Finanzgericht Niedersachsen
Urt. v. 29.08.2002, Az.: 12 K 732/96
Nichtbesteuerung des Sachbezugs für eine dem Landwirtssohn überlassene Landarbeiterwohnung
Bibliographie
- Gericht
- FG Niedersachsen
- Datum
- 29.08.2002
- Aktenzeichen
- 12 K 732/96
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2002, 14101
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:FGNI:2002:0829.12K732.96.0A
Rechtsgrundlagen
- § 4 Abs. 1 S. 2 EStG
- § 52 Abs. 15 S. 9 EStG
Fundstellen
- BBK 2003, 585
- EFG 2003, 758-759
- INF 2003, 365
- StuB 2003, 941
Redaktioneller Leitsatz
- 1.
Die dem Landwirtssohn überlassene Landarbeiterwohnung ist notwendiges Betriebsvermögen. Eine etwaige verbilligte oder unentgeltliche Überlassung steht dem nicht entgegen.
- 2.
Der Umstand, dass die Gestellung der Wohnung nicht als Sachbezug den Lohnsteuerabzug unterworfen wird, führt nicht zu einer Entnahme der Wohnung aus dem Betriebsvermögen.
Tatbestand
Die Kläger sind Eheleute. Der Kläger betrieb in den Streitjahren einen landwirtschaftlichen Betrieb. Die Kläger bewohnten das Wohnhaus in B. mit einer Wohnfläche von 228 qm mit ihren Kindern A. und U. sowie der Altenteilerin. Im Herbst 1986 bezogen die Kläger ein neu errichtetes Wohnhaus. Der 1963 geborene Sohn A.. bewohnte die Wohnung der Kläger in Größe von 153 qm seither allein und ab April 1987 mit seiner Ehefrau. Vorher hatte er dort Räumlichkeiten von 40 qm genutzt. Die Altenteilerin bewohnte Räume in Größe von 75 qm.
Der Sohn A. war von April 1985 bis Juni 1992 in dem Betrieb des Klägers als Arbeitnehmer tätig. Die Überlassung von Räumlichkeiten und Wohnung bei voller Kost wurde von April 1985 bis Oktober 1989 als Sachbezug dem Lohnsteuerabzug unterworfen. Die versteuerten Sachbezugswerte, seit der Heirat des Sohnes im April 1987 erhöht, ergeben sich aus den vorgelegten Lohnberechnungen. In Zeiten der Arbeitslosigkeit des Sohnes vom 15. November 1987 bis 15. April 1988 und vom 16. November 1988 bis 14. April 1989 wurde kein Sachbezugswert für die Wohnungsüberlassung erfasst. Sachbezüge für die Wohnungsüberlassung wurden letztmals im Oktober 1989 versteuert. Die Barbezüge wurden ab November 1989 von bisher 1.278,00 DM auf 1.728,00 DM monatlich erhöht.
Im Anschluss an eine Außenprüfung vertrat der Beklagte die Auffassung, die Wohnräume des Sohnes seien dem notwendigen Betriebsvermögen des Klägers zuzurechnen gewesen. Mit der unentgeltlichen Überlassung der Räume im November 1989 liege eine steuerpflichtige Entnahme vor. Den Teilwert des Wohngebäudes ermittelte der Beklagte mit ...DM. Den anteiligen Entnahmewert erfasste der Beklagte mit...DM (Gesamtwohnfläche 228 qm, anteilig 153 qm). Gegen die auf dieser Grundlage erteilten Einkommensteuerbescheide für die Streitjahre legten die Kläger erfolglos Einspruch ein.
Die Kläger tragen vor, der Sohn sei im elterlichen Betrieb als Arbeitnehmer tätig gewesen. Ein schriftlicher Arbeitsvertrag liege nicht vor. Der Kläger habe mit seinem Sohn eine Nettolohnvereinbarung getroffen. Daß die Überlassung von Wohnräumen an den Sohn und späteren Hoferben Bestandteil des Lohnes sein solle, sei nicht vereinbart worden. Früher sei es bei der landwirtschaftlichen Buchstelle Praxis gewesen, bei ledigen mithelfenden Familienangehörigen und fremden ledigen Arbeitnehmer die jeweils gültigen Beträge nach der Sachbezugsverordnung anzusetzen. Ende der achtziger Jahre sei mit den Lohnsteuerprüfern und Sachgebietsleitern besprochen worden, dass dieses Verfahren nicht richtig gewesen sein könne, weil auch anderen Kindern der Landwirte im Hause keine Miete für die Überlassung von Wohnräumen abgenommen würden, wenn sie selbst Geld verdienten. Daher sei die Versteuerung des Wertes für die Wohnraumüberlassung unterblieben.
Dass der Sohn in Zeiten der Arbeitslosigkeit keine Miete entrichtet habe, mache deutlich, dass die Wohnung unentgeltlich überlassen worden sei. Hierfür spreche zudem, dass der Sachbezugswert weniger als 50 v. H. und eher weniger als 10 v. H. des ortsüblichen Entgelts betragen habe.
Der Ansatz des Sachbezugswertes betreffe allenfalls die einzelnen Räume in Größe von 40 qm, die der Sohn anfangs genutzt habe. Erst nach dem Auszug der Kläger habe ihm die Wohnung voll zur Verfügung gestanden. Die gesamte Wohnung in Größe von 153 qm gelte daher auf den 01.01.1987 gemäß § 52 Absatz 15 Satz 9 EStG a. F. als steuerfrei entnommen. Die Gewinnerhöhung aus dem Entnahmevorgang sei zu korrigieren.
Der Beklagte hat die Einkommensteuerbescheide für 1989 und 1990 am 2. März 2001 geändert.
Die Kläger beantragen,
das zu versteuernde Einkommen für 1989 um...DM und für 1990 um...DM zu vermindern und die Einkommensteuer für die Streitjahre entsprechend herabzusetzen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Der Kläger und dessen Sohn hätten die Überlassung des Wohnraumes im Rahmen des Arbeitsverhältnisses gewollt, zumal die Versteuerung als Sachbezug erfolgt sei. Der Sachbezug sei sowohl für die Renten- als auch die Arbeitslosenversicherung zugrundegelegt worden. Die in der Sachbezugsverordnung vorgesehenen Beträge seien unabhängig von der Größe der überlassenen Räume verbindlich. Unerheblich sei, ob die Sachbezugswerte dem tatsächlichen Nutzungswert entsprochen hätten, jedenfalls dann, wenn - wie hier - die Sachbezüge mehr als 10 v. H. des Nutzungswertes ausgemacht hätten.
Gründe
Die Klage ist begründet. Der Beklagte ist zu Unrecht von der Entnahme des Wohngrundstücks ausgegangen.
1.
Zum Betriebsvermögen eines bilanzierenden Unternehmers im Sinne des § 4 Absatz 1 EStG gehören neben den unmittelbar für eigenbetriebliche Zwecke verwendeten Wirtschaftsgütern des notwendigen Betriebsvermögens auch Wirtschaftsgüter des sogenannten gewillkürten Betriebsvermögens. Dabei handelt es sich um solche Wirtschaftsgüter, die weder zum notwendigen Betriebsvermögen noch zum notwendigen Privatvermögen gehören und objektiv geeignet sowie vom Betriebsinhaber erkennbar dazu bestimmt sind, den Betrieb zu fördern. Dies gilt grundsätzlich auch für Land- und Forstwirte. Allerdings hat der Bundesfinanzhof für diese - ähnlich wie für Freiberufler - die Möglichkeit zur Willkürung von Betriebsvermögen wegen der Eigenart der betrieblichen Tätigkeit insoweit gegenüber Gewerbetreibenden eingeschränkt, als nur solche Wirtschaftgüter zum Betriebsvermögen gezogen werden dürfen, die vom Gegenstand her objektiv geeignet sind, dem land- und forstwirtschaftlichen Betrieb zu dienen und ihn zu fördern (vgl. BFH-Urteil vom 23. September 1999 IV R 12/98, BFH/NV 2000, 317).
2.
Die streitige Wohnung diente bis zum Jahre 1986 dem Kläger und seinen Angehörigen zu Wohnzwecken. Sie ist daher zutreffend als notwendiges Betriebsvermögen bilanziert worden. Die Überlassung der Wohnräume im Rahmen des Arbeitsverhältnisses mit dem im landwirtschaftlichen Betrieb beschäftigten Sohn des Klägers blieb ohne Einfluss auf die bilanzielle Behandlung. Als sogenannte Landarbeiterwohnung war die Wohnung nach wie vor notwendiges Betriebsvermögen. Eine etwaige verbilligte oder unentgeltliche Überlassung der Räume an den Sohn steht dem nicht entgegen (so zutreffend Schmidt-Seeger, Einkommensteuergesetz, Kommentar, § 13, 190 ("Landarbeiterwohnung", FG München, Urteil vom 23. Oktober 1992 8 K 3275/91). Sie war lediglich als lohnsteuerpflichtige Sachzuwendung des Klägers zu behandeln (vgl. BFH-Urteil vom 11. Oktober 1979 IV R 125/76, BStBl II 1980, 40). Hiervon sind die Beteiligten übereinstimmend bis einschließlich Oktober 1989 ausgegangen. Sie haben die Gestellung der Wohnung als Sachbezug dem Lohnsteuerabzug unterworfen und damit zum Ausdruck gebracht, dass sie einen Teil der vom Kläger zu erbringenden Gegenleistung im Rahmen des Arbeitsverhältnisses darstellen sollte. Eine Überlassung aus privaten Gründen war ersichtlich nicht gewollt, zumal der volljährige Sohn nicht mehr unterhaltsberechtigt war, weil er imstande gewesen ist, sich selbst zu unterhalten (§ 1602 Absatz 1 BGB). Somit wurde die Wohnung wie durch Vermietung an einen fremden Arbeitnehmer ihrer betrieblichen Zweckbestimmung entsprechend als Landarbeiterwohnung genutzt.
3.
Der Kläger unterwarf die Überlassung der Wohnung ab November 1989 nicht mehr dem Lohnsteuerabzug. Gleichwohl ist die Wohnung Betriebsvermögen geblieben, weil sie nicht notwendiges Privatvermögen geworden ist und auch nicht entnommen wurde.
Der Beklagte sieht die Entnahme der Wohnung in der unterlassenen Versteuerung eines Sachbezugswertes für die Wohnungsnutzung ab November 1989, obwohl der Sohn weiterhin im Betrieb des Klägers beschäftigt war. Die Überlassung der Wohnung sei seither nicht mehr aufgrund des Arbeitsverhältnisses, sondern aufgrund der familiären Beziehungen unentgeltlich erfolgt.
Der erkennende Senat folgt dieser Auffassung nicht. Dabei kann dahinstehen, ob die Versteuerung deshalb unterblieben ist, weil die Kläger - wie sie vortragen - die weitere Versteuerung des Sachbezugswertes für die Wohnungsüberlassung nicht für gerechtfertigt und die kostenfreie Überlassung deshalb für geboten hielten, weil dies der Praxis bei anderen nicht mithelfenden und nicht unterhaltsberechtigten Kindern entspreche. Aus dieser rechtlichen Einlassung kann nicht gefolgert werden, dass die Wohnung seither aus familiären Gründen und nicht aufgrund des Arbeitsverhältnisses zur Verfügung gestellt, mithin privat und nicht betrieblich genutzt werden sollte. Denn an den tatsächlichen Gegebenheiten hatte sich nichts geändert. Lediglich die Versteuerung des Sachbezugs war zu Unrecht unterblieben. Zwar verliert ein Grundstück seine Eigenschaft als notwendiges land- und forstwirtschaftliches Betriebsvermögen, wenn es nicht mehr betrieblich genutzt wird. Lässt sich aber eine (geänderte) Privatnutzung nicht feststellen, verbleibt es bei der bisherigen steuerlichen Behandlung.
a)
Die Wohnung war ursprünglich als Betriebsleiterwohnung und später als Landarbeiterwohnung dazu bestimmt und geeignet, den landwirtschaftlichen Betrieb zu fördern. Dieser Förderungszusammenhang blieb auch nach der geänderten lohnsteuerlichen Behandlung erhalten, zumal der Sohn nach wie vor als Arbeitnehmer in dem Betrieb des Klägers tätig war. Solange eine Wohnung einem Arbeitnehmer überlassen wird, der im Betrieb arbeitet, ist sie durch Einsatz als Landarbeiterwohnung geeignet, den Betrieb zu fördern. Diese enge Verbindung zum Betrieb dürfte es sogar rechtfertigen, das Grundstück weiterhin als notwendiges Betriebsvermögen zu beurteilen. Zumindest bleibt ein solches Grundstück objektiv geeignet und (bei hier vorliegender Bilanzierung) auch dazu bestimmt, dem Betrieb zu dienen. Die Voraussetzungen für die Beurteilung des Grundstücks als gewillkürtes Betriebsvermögen liegen vor.
b)
Eine Entnahme im Sinne des § 4 Absatz 1 Satz 2 EStG ist gegeben, wenn ein Wirtschaftsgut aus dem betrieblichen Bereich in den privaten Bereich übergeht. Sie setzt eine Entnahmehandlung voraus. Ausreichend hierfür ist schlüssiges Verhalten des Steuerpflichtigen, durch das die Verknüpfung des Wirtschaftsgutes mit dem Betriebsvermögen gelöst wird (vgl. BFH-Beschluss vom 7. Oktober 1974 GrS 1/73, BStBl. II 1975, 168). Ebensowenig wie die Erklärung der Mieteinnahmen bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung (vgl. BFH-Urteil vom 15. April 1993 IV R 12/91, BFH/NV 1994, 87) ist aber auch die bloße unzutreffende lohnsteuerliche Behandlung nicht als Entnahme zu beurteilen. Hierdurch hat der Kläger nicht eindeutig zum Ausdruck gebracht, das Grundstück aus dem Betriebsvermögen zu entnehmen. Die erforderliche unmissverständliche Klarheit hätte nur die gleichzeitige Ausbuchung bewirken können. Da die Willkürung eine innere Tatsache ist, kann sie nur anhand von Beweisanzeichen festgestellt werden. Sie ergibt sich insbesondere daraus, dass eine Erfassung des Wirtschaftsgurts in der Bilanz und eine Zuordnung der Aufwendungen und Erträge zu den Betriebsausgaben und -einnahmen stattgefunden hat (BFH-Urteil vom 23. September 1999 IV R 12/98, BFH/NV 2000,317). Tatsächlich hat der Kläger durch die fortgesetzte Bilanzierung von Wohnung mit zugehörigem Grund und Boden den fortgesetzt gewollten betrieblichen Zusammenhang verdeutlicht. Auch die Abschreibungen und sonstigen Gebäudeaufwendungen wurden als Betriebsausgaben behandelt.
4.
Das zu versteuernde Einkommen für die Streitjahre ist antragsgemäß herabzusetzen.
5.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Absatz 1 FGO. Die Nebenentscheidungen folgen aus § 151 Absatz 1 und 3 FGO in Verbindung mit §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.