Finanzgericht Niedersachsen
Urt. v. 07.08.2002, Az.: 7 K 37/01
Anspruch eines Elternteils auf Gewährung der Eigenheimzulage für eine Wohnung im Zweifamilienhaus eines Kindes; Voraussetzungen für die Gewährung einer Eigenheimzulage; Notwendigkeit der Entgeltlichkeit des Erwerbes der Wohnung; Anforderungen für steuerliche Anerkennung von Verträgen zwischen nahen Angehörigen; Möglichkeit der Anerkennung von vor dem Abschluss des notariellen Kaufvertrages geleisteten Zahlungen als Kaufpreiszahlungen; Zulässigkeit der Anerkennung von Anschaffungskosten bei der Schuldübernahme für ein Darlehen im Innenverhältnis
Bibliographie
- Gericht
- FG Niedersachsen
- Datum
- 07.08.2002
- Aktenzeichen
- 7 K 37/01
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2002, 25125
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:FGNI:2002:0807.7K37.01.0A
Verfahrensgang
- nachfolgend
- BFH - 07.07.2005 - AZ: IX R 77/03
Rechtsgrundlage
- § 2 Abs. 1 EigZulG
Fundstellen
- BBV 2004, 4
- DStR 2004, X Heft 26 (Kurzinformation)
- DStRE 2004, 822-823
Redaktioneller Leitsatz
- 1.
Erwirbt eine Stpfl. eine Wohnung von ihrer Tochter, so können Kaufpreiszahlungen, die bereits vor Abschluss des notariellen Kaufvertrages geleistet worden sind, steuerrechtlich nicht als Kaufpreiszahlungen anerkannt werden, da unter fremden Dritten vorzeitige Zahlungen nicht üblich sind.
- 2.
Die Übernahme von Verpflichtungen, die über die vertraglichen Verpflichtungen aus dem Kaufvertrag hinausgehen, sind i.d.R. nur durch verwandtschaftliche Verbundenheit zu erklären und daher steuerlich unbeachtlich.
Tatbestand
Streitig ist, ob die Klägerin für eine Wohnung im Zweifamilienhaus ihrer Tochter und ihres Schwiegersohnes Eigenheimzulage beanspruchen kann.
Die Klägerin wohnt in W. zusammen mit ihrem Ehemann in einem eigenen Einfamilienhaus. Mit Kaufvertrag vom 29. Dezember 1998 hat sie einen 22/100stel Anteil am Erbbaurecht am Grundstück I. von ihrer Tochter und ihrem Schwiegersohn erworben. Mit diesem Anteil verbunden ist das Eigentum an einer Einliegerwohnung mit einer Größe von 57,8 qm. Der Kaufpreis betrug 140.000 DM. Das Haus in I. ist im Jahre 1999 fertig gestellt worden. Die Finanzierung der Wohnung erfolgte in Höhe von 120.000 DM durch Übernahme der Verpflichtungen aus einem Darlehensvertrag, den Tochter und Schwiegersohn bei der Sparkasse in O. abgeschlossen hatten; die restlichen 20.000 DM habe die Klägerin bereits gezahlt. Dazu hat die Klägerin Bankauszüge der S-Bank über vier Überweisungen von je 3.000 DM am 15. September, 5. Oktober, 17. November und 2. Dezember 1998 vorgelegt. Den Erhalt der restlichen 8.000 DM hat die Tochter der Klägerin unter dem 29. Dezember 1998 quittiert. Die Summe sei am 23. Juli 1998 vom Konto des Ehemannes der Klägerin abgehoben worden.
Für die Wohnung in I. beantragte die Klägerin Eigenheimzulage sowie den Zuschlag zur Eigenheimzulage für eine Solaranlage und ein Niedrigenergiehaus. Der Beklagte lehnte durch den angefochtenen Bescheid vom 27. März 2000 die Gewährung der Eigenheimzulage ab, da die Klägerin nicht nachgewiesen habe, dass sie Anschaffungskosten gehabt habe. Eine Freistellung ihrer Tochter und ihres Schwiegersohnes im Innenverhältnis reiche zur Annahme von Anschaffungskosten nicht aus.
Dagegen richtet sich die Klage, mit der die Klägerin vorträgt, die Einwendungen des Beklagten seien unberechtigt und ständen einer Gewährung der beantragten Eigenheimzulage nicht entgegen. Im übrigen sei die Finanzierungsgestaltung ab dem 1. August 2000 umgestellt worden; nunmehr habe sie, die Klägerin, zusammen mit ihrem Ehemann das Darlehen über 120.000 DM schuldbefreiend übernommen. Spätestens in diesem Zeitpunkt sei das Vertragsverhältnis in vollem Umfang wie unter fremden Dritten durchgeführt worden und somit auch steuerlich anzuerkennen.
Die Klägerin beantragt,
den Eigenheimzulage-Bescheid vom 27. März 2000 sowie die Einspruchsentscheidung vom 20. Dezember 2000 aufzuheben und der Klägerin ab 1999 eine jährliche Eigenheimzulage von 5.570 DM zu gewähren.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er hält an der im Einspruchsbescheid vertretenen Auffassung fest.
Gründe
Die Klage hat keinen Erfolg.
Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Gewährung der Eigenheimzulage für das Objekt in I.
Nach § 2 Abs. 1 EigZulG ist die Herstellung oder Anschaffung einer Wohnung in einem im Inland belegenen eigenen Haus oder einer im Inland belegenen eigenen Eigentumswohnung begünstigt. Die Voraussetzungen dieser Vorschrift liegen im Streitfall nicht vor. Eine Herstellung scheidet aus, da die Klägerin nicht Bauherrin war. Aber auch der Tatbestand der Anschaffung ist nicht gegeben, da die Klägerin die Wohnung nicht entgeltlich erworben hat.
Die Anerkennung von Verträgen zwischen nahen Angehörigen setzt voraus, dass der Leistungsbeziehung zwischen Eltern und Kindern Vereinbarungen zugrunde liegen, die den für die steuerliche Anerkennung von Verträgen zwischen nahen Angehörigen entwickelten Anforderungen genügen, d.h. sie müssen klar und eindeutig getroffen sein und nach Inhalt wie Durchführung dem zwischen Fremden Üblichen entsprechen, also dem sog. Fremdvergleich standhalten (insoweit ebenso: BFH-Urteil in BFHE 163, 190, BStBl II 1991, 305; s. im übrigen auch BFH-Urteile vom 25. Juli 1991 XI R 30, 31/89, BFHE 165, 89, BStBl II 1991, 842; vom 14. Dezember 1994 X R 215/93, BFH/NV 1995, 671, 672, und vom 26. Juni 1996 X R 1 55/94, BFH/NV 1997, 182; Beschluss des Bundesverfassungsgerichts - BVerfG - vom 7. November 1995 2 BvR 802/90, BStBl II 1996, 34, 36; zur Angemessenheit von Leistung und Gegenleistung im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses: BFH-Urteil vom 14. April 1988 IV R 225/85, BFHE 153, 224, BStBl II 1988, 670, unter I. 1.).
Dies schließt notwendigerweise strenge Mitwirkungs- und Nachweiserfordernisse ein (vgl die zuvor Zitierten), zumal es letztlich zumeist um die Aufklärung sog innerer Tatsachen geht, die im Wege einer Gesamtwürdigung an den im Einzelfall zugänglichen, äußerlich erkennbaren Merkmalen als Beweisanzeichen (Indizien) zu messen sind (vgl. BFH-Beschluss vom 27. November 1989 GrS 1/88, BFHE 158, 563, BStBl II 1990, 160, unter C. III. 3.; BVerfG-Beschluss in BStBl II 1996, 34, 36).
Dass auf diese Weise nach der ständigen BFH-Rechtsprechung (vgl außer den zuvor Zitierten in BFHE 158, 363, BStBl II 1990, 160, unter C Il. 1., mit den dortigen weiteren Nachweisen) Angehörigenverträge im Steuerrecht nur unter besonderen materiell-rechtlichen und verfahrensrechtlichen Voraussetzungen bedeutsam werden können, ist für die sachgerechte Beurteilung solcher Rechtsbeziehungen im Spannungsverhältnis zwischen § 4 Abs. 4 (bzw. § 9) EStG einerseits und § 12 EStG andererseits unerlässlich (BFH, a.a.O.).
Das BVerfG hat die Grundsätze und Kriterien dieser Rechtsprechung (im Beschluss in BStBl II 1996, 34 und in den Beschlüssen vom 19. Dezember 1995 2 BvR 1791/92, Neue Juristische Wochenschrift - NJW - 1996, 834, sowie vom 9. Januar 1996 2 BvR 1293/90, Zeitschrift für das gesamte Familienrecht 1996, 599, und 2 BvR 1451/90, Wertpapier-Mitteilungen 1996, 648) ausdrücklich (auch hinsichtlich des Art. 6 GG) für verfassungsrechtlich unbedenklich erklärt, und zwar mit der Begründung, hierdurch werde den innerhalb eines Familienverbandes typischerweise fehlenden Interessengegensätzen und der daraus resultierenden Gefahr des steuerlichen Mißbrauchs zivilrechtlicher Gestaltungsmöglichkeiten durch Angehörige (im dort zu entscheidenden Fall durch Ehegatten) Rechnung getragen.
Bei Anwendung dieser Rechtsgrundsätze auf den Streitfall gilt folgendes:
a.
Die von der Klägerin als Kaufpreisraten deklarierten Zahlungen an ihre Tochter und ihren Schwiegersohn im Gesamtbetrag von 20.000 DM können nicht als Kaufpreiszahlungen anerkannt werden, da sie vor Abschluss des notariellen Kaufvertrages geleistet worden sind. Derartige vorzeitige Zahlungen wären unter fremden Dritten nicht üblich. Die Zahlungen können deshalb nicht als Gegenleistung für die spätere Übertragung des Miteigentumsanteils angesehen werden. Sie erwecken eher den Eindruck elterlicher Unterstützung der Tochter im Stadium des Hausbaues. Ein Zusammenhang mit der am Jahresende vereinbarten Kaufpreiszahlung ist nicht zu erkennen.
b.
Aber auch die Schuldübernahme im Innenverhältnis bezüglich des Darlehens über 120.000 DM führt nicht zu anzuerkennenden Anschaffungskosten. Vor dem 1. August 2000 erfolgte keine Übernahme der Schuld nach außen. Eine solche Vertragsgestaltung, bei der der Verkäufer gegenüber dem Kreditinstitut Darlehensschuldner bleibt, wäre unter fremden Dritten nicht vorstellbar. Sie ist deshalb steuerlich unbeachtlich.
c.
Soweit die Klägerin ab dem 1. August 2000 die Vertragsgestaltung dahingehend geändert hat, dass nunmehr sie und ihr Ehemann die Darlehensschuld befreiend übernommen haben und alleinige Darlehensschuldner geworden sind, geht die Klägerin damit über ihre vertraglichen Verpflichtungen aus dem Kaufvertrag hinaus, denn zum einen sah der Kaufvertrag eine befreiende Schuldübernahme nicht vor, zum anderen hat der Ehemann der Klägerin eine Schuldverpflichtung übernommen, ohne eine eigene Gegenleistung zu erhalten. Auch eine solche Vertragsgestaltung ist nur dadurch zu erklären, dass die Beteiligten verwandtschaftlich verbunden sind.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.