abs. 2 Satz 1 EStG entstanden, weil diese es unterlassen hat, eine allgemein zugängliche und übliche Versicherungsmöglichkeit zur Abdeckung dieser Vermögensschäden, hier durch Abschluss einer Hausratsversicherung, wahrzunehmen.
Erwachsen einem Steuerpflichtigen zwangsläufig größere Aufwendungen als der überwiegenden Mehrzahl der Steuerpflichtigen gleicher Einkommensverhältnisse, gleicher Vermögensverhältnisse und gleichen Familienstands (außergewöhnliche Belastung), so wird auf Antrag die Einkommensteuer dadurch ermäßigt, dass der Teil der Aufwendungen, der die dem Steuerpflichtigen zumutbare Belastung übersteigt, vom Gesamtbetrag der Einkünfte abgezogen wird ( § 33 Abs. 1 EStG). Aufwendungen erwachsen dem Steuerpflichtigen zwangsläufig, wenn er sich ihnen aus rechtlichen, tatsächlichen oder sittlichen Gründen nicht entziehen kann und soweit die Aufwendungen den Umständen nach notwendig sind und einen angemessenen Betrag nicht übersteigen (§ 33 Abs.2 Satz 1 EStG).
Zwar waren im Streitfall die Aufwendungen der Klin. für die Wiederbeschaffung von Hausrat, Kleidung etc. dem Grunde nach außergewöhnlich und notwendig. Denn die überwiegende Mehrzahl der Steuerpflichtigen gleicher Verhältnisse ist regelmäßig von einem derartigen Brandschaden nicht betroffen. Der Brand stellt für die Klin. auch ein unabwendbares Ereignis dar, da sie diesen weder selbstwissendlich herbeigeführt noch schuldhaft verursacht hatte. Die Schuldlosigkeit der Klin. an der Brandentstehung ist - wie die mündliche Verhandlung ergeben hat - auch zwischen den Beteiligten ebenso wie die Höhe der anzuerkennenden Aufwendungen unstreitig.
Dennoch scheitert nach Auffassung des Senats die Anerkennung der Aufwendungen als außergewöhnliche Belastung im Streitfall trotz Zwangsläufigkeit des den Schaden auslösenden Ereignisses daran, dass die Aufwendungen der Klin. deshalb nicht zwangsläufig entstanden sind, weil sie durch Abschluss einer Hausratsversicherung diese Aufwendungen, die sich sonst zu Lasten der Allgemeinheit auswirken, hätte vermeiden können. Die Hausratsversicherung stellt eine allgemein zugängliche und übliche Versicherungsmöglichkeit im Sinne der BFH-Rechtssprechung (vgl. Urteil des BFH v. 06.05.1994 III R 27/92 , BStBl. II 1995, 104) dar.
Bei der Anerkennung außergewöhnlicher Belastungen nach § 33 EStG geht es um die Erfassung der subjektiven Leistungsfähigkeit des Steuerpflichtigen und letztlich um die Frage, ab wann der Einzelne Anspruch auf die Solidarität der staatlichen Gemeinschaft hat. Besteht für einen Steuerpflichtigen eine allgemein übliche Versicherungsmöglichkeit und ist der Abschluss einer solchen Versicherung auch zumutbar, so hätte der Steuerpflichtige sich den eigenen Aufwendungen entziehen können. Verschließt der Steuerpflichtige bewusst und aufgrund freier Entscheidung sich einer allgemein üblichen und gängigen Versicherungsmöglichkeit, so hat er damit bewusst in Kauf genommen, dass er im Schadensfall den Schaden aus seinem eigenen Vermögen beseitigen muss. § 33 EStG stellt eine Ausnahmevorschrift von der einkommensteuerrechtlichen Konzeption dar, dass Aufwendungen im Bereich der privaten Lebensführung nicht berücksichtigt werden dürfen. § 33 EStG soll somit lediglich unbillige Härten bei der Besteuerung verhindern oder beseitigen. Dies muss nach Auffassung des Senates bei der Auslegung des § 33 EStG zu dem Ergebnis führen, dass die Abwälzung eines Schadens in der Vermögenssphäre eines Steuerpflichtigen auf die Allgemeinheit in denjenigen Fällen nicht gerechtfertigt ist, in denen der Steuerpflichtige eine Versicherungsmöglichkeit nicht wahrgenommen hat. Durch diese hier vertretene Rechtsauffassung wird der Steuerpflichtige in seiner freien Entscheidung über den Abschluss von privaten Versicherungen grundsätzlich nicht tangiert. Die Entscheidung des Steuerpflichtigen, auf den Abschluss einer entsprechenden Versicherung zu verzichten, führt zwar zu für ihn einkommensteuerrechtlich ungünstigen Folgen, nicht jedoch zu einer Zwangsversicherung. Der Senat folgt insoweit der überwiegend in der Rechtsprechung der Finanzgerichte vertretenen Rechtsauffassung (vergl. Urteil des Finanzgerichts München vom 22.11.2001, 15 K 5567/99, DStRE 2002, S. 822; Urteil des Finanzgerichts Köln vom 20.12.2000 1 K 4490/00, EFG 2001, S. 438 ; Urteil des Finanzgerichts Nürnberg vom 19.02.1974 II 28/72, EFG 1974, S. 469). Entsprechende Grundsätze hat der Bundesfinanzhof (BFH) für Aufwendungen eines Steuerpflichtigen aus einem Wasserschaden am eigenen Einfamilienhaus aufgestellt (vergl. Urteil des BFH vom 06.05.1994 III R 27/92 , BStBl II 1995, 104). In einem Fall, in dem Hausrat und Kleidungsstücke eines Steuerpflichtigen durch einen Brand zerstört worden waren, hat der BFH die Frage, ob mangels Abschluss einer Hausratsversicherung der Abzug der Aufwendung für die Wiederbeschaffung des Hausrates zu versagen ist, mangels Erscheinungserheblichkeit dahin- gestellt sein lassen (vgl. Urteil des BFH vom 30.06.1999 III R 8/95 , BStBl. II 1999, 766). Allerdings hat der BFH die Frage, ob nicht möglicherweise nach dem Grad der existenziellen Bedeutung des jeweiligen Vermögensgegenstandes, der beim Steuerpflichtigen zerstört worden bzw. verlorengegangen ist, unterschiedliche Anforderungen an den Versicherungsschutz zu stellen sind, Klarstellungen durch die Rechtssprechung für wünschenswert gehalten (B eschluss des BFH vom 25.02.1999 III B 111/98 , BFH-NV 1999, S.1085).
Dementsprechend hat das Finanzgericht Düsseldorf unter Berücksichtigung des BFH-Urteils vom 06.05.1994 (III R 27/92, BStBl II 1995, 104 [BFH 06.05.1994 - III R 27/92]) - die Auffassung vertreten, es müsse zwischen Schäden am eigenen Einfamilienhaus und Schäden an Mobiliar und Kleidung einer gemieteten Wohnung in dem Sinne unterschieden werden, dass im letzteren Fall der fehlende Abschluss einer Hausratsversicherung der Anerkennung der Aufwendungen nach § 33 EStG nicht entgegenstünde (vgl. Urteil des Finanzgerichts Düsseldorf vom 21.03.2001 8 K 4686/00 E , EFG 2001, S. 753 ; vergleiche auch die Kritik an der BFH-Rechtsprechung bei Drenseck in, Schmidt, Kommentar zum EStG , § 33 Tz. 21; Kanzler in FR 1995 S. 31).
Der Senat folgt dem nicht. Auch Schäden am eigenen Einfamilienhaus sind dem existenziell bedeutsamen Vermögensbereich eines Steuerpflichtigen zuzuordnen, so dass eine Differenzierung zwischen derartigen Gebäudeschäden und Hausratsverlusten in einer gemieteten Wohnung nicht steuerlich unterschiedlich behandelt werden können.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs.1 Finanzgerichtsordnung (F GO).
Die Revision war gemäß § 115 Abs. 2 Nr.1 und 2 FGO zuzulassen, weil die hier in Finanzgerichtsrechtsprechung und Literatur unterschiedlich beurteilte Rechtsfrage einer höchstrichterlichen Klarstellung bedarf.