Finanzgericht Niedersachsen
Urt. v. 13.08.2002, Az.: 6 K 646/99

Bilanzberichtigung als rückwirkendes Ereignis

Bibliographie

Gericht
FG Niedersachsen
Datum
13.08.2002
Aktenzeichen
6 K 646/99
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2002, 36221
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:FGNI:2002:0813.6K646.99.0A

Fundstellen

  • BBK 2003, 149
  • EFG 2003, 18-20

Redaktioneller Leitsatz

  1. 1.

    Für die Anwendung des § 233a Abs. 2a AO ist es unbeachtlich, ob eine bereits erfolgte Steuerfestsetzung aufgrund des rückwirkenden Ereignisses nach Maßgabe von § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO oder nach einer anderen Änderungsvorschrift geändert wurde, oder ob die Erstveranlagung noch aussteht und das rückwirkende Ereignis deshalb unmittelbar bei dieser berücksichtigt wurde.

  2. 2.

    Änderungsbescheiden aufgrund einer Außenprüfung liegen kein rückwirkende Ereignisse zugrunde, wenn Anlass für die Änderungen lediglich abweichende rechtliche Beurteilungen waren.

  3. 3.

    Die Berichtigung von Steuerbilanzen beinhaltet kein rückwirkendes Ereignis i.S.d. § 175 AO , da durch eine Bilanzberichtigung der der Besteuerung zugrunde liegende Sachverhalt nicht geändert sondern lediglich fehlerhafte Bilanzansätze durch die richtigen ersetzt werden. Die bloße Änderung der rechtlichen Beurteilung eines Sachverhaltes stellt kein rückwirkendes Ereignis dar.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten um den Beginn des Zinslaufes von Nachzahlungszinsen zur Körperschaftsteuer, die mit Änderungsbescheiden nach einer Außenprüfung festgesetzt wurden.

2

Die Klägerin wurde 1920 als GmbH gegründet. Das Stammkapital wurde mehrfach erhöht und beträgt z.Zt. ... DM. Gesellschafter sind". Gegenstand des Unternehmens ist die Erzeugung, Beschaffung, Fortleitung und Abgabe von Elektrizität und Gas, sowie der Bau und Betrieb von dazu dienenden Anlagen und von Anlagen, die dem öffentlichen Verkehr im Gebiet der Gesellschafter und deren Nachbargebiet dienen.

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Der Beklagte (das Finanzamt FA -) setzte die Körperschaftsteuer (KSt) für die Jahre 1990 1994 zunächst erklärungsgemäß und unter dem Vorbehalt der Nachprüfung fest. In der Zeit von Juni 1996 bis März 1998 führte das FA für Großbetriebsprüfung bei der Klägerin eine Außenprüfung für die Jahre 1990 1994 durch, die zu zwischen den Beteiligten unstreitigen - Gewinnkorrekturen führte. Diese beruhten im Wesentlichen auf der Kürzung von Pauschalwertberichtigungen auf Forderungen, der Verminderung von Gängigkeitsabschreibungen auf Ersatz- und Reservematerialien, der steuerlichen Nicht-Anerkennung einer Teilwertabschreibung auf Kohlebestände, der Kürzung der Rückstellung wegen gestundeter Versicherungsbeiträge und der Bilanzierung einer Erstattungsforderung wegen überzahlter Beiträge, Kürzung der Pensionsrückstellung und Anpassung von verschiedenen Steuerrückstellungen und "verbindlichkeiten. Hinsichtlich der Prüfungsfeststellungen im einzelnen wird auf den Bericht vom 8. Oktober 1998, insbesondere Tz 21 ff. (Steuerakte Betriebsprüfung, Berichte) Bezug genommen.

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Daraufhin erließ das FA unter dem 29. März 1999 geänderte Körperschaftsteuerbescheide für 1990 1994, die jeweils zu erheblichen Nachzahlungen führten. Gleichzeitig setzte das FA unter anderem Nachzahlungszinsen i.H.v. ... DM für 1990, ... DM für 1991 und ... DM für 1993 fest. Bei der Berechnung legte das FA als Beginn des Zinslaufes jeweils gem. § 233 a Abs. 2 Satz 1 Abgabenordnung (AO) den Zeitpunkt 15 Monate nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Steuer entstanden war, zugrunde.

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Nach erfolglosem Einspruchsverfahren wendet sich die Klägerin gegen die Berechnung der Nachzahlungszinsen mit der vorliegenden Klage. Sie ist der Ansicht, dass der Beginn des Zinslaufes nach § 233 a Abs. 2 a AO ermittelt werden müsse, da die Steuerfestsetzung, die zur Nachzahlung führe, auf einem rückwirkenden Ereignis beruhe. Somit beginne der Zinslauf erst 15 Monate nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem das rückwirkende Ereignis eingetreten sei. Als rückwirkendes Ereignis sei insoweit die Berichtigung der Steuerbilanzen anzusehen, die das FA nach Auswertung der Prüfungsfeststellungen vorgenommen habe. Dies sei jedoch erst 1999, frühestens Ende 1998, im Rahmen der Auswertung des Betriebsprüfungsberichts erfolgt, so dass der Zinslauf nicht vor dem 01.04.2000 habe beginnen können. Da der Zinslauf jedoch nach § 233 a Abs. 2 Satz 3 AO bereits mit Ablauf des Tages ende, an dem die Steuerfestsetzung wirksam werde, hier also im März 1999, sei der Zinslauf tatsächlich nicht in Gang gesetzt worden. Dementsprechend dürften keine Nachzahlungszinsen festgesetzt werden.

6

Die Berichtigung der Steuerbilanzen durch das FA als rückwirkendes Ereignis, auf dem die Steuerfestsetzung beruhe, reiche für die Anwendung des § 233 a Abs. 2 a AO aus. Auf das Vorliegen der übrigen Voraussetzungen des § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO komme es nicht an; die Bezugnahme auf § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO in § 233 a Abs. 2 a AO beschränke sich auf die Voraussetzungen eines rückwirkenden Ereignisses; sie bedeute nicht, dass auch die verfahrensrechtlichen Erfordernissen dieser Vorschrift erfüllt sein müssten.

7

Das FA hat die angefochtenen Zinsbescheide nach Klageerhebung mit Bescheiden vom 07.08.2000 nach § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO in der Weise geändert, dass die auf den jeweils streitigen Zeitraum entfallenden Zinsen für 1990 um"DM erhöht, für 1991 um ... DM gemindert und für 1993 um"DM erhöht wurden. Hinsichtlich dieser Änderungsbescheiden hat die Klägerin am 08.09.2000 den Antrag nach § 68 Finanzgerichtsordnung (FGO) alter Fassung gestellt.

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Den Änderungen liegt folgender Sachverhalt zugrunde: Die Klägerin ist eine von drei Gesellschafterinnen der G-GmbH. Zwischen den Gesellschafterinnen der G-GMBH und dieser selbst ist als Innengesellschaft zum Zwecke der gemeinsamen Beherrschung der G-GMBH die I-GbR zwischengeschaltet; an der GbR ist die Klägerin ebenso wie die beiden anderen Gesellschafterinnen zu je einem Drittel beteiligt. Am Gewinn und Verlust der GbR ist die Klägerin abweichend von dem Beteiligungsverhältnis zu 37 % beteiligt. Die G-GMBH und die I-GbR haben 1967 einen steuerlich anerkannten Beherrschungs- und Ergebnisabführungsvertrag zugunsten der GbR geschlossen. Die G-GMBH ist zum Teil über weitere Beteiligungen auf dem Gebiet der Energieerzeugung tätig.

9

Nach zwei Außenprüfungen bei der I-GbR für die Jahre 1989 1992 und 1993 1996 ergingen auch für die drei Streitjahre geänderte Gewinnfeststellungsbescheide. Die Änderungsbescheide für 1989 bis 1992 setzen die Prüfungsfeststellungen um und ergingen unter dem 26.07.1995. Dabei wurden die Einkünfte der GbR in 1990 und 1993 erhöht, in 1991 dagegen ermäßigt. Die Änderungen basierten auf Korrekturen des Einkommens der Organgesellschaft G-GMBH. Wegen der Einzelheiten wird auf die Betriebsprüfungsberichte vom 21.04.1995 (Bl. 86 ff. der Gerichtsakte) und vom 18.01.2000 (Bl. 138 ff. der GA) Bezug genommen. Den Ergebnisänderungen bei der G-GMBH lagen die Beurteilung von Bauaufwand als nachträgliche Herstellungskosten und die damit verbundenen geringeren Abschreibungssätze, die Ermäßigung von Rückstellungen, die Anpassung von Steuerrückstellungen und die Änderung von steuerlichen Ausgleichsposten wegen abweichender Ergebnisse der Beteiligungsgesellschaften zugrunde. Wegen der Einzelheiten wird auf die Betriebsprüfungsberichte vom 21.04.1995 (Bl. 46 ff. der GA) und vom 18.01.2000 (Bl. 103 ff. der GA) Bezug genommen.

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Hinsichtlich der Änderungsbescheide ist die Klägerin der Ansicht, dass auch die Zinserhöhungen der Jahre 1991 und 1993 auf rückwirkenden Ereignissen beruhten. Dies ergebe sich daraus, dass im Rahmen der Auswertung der Betriebsprüfungsberichte für die I-GbR zunächst deren Steuerbilanzen geändert wurden, bevor geänderte Bescheide über die gesonderte Gewinnfeststellung ergingen, die dann wiederum den geänderten Körperschaftsteuer- und Zinsbescheiden der Klägerin zugrunde lagen. Als rückwirkendes Ereignis sei insoweit die Berichtigung der Steuerbilanzen der I-GbR anzusehen. Auf eine Anpassung des Klageantrags 1993 werde jedoch verzichtet, da das Finanzamt in M. in einem Ergänzungsbescheid zum gesonderten einheitlichen Gewinnfeststellungsbescheid für 1993 vom 09.01.2002 festgestellt habe, dass von den geänderten Besteuerungsgrundlagen 0 DM auf ein eingetretenes rückwirkendes Ereignis entfielen und gegen diesen Bescheid Einspruch eingelegt worden sei.

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Die Klägerin beantragt,

  1. die Zinsbescheide zur Körperschaftsteuer 1990, 1991 und 1993 vom 29.03.1999, in Gestalt der Einspruchsbescheide vom 09.07.1999 und der Änderungsbescheide vom 07.08.2000 insoweit zu ändern, wie im Zinsbescheid für 1990 Nachzahlungszinsen i.H.v. 188. 016 DM, im Zinsbescheid für 1991 bei der Ermittlung der Erstattungszinsen Nachzahlungszinsen i.H.v. 23. 184 DM und im Zinsbescheid für 1993 Nachzahlungszinsen i.H.v. 504. 480 DM festgesetzt bzw. berücksichtigt werden.

12

Der Beklagte beantragt,

  1. die Klage abzuweisen.

13

Er hält an seiner in der Einspruchsentscheidung vertretenen Rechtsauffassung fest. Insbesondere liege in der Bilanzberichtigung kein rückwirkendes Ereignis. Dieser Fall sei insoweit mit den von der Klägerin angeführten und den Gerichten entschiedenen Fällen der Rückwirkung von offenen Gewinnausschüttungen nicht vergleichbar. Weiterhin sei zu berücksichtigen, dass die Klägerin durch die geänderte höhere Steuerfestsetzung genau den Liquiditätsvorteil gehabt habe, den der Gesetzgeber mit der Regelung des § 233 a AO abschöpfen wollte.

Gründe

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I. Die Klage ist unbegründet. Das FA hat bei der Festsetzung der Nachzahlungszinsen den Beginn des Zinslaufes zu Recht 15 Monate nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Steuer entstanden ist ( § 233 a Abs. 2 Satz 1 AO), angenommen.

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1. Nach § 233 a Abs. 1 Satz 1 AO sind Zinsen auf Steuern zu leisten, wenn die Festsetzung der Steuern zu einer Steuernachzahlung oder "erstattung führt. Maßgebend für die Zinsberechnung ist der Unterschiedsbetrag zwischen der festgesetzten Steuer einerseits und den anzurechnenden Steuerabzugsbeträgen, der anzurechnenden KSt und den bis zum Zeitpunkt des Zinslaufs festgesetzten Vorauszahlungen andererseits ( § 233 a Abs. 3 Satz 1 AO), wobei der Zinslauf 15 Monate nach Ablauf des Kalenderjahres beginnt, in dem die Steuer entstanden ist ( § 233 a Abs. 2 Satz 1 AO). Soweit die Steuerfestsetzung auf der Berücksichtigung eines rückwirkenden Ereignisses (§ 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 und Abs. 2 AO) beruht, beginnt der Zinslauf abweichend hiervon 15 Monate nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem das rückwirkende Ereignis eingetreten ist. Diese Abweichung ergibt sich aus der durch das Jahressteuergesetz 1997 in die AO eingeführten Regelung in § 233 a Abs. 2 a AO . In einem derartigen Fall ist der für die Zinsberechnung maßgebliche Unterschiedsbetrag in der Weise zu ermitteln, dass er in Teil-Unterschiedsbeträge mit jeweils gleichem Zinslaufbeginn aufzuteilen ist; für jeden Teil-Unterschiedsbetrag sind Zinsen gesondert und in der zeitlichen Reihenfolge der Teil-Unterschiedsbeträge zu berechnen, beginnend mit den Zinsen auf den Teil-Unterschiedsbetrag mit dem ältesten Zinslaufbeginn ( § 233a Abs. 7 Satz 1 AO). Die gesetzliche Neuregelung findet erstmals in jenen Fällen Anwendung, in denen das rückwirkende Ereignis nach dem 31. Dezember 1995 eingetreten ist (Art. 97 § 15 Abs. 8 des Einführungsgesetzes zur AOEGAO i.d.F. des Jahressteuergesetzes 1997; vgl. BFH-Urteile vom 18.05.1999 I R 60/98 , BFHE 188, 542BStBl II 1999, 634 [BFH 18.05.1999 - I R 60/98] ; vom 29.11.2000 I R 18/00, HFR 2001, 943 ; vom 29.11.2000 I R 45/00, BFHE 193, 500BStBl II 2001, 326 [BFH 29.11.2000 - I R 45/00]).

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Unter Beachtung dieser Grundsätze hat das FA den Beginn des Zinslaufes für die Nachzahlungszinsen KSt 1990 zu Recht am 01.04.1992, für die Nachzahlungszinsen zur KSt 1991 zu Recht am 01.04.1993 und für die Nachzahlungszinsen zur KSt 1993 zu Recht am 01.04.1995 angenommen.

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2. Die Voraussetzungen für die Annahme eines abweichenden Beginns des Zinslaufes nach § 233 a Abs. 2 a AO liegen nicht vor.

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a) Zwar ist der Klägerin insoweit zuzustimmen, als dass es für die Anwendung des § 233 a Abs. 2 a AO unbeachtlich ist, ob eine bereits erfolgte Steuerfestsetzung aufgrund des rückwirkenden Ereignisses nach Maßgabe von § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO oder nach einer anderen Änderungsvorschrift geändert wurde oder ob die Erstveranlagung noch aussteht und das rückwirkende Ereignis deshalb unmittelbar bei dieser berücksichtigt wurde. Die Bezugnahme auf § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 und Abs. 2 AO in § 233 a Abs. 2 a AO beschränkt sich auf die Voraussetzung des rückwirkenden Ereignisses; sie bedeutet nicht, dass auch die verfahrensrechtlichen Erfordernisse dieser Vorschrift erfüllt sein müssten (B FH-Urt. v. 18.05.1999 I R 60/98 , BFHE 188, 542BStBl II 1999, 634 [BFH 18.05.1999 - I R 60/98]).

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b) Die Steuerfestsetzung beruht jedoch in keinem Streitjahr und auch nicht teilweise auf einem rückwirkenden Ereignis i.S.d. § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 und Abs. 2 AO .

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Unter einem Ereignis i.S. von § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 und § 233 a Abs. 2 a AO ist jeder rechtlich relevante Vorgang zu verstehen. Dazu gehören Tatsachen des Lebenssachverhalts, aber auch rechtliche Vorgänge, wie die Einwirkung auf oder durch Rechtsgeschäfte, Rechtsverhältnisse, Gerichtsentscheidungen und Verwaltungsakte, soweit sie den der Besteuerung zugrunde liegenden Sachverhalt verändern (Kruse/Loose in Tipke/Kruse, Kommentar zur AO , 95. Lieferung, Juli 2001, § 175,Tz. 25). Die Frage, ob ein Ereignis steuerlich zurückwirkt, ist kein Problem des Verfahrensrechts, sondern des Steuerschuldrechts und damit des materiellen Rechts (Kruse/Loose, a.a.O., Tz. 22 m.w.N.). Dies gilt in den Fällen des § 233 a Abs. 2 a AO ebenso wie in denen des § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO (vgl. BFH-Urt. v. 18.05.1999 I R 60/98 , a.a.O.).

21

Den aufgrund der Feststellungen der bei der Klägerin durchgeführten Außenprüfung erlassenen Steueränderungsbescheiden für 1990, 1991 und 1993 liegen keine rückwirkenden Ereignisse zugrunde. Anlass für die von der Außenprüfung vorgenommenen Gewinnkorrekturen und für die daraufhin erlassenen Änderungsbescheide waren von den Ansichten der Klägerin abweichende rechtliche Beurteilungen der in den Streitjahren verwirklichten Sachverhalte, wie z.B. der angemessene Prozentsatz von Pauschalwertberichtigungen auf Forderungen, die Höhe der Gängigkeitsabschreibungen auf Ersatz- und Reservematerialien, die Bewertung der verhandelnden Kohlebestände der zeitlich und betragsmäßig zutreffende Ansatz von Rückstellungen und die Anpassung der Steuerrückstellungen- und verbindlichkeiten. Hinsichtlich all dieser Änderungen hatte sich der in den Streitjahren verwirklichte Sachverhalt, den auch die Klägerin ihrer Bilanzierung zugrunde gelegt hatte, nicht geändert. Da somit kein veränderter an die Stelle des zuvor verwirklichten Sachverhalts der Besteuerung unterworfen worden ist, beruhen die Änderungen auch nicht auf einem rückwirkenden Ereignis.

22

c) Entgegen der Auffassung der Klägerin liegt in der Berichtigung der Steuerbilanzen selbst für die Streitjahre bezogen auf das jeweilige Streitjahr nach den dargestellten Grundsätzen kein rückwirkendes Ereignis i.S. der genannten Vorschriften.

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aa) Bei der Berichtigung der Steuerbilanzen für 1990, 1991 und 1993 wurden fehlerhafte Bilanzansätze durch die richtigen ersetzt. Dadurch wurde jedoch der der Besteuerung zugrunde liegende Sachverhalt nicht geändert. Die Bilanzberichtigungen stellen bezogen auf das jeweilige Streitjahr einen Teil der Rechtsanwendung dar. Ein (rückwirkendes) Ereignis liegt aufgrund der Sachverhaltsbezogenheit dieses Merkmals nicht vor, wenn sich nur die rechtliche Beurteilung des Sachverhalts geändert hat (B FH-Urt. v. 19.08.1999 IV R 73/98 , BFHE 190, 5 ; BStBl II 2000, 18 [BFH 19.08.1999 - IV R 73/98]). Da den Bilanzberichtigungen nur eine jeweils andere rechtliche Beurteilung des Sachverhaltes zugrunde liegt, stellen diese keine rückwirkenden Ereignisse dar.

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bb) Die Klägerin kann sich auch nicht mit Erfolg auf das BFH-Urteil vom 19.08.1999 IV R 73/98 (a.a.O.) berufen. Dort hat der BFH entschieden, dass wenn ein für das Betriebsvermögen am Schluss des Wirtschaftsjahres maßgebender Wertansatz korrigiert wird, der sich auf die Höhe des Gewinns eines Folgejahres auswirkt, dies ein Ereignis mit steuerlicher Rückwirkung hinsichtlich der Veranlagung für das Folgejahr darstelle. Insoweit stelle die Korrektur eines Wertansatzes des Vorjahresendvermögens nicht lediglich eine andere rechtliche Beurteilung dar, sondern ein Ereignis mit Wirkung für die Vergangenheit, dass sich auf den der Besteuerung für das Folgejahr zugrunde liegenden Sachverhalt auswirke. Das Betriebsvermögen am Schluss des vorangegangenen Wirtschaftsjahres sei daher materiell-rechtliches Tatbestandsmerkmal des Steueranspruchs für das Folgejahr und damit Teil des Sachverhalts, der dieser Steuerfestsetzung zugrunde liege. Nicht ausschlaggebend sei, dass sich der Sachverhalt, der Anlass für die Korrektur des Wertansatzes sei, sich als solcher geändert habe.

25

Es kann dahinstehen, ob der Senat sich dieser Ansicht in vollem Umfang anschließt (wie der BFH z.B. Schmidt/Heinicke, Einkommensteuergesetz , 21. Aufl., § 4 Rz. 688; Wacker in Blümich, Einkommensteuergesetz , Körperschaftsteuergesetz , Gewerbesteuergesetz , § 4 EStG Rz. 334; Szymczak in Koch, Abgabenordnung , 5. Aufl., § 175 Rz. 11; Kühn/Hofmann, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, 17. Aufl., § 175 AO 1977 Bem. 3b; v. Wedelstädt in Beermann, Steuerliches Verfahrensrecht, § 175 AO 1977 Rz. 52 m.w.N.; anderer Ansicht Kruse/Loose in Tipke/Kruse, a.a.O., § 175 Tz. 39; Frotscher in Schwarz, AO , § 173 Rz. 28; Stapperfend in Herrmann/Heuer/Raupach, ESt- und KStG , Kommentar, 21. Auflage, § 4 EStG Anm. 379). Auch wenn die Berichtigung der Bilanz des Vorjahres für das Folgejahr über den Bilanzenzusammenhang ein Sachverhaltselement darstellt, dass der Besteuerung für das Folgejahr zugrunde zu legen ist, so gilt dies nicht bezüglich des Jahres, für das die Bilanz berichtigt wird. Die Bilanz des Veranlagungsjahres ist kein Sachverhaltselement dieser Veranlagung, sondern das Ergebnis rechtlicher Würdigung der in diesem Jahr verwirklichten steuerrelevanten Umstände.

26

cc) Eine Bilanzberichtigung kommt somit nach der Rechtsprechung des BFH nur insoweit als rückwirkendes Ereignis in Betracht, als die Steuerfestsetzung eines Jahres auf einer Bilanzberichtigung des Vorjahres beruht (B FH-Urteil vom 19.08.1999 IV R 73/98 , a.a.O.). Dies bedeutet, dass ein abweichender Zinslauf nach § 233a Abs. 2a AO nur insoweit eingreift, als eine Bilanzberichtigung in einem der Vorjahre zu einer erhöhten Steuerfestsetzung in einem Folgejahr und damit in einem der drei Streitjahre geführt hat. Diese Voraussetzung ist jedoch in keinem der drei Streitjahre gegeben.

27

Soweit das Betriebsvermögen durch die Korrektur von Bilanzansätzen der jeweiligen Vorjahre vermindert wurde (z.B. durch die Anpassung von Steuerrückstellungen), wurden diese Bilanzansätze in den jeweiligen Folgejahren in mindestens gleicher Höhe fortgeführt. Daher ergaben sich insoweit durch die geänderten Bilanzansätze der Vorjahre keine Gewinnänderungen in den Streitjahren, so dass es in diesem Umfang bereits an einem rückwirkenden Ereignis fehlt.

28

Soweit das Betriebsvermögen durch die Korrektur von Bilanzansätzen der jeweiligen Vorjahre erhöht wurde (z.B. durch Erhöhung von Aktivposten wie Forderungen, Ersatz- und Reservermaterial sowie der Kohlebestände), führt diese Erhöhung über den Bilanzenzusammenhang zu einem erhöhtem Anfangsbestand im Folgejahr und damit zu einer Gewinnminderung im Folgejahr/Streitjahr. Diese Gewinnminderung beruht nach der o.g. Rechtsprechung des BFH auf einem rückwirkenden Ereignis. Sie führt jedoch im Folgejahr/Streitjahr zu einer entsprechend geringeren Steuerfestsetzung. Insoweit hätte das FA bei der Berechnung der Zinsen jeweils eine Aufteilung nach § 233 a Abs. 7 AO in der Weise vornehmen müssen, dass für die geänderte Steuerfestsetzung, soweit sie auf der beschriebenen Steuerminderung beruht, Erstattungszinsen nach dem abweichenden Zinslauf hätte berechnen müssen; für die erhöhte Steuerfestsetzung, die auf der Änderung von Bilanzansätzen im jeweiligen Streitjahr selbst beruht, ist dagegen die Berechnung nach dem normalen Zinslauf nach § 233a Abs. 2 Satz 1 AO vorzunehmen. Dies gilt unabhängig davon, ob die Änderungen im Streitjahr dieselben Bilanzansätze betrifft, die auch im Vorjahr korrigiert worden waren.

29

Die Anwendung dieser Grundsätze führt vorliegend dazu, dass der Zinslauf für einen die tatsächliche Nachzahlung übersteigenden Betrag zu dem jeweils früheren Zeitpunkt (01.04.1992, 01.04.1995 und 01.04.1995) beginnt, während der Zinslauf für die auf die Steuerminderung entfallenden gegenzurechnenden Erstattungszinsen nach § 233 a Abs. 2a AO erst zu einem späteren Zeitpunkt (15 Monate nach der jeweiligen Bilanzberichtigung des Vorjahres), bzw. wegen des früheren Ende des Zinslaufes gar nicht beginnt. Die sich hieraus ergebende Zinsbelastung wäre für die Klägerin höher als die vom FA festgesetzte, so dass es der Klägerin insoweit an einer Beschwer fehlt.

30

3. Soweit sich die Klägerin gegen die Erhöhung der Zinsen zur Körperschaftsteuer 1990 für den Zeitraum vom 01.04.1992 31.03.1996 von 169. 704 DM um 18. 312 DM auf 188. 016 DM durch den Änderungsbescheid vom 7. August 2000 wendet, ist die Klage ebenfalls unbegründet.

31

Auch insoweit kommt die Zinsberechnung nach einem abweichenden Beginns des Zinslaufes nicht in Betracht. Es fehlt bereits an der Anwendbarkeit des § 233 a Abs. 2 Satz 1 AO . Diese Regelung des geänderten Beginns des Zinslaufs bei Steuerfestsetzungen, die auf rückwirkenden Ereignissen beruhen, ist erstmals in jenen Fällen anzuwenden, in denen das rückwirkende Ereignis nach dem 31. Dezember 1995 eingetreten ist (A rt. 97 § 15 Abs. 8 EGAO i.d.F. des Jahressteuergesetzes 1997). Es kann somit dahinstehen, ob die Berichtigung der Bilanz der I-GbR auf den 31.12.1990 und deren Umsetzung in einen geänderten Gewinnfeststellungsbescheid für die Steuerfestsetzung der Klägerin ein rückwirkendes Ereignis darstellt; denn die Bilanzberichtigung erfolgte spätestens mit Übernahme der Ergebnisse des Betriebsprüfungsberichts vom 21.04.1995 im geänderten Gewinnfeststellungsbescheid vom 26.07.1995 und damit nicht nach dem 31. Dezember 1995. Gleiches gilt für die Überlegung, ob die Berichtigung der Bilanz der I-GbR auf den 31.12.1989 (Vorjahr) für das Streitjahr 1990 (Folgejahr) ein rückwirkendes Ereignis darstellen kann (s.o. 2 c) cc)), da diese Bilanzberichtigung zu selben Zeit wie die des Jahres 1990 und damit bereits im Jahr 1995 erfolgte.

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II. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO . Die Zulassung der Revision beruht auf § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO . Die Frage, in welchem Umfang Bilanzberichtigungen als rückwirkende Ereignisse i.S. der §§ 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 und 233 a Abs. 2 a AO anzusehen sind, hat grundsätzliche Bedeutung.