Finanzgericht Niedersachsen
Urt. v. 30.08.2002, Az.: 3 K 284/95
Abzugsfähigkeit von Verpflegungsmehraufwand nach Dienstreisegrundsätzen außerhalb der allgemeinen Dreimonatsfrist nur im Wege von Billigkeitsregelungen
Bibliographie
- Gericht
- FG Niedersachsen
- Datum
- 30.08.2002
- Aktenzeichen
- 3 K 284/95
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2002, 36244
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:FGNI:2002:0830.3K284.95.0A
Rechtsgrundlagen
- EStG § 9 Abs. 1 Satz 1
Fundstelle
- EFG 2003, 606-607
Redaktioneller Leitsatz
- 1.
Bei Dienstreisen ist der Aufwand von Mehraufwendungen nach einer vorübergehenden Auswärtstätigkeit auf einen Zeitraum von 3 Monaten beschränkt.
- 2.
Das BMF-Schreiben betr. Dienstreisen aus den alten Bundesländern in das Beitrittsgebiet (B StBl I 1991, 536 und 1022; BStBl I 1992, 627 und BStBl I 1994, 868) enthält eine Billigkeitsregelung, die auf § 163 AO beruht. Im Hinblick auf die sich aus § 163 Abs. 1 Satz 3, 348 Abs. 1 Nr. 2 AO ergebende Zweigleisigkeit von Veranlagungsverfahren einerseits und Billigkeitsverfahren andererseits können die Steuergerichte die Billigkeitsregelungen nur in einem die Billigkeitsentscheidung der Finanzbehörde betreffenden Klageverfahren berücksichtigen.
Tatbestand
Zwischen den Parteien ist streitig, ob die Klägerin für das Streitjahr 1993 nach Dienstreisegrundsätzen auch nach Ablauf der allgemeinen Dreimonatsfrist Verpflegungsmehraufwendungen steuermindernd geltend machen kann.
Die Klägerin ist seit 01.01.1991 als Verkäuferin bei der Firma A. in B. beschäftigt. Durch Erweiterung des Arbeitsvertrages vom 25.02.1991 wurde zwischen der Klägerin und ihrer Arbeitgeberin vereinbart, dass sie für drei Jahre in C. in Thüringen an vier Tagen in der Woche tätig ist. Die Arbeitgeberin bescheinigt der Klägerin zusätzlich mit Bescheinigung vom 27.10.1994, dass die Beschäftigung für drei Jahre vom 01.03.1991 bis 28.02.1994 in C. befristet sein sollte. Es war in dem Erweiterungsvertrag zum Arbeitsvertrag zudem vereinbart, dass die Klägerin im Jahr 1994 wieder nach G. zurückkehrt.
Die Klägerin war sodann auch entsprechend des Arbeitsvertrages seit März 1991 an vier Tagen wöchentlich für die Firma A. in C. in Thüringen tätig.
Bei der Einkommensteuererklärung 1993 machte die Klägerin Verpflegungsmehraufwendungen nach Dienstreisegrundsätzen für die Zeit vom 01.01.- 31.12.1993 für insgesamt 192 Tage (4 Tage pro Woche X 48 Wochen) mit dem täglichen Pauschbetrag von 46 DM, mithin einen Gesamtbetrag von 8. 832 DM bei ihren Werbungskosten aus nichtselbstständiger Tätigkeit geltend.
Das Finanzamt berücksichtigte die geltend gemachten Verpflegungsmehraufwendungen nicht, sondern gewährte den Werbungskostenpauschbetrag in Höhe von 2. 000 DM.
Hiergegen richtet sich nach erfolglosen Vorverfahren die Klage.
Nach dem BMF-Schreiben vom 09.11.1994 (IV B 6 S 2338-14/94) gelte bei Dienst- und Geschäftsreisen in den neuen Bundesländern bis zum 31.12.1995 auch nach Ablauf der 3-Monatsfrist die auswärtige Tätigkeitsstätte nicht als regelmäßige Arbeitsstätte. Auch über die Dauer von 3 Monaten hinaus seien daher die Verpflegungsmehraufwendungen steuermindernd als Werbungskosten zu berücksichtigen.
Die Klägerin beantragt,
die geltend gemachten Verpflegungsmehraufwendungen in Höhe von 8. 832 DM steuermindernd zu berücksichtigen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Klägerin sei offenbar von Anfang an für die Tätigkeit in den neuen Bundesländern eingestellt worden. Die Tatsache, dass die Klägerin zunächst über einen Zeitraum von 1,5 Monaten (Probezeit) in A. beschäftigt gewesen sei, sei unerheblich. In diesem Fall sei daher die Regelung des BMF-Schreibens nicht anwendbar.
Beide Parteien haben ihr Einverständnis mit einer Entscheidung durch den Berichterstatter erteilt und auf mündliche Verhandlung verzichtet.
Gründe
Die Klage ist nicht begründet.
Aufwendungen, die durch eine Dienstreise verursacht sind, gehören zu den dienstlich veranlassten Werbungskosten im Sinne des § 9, Abs. 1 Satz 1 e EStG .
Eine Dienstreise liegt vor, wenn ein Arbeitnehmer aus dienstlichen Gründen in einer Entfernung von mindestens 15 km von seiner regelmäßigen Arbeitsstätte vorübergehend tätig wird. Danach muss eine von der tatsächlichen Arbeitsstätte abweichende regelmäßige Arbeitsstätte vorhanden sein bzw. es darf der neue Einsatzort nicht seinerseits zur alleinigen oder weiteren regelmäßigen Arbeitsstätte geworden sein. Nach der ständigen Rechtssprechung des BFH (hierzu BFH-Urteil vom 4.Mai 1990 VI R 156/86 , Bundessteuerblatt II 1990, 861) ist der Aufwand von Mehraufwendungen nach einer vorübergehenden Auswärtstätigkeit auf einen Zeitraum von 3 Monaten beschränkt.
Dieser Zeitraum war im Jahr 1993 bereits seit langem abgelaufen.
Die Klägerin beruft sich nun im Klageverfahren allerdings auf die Erlasse des BMF für Dienstreisen aus den alten Bundesländern in das Beitrittsgebiet. Danach (hierzu Bundessteuerblatt I 1991, 536 und 1022; Bundessteuerblatt I 1992, 627 und Bundessteuerblatt I 1994, 868) galt für Dienstreisen aus den alten Bundesländern in das Beitrittsgebiet in der Zeit vom 31.12.1991 bis zum 31.12.1995 die auswärtige Tätigkeitsstätte aus Billigkeitsgründen auch nach Ablauf der 3-Monatsfrist nicht als neue Arbeitsstätte, so dass Werbungskosten nach Dienstreisegrundsätzen abgezogen werden konnten. Es handelt sich dabei jedoch ausdrücklich um eine Billigkeitsregelung, die auf der Vorschrift des § 163 Abgabenordung beruht. Bei dieser Regelung handelt es sich um eine Billigkeitsmaßnahme, zu deren Beachtung auch die Steuergerichte gehalten sind. Im Hinblick auf die sich aus § 163 Abs.1 Satz 3, 348 Abs. 1 Nr.2 Abgabenordung ergebende Zweigleisigkeit von Veranlagungsverfahren einerseits und Billigkeitsverfahren andererseits allerdings können die Steuergerichte die Billigkeitsregelungen indessen nur in einem entsprechenden, die Billigkeitsentscheidung der Finanzbehörde betreffenden Klageverfahren berücksichtigen. In anderen Klageverfahren hingegen ist die Berücksichtigung einer Billigkeitsregelung verwehrt. Dies gilt unabhängig davon, ob die Gewährung der Billigkeitsregelung von der Finanzbehörde nach pflichtgemäßem Ermessen oder infolge Ermessenseinengung auf Null zwingend zu gewähren ist.
Das vorliegende Klageverfahren hingegen betrifft keine Billigkeitsentscheidung, sondern die Entscheidung des Finanzamts im eigentlichen Veranlagungsverfahren. Das Gericht kann deshalb nicht das Finanzamt dazu verpflichten, die Verpflegungsmehraufwendungen über die normale Dauer von 3 Monaten zu berücksichtigen.
Das Finanzamt hat ausdrücklich auch weder im Einkommensteuerbescheid 1993 noch im folgenden Rechtsbehelfsverfahren eine Billigkeitsentscheidung getroffen. Es hat ohne Berücksichtigung der Grundsätze des BMF-Schreibens bereits aus anderen Gründen eine Dienstreise abgelehnt und daher der Klägerin die steuerliche Berücksichtigung des Verpflegungsmehraufwandes verwehrt.
Die Klage kann daher keinen Erfolg haben.
Das Gericht hält es für geboten, die Klägerin allerdings darauf hinzuweisen, dass ein Antrag auf abweichende Steuerfestsetzung Billigkeitswege gemäß § 163 Abs. 1 Abgabenordnung an die Finanzbehörde gerichtet werden kann, um im Billigkeitswege eine abweichende Steuerfestsetzung zu erreichen.
Nach den vorlegten Unterlagen dürfte die Klägerin danach vom 01.01.1991 bis 28.02.1991 (siehe Arbeitsvertrag) ausschließlich in A. tätig gewesen sein. Nach den weiteren vorliegenden Bescheinigungen wurde sodann an vier Tagen in der Woche in C. gearbeitet. Dem Grunde nach dürften daher die Voraussetzungen für eine Billigkeitsregelung im Sinne des BMF-Schreibens vorliegen, es sei denn, das Finanzamt wird durch weitere Ermittlungen bei dem Arbeitgeber feststellen können, dass der Arbeitsvertrag von Anfang an fingiert worden ist.
Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen ( § 135 Finanzgerichtsordnung).